Abschließend möchte ich den Bearbeiterinnen und Bearbeitern im SMI bei der vor ihnen liegenden Aufgabe der Abwägung ein gutes Gelingen wünschen, und ich bin bereits heute gespannt auf den uns vorzulegenden überarbeiteten Entwurf.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will versuchen, Sie aus der mittäglichen Ruhe zu reißen. Mit der heutigen Debatte und Beschlussfassung zur Stellungnahme des Sächsischen Landtags erreicht das Beteiligungsverfahren einen vorläufigen Abschluss eines Verfahrensabschnitts, also eines Zwischenschritts. Das muss man erst einmal zur Kenntnis nehmen.
Die Mehrheit dieses Landtags hat mit dem geänderten Landesplanungsgesetz am 11. Juni 2010 grundlegende Weichen für den nun zu erarbeitenden Landesentwicklungsplan gestellt. Dass dabei eine Novelle wegen der konkurrierenden Gesetzgebung mit dem Bund erfor
derlich war, soll an dieser Stelle als bekannt unterstellt sein. Dass es jedoch die Mehrheit dieses Hauses für richtig erachtet hat, sich dem Landesentwicklungsplan und mithin der Landesentwicklungspolitik im Freistaat und somit zentralen Weichenstellungen für die Entwicklung des Lebens und Wirtschaftens in Sachsen lediglich mit einer Stellungnahme widmen zu wollen, statt diesem Schlüsselplanwerk Gesetzeskraft zu verleihen, darf getrost als ein weiterer Baustein im Mosaik der Arbeitsverweigerung dieser Koalition gewertet werden.
Schon allein aus diesem Grund – Herr Bandmann, hören Sie einmal gut zu, und dann bewerten Sie – ist der heute durch die GRÜNE-Fraktion eingebrachte Gesetzentwurf zur Beteiligung des Landtags an der Aufstellung des Landesentwicklungsplanes zur falschen Zeit gekommen. Liebe Kollegin Jähnigen, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben; wer zu früh kommt, muss deshalb aber noch lange nicht belohnt werden.
Erst die übernächste Legislatur wird sich wieder mit der Aufstellung eines Landesentwicklungsplanes befassen. Für das laufende Verfahren hat der Gesetzentwurf keine Relevanz.
Wer tatsächlich glaubt, die Mehrheit in diesem Hause würde sich nach gezeigter Praxis, sich nicht intensiv mit dem Planwerk befassen zu wollen, nun eines Besseren belehren lassen, wird sich im Herbst oder kommenden Frühjahr, wenn das Gesetz zur Abstimmung steht, tief enttäuscht sehen – zumal der Gesetzentwurf auch nicht die Grundübel des geltenden Landesplanungsgesetzes beseitigt. Die Anhörungsfrist wird auf zwei Monate beschränkt – was schon diesmal im Beteiligungsverfahren mangelhafte Praxis war. Der Landesentwicklungsplan ergeht nach Ihrem Gesetzentwurf als Verordnung der Staatsregierung und erlangt wiederum keine Gesetzeskraft – trotz Zustimmung des Landtags –, und die mangelhaften inhaltlichen Vorgaben für die Erstellung eines Landesentwicklungsberichtes werden nicht berührt. Außerdem erfährt das Monitoring nicht die erforderliche Schärfung als Instrument der Beobachtung und Evaluierung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN! Schade, hier sollten wir nicht als beleidigte Parlamentarier agieren, sondern mit Blick auf die übernächste Wahlperiode ein tragfähiges und zukunftweisendes Landesplanungsgesetz entwickeln – nach Evaluierung des kompletten Verfahrens allerdings.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus dem nun einmal verkorksten Landesplanungsgesetz heraus hat die Staatsregierung in Großzügigkeit eine Anhörungsfrist von zwei Monaten für alle Träger öffentlicher Belange und den Landtag gesetzt. Das ist und bleibt lebensfern. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die kommunale Ebene nachgefragt hat, ob sich die Staatsregierung eine Fristverlängerung vorstellen könnte – schließlich brauchen die Landkreise, Kommunen, Planungs- und sonstigen Ver
bände zur Erarbeitung und Abstimmung der Stellungnahmen in den Gremien, wie wir alle wissen, meist mehr als zwei Monate.
Nachdem die Staatsregierung signalisiert hat, dass es keine Fristverlängerung geben werde, aber später eingehende Stellungnahmen durchaus berücksichtigt würden, hat die kommunale Ebene auf eine formale Anfrage verzichtet.
Aber auch das parlamentarische Verfahren zur Erarbeitung der Stellungnahmen des Landtags lässt eine Reihe von Wünschen für die Zukunft offen. Deswegen muss berechtigterweise gefragt werden, welche Rolle der Landesentwicklungsplan für den Landtag tatsächlich spielt; welche Rolle sich der Landtag im Beteiligungsverfahren zum Landesentwicklungsplan selbst zurechnet und wie er sich im Beteiligungsverfahren einbringen und verhalten will; aber auch, welche Rolle zur Stellungnahme des Landtags durch das Innenministerium beigemessen wird. Schließlich ist es das wichtigste Planwerk der kommenden zehn, wenn nicht sogar 15 Jahre – und die Anhörungsfrist ist am 23. März verstrichen.
Somit haben wir als Landtag heute die letzte Chance – immerhin ein Vierteljahr nach allen anderen –, zum ersten Entwurf des Landesentwicklungsplanes Stellung zu nehmen. Der Innenminister hat allerdings schon vor Wochen angekündigt, dass es eine zweite Runde im Beteiligungsverfahren geben wird. Damit stellt sich also die Frage, wie relevant unsere Stellungnahme für diesen Entwurf noch sein wird. Ich gehe aber davon aus, sehr geehrter Herr Staatsminister, dass es noch keinen überarbeiteten Entwurf gibt, der der Freigabe zur Ressortabstimmung harrt. Sie warten – da vertraue ich Ihnen – doch auch glatt die Stellungnahme des Landtags ab.
Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Hause – also uns Abgeordneten –, rate ich an, direkt nach der Sommerpause in der Obleuteberatung des Innenausschusses das weitere Vorgehen in der zweiten Anhörungsrunde zu besprechen und schnell abzustimmen.
Selbstverständlich wird der Landtag seine Rechte wahrnehmen – was sich auch in der zweiten Runde mit einer Stellungnahme vollziehen wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, leider haben CDU und FDP kein Interesse an einer übergreifenden Stellungnahme der demokratischen Fraktionen gezeigt.
Es offenbart sich der fast schon genetische Fehler der sächsischen CDU in der Überzeugung, dass der Freistaat im Grunde ihr gehöre und damit andere Meinungen zwar durchaus möglich, aber im Wesentlichen nicht relevant seien.
Schauen wir uns also die Stellungnahme von CDU und FDP an, die heute formal zur Stellungnahme des Landtags werden soll. Was bietet uns die Koalition zum Leitbild – neben dem Wunsch, in der überarbeiteten Fassung möge doch bitte der Freistaat verbal etwas aufgehübscht werden
und der richtigen Perspektivverlängerung des Leitbildes auf das Jahr 2025? Die Koalition unterbreitet im Wesentlichen keinerlei Angebot, wie das doch eher defizitäre Leitbild der Staatsregierung weiterzuentwickeln ist.
Mit dem Leitbild in unserem Änderungsantrag unterbreiten wir dem Landtag ein sehr konkretes Angebot – sowohl im Leitbild als auch dann folgend in einzelnen Kapiteln. Im Leitbild kommt es nach unserer Auffassung darauf an, darzustellen, wofür wir überhaupt Landesentwicklungspolitik und Raumordnung durchführen. Es muss also in erster Linie um die Menschen im Freistaat, um ihre Lebensbedingungen gehen. Deshalb geht es um die Betonung der Verfassungsverpflichtung zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse und somit zur Sicherung der Daseinsvorsorge und der Barrierefreiheit. Obendrein muss dies vor dem Hintergrund demografischer Entwicklungstendenzen insbesondere für den ländlichen und auch den ländlichsten Raum gelten.
Das durch uns formulierte Leitbild geht dazu richtigerweise über die engen Grenzen raumordnerischer Betrachtung hinaus und weist im Beziehungsgeflecht der Nachhaltigkeit in fünf Komplexen auf erforderliche Entwicklungsstränge für Sachsens Zukunft – mithin für eine lebenswerte Zukunft in Sachsen – hin. Dabei bieten wir Instrumente an, die es wert sind, gemeinsam diskutiert und durchdacht zu werden.
Die Sicherung des Zentrale-Orte-Systems bei zunehmender Erosionsgefahr der Grundzentren hat uns zu der Konstruktion regionaler Verantwortungsgemeinschaften geführt, die über die Grenzen interkommunaler Zusammenarbeit aus dem Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit hinausgeht – um nur ein Beispiel zu nennen, wie wir die Gestaltung eines Leitbildes verstanden wissen wollen.
Meine Fraktion hat mit einer eigenen Fachtagung und mit Workshops die Frage der Daseinsvorsorgesicherung im ländlichen Raum, die Zukunft der zentralen Orte, Barrierefreiheit und neue Formen von Selbstorganisation als Chance für die ländlichen Räume diskutiert. Bewusst wenden wir uns mit dem Leitbild, aber vor allem mit den einzelnen Vorschlägen für Änderungen in den Fachkapiteln gegen den Planungspessimismus der Staatsregierung, der sich in den 2010 durch die Staatsregierung veröffentlichten Eckpunkten und im Entwurf des Landesentwicklungsplanes widerspiegelt.
Der Anpassung an Bevölkerungsrückgang und -schrumpfung sowie einem rein ökonomischen Blick auf Infrastruktur und deren Kosten setzen wir die Zuversicht der Stabilisierung ländlicher Räume und deren Lebenswert entgegen. Flüchtet sich die Staatsregierung in durchaus eigenwillig anmutende Modelle wie „Mittelzentren mit Ergänzungsfunktionen“, so haben wir auf der gemeinsamen Verbandsversammlung von vdw und VSWG am 5. Juli in Radebeul – sehr geehrter Herr Staatsminister, Sie konnten wegen des Verfassungsschutzberichts der Podiumsdiskussion leider nicht mehr folgen – vom Oberbürgermeister Weißwassers, Torsten Pötzsch, gehört,
wie diese Stadt um ihre Zukunft kämpft und dafür eintritt, tatsächliches Mittelzentrum zu bleiben. Wir machen Ihnen für dieses Problem ebenfalls einen sehr konkreten Vorschlag – für Gemeinden mit besonderer Gemeindefunktion –, den ich angesichts der Behandlung in den Ausschüssen hier nicht noch einmal ausführen will.
Sehr geehrte Damen und Herren! Der Aspekt der Zumutbarkeit bei der Erreichbarkeit von Daseinsvorsorgefunktionen sowie von Grund-, Mittel- und Oberzentren ist ein zentraler Dreh- und Angelpunkt der Daseinsvorsorge und der Lebensqualität im Lande. Deshalb unterbreiten wir Ihnen hierzu sehr konkrete Vorschläge. Wir wollen, dass das nächste Grundzentrum mit dem ÖPNV innerhalb von 30 Minuten, das nächste Mittelzentrum mit dem ÖPNV innerhalb von 45 Minuten und das nächste Oberzentrum mit dem ÖPNV binnen 90 Minuten erreichbar sind. Dieses sehr konkrete Ziel sollte für alle sichtbar und in der Realität erlebbar machen, dass wir neben den Zentren den ländlichen Raum und die in ihm lebenden Menschen eben nicht abkoppeln. Der so oft verwendete Begriff „zumutbare Entfernung“ muss doch definiert werden. Auch das haben wir vorgenommen, und zwar sehr konkret.
Apropos ÖPNV: Lieber Kollege Fritzsche, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, wenn Sie mir sagen, Sie wollten sich dabei sowohl bedarfsgerecht als auch nachfrageorientiert ausrichten, dann mag das ein wenig überdecken, dass Sie sich nicht klar darüber waren, was Sie da eigentlich formuliert haben. Das will ich vorausschicken. Man muss sich wirklich fragen, was Ihnen bei dieser Formulierung passiert ist. Man gewinnt regelrecht den Eindruck, dass Ihre Stellungnahme an dieser Stelle aus den Einwürfen von CDU und FDP zusammengestückelt wurde. Ich darf aus Ihrer Stellungnahme kurz zitieren – ich sage Ihnen jetzt nicht die Seite; Sie haben es ja alle gelesen –: „Im Grundsatz G. 3.1 ist im siebenten Anstrich das Wort ‚bedarfsgerecht‘ durch das Wort ‚nachfrageorientiert‘ zu ersetzen.“ – Herr Fritzsche, da heißt es nicht „sowohl – als auch“, sondern „ent- oder weder“.
Ich setze fort: „Das Thema der Nachfrageorientierung im ÖPNV sollte auch in der Begründung einen entsprechenden Niederschlag finden. Die Begründung zum Grundsatz G 3.3.1 ist auf Seite 88 im zweiten Absatz wie folgt zu fassen: ‚Der ÖPNV soll als leistungsfähiger, attraktiver, fahrgast- und umweltfreundlicher Verkehrsträger entsprechend dem Bedarf ausgebaut werden.‘“
Ja, was denn nun? „Bedarfsgerecht“, „nachfrageorientiert“ – das geht alles ein bisschen durcheinander und ist nicht konsistent. Aber das ist typisch, wenn man versucht, sich zu einigen in einer Koalition, die sich an dieser Stelle alles andere als einig ist. Die einen wollen es nachfrageorientiert machen, die anderen durchaus bedarfsgerecht. Dann setzen die einen sich durch, und es kommt zu dem Durcheinander, dass „nachfrageorientiert“ und „bedarfsgerecht“ gleichzeitig genannt werden.
Nicht nur, dass Sie sich unschlüssig sind, ob Sie den ÖPNV bedarfsgerecht oder nachfrageorientiert ausgestal
ten und entwickeln wollen; mit der Öffnung zur Nachfrageorientierung schlagen Sie auch samt und sonders die Erkenntnis aus der Anhörung zum Landesverkehrsplan in den Wind. Schließlich wird ein Bedarf erst bei entsprechendem Angebot zu realer Nachfrage. Das ist die Regel. Die sollte man sich einprägen; dann weiß man auch, wie man was schreiben muss.
Sehr geehrter Herr Fritzsche, sehr geehrte Frau Springer, sehr geehrter Herr Kollege Heidan, mit dieser Öffnung zur Nachfrageorientierung verschlimmbessern Sie die bisherige Regelung. Da hilft es nicht, dass Sie den ÖPNV aus dem Schatten des Finanzierungsvorbehalts herausholen. Wer Nachfrageorientierung und die Absichten des Verkehrs-, äh Verkehrtministers Morlok zur künftigen ÖPNVFinVO, der Finanzierungsverordnung für den ÖPNV, im Zusammenhang denkt, hat bereits die Abwärtsspirale des SPNV/ÖPNV, vor allem in den ländlichen und peripheren Räumen, vor Augen. Dies ist ein Irrweg. Im Landesentwicklungsplan müssen wir – genau das schlagen wir Ihnen sehr konkret vor – auf eine Angebotspolitik orientieren, die Nachfrage zur Deckung tatsächlicher und noch nicht erhobener Bedarfe auch ermöglicht.
Werte Kolleginnen und Kollegen, schließlich die Barrierefreiheit. In einer Aktuellen Debatte haben wir uns erst kürzlich mit der Barrierefreiheit befasst. Sie, sehr geehrter Herr Staatsminister, haben eingeräumt, dieses wichtige Thema mit einem übergreifenden Ziel im LEP abzubilden.
Wir haben uns – im Gegensatz zu den Kollegen von CDU und FDP – sehr intensiv damit befasst und sind zu dem Schluss gekommen, dass dies weder mit einer allgemeinen Formulierung im Leitbild sachgerecht behandelt noch mit einem – zunächst auch von uns präferierten – übergreifenden Ziel gefasst werden kann. Stattdessen haben wir uns auf den Weg gemacht – und uns die Arbeit –, sehr konkrete Formulierungsvorschläge zu unterbreiten; sie liegen Ihnen in unserer Stellungnahme vor.
Sehr geehrte Damen und Herren! In ihrer kleinen Welt werden CDU und FDP als Mehrheit dieses Hauses wahrscheinlich ihre Stellungnahme zum Landesentwicklungsplanentwurf formal zur Stellungnahme des Landtags machen; darin sind sie stringent. Dagegen hoffen wir auf eine sachgerechte Würdigung auch unserer Stellungnahme im Innenministerium. Dort ist man eben nicht gezwungen, nach Parteifarben die Stellungnahmen zu sortieren; das wäre auch ein recht mühsames Geschäft bei der Vielzahl von Stellungnahmen und Hinweisen.
Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, möchte ich abschließend eines ins Stammbuch schreiben – ich zitiere aus der Szene „Studierzimmer“ in Goethes „Faust“ –; denn dort sprach Mephisto:
„Bescheidne Wahrheit sprech‘ ich dir. Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt, gewöhnlich für ein Ganzes hält …“ – jetzt lasse ich etwas aus –
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche Ihnen über den Sommer tiefere Einsichten und im Herbst die tatsächliche Größe Regierender, mit einem bewussteren und weiteren Blick auf die Aufgabenstellung für die Zukunft zu schauen. In diesem Sinne bitte ich Sie alle um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.
Frau Jähnigen, Sie möchten eine Kurzintervention starten? – Dazu haben Sie jetzt Gelegenheit. Bitte.