Klaus Bartl

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Im Ergebnis hat der Ausschuss in 37 Beweiserhebungssitzungen insgesamt
52 Zeugen, davon sieben Zeugen zweimal und einen Zeugen dreimal, vernommen. Zu Teilen waren die Zeugenvernehmungen mit einer sich der öffentlichen Sitzung anschließenden Vernehmung in geheimer Sitzung verbunden.
Zur Erkenntnisgewinnung diente dem Untersuchungsausschuss neben der Vernehmung der vorgenannten 52
Zeugen auch der Rückgriff auf ihm vorliegende Protokolle der Vernehmung weiterer Zeugen durch den
2. Untersuchungsausschuss der 4. Wahlperiode.
Von Vorteil für die sachorientierte Arbeit war, dass der Untersuchungsausschuss in Vollziehung von 51 Beweisanträgen umfängliche Aktenvorlagen erreichen konnte. Insgesamt hat der Ausschuss Akten, Aktenteile und sonstige Beweisstücke beigezogen – in Band I sind sie im Detail aufgeführt – im Umfang von insgesamt
1 091 Aktenordnern, wovon 822 offen verwertbare Unterlagen waren und der Rest in unterschiedlichem Grad als Verschlusssache „Vertraulich“ bis „Geheim“ eingestuft gewesen ist.
Der Ausschuss hat in seiner Tätigkeit keine Fälle festgestellt, dass als „Geheim“ registrierte bzw. einer Geheimhaltungsstufe unterliegende Unterlagen rechtswidrig
gegenüber Dritten offenbart oder gar der Öffentlichkeit bekannt geworden sind. Während der Tätigkeit des jetzigen Untersuchungsausschusses ist also kein Ansatzpunkt für einen Fall des Geheimnisverrats festgestellt worden. Allerdings musste der Untersuchungsausschuss gegen Ende seiner Beweisaufnahme feststellen, dass offensichtlich das Protokoll der Vernehmung einer Zeugin in der Sitzung am 19. Mai 2014, die zunächst in öffentlicher Beweisaufnahme und dann qua Beschluss des Ausschusses in geschlossener Sitzung vernommen wurde, an Medienvertreter gelangt ist, bevor es der betreffenden Zeugin vorlag und von ihr, wie es die Verfahrensgrundsätze vorsehen, autorisiert worden war. Das war für den Ausschuss umso problematischer, als der besagten Zeugin aufgrund vorher angezeigter Gefahren besondere Sicherheitsvorkehrungen zugesagt worden waren.
Der Ausschuss hat eine Vielzahl von Petitionen von Bürgerinnen und Bürgern erhalten, die durchweg den Fraktionen bzw. Obleuten zur Kenntnis gebracht worden sind.
Der Ausschuss hat sich, nachdem ein ursprüngliches Vorhaben dahin gehend, die Erarbeitung des Sachberichts einer Expertengruppe zu überantworten – bestehend aus Wissenschaftlern mit international ausgewiesener Erfahrung auf dem Gebiet der kriminologisch-strafrechtlichen Analyse von komplexen Strukturzusammenhängen, der computergestützten Inhaltsanalyse und umfänglicher Aktenauswertung –, aufgrund der finanziellen Nichtdarstellbarkeit gescheitert ist, entschieden, dass neben dem von der Verwaltung erstellten Verfahrensteil die Fraktionen eigene Sachberichte mit ihren Wertungen vorlegen. Das ist im Weiteren geschehen und liegt Ihnen entsprechend vor.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie eingangs schon erklärt, besteht der Ausschussbericht aus vier Bänden. Ich darf noch richtigstellen, dass Band IV, der das ursprünglich von Kollegen Lichdi für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegte Minderheitenvotum enthält und im Geheimschutzraum für die Abgeordneten nachlesbar ist, jetzt als Ausschussdrucksache der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE
LINKE gilt, weil DIE LINKE dem entsprechenden Beweisantrag bzw. dem Bericht beigetreten ist.
Der Ausschuss unterbreitet an Sie, wie schon festgestellt, insgesamt 994 Seiten. Diese sind als Ergebnis der Beweisaufnahme entstanden.
Ich bin gleich fertig, Herr Präsident. Vielen Dank. – Der Ausschuss hat insgesamt 233 Stunden und 14 Minuten getagt; davon waren 193 Stunden und 37 Minuten Beweiserhebung. Diese nüchternen Zahlen sagen noch nichts über den Aufwand für Vorbereitung und Auswertung aus.
Ich darf mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken: bei allen Ausschussmitgliedern, bei allen parlamentarischen Mitarbeitern, bei dem Ausschusssekretariat, im Besonderen bei Frau Zärtner und Frau Hentschel, und beim Juristischen Dienst.
Ich darf mich namentlich bei den Stenografen
Dr. Karsten Broosch und Anita Wothe bedanken, die eine Herkulesarbeit leisten mussten.
Ich bedanke mich auch bei den Beauftragten der Staatsregierung, Herrn Bürkel und Herrn Dr. Falk, weil der Ausschuss tatsächlich im Wesentlichen sehr konstruktiv in seiner Arbeit begleitet worden ist.
Als Ausschussvorsitzender verbleibt mir, das Plenum zu bitten, den Ausschussbericht entgegenzunehmen. Wir haben die Hoffnung, dass das vom Ausschuss vorgelegte Material bei den Abgeordneten dieses Hohen Hauses Beachtung und eigene Resonanz findet, jedenfalls auch Nachdenken in unterschiedlicher Weise auslöst.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und die Geduld des Herrn Präsidenten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Piwarz, Sie haben uns bzw. mir vorgeworfen, die hauptsächlichen Skandalisierer gewesen zu sein, die 2007 letzten Endes dafür gesorgt haben, dass die Problematik „Sachsen-Sumpf“Affäre in die Öffentlichkeit gekommen sei. Das ist so nicht richtig.
Sie wissen, Herr Piwarz, dass Herr Staatsminister Dr. Buttolo in dieser besagten „Mafia-Rede“ am 5. Juni 2007 – wenn ich das einmal vorhalten darf – Folgendes vor diesem Hause sagte: „Es ist klar, dass das perfide Netzwerk, das ins Visier des Verfassungsschutzes und der Strafverfolgungsbehörden gelangt, versuchen wird zurückzuschlagen. Dies ist aus ihrer Sicht verständlich. Die OK wird mit den für sie typischen Mitteln zurückschlagen, da wir das Netzwerk zerstören. Anders als die PDS es immer darstellt, ist nicht das LfV das Problem, sondern das Netzwerk Organisierte Kriminalität“; Beifall bei der CDU und der Staatsregierung.
Ja.
Ich gebe Ihnen darin recht, dass der Herr Staatsminister das gesagt hat. Allerdings hat er es gesagt, nachdem ihm bereits am 18.06.2007, wie wir heute wissen, durch den am 15.06.2007 ins Amt gekommenen neuen Präsidenten Boos mitgeteilt worden ist, dass alles, was bisher durch die PKK und andere bewertet worden ist, falsch sei. Er habe – Boos – innerhalb von drei Tagen erkannt, dass das Referat Organisierte Kriminalität – jetzt sage ich es einmal so definiert – ein einziger Miststall ist, und wer das in drei Tagen leisten kann, bei 15 600 zusammengetragenen Seiten, der kann, bitte schön, im Zirkus auftreten.
Dort beginnt das Problem. Wenn ein Staatsminister im Juni vor dieses Hohe Haus tritt und dem Hohen Haus sagt „Wir rücken jetzt zusammen, weil uns das Netzwerk an die Gurgel greift“,
dann darf doch wohl die Opposition davon ausgehen, dass ein Staatsminister das, was er hier sagt, kalkulieren kann.
Das darf doch wohl vorausgesetzt werden. Wenn der Redenschreiber ihn so weit geführt hat, dass er überhaupt nicht darüber nachgedacht hat, das nicht überprüft hat, dann legen Sie es, bitte schön, nicht der Opposition oder irgendwelchen Dritten zur Last.
Zweitens. Sie sagten, Kollege Piwarz: Keiner der Zeugen, die als Staatsanwälte vernommen worden sind, hat vor dem Ausschuss bestätigt, dass es Einflüsse seitens der Staatsregierung gab. Sie waren dabei, Herr Piwarz. Ich schätze Sie als Kollegen, und ich muss mich auch bei Ihnen als Obmann der CDU-Fraktion für die konstruktive, sachliche Zusammenarbeit bedanken.
Aber Sie haben den Eißer-Bericht doch genauso gelesen, der dem Ausschuss vorliegt, den Bericht des wachen Auges des Landgerichtspräsidenten aus Waldshut
Tiengen,
den wir zum Halbtagsbeamten bestellt haben. Er schreibt – das ist schwarz auf weiß niedergelegt – beim vierten Besuch am 05.07.2007: „Besprechung mit Frau Staatssekretärin Hauser, Herrn Dr. Sprenger, Abteilung 3, Herrn Generalstaatsanwalt Dr. Schwalm, Herrn Henning Drecoll über Fragen der Pressepolitik, ob es geboten sei, nach § 71 Abs. 2 Verfügungen jetzt schon zu treffen; Zusammenhänge mit dem Disziplinarverfahren, Stand der Aktenübersendung.“
Das heißt im Klartext: Am 04.07.2007, eineinhalb Monate nach Übersendung der ersten Dossiers, wird im Justizministerium mit den ermittlungsleitenden Staatsanwälten beraten, ob man die Verfahren nach § 170 Abs. 2 einstellt. Das ist doch eine glatte Verletzung der Gewaltenteilung. Im laufenden Verfahren hat die Staatsanwaltschaft allein die Herrschaft. Dort hat kein Justizminister und kein Abteilungsleiter aus dem Justizministerium etwas zu suchen, auch kein waches Auge, das dem Ruf nach Sachsen gefolgt ist.
Hinzu kommt, dass der nächste Satz in der ganzen Sache lautet: „Der besonders aufgebauschte Komplex ‚Abseits III‘ ist nahezu einstellungsreif. Was noch fehlt, ist eine endgültige Aktenlieferung durch das LVS.“ – Also Einstellung nach § 170 Abs. 2, Strafklageverbrauch
letzten Endes, ohne dass die Akten da sind – und das wird im Justizministerium beredet. Wenn dann von der Ausschussmehrheit erklärt wird, dass es keine sachwidrigen Einflüsse gab, dann ist das nicht wahr, und dann ist das nicht nachvollziehbar.
Richtig ist: Man muss alles bewiesen haben, bevor man beschuldigen kann. Aber die Voraussetzung dafür, dass man beweisen kann, ist, dass man ermittelt. Nun wissen Sie doch: Von den insgesamt 58 Verfahren, die diese „Sachsen-Sumpf“-Ermittlungseinheit eingeleitet hat, sind knapp 60 % Gegenverfahren, also Verfahren gegen Menschen, die versucht haben, Sachverhalte im „SachsenSumpf“-Komplex aufzuklären; Verfassungsschutzbeamte, Rechtsanwälte, Journalisten, die darüber berichtet haben, Zeugen, von denen heute die Rede war, usw.
Wir wissen: Zu dem Komplex, der mit am weitesten aufbereitet wurde – „Abseits II“ genannt –, in dem es um diese schmutzigen, grenzüberschreitenden Geschäfte mit Kindern geht – Kinderhandel, Zwangsprostitution usw. –, gibt es ein Vorlaufverfahren, und es gibt vier Verfahren gegen Journalisten, die dort berichtet haben, ansonsten nichts. Zum Komplex „Italienische Mafia“ gibt es ein einziges eingeleitetes Verfahren – und Ende. Nichts zu Ende gebracht und keine originären Zeugen verhört – allenfalls die früheren bearbeitenden Staatsanwälte. Da sage ich: So konnte man nicht zur Wahrheit und zum Beweis kommen. Da muss der Ausschuss, wenn er der Wahrheit die Ehre geben will, sagen: Es ist nicht zielführend ermittelt worden. – Genau das ist letzten Endes, was zum Ausdruck kommt.
Kollege Piwarz, ein letzter Gedanke an Sie gerichtet – ich schätze Sie auch als Jurist – zu dem, was am 03.07.2007 gelaufen ist: Frau Skroch, damals Henneck, früh zum Dienst kommend, um den Komplex „Abseits II“ aufzubereiten, tritt mit der Botschaft beim Dienst an: „Ich fühl‘ mich nicht gut, ich bin krank“ – wie sich abends beim Notarzt herausstellt, wegen einer beginnenden Hirnhautentzündung. Sie hat früh erklärt: Ich bin krank, ich will das aber hier machen, ich habe dem Minister versprochen, ich bringe das Dossier, das Behördenzeugnis zu „Abseits II“.
Sie bekommt an diesem Morgen zur Antwort: „Nix da, es bleibt alles auf dem Schreibtisch, Sie fahren zur Vernehmung zur Staatsanwaltschaft Dresden.“ Und auf ihren Einwand – erstens bin ich krank, zweitens bin ich nicht vorbereitet – hört sie: Das ist eine Weisung. Daraufhin fährt sie zur Staatsanwaltschaft, wird sechs Stunden bei der Staatsanwaltschaft vernommen und muss dann mit dem Fahrer, mit dem sie hingefahren ist, zurückgebracht werden. Sie bricht dann im Landesamt zusammen, es muss der Rettungsdienst geholt werden. Der Rettungsdienst steht da, steht draußen mit dem Rettungssanitäter vor dem Raum – und Herr Boos und Herr Dr. Vahrenhold bearbeiten diese Beamtin noch eine knappe Stunde.
Das ist richtig. Das lässt sich von der Zeit belegen, nachdem man objektiv reingeht.
Sie bearbeiten diese Beamtin. Und Sie wissen ganz genau, dass vor dem 03.07. bereits entschieden war, dass ein Disziplinarverfahren gegen Frau Skroch eingeleitet wird. Nur auf die Bitte der Staatsanwaltschaft ist es der Frau Skroch oder Henneck damals nicht bekannt gemacht worden, weil sie sonst an diesem Tag gesagt hätte: „Ich sage hier nichts aus, gegen mich läuft ein Verfahren.“ Das hat man ihr verschwiegen.
Das ist doch so etwas von elementar rechtsstaatwidrig! Das kann doch auch qua Mehrheit nicht gerechtfertigt werden!
Ja, bitte.
Ja, das haben die beiden Rettungssanitäter ausgesagt – nachdem sie belehrt worden sind über ihre Wahrheitspflicht und die strafrechtlichen Folgen falscher Aussagen. Sie haben auch gesagt: Als Frau Skroch schon auf der Trage war, mussten sie noch einmal anhalten, nachdem sie aus dem Zimmer herausgekommen ist, weil Frau Skroch noch die Schlüssel abgenommen worden sind. Und nachdem der Rettungsarzt informiert war, wurde gegen diese hochkranke Frau noch das Disziplinarverfahren eröffnet.
Das Problem ist: Als Frau Henneck eine Strafanzeige gegen ihre beiden Vorgesetzten, den Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz und den Vizepräsidenten, wegen Körperverletzung, wegen Nötigung erstattet, kommt es zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die sächsische Staatsanwaltschaft – und das Verfahren wird eingestellt nach § 170, ohne die beiden Beschuldigten auch nur zu hören. Weder Boos noch Vahrenhold sind als Beschuldigte vernommen worden; es ist sofort der Deckel nach § 170 Abs. 2 draufgemacht worden. Das nenne ich Botmäßigkeit als Ermittlungseinheit!
Ja, bitte.
Ich sage tatsächlich das, was ich verantworten und beweisen kann. Hineinschauen in die Vernehmung des Rettungssanitäters!
Der Rettungssanitäter hat gesagt: Ich habe den Rettungsarzt informiert, um – sinngemäß – die Autorisierungsschwelle zu erhöhen, weil wir nicht ausreichten, die Patientin mitnehmen zu können, sie herausgegeben zu bekommen. Das hat er definitiv ausgesagt.
Das hat der Rettungssanitäter vor dem Ausschuss ausgesagt – lesen Sie das Protokoll nach; das ist sogar in Auszügen im Minderheitenbericht zitiert an der Stelle, wo wir die entsprechende Darlegung bringen. Das ist genau die Aussage gewesen.
Ein letzter Punkt, Kollege Piwarz – auch von Rechtspolitiker zu Rechtspolitiker –: Sie haben es angedeutet, gegen Frau Henneck/Skroch, gegen Herrn Wehling sind nunmehr seit insgesamt sieben Jahren – sieben Jahren! – die verschiedensten Disziplinarverfahren, Strafverfahren und dergleichen mehr eingeleitet; sie sind wiederholt dienstenthoben worden – teilweise über Jahre –, dann wieder in den Dienst versetzt worden, dann kam die Anklageschrift, dann wieder die Dienstenthebung und Ähnliches mehr.
Die Anklageschrift gegen Frau Skroch und Herrn Wehling mit dem Vorwurf der Verfolgung Unschuldiger, eines Verbrechens, ein Jahr Mindestfreiheitsstrafe, bis zu zehn Jahren, liegt seit dem 10.11.2010 bei der 3. Großen Strafkammer des Landgerichtes Dresden – vier Jahre, ohne dass auch nur entschieden ist, ob man diese Anklage eröffnet, ob man sie annimmt, ob man verhandelt.
Man muss sich einmal vorstellen, wenn man in der Situation dieser beiden Beamten ist, für die der Freistaat Sachsen Fürsorgepflicht hat, was das menschlich mit einem macht.
Beide mussten sich erst wieder durch neue Klagen, die erst im letzten Jahr entschieden worden sind, in den Dienst zurückklagen – mit jetzt minderer Tätigkeit, die sie verrichten müssen. Das hat mit Rechtsstaat nichts mehr zu tun!
Wenn Ihnen nichts weiter einfällt, kommen Sie mir gern mit meinem 24 Jahre zurückliegenden Leben – gern, das nehme ich so entgegen.
Das ist jetzt nicht mein Problem. – Kollege Piwarz, es hätte an dieser Stelle die Größe aufgebracht werden können – auch von der Koalition – zu sagen, das wollen wir geklärt haben; wir wollen geklärt haben, warum genau diese Kammer, bei der dieses Verfahren seit nunmehr vier Jahren liegt, vor einem Dreivierteljahr noch die ganzen Staatsschutzdelikte dazubekommen hat. Da entscheidet über die Personalbereitstellung sehr wohl der Justizminister.
Der Justizminister entscheidet über die Personalbereitstellung.
Meine letzte Bemerkung. Es geht bei dem ganzen Komplex „Sachsen-Sumpf“ um eine einzige grundsätzliche Frage: Welche Kraft bringt die Gesellschaft hier im Freistaat Sachsen auf, wenn eine solche Situation, ein solcher komplexer Verdacht in der Welt ist, das wirklich vernünftig und sauber zu klären? Und warum muss immer aus dem Interesse von Machterhalt und Schutz der in Funktion Befindlichen und dergleichen mehr auf höherer Ebene der Sachverhalt auf eine Art und Weise geklärt werden, dass auch Menschen, die sich in Zeugenfunktion, in Beamtenfunktion, in sonstiger Tätigkeit für den Freistaat Sachsen zur Verfügung gestellt haben, Schäden fürs Leben davontragen müssen?
Es ist ein Drama, dass ein Verfassungsschutzbeamter von Ende 30, der nichts anderes gemacht hat als sich zu weigern, Quellen zu offenbaren, zu legendieren, so lange strapaziert worden ist und von der Ebene als Undercover zum Streifendienst versetzt wird, dass er mit 38 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand gehen muss, weil er nicht mehr dienstfähig ist.
Das sind Fakten, die sich nicht wegschweigen, nicht rechtfertigen lassen, und die hätten auch qua Mehrheit als falsch erklärt werden müssen.
Danke schön.
Herr Präsident, ich möchte von der Möglichkeit der Kurzintervention Gebrauch machen.
Herr Piwarz, es ist richtig: Die damalige Partei PDS bzw. DIE LINKE hatte begehrt, dass die Ermittlungen einer auswärtigen Staatsanwaltschaft – damit ist eine Staatsanwaltschaft außerhalb des Freistaates Sachsen gemeint – überantwortet werden. Die PKK hatte für eine Prüfung durch die Generalbundesanwältin plädiert. Ihr wurde die Prüfung auch angetragen. Aber nach allem, was wir kennen, lagen ihr damals nur 17 Seiten aus dem Fundus des Landesamtes für Verfassungsschutz vor. Sie hatte keine Akten beigezogen und nichts geprüft, genauer: nichts prüfen können. Sie hat letzten Endes auf der Grundlage dieses schmalen Segments entschieden, dass sie sich nicht zuständig sehe. Das kann richtig gewesen sein; das ist rechtlich vielleicht nicht zu beanstanden.
In der Konsequenz war es nach unserer Überzeugung eine unglückliche Entscheidung. Eine andere Staatsanwaltschaft in einem anderen Bundesland – dass es nicht der Generalbundesanwalt sein soll, kann man in der Leitverfügung festlegen – hätte den Verdacht, es werde voreingenommen ermittelt, in jedem Fall aus der Welt gebracht.
Zu der Frage, ob voreingenommen ermittelt wurde: Herr Piwarz, Sie werfen mir vor, wie ich mich seinerzeit auch im Kontext mit dem, was ich von Buttolo und – atmosphärisch, ohne Inhalte – von der PKK mitbekommen hatte, geäußert habe. Ich habe aber im Februar 2008 in einem Interview gegenüber der „Freien Presse“ gesagt – das wissen Sie auch –: Wenn ich erneut in diese Situation gestellt würde, ginge ich mit diesen Dingen etwas distan
zierter, etwas ruhiger um. Auch Herr Buttolo hat sich später korrigiert.
Was ist denn die Reaktion darauf gewesen? Das haben wir in den staatsanwaltschaftlichen Handakten als Beweismittel gefunden. Ich zitiere aus der E-Mail einer Staatsanwältin, die zur Ermittlungseinheit „Sachsen-Sumpf“ gehörte, an den Leitenden Oberstaatsanwalt Schwürzer, den Leiter der Ermittlungseinheit:
„Zum Bartl: Ich habe sein Interview mit Erstaunen gelesen. Ich glaube, er macht nur den Rückzug, um sein politisches Ansehen nicht noch mehr zu beschädigen. Wer nach seinem eigenen Bekunden erst 17 Jahre nach der Wende merkt, dass es in der Arbeitsweise von Staatssicherheit und Verfassungsschutz Unterschiede gibt, ist einfach nur hohl und nicht ernst zu nehmen. Der hängt seine Fahne (die rote) in den Wind und wird nur versuchen, Schaden von sich abzuwenden. Kommunisten eben!“
Das ist aus der Korrespondenz zwischen den ermittelnden Staatsanwälten.
Vielen Dank, Herr Präsident.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Etwas Neues gerade im Bürger-Staat-Verhältnis zugunsten des Ersteren durchzusetzen ist in Deutschland im Allgemeinen und in Sachsen im Speziellen höchst schwierig. Von daher hat unser Gesetzentwurf, mit dem wir einen beim Landtag angesiedelten Bürgerbeauftragten für Bürgeranliegen des Freistaates Sachsen inklusive logistischer Ausstattung etablieren wollen – quasi einen parlamentarischen Ombudsmann –, von vornherein mit vielen Widerständen, jedenfalls von konservativ-liberaler Seite, zu rechnen.
Dass mit der Ihnen jetzt vorliegenden Beschlussempfehlung des federführenden Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses dem Landtag mit den Stimmen der Koalitionsabgeordneten empfohlen wird, unseren Gesetzentwurf rundweg abzulehnen, enttäuscht uns dennoch, und zwar aus vier wesentlichen Gründen:
Erstens. Wir haben schon bei der Einbringung des Gesetzentwurfes in der 91. Sitzung am 30. Januar darauf verwiesen, dass unser Vorhaben, mit diesem Bürgerbeauftragten in das Gewaltensystem eine unterhalb der Schwelle der justiziablen Gesetzesaufsicht integrierte Kontrol
linstanz zu etablieren, absolut im europäischen Trend liegt. Schon 1994 hat das Europäische Parlament mit einem Beschluss über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten – das war der Beschluss 94/262 EG – eine solche Institution geschaffen.
Zweitens. Wir haben keine für Deutschland erstmalige oder neue Institution schaffen wollen. Schon die Begründung zum Gesetzentwurf beruft sich – wie wir es auch in der Einbringungsrede getan haben – darauf, dass es inzwischen immerhin schon in vier Bundesländern, in einem Viertel der Länder, einen solchen Bürgerbeauftragten gibt, und zwar zu Teilen bereits seit Jahrzehnten.
Wir hatten am 4. Juni 2014 eine nach unserer Überzeugung hervorragende Expertenanhörung im Verfassungs- und Rechtsausschuss, die ganz wesentlich davon gelebt hat, dass alle vier Sachverständigen, die hier zu Wort kamen bzw. den Fragen der Ausschussmitglieder Rede und Antwort standen, selbst über profunde Erfahrungen in der Funktion eines Bürgerbeauftragten in RheinlandPfalz, in Mecklenburg-Vorpommern oder in Thüringen – aus unserem Nachbarland waren sowohl der Bürgerbeauftragte als auch die stellvertretende Bürgerbeauftragte erschienen; nur der Schleswig-Holsteinische Bürgerbeauftragte konnte den Termin nicht wahrnehmen – verfügen. Von allen vier Sachverständigen kam die eindeutige Botschaft, dass diese Gesetzesinitiative zu begrüßen ist, weil sie auf die Schaffung eines Amtes abzielt, das ein wichtiges Scharnier zwischen Bürger und Staat sein kann. In allen vier Bundesländern hat sich diese Institution des
Bürgerbeauftragten eindeutig bewährt, hat sie den Praxistest bestanden, und alle vier schwören auf die Richtigkeit dieses Weges.
Ich zitiere hier nur den Sachverständigen Dieter Burgard, Bürgerbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz, der das, was für einen parlamentarisch gewählten Bürgerbeauftragten spricht, was den demokratischen Mehrwert, der dadurch erreicht werden kann, deutlich macht, mit eingängigen Worten wie folgt beschrieben:
Erstens. Kein anonymes Bearbeiten von Eingaben, sondern es agiert eine Person des Vertrauens, ein Gesprächspartner.
Zweitens. Bürgernähe durch Dutzende Sprechtage im Jahr, zum Beispiel auch im Strafvollzug in RheinlandPfalz oder in der geschlossenen Psychiatrie, im Maßregelvollzug und flexible Möglichkeiten von Besuchern vor Ort.
Drittens. Bürgerbeauftragte sind Lotsen, Erklärer für Bürger und Mittler – was durch eine gute Vernetzung mit Landesregierung, Fachbehörden, Gerichten und Verwaltungen gelingt. Beide Seiten – Bürger und Verwaltung – haben einen Gewinn aus dem Verfahren beim Bürgerbeauftragten; so mehr Vertrauen, mehr Erkenntnis, was Menschen bewegt, wo Mangelhaftes oder auch Gutes noch besser werden kann.
Viertens. Der Bürgerbeauftragte arbeitet unabhängig – ist also nicht weisungsgebunden – und agiert parteiübergreifend, losgelöst von Legislaturperioden des Landtages und kann aktuell Themenschwerpunkte setzen und die Politik und Verwaltung zu besonderen Aktivitäten veranlassen, zum Beispiel auch zu Gesetzes- oder Verordnungsänderungen.
Fünftens. Sein Angebot ist niederschwellig und nicht allein auf die Schriftform angewiesen – was für Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund oder auch Analphabeten wichtig sein kann.
Sechstens. Sehr zeitnah kann er mit seinen umfangreichen Handlungsmöglichkeiten zu Selbstaufgriff, Zutritt und Akteneinsicht handeln, was in Krisensituationen wie drohender Obdachlosigkeit, Abschiebung, Gefährdung von Kindeswohl, gravierendem Missstand in Heimen oder im Strafvollzug, auch beim Sperren von Energielieferungen sehr wichtig sein kann.
Er führt weitere Punkte auf, ich will aber hier enden und nur hervorheben: Allein aus den Worten dieses Bürgerbeauftragten in Rheinland-Pfalz wird ein ganz klares Plädoyer für unseren Gesetzentwurf, für unseren Gesetzesansatz deutlich. Es schimmert auch durch, dass es zugleich eine soziale Instanz ist – neben dieser Bürgernähe –, und genau darauf richtet sich unser Gesetzentwurf.
Zum Dritten: Wir hatten im Speziellen bei der CDU auf mehr Resonanz für unseren Gesetzentwurf gehofft, weil unser Anliegen ein Modellprojekt aufgreift, das in ebendiesem Landtag in den Neunzigerjahren wiederholt hoch
gelobt und gegen alle Angriffe auch seitens Partei, Fraktion und Regierung der CDU in Schutz genommen wurde: das Büro Ingrid Biedenkopf. Natürlich war das eine softere Variante, eine mangels verfassungsrechtlicher, gesetzlicher oder sonstiger Regelungen auch immer umstrittene und in ihren Möglichkeiten sehr begrenzte und immer auch in Kollision mit dem Petitionsausschuss geratene Instanz.
Deswegen wollten wir es jetzt eben anders anfassen.
Aber die Idee war ja nicht falsch, und die Idee kann man aufgreifen; wir sind ja lernfähig.
Viertens schließlich: Wir haben im Verfassungs- und Rechtsausschuss mit einem eindeutigen substanziellen Änderungsantrag, der Ihnen heute hier vorliegt, ganz klar sämtliche kritischen Hinweise der Sachverständigen aufgegriffen. Überall dort, wo die vier Praxisanwender, die vier jetzt schon tätigen Bürgerbeauftragten, gesagt haben, hier überzieht ihr, hier geht ihr etwas zu weit, hier wird es zu bürokratisch, hier sind die Eingriffsmöglichkeiten zu stark, haben wir mit dem Änderungsantrag Abhilfe geschaffen – bis hin zur Streichung zum Beispiel dieses ursprünglich vorgesehenen Rechts des Bürgerbeauftragten, Beanstandungsklage zu erheben, wenn er auf andere Weise nicht durchkommt.
Wir sind irdisch genug, um zu wissen, dass es eher nach oben schneit, bevor Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, unseren Gesetzentwurf, dem die demokratischen Oppositionsfraktionen durchweg die Zustimmung im Ausschuss gegeben haben, hier durchzulassen. Das wird dann wieder ein Nachteil für die Bürgerinnen und Bürger; sie haben den Nachteil. Es ist aber auch ein Nachteil für die Verwaltung, es ist ein Nachteil für die Entlastung von Teilen der Justiz, speziell der Verwaltungsgerichte, und es ist ein Nachteil für die Politik im Freistaat Sachsen, weil angesichts der sich immer mehr erweiternden Distanz des Bürgers zu Staat, zu Verwaltung und zum Glauben an wirkliche demokratische Partizipation solche symbolischen Zeichen sehr wichtig wären.
Vielleicht können Sie sich angesichts dieser Aspekte noch einmal überlegen, ob es kurz vor Ende der Wahlperiode dieses Sächsischen Landtages – im 25. Jahr der Wende, der demokratischen Revolution – vor diesem Hintergrund geboten wäre, ein wenig Ihren machtverliebten Beharrungswillen aufzugeben, ihn doch einmal zu sprengen und diesem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, ich würde gern vom Recht der Kurzintervention Gebrauch machen.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Verehrter Herr Kollege Kirmes, Sie haben sinngemäß gesagt, dass wir uns fast an den Rand der Verfassungswidrigkeit begeben würden, da wir angeblich „auf die Kalte“ eine Vierte Gewalt etablieren wollen. Ich zitiere aus der Startseite der „Eifel-Zeitung“ von gestern: „Malu Dreyer: Wichtige Institution in der Demokratie.
Der Bürgerbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz, Dieter Burgard, hat Ministerpräsidentin Malu Dreyer am 11. April 2013 seinen Jahresbericht 2012 überreicht. ‚Das Amt des Bürgerbeauftragten ist für die Gesellschaft sehr wichtig. Er ist ein Vermittler zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Verwaltung und festigt damit unsere Demokratie‘, sagte die Ministerpräsidentin bei dem Gespräch in der Staatskanzlei. … In diesem Sinne wird die Landesregierung auch diesen Jahresbericht sorgfältig auswerten‘, sagte Ministerpräsidentin Dreyer.“
Deren Parteizugehörigkeit ist Ihnen bekannt. Ich kann wirklich nicht erkennen, dass Rheinland-Pfalz, Thüringen
oder Schleswig-Holstein, die solche Regelungen schon getroffen haben, dem Grundgesetz zuwider Bürgerbeauftragte etabliert hätten. Ich meine, dass dieser Vorwurf unberechtigt ist.
Auf Ihren Hinweis betreffs des Änderungsantrags würde ich gern eingehen, wenn ich diesen eingebracht habe.
Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Kollege, dass ich fragen darf.
Meinen Sie, dass Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Thüringen auch die Idee von Frau Biedenkopf als Stelle aufgegriffen haben, oder war das eventuell die Umsetzung des europäischen Gedankens?
Herr Präsident! Frau Kollegin Jähnigen, wir wissen, dass der Gesetzentwurf nicht das Nonplusultra bezüglich des Ausbaus der demokratischen Partizipation der Bürgerinnen und Bürger ist. Das ist vielschichtig: Informationsfreiheitsgesetz, Transparenzgesetz, mehr Möglichkeiten auf kommunaler und auf Landesebene sowie Mitwirkung auf direkte Art und Weise. Das soll ein Segment sein.
Frau Kollegin Jähnigen, dass ich das Büro Biedenkopf in der Rede erwähnt habe, war eigentlich dafür gedacht, die CDU-Fraktion dazu zu bewegen, wenn es so niederschwellig ansetzt, vielleicht bereit zu sein, darüber etwas nachzudenken. Diese Botschaft sollte im Vordergrund stehen, nicht die ernsthafte Belobigung des Projekts.
Kollege Biesok, ich gebe Ihnen recht, das war unser Problem: dass wir dieses dänische und dieses schwedische Modell miteinander harmonisieren wollten. Das ist uns im ursprünglichen Entwurf nicht recht gelungen. Umso mehr halte ich es für ein No-go, dass dann, wenn wir unter Beachtung der Hinweise der Sachverständigen – die darauf aufmerksam gemacht haben, dass das in Deutschland zur Anwendung gebrachte Modell des Bürgerbeauftragten die Mediation in den Mittelpunkt stellt, und nicht die Intervention wie das schwedische Modell – den Änderungsantrag bringen, wir Anhörungsrechte geringer fassen, Beanstandungsrechte geringer fassen und das Recht der Beanstandungsklage herausnehmen, Ihre Fraktion und die CDU den Änderungsantrag ablehnen. Denn es ist eine parlamentarische Unkultur, wenn man einen Änderungsantrag einbringt, der genau das aufgreift, was Sachverständige bzw. Experten dem Ausschuss mitteilen, und den Antragstellern wird es verwehrt, den eigenen Gesetzentwurf, der fehlerhaft oder verbesserungsbedürftig ist, zu verbessern.
Das ist nicht zu verstehen. Deshalb greift unser Änderungsantrag – ich will ihn damit auch gleich einbringen, Herr Präsident, wenn ich es darf – genau das auf, was Kollege Biesok hier zutreffend als ein Spannungsfeld beschrieben hat. Mit der Änderung des § 7 a Abs. 2 – das möchte ich auch an Kollegen Kirmes adressiert noch einmal sagen – stellen wir klar, dass es keine ständige Anhörungspflicht zu jeder Rechts- und Verwaltungsvorschrift geben soll und kann, sondern wir nehmen das Anhörungsrecht zurück. Ihnen ist Gelegenheit zu geben. Ob der Bürgerbeauftragte, die Institution, das Büro Stellung nehmen, liegt in deren Entscheidung.
Wir haben mit dem § 8 Abs. 1, mit der Änderung aus dieser Harmonisierung im Regelungsmodell – diesem schwedischen Ombudsmann und diesem deutschen Bundesländermodell, mit dem Mediationsmodell –, diesen Vermittlungsansatz aufgelöst. Wir haben diese Beanstandungsrechte wesentlich zurückgenommen und die Beanstandungsklage in Gänze gestrichen. Das ist in
dem Antrag enthalten. Damit, meinen wir, haben wir alles beachtet, was die vier Sachverständigen, die diese Funktion leben – und zwar nicht nur als Beauftragte auf kommunaler Ebene, Kollege Biesok; das sind alles durch den Landtag gewählte Bürgerbeauftragte nach dem Modell, wie wir es wollen, die für den Landtag arbeiten und zum Beispiel von der Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz eine hohe Wertschätzung in der Arbeit erfahren.
Wir haben folgende Frage im Ausschuss ausdrücklich an die Sachverständigen gestellt: Kommt es nach Ihren Erfahrungen zur Kollision zwischen Petitionsausschuss und dem Wirken dieses Bürgerbeauftragten? – Daraufhin hat Herr Dr. Kurt Herzberg, der Bürgerbeauftragte von Thüringen, Folgendes gesagt – ich zitiere aus dem stenografischen Protokoll der Expertenanhörung –: „Es gibt die Möglichkeit, dass der Petitionsausschuss dort, wo er meint, dass es zur Aufklärung des Sachverhalts oder auch zur Problemlösung – Mediation – sinnvoll bzw. notwendig ist, dem Bürgerbeauftragten sogenannte Prüfaufträge erteilt. Das erfolgt in jeder Petitionsausschusssitzung mehrfach, wo der Bürgerbeauftragte dann direkten Kontakt sucht und vermittelt. Der Bürgerbeauftragte leistet etwas, was der Petitionsausschuss eben nicht kann: Er kann schnell, direkt, operativ und kreativ Konflikte lösen, Störungen im Bürger-Staats-Verhältnis überwinden – ohne Entscheidungsverfahren, ohne Gerichtsverfahren, ohne Frust, ohne Verlust an Vertrauen des Bürgers in die Verwaltung.“
Nach der Erfahrung aller vier Amtsträger, die wir als Experten gehört haben, gibt es keinerlei Kollision mit dem Petitionsausschuss, sondern eine fruchtbare gegenseitige Ergänzung, ohne dass einer an Rechten verliert oder in Rechte der anderen eingreift. Im Ergebnis spürt der Bürger, dass er in seinen Problemlagen, seinen täglichen, aber auch prinzipiellen Fragen Gehör findet und ernst genommen wird, in diesem Fall auf der Landesebene.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Spät kommt ihr – doch ihr kommt.“ Die Einrichtung eines derartigen Normenkontrollrats war bekanntermaßen eines der Vorhaben, das im Koalitionsvertrag bereits fixiert war. Das war im Jahr 2009. Fünf Jahre später und zum Ende der Legislaturperiode kommt nun der Gesetzentwurf. Das wirft für uns folgende Frage auf: Warum ist dieses Projekt, wenn es so wichtig, bedeutsam und günstig ist, nicht bereits für diese Legislatur nutzbar gemacht worden? Das ist eine Frage, vielleicht gibt uns Herr Staatsminister eine Antwort, mit der wir uns befassen. Ich stelle diese Frage einmal zurück.
Wir beleuchten diesen Gesetzentwurf einmal objektiv auf sein Pro und Kontra hin. Ich möchte dies für unsere Fraktion tun. Wie bereits Kollege Modschiedler hervorgehoben hat, wäre Sachsen damit das erste Bundesland, das auf Länderebene ein solches Gremium nach dem Vorbild des Nationalen Normenkontrollrats auf Bundesebene schafft. Der vorliegende Gesetzentwurf lehnt sich auch in der Normierung der Aufgaben, Zusammensetzung und dergleichen mehr weit an die bundesgesetzliche Regelung des Gesetzes zur Einsetzung des Nationalen Normenkontrollrats vom 14. August 2006 an.
Es ist erkennbar – das sehen wir ebenfalls –, dass es eben nicht die Aufgabe des Sächsischen Normenkontrollrats ist, wie dessen Bezeichnung nahelegen könnte, eine inhaltliche Prüfung von Rechtsnormen – etwa auf ihre Übereinstimmung mit der sächsischen Landesverfassung oder ihre Passfähigkeit – vorzunehmen. Die Aufgabe ist, wie auch klar hier bezeichnet, vor allem den Erfüllungsaufwand, der bei der Umsetzung von neuen Normen entsteht, entsprechend zu bewerten und zu beurteilen. Es kann durchaus der Effekt eintreten, das gilt auch für das Land als Gesetzgeber, eine entsprechende Unterstützung zu liefern. Es geht also um eine sogenannte Ex-antePrüfung.
Nach der allgemeinen Definition umfasst der Erfüllungsaufwand den gesamten messbaren Zeitaufwand und die Kosten, welche durch das Befolgen einer Vorschrift bei den Bürgern, der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung entstehen. So sieht es auch § 2 des Gesetzentwurfs vor. Der Sächsische Normenkontrollrat soll also nicht die Aufgabe des in der Regierung existierenden Normenprüfungsausschusses übernehmen. Das noch einmal zu betonen, Herr Kollege Modschiedler, ist uns wichtig. Der Herr Staatsminister hatte dies auch im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss gesagt. Es gibt damit also keine Abstriche bei der Verantwortung innerhalb der Staatsregierung selbst. Was die Frage nach der Rechtsförmlichkeit, Verfassungsmäßigkeit und der rechtstechnischen Umsetzung vorgesehener Regelungen angeht, bleibt die Verantwortung bei der Staatsregierung respektive im Justizministerium.
Einer derartigen Prüfung durch den Sächsischen Normenkontrollrat sollten Entwürfe von Landesgesetzen und von Gesetzen unterliegen, die die Staatsregierung bzw. das Staatsministerium oder die Staatskanzlei erarbeitet haben, sowie Entwürfe von Rechtsverordnungen, mit denen sich die Staatsregierung befassen muss. Auch bestehende landesrechtliche Regelungen, soweit diese dem Normenkontrollrat von der Staatsregierung, gegebenenfalls auch von der Staatskanzlei oder eines Staatsministeriums zur Prüfung vorgelegt werden sollen, sollen noch einmal bewertet werden. Zumindest verstehen wir das so. Es sollte tatsächlich ebenfalls möglich sein, dem Normenkontrollrat bereits bestehende Regelungen zu unterbreiten und vom Normenkontrollrat bewerten zu lassen. Wir hätten gern noch einmal bestätigt, dass dies der Sinn des Gesetzes ist. Das ist für uns aus einem Gedanken heraus nicht ganz unwichtig, auf den ich noch zu sprechen komme.
In diesem Punkt unterscheidet sich der Gesetzentwurf übrigens auch von der bundesgesetzlichen Regelung zur Errichtung des nationalen Kontrollrats, nach der der Normenkontrollrat Gesetzentwürfe aus der Mitte des Bundestages prüft. Wir haben also nur die Festschreibung, dass von dem Normenkontrollrat Gesetzentwürfe bewertet werden, die von der Staatsregierung kommen. Es besteht nicht wie auf Bundesebene die Möglichkeit, dass Fraktionen – beispielsweise eine Gruppe von Abgeordneten, die einen Gesetzentwurf einbringt – den Normenkontrollrat beauftragen. Dass dies mit diesem Gesetzentwurf anders gesehen wird, ist für uns in gewisser Hinsicht erklärungsbedürftig.
Wir sind der Meinung, dass dieses Gesetzesvorhaben ein interessantes Experiment ist. Es kann durchaus einen entsprechenden Nutzen bringen. Insofern sind wir durchaus gespannt. Allerdings bedauern wir es auch ausgesprochen, dass solche bedeutenden und komplexen Gesetzeswerke, die in dieser Legislaturperiode verabschiedet wurden und bei denen es an der Abschätzung des Kostenfolgeaufwandes ermangelt hat und dem Landtag nicht mitgeteilt wurde, was es kosten und dem Steuerzahler
bringen würde, nicht bereits durch den Normenkontrollrat bewertet wurden.
Ich nenne folgende Stichworte in diesem Zusammenhang: Standortegesetz, Dienstrechtsreform oder dergleichen. Das alles ist in dieser Legislatur ohne die Beteiligung des Normenkontrollrats geschehen. Nun ist unsere Hoffnung, dass diese – beispielsweise das Standortegesetz – im Nachhinein dem Normenkontrollrat vorgelegt werden und überlegt wird, ob man darin etwas ändern muss.
Nun komme ich noch einmal auf meinen Gedanken, den ich vorhin bereits als Überleitung andeutete, zu sprechen. Es ist nunmehr eine Evaluierung nach zwei Jahren vorgesehen. Nach drei Jahren soll es nach der jetzigen Formulierung außer Kraft treten. Die Evaluierung soll bereits nach zwei Jahren erfolgen. Ein halbes Jahr vor Ende der Legislatur soll dieses vorgelegt werden. Das ist unserer Meinung nach nicht praktikabel. Der Kontrollrat muss zunächst einmal eingesetzt werden. Wir sind für eine Befristung. Das ist in Ordnung. Er muss entsprechend berufen werden. Er muss eine gewisse organisatorische, logistische Begleitung erfahren. Er muss in gewisser Weise Erfahrungen sammeln. Es müssen die entsprechenden Gesetzesvorhaben – sowohl bereits geltende als auch neue – entsprechend zusammengestellt werden.
Wir denken, dass – auch unter dem Aspekt, dass diejenigen, die in den Kontrollrat berufen werden sollen, ehrenamtlich arbeiten – ohne Weiteres zwischen einem und anderthalb Jahre vergehen, bevor dies zum Laufen kommt. Bereits nach zwei Jahren schon sagen zu können, dass sich dieses Gremium bewährt oder nicht bewährt hat, halten wir für zu ambitioniert und anspruchsvoll. Es muss anders angesetzt werden. Eine Evaluierung und Befristung hat durchaus unser völliges Einverständnis. Wir halten es jedoch für kaum praktikabel, dass man nach zwei Jahren schon verlässliche Bewertungen vornehmen und sagen kann, dass weiter gearbeitet werden soll.
Wir sind der Auffassung, dass dieser Gesetzentwurf durchaus ein Pro und Kontra verdient. Wir werden uns der Stimme enthalten. Wir werden dieses Projekt allerdings durchaus mit Interesse begleiten und uns auch – das gilt vor allem für die Kolleginnen und Kollegen aus unserer Fraktion, die im zukünftigen Sächsischen Landtag vertreten sein werden – an der Evaluierung beteiligen.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Staatsminister, darf ich Sie so verstehen, dass es seitens der Staatsregierung keine Einwände gäbe, wenn in einem Gesetzgebungsprozess förmlich korrekt entsprechend den Verfahren vorgesehen würde, dass auf Antrag von Fraktionen oder einer Gruppe von Abgeordneten dieser Kontrollrat die entsprechende Nutzungsaufwandsprüfung vornehmen könnte?
Danke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ihnen heute vorliegende Antrag betrifft eine Regelungsmaterie, die zu den ausgesprochen sensiblen im Prozess der Herstellung der deutschen Einheit gehört: die Respektierung der unterschiedlichen Entwicklungen, die es gerade in Fragen der Eigentumsrechte an Grund, Boden und aufstehenden Gebäuden zwischen 1949 und 1990 in beiden deutschen Staaten gab, und deren harmonisierende Lösung, nicht unwesentlich entweder identitätsstiftend oder eben identitätsstörend für eine geschätzte halbe Million Rechtsbetroffene in den neuen Bundesländern, mithin auch eine erhebliche Zahl hier in Sachsen.
Der Einigungsvertrag bestimmte ursprünglich in Anlage 1 Artikel 232 § 4, überschrieben direkt mit „Nutzung von Bodenflächen zur Erholung“, dass die Rechtsverhältnisse an Erholungsgrundstücken in den Fällen, in denen das Eigentum an Grund und Boden und die auf diesen errichtete Baulichkeit auseinanderfallen, nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 312 bis 315 des Zivilgesetzbuches der DDR geschützt bleiben. Nach diesen war ein Nutzungsvertrag über ein Erholungsgrundstück auf Dauer angelegt und nahezu unkündbar. Hatte der Nutzungsberechtigte auf der Bodenfläche ein Wochenendhaus errichtet, konnte das Nutzungsverhältnis gegen seinen Willen nur durch gerichtliche Entscheidung aufgehoben werden. Das wollte der Einigungsvertrag beibehalten. Dieser Kündigungsschutz sollte bleiben. Der Grundsatz „Gebäude folgt dem Boden“ sollte in den Fällen gedreht werden, bei Eigenheimen und Garagen auch.
Dann hat aber dieser weitergehende Rechtsschutz durch das am 21. September 1994 mit den Mehrheiten im Deutschen Bundestag angenommene sogenannte Schuldrechtsanpassungsgesetz eine Aufweichung erfahren.
Dieses Schuldrechtsanpassungsgesetz, ein klassisches Übergangsrecht, dient der Überleitung von Nutzungsverträgen an Grundstücken, die vor 1990 in der Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossen worden sind, in das bundesrepublikanische Recht. Ihm unterfielen ursprünglich auch die zu DDR-Zeiten auf fremdem Grund und Boden errichteten Garagen. Der betreffend diesen im Schuldrechtsanpassungsgesetz angelegte längerfristige Kündigungsschutz wurde unter der Wirkung eines am 17. November 1999 ergangenen Urteils des Bundesverfassungsgerichts und des von ihm gesehenen Verstoßes gegen die Eigentumsgarantie des Artikels 14 Abs. 1 zulasten der Alteigentümer des Grund und Bodens entsprechend abgeräumt.
Ich darf daran erinnern, dass sich vor allem die Kolleginnen und Kollegen, die bereits in der 4. Wahlperiode hier im Hohen Haus saßen, damals sehr intensiv und fraktionsübergreifend darum bemüht haben, das abzufedern, was dieses Urteil an Bedeutung und Wirkung für die Garageneigentümer in Sachsen und im gesamten Beitrittsgebiet hatte. Wir haben für Sachsen durchaus eine vernünftige Lösung gefunden. Die Kommunen haben in dem Fall tatsächlich nicht hingelangt, sondern haben den Garageneigentümern, wenn formal das Eigentum an Grund und Boden auch die Garage betraf, durchaus erträgliche Bedingungen geschaffen, sodass die Garagengemeinschaften als Vereine fortbestehen konnten.
Das Problem, das die Datschengrundstücke betrifft, hat nunmehr eine gewisse Dynamik erfahren. Am
4. Juni 2014 wurde der nach unserem Wissen von der rot
roten Regierung des Landes Brandenburg in den Bundestag eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes vom 16.05.2014, geführt in Drucksache 208/2014 des Bundesrates, bei einer Behandlung im federführenden Rechtsausschuss des Bundesrates durch die Mehrheit der Länder schon im Rechtsausschuss angenommen.
Nicht zugestimmt haben der Freistaat Sachsen und daneben Bayern, Hessen und Berlin. Also, unser eigener Freistaat, unsere eigene Staatsregierung hat in dieser Sitzung des Rechtsausschusses gegen das Anliegen gestimmt, den Kündigungsschutz für Grundstücke, die vom Nutzer bis zum 16. Juni 1994 mit einer Datsche bebaut worden sind – aus unserer Sicht ohnehin zu wenig, aber immerhin –, um drei Jahre, also bis zum 3. Oktober 2018, zu verlängern. Nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz selbst würde dieser besondere Kündigungsschutz ansonsten am 3. Oktober 2015 auslaufen.
Weiter sieht dieses Änderungsgesetz vor, dass nach der aktuellen Gesetzeslage bestehende Regelungen zur Tragung von Abbruchkosten korrigiert werden. Das jetzt geltende Recht hat ja eine außerordentlich fragwürdige Regelung – dergestalt, dass, wenn der Eigentümer des Bodens den Vertrag kündigt und den Abriss der Datsche wünscht und der Vertrag bis 2022 endet, die entsprechenden Abrisskosten vom Grundstückseigentümer übernommen werden. Endet der Vertrag in den letzten drei Monaten des Jahres 2022, werden die Abbruchkosten zwischen den Eigentümern des Bodens und des Gebäudes geteilt, und bei einer Vertragsbeendigung ab Januar 2023 soll dann nach geltender Gesetzeslage der Grundstücksnutzer sämtliche Abbruchkosten selbst tragen.
Sehr berechtigt hat der den Gesetzentwurf für das Land Brandenburg am 23. Mai 2014 im Bundesrat einbringende Justizminister Dr. Helmuth Markov in der Einbringungsrede festgestellt – ich zitiere –: „Dieser Regelung wohnt kein gerechter Interessenausgleich inne. Ich glaube, das war ein gesetzgeberisches Versehen, das kann man auch anhand der Termine oder Fristen durchaus nachvollziehen. Die Überleitung ist hier misslungen und sollte korrigiert werden. Die Kosten für den Abbruch eines solchen Hauses sollte grundsätzlich der Eigentümer dieses Grundstückes tragen. Diese Regelung ist angemessen, weil an den Grundstückseigentümer auch die Baulichkeiten fallen, die der Nutzer aus eigenen Mitteln errichtet hat.“ – So weit aus der Einbringungsrede des brandenburgischen Justizministers.
Inzwischen hat der Bundesrat in seiner 923. Sitzung am 13. Juni 2014, mithin vor fünf Tagen, diesen Gesetzentwurf des Landes Brandenburg angenommen, zu unserer angenehmen Überraschung nunmehr auch mit der Zustimmung des Freistaates Sachsen, in der Sitzung höchstpersönlich vertreten durch den Ministerpräsidenten und Herrn Staatssekretär Erhard Weimann, langjähriger, auch von uns sehr geschätzter Fraktionsgeschäftsführer der hiesigen CDU. Letzterer brachte im Übrigen laut Wiedergabe in der Internet-Berichterstattung des MDR die Sache
auf den Punkt, als er erklärte, dass ein längerer Kündigungsschutz bei Datschen gerechtfertigt sei; denn – so Zitat Erhard Weimann – „eins ist auch klar: Was passiert, wenn der Kündigungsschutz Ende 2015 ausläuft? Dann werden natürlich die Eigentümer die Herausgabe des Landes einschließlich der Gebäude verlangen.“
Wie sich erklärt, dass der Freistaat Sachsen nunmehr zu der bemerkenswerten Einsicht gelangt ist, dass den Datschengrundstücken in den neuen Ländern auch heute noch ein besonderer sozialer Stellenwert zukommt, sodass der Zeitraum der Überleitung verlängert und die Folgen einer Beendigung der Nutzungsverhältnisse abgemildert werden müssen, darüber können wir nur spekulieren.
Eine Variante ist, dass der Ministerpräsident eine begrüßenswert abweichende Rechtsauffassung vom Staatsminister der Justiz hatte, der den Gesetzentwurf – wenn dem nicht so ist, bitte ich, es zu dementieren – in der Sitzung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses für Sachsen noch verworfen hat. Oder Stanislaw Tillich ist im Hinblick auf den 31. August 2014 wirklich der gewieftere Wahlkämpfer. Als geborener Ostdeutscher weiß er natürlich um die Sensibilitäten, die sich auf das Datscheneigentum richten. Das hat selbst das Bundesverfassungsgericht 1999 mit einem wunderbaren Satz in der Urteilsbegründung belegt. Es sagte nämlich darin bei der Gegenüberstellung von Kündigungsschutz, Garagen und Datschen: „Garagengrundstücke dienten“ – also anders als Wochenendgrundstücke – „nicht als Refugium für einen privaten Freiraum im sozialistischen Alltag.“
Ja, das sage ich doch. Ich war immer ein großer Fan, auch von Garagen; das habe ich ja gesagt. Ich habe meine Garage mindestens genauso geschätzt wie das Wochenendhaus – das habe ich nicht, ich habe nur einen Kleingarten.
Weil der Trabi anfälliger war. Ich hatte sogar eine Garage, bevor ich einen Trabi hatte, und meinen Termin für das erste Elaskon-Einbringen nach 13 Jahren Wartezeit, das gebe ich ja zu, das bestreite ich doch nicht.
Eine weitere Möglichkeit für den Sinneswandel im Abstimmungsverhalten könnte natürlich auch sein, dass wir just zwischen der Sitzung des Rechtsausschusses im Bundesrat und der Beratung des Brandenburger Gesetzentwurfes unseren Antrag eingebracht haben, dass also etwas „Dampf auf den Kessel“ gekommen ist, in diesem Fall auf den sächsischen Kessel, nach dem Motto: „Opposition wirkt“.
Wie auch immer: Was uns veranlasst, den Antrag heute mit einem Änderungsantrag zu Ziffer II aufzurufen, zu behandeln und darüber abstimmen zu lassen, ist, dass wir sicher sein wollen, dass es keine Umkehr in der jetzt
bezogenen Position des Freistaates Sachsen gibt, dass dieser Gesetzentwurf tatsächlich, wenn er irgendwann im Herbst im Bundestag zur Behandlung kommt, den Segen von Sachsen hat – deshalb auch unser Änderungsantrag zu Punkt 2 der Ursprungsfassung, mit dem begehrt wird, dass sich Sachsen mit allem Nachdruck gegenüber der Bundesregierung und dem Bundestag für eine zeitnahe und zügige Verabschiedung dieser Änderung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes im Interesse der Nutzer von auch in hiesigen Gefilden gelegenen Datschen einsetzt.
Wir sind nicht ganz ohne Misstrauen, dass jenseits der Landtagswahltermine in den drei ostdeutschen Bundesländern die Stimmungs- und Meinungslage noch einmal kippen könnte. Insofern ist der Antrag auch ein Stück vorsorglicher Prävention. Das Heu ist hier noch nicht eingefahren.
Kurz einige Bemerkungen zu unserem Antrag.
Zu Ziffer I: Hier wollen wir etwas weiter gehen, als es der Gesetzentwurf von Brandenburg tut, weil wir der Auffassung sind, die Bindung an den Einigungsvertrag besteht. Es sollte überlegt werden, ob eine Regelung geschaffen werden kann, die dem vergleichbar ist, wie bei Eigenheimen vorgegangen wurde: dass die Möglichkeit für Datscheneigentümer besteht, deren Datsche auf fremdem Grund und Boden stand – da man zu DDR-Zeiten in der Regel den Boden nicht kaufen konnte –, ähnlich wie der Eigenheimbesitzer den Grund und Boden hinzuzukaufen, also eine entsprechende Regelung, die ihm vorzugsweise den Hinzukauf ermöglicht. Wenn das für Sie zu weit geht, würden wir beantragen, dass über die Punkte einzeln abgestimmt wird.
Was unserer Auffassung nach auf jeden Fall möglich ist und beim Garagenmoratorium auch möglich war, ist, dass wir – von uns in Ziffer III begehrt –, jedenfalls in den Fällen, in denen der Freistaat oder die Kommunen Eigentümer des Landes sind, auf dem Datschen stehen, darum bitten, dass es ein Moratorium geben soll, das auch über den 3. Oktober 2015 bzw., wenn es Gesetzeslage wird, über den 3. Oktober 2018 hinaus die Kommunen und den Freistaat Sachsen darum ersucht – bei den Kommunen müssen wir es empfehlen und darum bitten –, den Alteigentümern, die das Gebäude errichtet haben, das Nutzungsrecht weiter zu gewähren.
Zusammenfassend: Der Freistaat Sachsen und die Staatsregierung haben sich mit ihrem Abstimmungsverhalten im Bundesrat auf einen guten Weg begeben. Das begrüßen wir, dafür sind wir dankbar. Er muss aber auch konsequent zu Ende gegangen werden, und die Zustimmung zu unserem Antrag wäre das klarste Signal für alle rechtsbetroffenen Besitzerinnen und Besitzer von Datschen in Sachsen, eingeschlossen deren Familien.
Danke schön.
Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Kollege Kirmes. Geben Sie mir darin recht, dass im Einigungsvertrag vereinbart war, dass der Kündigungsschutz des Zivilgesetzbuches fortgilt und dass dies zwei Völkerrechtssubjekte vereinbart haben mit der Maßgabe, dass der damalige geborene Ossi davon ausgehen konnte, dauerhaft Eigentümer des Gebäudes zu sein, und das Nutzungsrecht des Bodens ihm die Sicherheit verleiht, dass er immer auf dem Grundstück bleiben kann?
Darf ich noch eine Frage stellen?
Kann das Bundesverfassungsgericht völkerrechtliche Verträge revidieren?
Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Staatsminister! Geben Sie mir recht, dass das bei den Eigenheimen grundsätzlich nicht anders war? Dort fiel auch das Eigentum am Gebäude und das Eigentum am Boden auseinander, und der Gesetzgeber hat letzten Endes gesagt – trotz BGB, trotz geltendem Recht der Bundesrepublik Deutschland –, wir geben den Eigentümern des Eigenheimes die Möglichkeit, den Boden zuzukaufen. Warum soll das für Datschenbesitzer etwas völlig Undenkbares sein?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatsminister, das ist doch eine klare Ansage. Sie haben zumindest erkennen lassen, dass wir mitnichten darauf vertrauen dürfen, Sachsen werde sich bei der Bundesregierung und dem Bundestag dafür einsetzen, dass die Frist wenigstens um drei Jahre verlängert wird. Sie haben schon verfassungsrechtliche Bedenken signalisiert. Warum Sie diese Ihrem Herrn Ministerpräsidenten nicht mitgegeben haben und ihm nicht gesagt haben: „Bloß nicht zustimmen, da verfassungsrechtlich notleidend!“, ist unklar. Das hätten Sie gleich sagen müssen. Sie verschweigen da auch einiges.
Ich erwarte von Ihnen als geborenem Westdeutschen überhaupt nicht, dass Sie sich in die Mentalität der Leute hineinversetzen können, die zu DDR-Zeiten – das können Sie auch „Unrecht“ nennen – den Grund und Boden nun einmal nicht kaufen konnten.
Das war nun einmal so. Das war stupide; das bestreite ich doch überhaupt nicht. Die Menschen konnten den Grund und Boden nicht kaufen, aber sie hatten das Versprechen, dass die Datsche, die sie als Eigentum auf dem Grund und Boden, den sie gepachtet hatten, errichteten, ihnen ein für allemal bleiben werde. Sie konnten davon ausgehen, dass es auf Dauer ihr Eigentum sei, dass es vererbt und belastet werden könne.
Dann gab es die deutsche Einheit. Die Bundesrepublik Deutschland und die DDR haben vereinbart, in diese historisch gewachsenen Nutzungs- und Eigentumsverhältnisse nicht einzugreifen. In Artikel 232 des Einigungsvertrages ist festgelegt worden, dass die §§ 312 bis 315 ZGB fortgelten. Das war die Abrede, das Versprechen, also Teil der Einigung.
Das Schuldrechtsanpassungsgesetz ist 1994 durch die Mehrheit des Bundestages unter Bruch des Einigungsvertrages beschlossen worden.
Selbstverständlich! Nur auf dieser Grundlage konnte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1999 über das Gesetz entscheiden.
Selbstverständlich! Der Einigungsvertrag war durch das Bundesverfassungsgericht nicht auslegungsfähig.
Kollege Kirmse – –
Kirmes. Das war nicht böse gemeint. Ich habe mich schon dreimal als „Doktor“ beschimpfen lassen müssen; dafür kann ich nichts.
Kollege Kirmes, auch Sie haben deutlich gemacht, dass Sie offensichtlich nicht hinter dem Ja des Freistaates Sachsen stehen. Wir haben sehr wohl recht, wenn wir darauf hinweisen, welche Not wir sehen: Es ist längst nicht ausgemacht, dass jenseits der Landtagswahl – vorhin ist gefragt worden, ob der Antrag Teil des Wahlkampfes sei – der Bundestag dieser Verlängerung tatsächlich zustimmt. Es kann durchaus so sein, dass am 03.10.2015 der besondere Kündigungsschutz ausläuft. Nichts anderes fordern wir in unserem Antrag: Verlängerung des besonderen Kündigungsschutzes. Das wollen wir – selbstverständlich! Wir werfen keine Nebelkerzen. Wir bitten aber darum, dass sich dieses Haus dazu positionieren möge. Vorhin hieß es, dass man zur Wahrung der Interessen von Menschen mit Vertriebenenschicksal Regelungen treffen müsse.
Jawohl. – Wir haben gesagt, dass wir an diese Frage singulär herangehen müssen.
Wir meinen, Artikel 44 des Einigungsvertrages nimmt uns als Landtag in die Pflicht, auf die Einhaltung dessen, was seinerzeit versprochen wurde, zu achten und die Menschen zu schützen, die zu Recht sagen: Wir wollen nicht, dass mit unserem Datscheneigentum spekuliert wird.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine einzige Erfolgsstory, was Sie uns eben präsentiert haben, Herr Staatsminister der Justiz und für Europa. Der Kern der Botschaft: Dank des segensreichen Wirkens der CDU/FDP-Staatsregierung und ihrer Koalition im Landtag ist Sachsen unaufhaltbar auf dem Weg in die Spitzengruppe der deutschen Bundesländer.
Mehr noch: Es winken die lichten Höhen, damit das Ziel, dass Sachsen laut Ihrer Regierungserklärung – wörtlich – zu einer der modernsten und wohlhabendsten Regionen in Deutschland und Europa wird, Wirklichkeit erlangt.
Nebenbei bemerkt: In den wohlhabendsten Regionen Europas wird momentan ein Mindestlohn in Höhe von 22 Euro bezahlt – das nur am Rande bemerkt zu dem, worüber wir jetzt reden.
Sachsenherz, was willst du mehr? Um nicht falsch verstanden zu werden: Ehre, wem Ehre gebührt und Würdigung erfolgreicher Entwicklungen, wo diese tatsächlich zu verzeichnen und zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger und dieses Staatswesens zu konstatieren sind.
Gehen wir aber einmal sachlich heran. Nachdem Sie im ersten Teil Ihrer Regierungserklärung im Wesentlichen beschrieben haben, welche strategischen und operativen Ziele und Zielwerte bis zum Jahr 2020 für die jetzige Staatsregierung formuliert und unter welchen allgemeinen Rahmenbedingungen diese verwirklicht werden sollen, kommen Sie dann, Herr Staatsminister, zu konkreten Darstellungen dessen, was in den letzten fünf Jahren, also in dieser Legislaturperiode, in der Staatsmodernisierung tatsächlich erreicht wurde.
Sie nennen zuvörderst bei der Beschreibung der modernisierenden Strukturveränderungen in der Verwaltung und in der Justiz als wesentliches Element das bei seiner Annahme im Hohen Haus höchst umstrittene Standortegesetz. Sie haben das im Übrigen zwar nicht in Ihrer Rede, aber in dem uns dankenswerterweise übermittelten Redemanuskript mit einem Seitenhieb auf den Sächsischen Rechnungshof getan. Dieser ist vor dem Verfassungsgerichtshof unterlegen. Dazu möchten wir anmerken, dass es hierbei nur um die Regelungen für den Rechnungshof ging.
Wir möchten an dieser Stelle eine Problematik ins Gespräch bringen, die nach unserer Auffassung, wenn Sie hier die Ergebnisse der Staatsmodernisierung erörtern, mit hätte angesprochen werden müssen. Das hätte zur Lauterkeit dazugehört. Ich nenne zum Beispiel die mit dem Standortegesetz herbeigeführte Schließung des Amtsgerichts Annaberg mit der Maßgabe, dass das gesamte dort beschäftigte richterliche und nichtrichterliche Personal dem dann für alle Bewohner des früheren Kreises Annaberg zuständigen Amtsgericht Marienberg bis zum 31. Dezember 2013 zugeführt sein sollte.
Stand heute: Die für die Zusammenführung beider Gerichte erforderlichen Baumaßnahmen am Standort Marienberg haben noch nicht einmal begonnen. Stattdessen sind, wie aus Insiderkreisen verlautet, mehr als 200 000 Euro entstandene Architektenkosten in den Sand gesetzt worden, weil sich herausstellte, dass die Realisierung des ursprünglich geplanten Bauvorhabens mit
Kosten von 2,5 Millionen Euro verbunden gewesen wäre, was wiederum der Finanzstaatsminister nicht bereit war hinzunehmen. Das Projekt ist neu auf den Weg gebracht worden. Es werden neue Architektenkosten entstehen und im Internet ist nachlesbar, dass Sie, sehr geehrter Herr Staatsminister Dr. Martens, noch im August dieses Jahres – zufällig ganz nah am Landtagswahltermin – den ersten Spatenstich für einen An- und Umbau am Amtsgericht Marienberg – jetzt klein, aber hoffentlich fein – im Bereich des Gebäudes, in dem bislang das Grundbuchamt sitzt, vollziehen werden.
Fertig sein soll der Bau im Jahr 2016. Damit ist die Konsequenz verbunden, dass das jetzt circa 30 Köpfe zählende richterliche und nichtrichterliche Personal in Annaberg notgedrungen unverändert in diesem Gerichtsgebäude verharrt und dass wir eine völlig gespaltene Strafrechts-, Familienrechts- und Zivilrechtspflege haben – ein Teil in Marienberg, ein anderer Teil in Annaberg.
Das bedeutet: Was gut funktionierte, wird auseinandergerissen, und das sehr traditionelle Gebäude des Amtsgerichts Marienberg – es ist schon ein königlich-sächsisches gewesen und in den 2000er-Jahren mit Millionenaufwand modernisiert worden – hat, jedenfalls nach unserer Kenntnis, mehr oder weniger ein ungewisses Schicksal. Nach dem, was wir wissen, ist das Finanzamt, das dort einziehen soll, wegen der Einrichtung eines gemeinsamen Finanzamts für den Erzgebirgskreis in mehreren Begehungen der Auffassung gewesen, dass sich dieses Gebäude – als Gerichtsgebäude hervorragend, mit schönen Verhandlungssälen – nur schwer als Sitz eines Finanzamts eignet.
Wenn die Botschaft nicht richtig ist, dann können Sie uns gern eine Korrektur übermitteln.
Wir meinen, dass die tatsächlichen Einsparungen durch die bisherigen Schritte bei der Staatsmodernisierung dem Landtag auch heute nicht bekannt gegeben worden sind. Wir wissen nicht, welche finanziellen Einsparungen die Staatsmodernisierung tatsächlich bringt. Wir haben Botschaften, dass das, was bisher gemacht worden ist, zu Mehrausgaben geführt hat. Darüber hätten wir heute in der Fachregierungserklärung schon einen Satz erwartet.
Auch zwei.
Dass es ähnliche Holprigkeiten und Kostensprünge auch in puncto Zusammenlegung des Amtsgerichts Stollberg und des Amtsgerichts Aue gibt, dass immense Mehrkosten für Transportprozesse, Aufwandsleistungen an Richter, Schöffen und Zeugen und den Akten- und sonstigen Papiertransport entstehen, ist alles nicht erwähnt worden.
Herr Staatsminister, Sie haben keine Zahl genannt, in welcher Höhe Sie bis zum Jahr 2020 Einsparungen durch die Staatsmodernisierung erwarten. Sie hatten in Ihrem – ich sage es noch einmal – dankenswerterweise übermittelten Redekonzept eine hohe dreistellige Millionenzahl angegeben. Es wird gute Gründe haben, warum Sie selbige hier nicht genannt haben. Ich gehe davon aus, dass
die 842 Millionen Euro nicht durchgerechnet worden sind. Es bleibt aber der Punkt, dass der Landtag, wenn die Legislaturperiode beendet ist, tatsächlich keinerlei konkrete Anhaltspunkte hat, keine konkreten Positionen kennt, was bei der Staatsmodernisierung herausgekommen ist oder was sie uns kostet, wenn dieser Weg auch in Zukunft weiter beschritten wird.
Erwähnen möchte ich auch, dass bei diesen Holprigkeiten zum Beispiel im Bereich der Justiz im Zuge des entsprechenden Umgestaltungsroulettes keineswegs überall
Servicequalität und Bürgerfreundlichkeit gewährleistet werden.
Sie bringen dann weitere Beispiele für vorgenommene Strukturveränderungen, wie die Zusammenführung der Staatsbetriebe der Sächsischen Staatsoper und des Staatsschauspiels sowie die Integration der Staatlichen ethnografischen Sammlungen in den Verbund der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden. Dagegen ist nichts einzuwenden. Das ist okay. Auch wir sehen durchaus diesen Weg. Auch die Fusion der Oberfinanzdirektion mit dem Landesamt für Finanzen zum Landesamt für Steuern und Finanzen mag tatsächlich geglückt sein, wenn auch dieser Schritt, soweit wir wissen, eher durch eine Bundesentscheidung ausgelöst worden und nicht allein Bestandteil des Modernisierungskonzepts gewesen ist.
Bei uns bleiben Zweifel, dass die seinerzeit als Behördenmonopoly ins Gerede gebrachte Neuordnung von Standorten der Verwaltung und der Justiz, die noch längst nicht abgeschlossen ist, tatsächlich bis zum heutigen Tag von der Staatsregierung in ihren Kostenfolgen auch nur beurteilbar ist. Diese Frage ist im Landtag in den letzten zwei Jahren des Öfteren erörtert worden und hätte bei der heutigen Bilanz eine Rolle spielen müssen.
Im anschließenden Bilanzkomplex Ihrer Rede kamen Sie dann zu der Rubrik Aufgabenkritik und Prozessmanagement. Ihr Haus habe, so eingangs Ihrer Erläuterungen, für die Ressorts einen Handlungsleitfaden einschließlich des Wegfalls von Arbeitsaufgaben, Aufgabenreduzierung und -verlagerung, Privatisierung bzw. Outsourcing und Aufgabenkonzentration erarbeitet. Uns hat es immer gewundert, weshalb die Zuständigkeit dafür ausgerechnet beim Staatsministerium der Justiz und für Europa liegt; aber sei es drum.
Wir freuen uns mit Ihnen, dass die Zuständigkeit für den Staatsbetrieb Schlösser, Burgen und Gärten nunmehr bei einer gemeinnützigen GmbH liegt, dass aus dem Staatsbetrieb Landesbühnen Sachsen eine GmbH Landesbühnen Sachsen wurde und die Privatisierung des Bekleidungswesens für Polizei und Justiz kurz vor der Umsetzung steht. Gut möglich, dass dies Einsparungen bringt, auch wenn dieser Weg, Modernisierungen zu einem erheblichen Teil durch Privatisierung und Outsourcing vormals staatlicher Aufgaben zu erreichen, nicht unbedingt unserem Geschmack entspricht.
Ihre Feststellung zu diesem Berichtsteil, dass die Aufgabenkritik eine Daueraufgabe der gesamten Verwaltung bleibt, teilen wir. Allerdings meinen wir beispielsweise,
dass es ein aktueller Anlass wäre, zum Beispiel einmal zu prüfen – Aufgabenkritik soll im Mittelpunkt bleiben –, wie sich denn tatsächlich die Polizeireform 2020 oder andere Reformschritte vom Aufgabenansatz her bewährt haben.
Was Sie, Herr Staatsminister, im Weiteren zum Komplex Prozessmanagement dargelegt haben, war für jeden in diesem Hohen Hause, der nicht täglich mit dem Ablauf von Verwaltungsprozessen zu tun hat, durchaus interessant und informativ, so zum Beispiel das zu festgestellten Optimierungspotenzialen bei der gesamten Geldstrafenvollstreckung Berichtete oder das zu Ebenen übergreifenden Prozessmanagementwegen.
Was wir nicht beurteilen können, ist, ob und inwieweit in Vorbereitung und bei Entscheidungen über Veränderungen im Prozessmanagement auch die Auswirkungen auf die von derartigen Verwaltungsprozessen betroffenen Bürger hinreichend beachtet sind. Zumindest haben Sie dazu nichts gesagt, wie bei diesen Entscheidungen die entsprechende Betroffenheit der Bürgerinnen und Bürger mit ins Auge gefasst worden ist.
Bürokratieabbau ist zweifellos der Staatsmodernisierung förderlich, das ist unbestritten. Allerdings besagt es überhaupt nichts, wenn Sie hier berichten, dass der Bestand an staatlichen Vorschriften innerhalb der fünfjährigen Legislaturperiode um 814 bzw. 28,4 % reduziert ist.
Auch wir sehen, dass unser Rechts- und Gemeinwesen in der Vergangenheit durch eine überschießende Regelungswut und Regelungsdichte charakterisiert war, weshalb wir regelmäßig entsprechenden Gesetzesvorlagen, die Normenbereinigung zum Gegenstand hatten, zugestimmt haben, jedenfalls dann, wenn dahinter nicht der Abbau von rechtsstaatlichen Besitzständen der Bürgerinnen und Bürger, etwa durch Beschneidung von Rechtswegen und Rechtsbehelfen, stand.
Die Frage des Abbaus des staatlichen Vorkaufsrechts im Bereich des Sächsischen Wassergesetzes war zum Beispiel aus unserer Sicht mitnichten eine zu billigende entbürokratisierende Maßnahme; denn sie hatte die Kehrseite, dass damit die Kommunen eben nicht mehr in der Lage sind, in gebotenem Maße sachgerecht und flexibel beispielsweise beim Hochwasserschutz zu reagieren.
So kann ohne Weiteres Bürokratieabbau, den Sie mit Zahlen feiern, in der inhaltlichen Wirkung auf die Bürgerinnen und Bürger von eminentem Nachteil sein.
Das Projekt der Errichtung eines Sächsischen Normenkontrollrates erachten wir auch für durchaus spannend, vorausgesetzt, dass die Tätigkeit dieses verwaltungsexternen unabhängigen Gremiums, das nach dem Beispiel des
Normenkontrollrates auf der Bundesebene geschaffen werden soll, tatsächlich auf die Bewertung beabsichtigter Gesetzesvorhaben im Hinblick auf die Möglichkeit und Wirkung inklusive Bürgerbetroffenheit und Kostenfolgen gerichtet ist. Zum anderen wollen wir, dass dieses Gremium Sächsischer Normenkontrollrat dann auch für das Parlament transparente Entscheidungen trifft. Der Nationale Kontrollrat legt nach allem, was wir wissen, dem Bundestag entsprechende Berichte vor, die öffentlich sind und nachvollzogen werden können. Im Gesetz fehlt uns der diesbezügliche Ansatz.
Wenn Sie im Weiteren feiern, dass die Staatsregierung – gemeint ist wohl namentlich die FDP – die Laden- und Sonntagsöffnungszeiten von Autowaschanlagen, Videotheken, Blumenhändlern, Konditoren und Bäckern liberalisiert hat, dann haben wir dafür tiefes Verständnis. Das ist ein Punkt, den sich die FDP auf die Fahnen schreibt. Ich partizipiere auch davon, wenn ich mir sonntags früh wieder beim Bäcker Brötchen holen kann.