Protokoll der Sitzung vom 11.06.2012

sondert wird, um alle Einwände zum Verstummen zu bringen.

Das Internet wurde hier im Zusammenhang mit Bürgerrechten gebracht. Natürlich soll das Internet die Meinungsfreiheit garantieren. Es soll keine Zensur stattfinden. Aber es gibt zum Beispiel auch das Grundrecht auf Eigentum, und das muss natürlich im Internet geschützt werden. Insofern gibt es verschiedene Freiheiten, die nicht zu einer Freiheit zusammenzufassen sind, sondern auch Freiheiten, die gegeneinander stehen. Hier kommt es letztendlich auf einen Ausgleich dieser unterschiedlichen oder auch gegensätzlichen Freiheiten an.

Wir kommen, wenn wir eine Lösung finden wollen, nicht drum herum, dort Kontrollinstrumente zu schaffen. Wenn ich von Kontrollen rede, dann lege ich gleichzeitig Wert darauf, dass man Unterscheidungen trifft, nämlich die Unterscheidung zwischen Regeln und Inhalten. Nicht die Inhalte sollen nach Auffassung der NPD-Fraktion kontrolliert werden, aber Regeln müssen sein und Regeln müssen auch durchgesetzt werden. Ansonsten sind die Regeln nichts wert.

Hier muss letztendlich eine Lösung ansetzen. Der Vorschlag, eine Pauschalregulierung zu schaffen, um geistiges Eigentum sozusagen zu entlohnen, ist sicherlich eine praktikable Lösung. Auf der anderen Seite folgen aus diesem Lösungsvorschlag noch andere Probleme. Wenn ich eine solche Pauschale habe, dann besteht auch das Problem der Verteilungsmechanismen, auch der Verteilungsgerechtigkeit. Auch das ist dann noch zu regeln.

Es ist ein ganzer Rattenschwanz, bei dem, soweit ich dieses Sachthema überblicke, vieles noch nicht richtig formuliert ist, geschweige denn, dass Lösungen da sind. Insofern steht die heutige Debatte sicherlich nur in einem Rahmen, in dem man ein Problem beschreibt, man aber wahrscheinlich zugeben muss, dass man die Lösungen noch nicht gefunden hat. Wir können dann die Zeit nutzen, vielleicht mit dem Erkenntnisgewinn, dass wir noch an einer Lösung arbeiten müssen, hier Lösungen zu schaffen.

Danke schön für die Aufmerksamkeit.

Wir gehen in die zweite Runde. Es beginnt wieder die CDU-Fraktion, Herr Abg. Clemen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vieles von dem, was meine Vorredner gesagt haben, insbesondere Aline Fiedler und Nico Tippelt, ist genau das, was wir beachten sollten, was auch die Grundlage unserer Debatte für die nächsten Wochen und Monate sein sollte und sein wird.

Betrachten wir einmal Folgendes: Wie wäre denn die Situation, wenn alles geistige Eigentum zum Nulltarif im Internet zu haben wäre? Was würde passieren? Das Netz lebt im Wesentlichen davon, dass wir einen Content haben, also etwas, was irgendjemanden interessiert, um es aufzurufen. Es gibt verschiedene Gründe, weshalb jemand

im Internet etwas einstellt. Eine der wesentlichen Triebfedern dafür ist, damit Geld zu verdienen oder einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen.

Was würde passieren, wenn dieser Content grundsätzlich und völlig kostenlos wäre? Das Internet und der Content würden an Relevanz verlieren und an irgendeiner Stelle – ich denke, sehr bald, andere sind der Meinung, es würde länger dauern – in die Beliebigkeit und in die Banalität abgleiten. Um das zu verhindern, ist es notwendig, geistiges Eigentum zu schützen und das Urheberrecht an geistigem Eigentum zu schützen. Eine „Geiz-ist-geilMentalität“, liebe Freunde, können wir uns als rohstoffarmes und auf geistige Leistung angewiesenes Land auf keinen Fall leisten.

(Beifall der FDP und der Abg. Aline Fiedler, CDU)

Ziel des Urheberrechts muss es sein, kreative Leistungen zu schützen und eine Balance zwischen Eigentumsschutz und Freiheit zu finden. Geistiges Eigentum ist Eigentum und muss auch als Eigentum geschützt werden, denn die große Frage ist: Was ist denn im Internet wirklich gratis? Was wird uns nur als gratis vorgegaukelt und ist in Wirklichkeit eine Botschaft, hinter der sich verschiedene Werbeträger und kommerzielle Interessen verbergen oder verbergen werden, weil wir erst mal als User angelockt werden sollen, um bestimmte Seiten aufzurufen und dann mit speziellen Produktinformationen und anderen interessanten Themen konfrontiert zu werden?

Nun ist das ACTA-Abkommen gescheitert. Wir haben es bereits erwähnt. Ich möchte einige Daten und Fakten, die in diesem Zusammenhang nicht ganz uninteressant sind, nennen.

Im Jahr 1991 wurde das World Wide Web für jedermann eingeführt, im Jahr 1993 Netscape. Im Jahr 1994 wurde die TRIPS-Vereinbarung noch ohne digitale Rechte geschlossen und mit dem Beginn der Videokonferenz zum digitalen Urheberrecht begonnen. Im Jahr 1996 wurden die WIPO-Verträge unterzeichnet, das digitale Urheberrecht auf internationaler Ebene geregelt. Die Tendenz damals war: ausschließlich Rechte, keine besonderen Schranken, keine Regeln für Verwertungsgesellschaften.

Im Jahr 2001 tritt die EU-Informationsrichtlinie in Kraft und übernimmt die WIPO-Ansätze. Im Jahr 2004 kommt die Umsetzung des TRIPS-Abkommens in der EU durch die sogenannte Durchsetzungsrichtlinie und bereits im Jahr 2006 – das ist jetzt entscheidend – beginnen die ersten ACTA-Beratungen. Im Jahr 2008 beginnen die offiziellen Verhandlungen zu ACTA.

Im Jahr 2010 betritt der Tablet-Computer den Markt. Mobile Dienste für die Massen sind nahezu überall und rund um die Uhr zu günstigen Konditionen abrufbar. Die ersten Entwurfstexte werden geliebt.

Im Januar 2012 wird das ACTA-Abkommen durch die EU unterzeichnet und letzte Woche durch das EU-Parlament abgelehnt.

Meine Redezeit ist leider gleich zu Ende, deshalb würde ich nur die kritischen Paragrafen kurz aufführen. Das sind der Artikel 9 Abs. 1, der Artikel 11 Abs. 1, der Artikel 23, der Artikel 27 und weitere Durchführungsbestimmungen. Deswegen muss es die Botschaft sein: ACTA ist gescheitert, jedoch brauchen wir etwas Ähnliches wie ACTA, das allerdings nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen schießt, sondern an der einen oder anderen Stelle weitere Freiheitsbegriffe einführt und die Spielregeln etwas günstiger zugunsten der User definiert.

Prof. Peifer hat das so definiert: „Ein übermäßiger Schutz allzu banaler Leistungen gefährdet den Respekt, den das Anliegen, kreative Leistungen zu schützen, verdient hat."

Hierin liegt der eigentliche Konflikt, den es zu lösen gilt. Ich halte Prof. Peifer für einen wesentlichen Begleiter dieses Prozesses und glaube auch, dass der Satz, den ich hier zitiert habe, –

Ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

– uns als Leitschnur für die nächsten Wochen und Monate bei der Neudefinition dienen sollte, die wir heute mit dieser Debatte eröffnet haben und die uns die nächsten Wochen und Monaten beschäftigen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Gibt es für die FDP-Fraktion noch Redebedarf? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte jetzt die Fraktion DIE LINKE, Herr Abg. Neubert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Kommentierung zu dem, was Herr Clemen hinsichtlich der Frage, wenn Content kostenlos ist, dann wird es per se an Wert verlieren, gesagt hat.

Man könnte es differenzierter betrachten. Es gibt tatsächlich Beispiele. Das sind professionelle Anbieter, die damit auch Geld verdienen und das als Konzept haben. Sie stellen ihre künstlerisch kreativen Leistungen ganz bewusst kostenlos im Netz kostenlos zur Verfügung, um damit die schnelle Verbreitung und einen Zugewinn an Popularität für ihre Unternehmen zu nutzen. Das sollte man durchaus mit bedenken.

Eine Zwischenfrage? – Bitte, Herr Clemen.

Eine ganz kurze Intervention dazu. Ich meinte, wenn Content generell kostenlos wäre und nicht als Einzelfall.

Gut, das wäre dann die differenziertere Betrachtung.

Das ist zwar keine Zwischenfrage, sondern nur eine Meinung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde hat den Titel „Geistiges Eigentum schützen – Anpassung des Urheberrechtes an das Internetzeitalter“. Ich hatte im Vorfeld darüber nachgedacht, was der Grund dafür sein könnte.

(Aline Fiedler, CDU, unterhält sich mit Dr. Matthias Rößler, CDU)

Frau Fiedler ist intensiv ins Gespräch vertieft.

(Aline Fiedler, CDU: Ich höre zu!)

Was könnte der Grund sein? Ist es das Thesenpapier der CDU/CSU-Fraktion oder ist es möglicherweise – ich habe es vorhin schon angesprochen – der Referentenentwurf zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage – was zu diesem Titel auch hervorragend passen würde und vom Bundesjustizministerium – immerhin in FDP-Hand – veröffentlicht wurde?

Ich möchte an dieser Stelle einmal deutlich machen, was geplant ist und was das für die reale Welt der Internetnutzung bedeutet. Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage beinhaltet, dass die Nutzung von kleinsten Wortfetzen aus Presseerzeugnissen durch Suchmaschinen wie Google oder News-Aggregatoren künftig lizenzpflichtig und damit kostenpflichtig ist. Das heißt, für Presseverleger existiert das ausschließliche Recht der öffentlichen Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen oder Teilen davon.

Die Begründung des Referentenentwurfes nimmt explizit Bezug auf das Urteil des Bundesgerichtshofes „Metall auf Metall“ von 2008. Das ist deswegen interessant, weil sie im Bereich von Leistungsschutzrechten im Tonträgerbereich kleinste Tonsequenzen als eine Rechteverletzung anerkannt haben, was in der logischen Konsequenz auf Wortfetzen bzw. Satzfetzen zu übertragen ist. Was bedeutet das für die Praxis?

Wenn ein solches Gesetz eingeführt würde, wäre bereits die Übernahme der Überschrift aus einem Presseartikel abgabepflichtig, wenn man im Internet darauf hinweist – vorausgesetzt für gewerbliche Zwecke. Dieser Bereich ist sehr schlecht definiert. Darauf komme ich später zurück. Das heißt, es wäre in Zukunft nur noch eine bloße Verlinkung möglich, keinesfalls aber eine Verlinkung mit der Überschrift, was eine Verlinkung sinnlos macht.

Die Definition „für gewerbliche Nutzung“ ist so gefasst, dass es gewerbliche Nutzung im klassischen Sinne betrifft, aber auch gewerbliche Nutzung, die im Zusammenhang mit einer Erwerbstätigkeit steht. Das heißt, ein Blogger, der seinen Blog kostenfrei zur Verfügung stellt, auf der anderen Seite aber freier Journalist ist, fällt unter die gewerbliche Betrachtung mit seinem Blog. Der darf in seinem Blog keine Links mit Überschriften zu Presseverlegern setzen.

Es betrifft auch andere Berufsgruppen, zum Beispiel den Unternehmenssprecher, der über Twitter einen spannenden Artikel twittert. Das ist damit nicht mehr möglich. Oder zum Beispiel Politiker(innen), die auf ihrem Facebook-Profil einen Artikel aus der Zeitung posten, in dem dann die ersten Sätze schon mit drauf sind.

Das wäre alles lizenzkostenpflichtig und eine Möglichkeit zur Abmahnung durch die Verlage, wenn das Gesetz in der Form durchkommt.

Es ist absolut fern der Realität des Netzes und der Nutzer, der Teilung von Inhalten, des Verweisens im Kommunikationskreis des Netzes auf interessante Inhalte und es ist auch schädlich für Zeitungen. Auch sie leben davon, dass sie durch die Verlinkung bekannter werden, dass die Marke stärker wird. Vor diesem Hintergrund macht das den Widersinn nochmals deutlich.

Ein Gesetzentwurf wäre, wenn er in dieser Form durchkommen würde, ein großes Missverständnis hinsichtlich der heutigen Nutzung des Netzes. Das ist, wie gesagt, nicht die moderne Form von Urheberrecht für das digitale Zeitalter, was hier formuliert wurde, sondern das ist im Grunde ein Betreiben von Absurdität. Das ist der Versuch, analoge Welt ins Netz zu übertragen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Wird von der SPD-Fraktion noch einmal das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Herr Dr. Gerstenberg, Sie hätten noch einmal die Chance. – Das ist auch nicht der Fall. Die NPD-Fraktion? – Auch nicht. Damit ist die 1. Aktuelle Debatte noch nicht erledigt. Herr Minister, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Grundsätzlich lässt sich sagen, dass sich das Urheberrecht in seiner Entwicklung bisher als erfolgreich erwiesen hat, einen Interessenausgleich zwischen den Urhebern, zwischen den Verwertern und den Nutzern herbeizuführen. Wir sind aber aufgrund der technischen Entwicklung gezwungen, die Rechtslage den technischen Entwicklungen zwar nicht anzupassen, aber ihnen Rechnung zu tragen und eine ständige Nachjustierung wegen technischer Innovationen und eine Überprüfung, ob das Urheberrecht in seinen Regelungen als Recht akzeptiert und die Rechtswirklichkeit von diesem Recht auch gestaltet wird, vorzunehmen.

Dabei sind alle Beteiligten gefragt, auch die Kulturindustrie. Sie muss praktikable Bezahlmechanismen entwickeln. Das hat gedauert. Es gibt inzwischen Fortschritte. Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle für die Staatsregierung eines klarstellen: Die bisweilen gehörte Behauptung, in heutigen Zeiten sei eine legale Nutzung von Inhalten im Netz nicht mehr zu machen und unmöglich, ist eine Ausrede.

Deswegen setzt sich diese Staatsregierung dafür ein, dass es keinen grundsätzlichen Richtungswechsel im Urheber