Protokoll der Sitzung vom 26.09.2012

der Justiz und für Europa vom 30. Juli 2012, Az.411E-iii2-764/11)

Drucksache 5/10148, Beschlussempfehlung des Ausschusses

für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten

Da die Beschlussempfehlung des Ausschusses nicht einstimmig ergangen ist, ist die Behandlung und Entscheidung der Angelegenheit im Plenum erforderlich. § 73 unserer Geschäftsordnung schreibt vor, dass über diese Beschlussempfehlung im Plenum ohne Aussprache abzustimmen ist.

Herr Bartl, ich würde Ihnen jetzt einfach das Wort erteilen.

Frau Präsidentin! Sie haben das völlig richtig festgestellt: § 73 Abs. 2 Satz 2 stellt fest, dass über diese Beschlussempfehlung ohne Aussprache abzustimmen ist. Die Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten ist eine Maßnahme im Rahmen der Parlamentsautonomie, in dem Fall des Landtags.

Wir bitten und beantragen allerdings als Fraktion, auch unter Aufgreifen des dankenswerten Hinweises des Herrn Präsidenten in der Präsidiumssitzung, dass von der Möglichkeit nach § 114 der Geschäftsordnung Gebrauch gemacht wird und dem betroffenen Abgeordneten – in dem Fall also Herrn MdL Falk Neubert – die Möglichkeit gegeben wird, hier kurz das Wort zu ergreifen, um zu der Beschlussempfehlung Stellung nehmen zu können, unter dem Aspekt, einfach noch einmal zu diesem der Beschlussempfehlung zugrunde liegendem Vorwort Stellung nehmen und sich noch einmal dazu äußern zu können.

Gut. Wir stimmen jetzt also über den Antrag ab, Abweichung von der Geschäftsordnung nach § 114, und brauchen eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder. Ich frage deshalb, wer zustimmen möchte. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe, das ist damit einstimmig beschlossen. Ich erteile nun Herrn Neubert das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Heute und hier versprechen wir: Allen Rechtsextremisten und Nationalisten, all jenen, die unsere Demokratie verachten und bekämpfen, sagen wir: Wir fürchten euch nicht – wo ihr auftretet, werden wir euch im Wege stehen, in jedem Ort, in jedem Land, im ganzen Staat.“ Das, sehr geehrte Damen und Herren, sind die Worte, ist die Haltung, die Bundespräsident Joachim Gauck am 26. August 2012 eingenommen hat,

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

gegenüber – ich zitiere – „rechtsextremistischen Kameradschaften, neofaschistischen Organisationen und NPDOrtsverbänden“. Eine klare, eine eindeutige Haltung, die jedem Demokraten in diesem Land gut zu Gesicht steht und die notwendig ist, auch und gerade in Sachsen.

Wenn heute über meine Immunität abgestimmt wird, dann wird über nichts anderes abgestimmt als über ein Handeln, wie es der Bundespräsident vor Monatsfrist nicht nur für sich, sondern für alle Demokraten dieses Landes als das einzig Angemessene beschrieben hat. Sie stimmen also damit auch über sich selbst ab, über Ihre Haltung, über Ihr Verhältnis zur Demokratie. Denn eine Demokratie muss getragen sein von den Bürgerinnen und Bürgern, die sich bereitfinden, diese zu verteidigen.

Die Wehrhaftigkeit der Demokratie in diesem Land muss sich gegen jene richten, die sie angreifen, und diese Angriffe sind auch in Sachsen allgegenwärtig. Genau – und deshalb ist auch mein Einsatz, mein Widerstand gegen Nazis, Neofaschisten – ich zitiere noch einmal Joachim Gauck –, Nationalisten für mich nicht nur eine Ehrensache. Fast 400 000 Menschen haben meine Partei vor drei Jahren in den Sächsischen Landtag entsandt. Und diesen unseren Wählern haben wir versprochen, dass wir nicht müde werden, diesen Widerstand fortzuführen und zu unterstützen.

Und damit stehe ich nicht nur stellvertretend für eine Haltung, wie sie von den Wählerinnen und Wählern der LINKEN geteilt wird, sondern von der ich weiß, dass sie von vielen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, bürgerschaftlich engagierten Menschen, Kirchenmitgliedern und auch – damit möchte ich Sie ausdrücklich erinnern – von sehr vielen Mitgliedern, Sympathisantinnen und Sympathisanten und Wählerinnen und Wählern von SPD und GRÜNEN, aber auch von CDU und FDP geteilt wird. Ich werde Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Staatsregierung und von den Koalitionsparteien, nicht darum bitten, so oder so abzustimmen. Ich werde auch nicht über Ihr vom Sächsischen Verfassungsgerichtshof attestiertes Versagen in Sachen Versammlungsrecht sprechen. Ich werde auch nicht darum ringen, eine wie auch immer geartete Unschuld meiner Person in Ihren Augen zu belegen. Denn darum geht es hier bestenfalls vordergründig.

Es geht hier nämlich um viel mehr als mich, der ich hier nur stellvertretend stehe, und auch nicht um meine Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE

(Zuruf von der NPD)

und im Übrigen auch nicht um die zahlreichen Kolleginnen und Kollegen aus den anderen demokratischen Parteien, wie zum Beispiel vor zwei Jahren um den Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages Wolfgang Thierse, als dieser an einer Sitzblockade gegen eine Nazidemo teilnahm.

Worum es heute geht, ist die Haltung dieses Hohen Hauses zur Verteidigung der Demokratie. Und wenn sich heute und hier eine Mehrheit bereitfindet, meine Immunität aufzuheben, dann ist es mir eine Ehre und eine Frage der Selbstachtung, vor den Gerichten dieses Landes auszustreiten, was der Schutz der Demokratie und des Rechtsstaates wert ist. Alle, die heute hier abzustimmen haben, stimmen über sich selbst ab, über ihre Haltung und darüber, was sie selbst beizubringen haben zur Verteidigung der demokratischen Verhältnisse.

Sehr geehrte Damen und Herren! Vergessen Sie nicht, wir alle repräsentieren nur die Bevölkerung, wir repräsentieren die gesellschaftlichen Verhältnisse. Alles, was wir hier im Hohen Haus sein mögen, ob Ministerpräsident oder Abgeordneter, ist uns geliehen und verliehen von den Menschen im Freistaat. Alle Würden, die der eine oder andere zu tragen vermeint, sind vor allem Pflichten, sie sind Verantwortung. Und heute geht es um unsere Verantwortung gegenüber den Grundwerten dieses Landes.

Max Weber sagte einst in seinem Vortrag „Politik als Beruf“, dass drei Qualitäten vornehmlich für den Politiker entscheidend sind: Leidenschaft, Verantwortungsgefühl, Augenmaß. Darüber stimmen Sie heute ab, darüber, ob Sie die Leidenschaft, die Verantwortung und das Augenmaß dafür haben, diese Demokratie zu verteidigen.

Ich werde mit Interesse Ihre Abstimmung verfolgen und – wieder mit Max Weber – fähig sein zu sagen: „Dennoch!“ Ich stehe hier und werde auch in Zukunft nicht anders handeln, als es mir mein Gewissen und meine Verantwortung gebieten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Es ist jetzt keine Aussprache dazu vorgesehen.

(Carsten Biesok, FDP, steht am Mikrofon.)

Es gibt also jetzt keine Möglichkeit, sich noch dazu zu äußern. Ich bitte das zu respektieren.

(Zuruf: Der Berichterstatter müsste doch noch das Wort ergreifen können!)

Nein, es gibt keinen Berichterstatter. Ich habe noch einmal nachgesehen, es gibt auch keinen Berichterstatter.

Also, meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 5/10148 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen, eine ganze Reihe von Stimmen dagegen.

(Carsten Biesok, FDP, steht erneut am Mikrofon. – Zurufe von der CDU, den LINKEN und der FDP)

Damit ist die Drucksache 5/10148, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten, angenommen.

So, das mussten wir jetzt ordentlich machen, und es gibt jetzt auch keine Erklärungen mehr zum Abstimmungsverhalten.

(Zuruf von der CDU: Nach jeder Abstimmung muss es doch eine Möglichkeit zur Abgabe einer Erklärung geben!)

Gemäß § 94 Abs. 1 gibt es keine. Wir haben eine Abweichung von der Geschäftsordnung beschlossen, und damit ergibt sich das nicht.

Meine Damen und Herren, ich denke, das hat jeder noch einmal nachgelesen. Es ist alles ordnungsgemäß verlaufen.

Die Tagesordnung der Plenarsitzung ist damit abgearbeitet. Wir treffen uns morgen früh um 10 Uhr wieder. Ich wünsche Ihnen noch einen guten Abend.