Protokoll der Sitzung vom 23.03.2011

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Ihnen dankbar, dass wir uns vor Eintritt in die Tagesordnung von unseren Plätzen erhoben haben. Vor zwölf Tagen gab es vor der Küste Japans ein Erdbeben. Uns, die wir scheinbar weit weg von dieser Umweltkatastrophe sind, bleibt zunächst, unser tiefes Mitgefühl denen zu versichern, die unmittelbar leiden müssen, weil sie Angehörige oder ihre Heimat verloren haben oder jetzt in Angst um ihre Zukunft und die Gesundheit der nachfolgenden Generationen leben müssen. Wir trauern um die Toten, deren genaue Zahl noch niemand weiß. Sie haben sich zum Gedenken an die Opfer, zur Würdigung und Ermutigung der Helfer und zur Mahnung für uns selbst von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 32. Sitzung des 5. Sächsischen Landtags.

Zunächst gratulieren wir Herrn Prof. Dr. Gillo ganz herzlich zum Geburtstag.

(Beifall)

Folgende Abgeordnete haben sich für unsere heutige Sitzung entschuldigt: Herr Nolle, Frau Herrmann, Frau Neukirch, Herr Weichert und Herr Mann.

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Folgende Redezeiten hat das Präsidium für die Tagesordnungspunkte 3 bis 12 festgelegt: CDU 124 Minuten, DIE LINKE 86 Minuten, SPD 52 Minuten, FDP 52 Minuten, GRÜNE 46 Minuten, NPD 46 Minuten und die Staatsregierung 86 Minuten, wenn gewünscht. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Ich sehe, es gibt zur Tagesordnung eine Wortmeldung. Am Mikrofon 3 Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Herr Präsident! Unsere Fraktion beantragt, den Tagesordnungspunkt 1, Wahl des Landesbeauftragten für die Stasiunterlagen, für den heutigen Tag von der Tagesordnung abzusetzen. Wir hatten gestern Gelegenheit, uns mit dem Kandidaten bekannt zu machen. Es war sehr, sehr kurzfristig. Wir sind der Überzeugung, dass die Fraktionen des Sächsischen Landtags noch die Zeit nutzen sollten, um sich über den Aufgabenbereich und die Rechtsstellung des Landesbeauftragten zu verständigen und auch einen Kompromiss mit den Verfolgtenverbänden und Aufarbeitungsinitiativen zu suchen, die den Kandidaten zurzeit mehrheitlich ablehnen.

Das ist ein sehr schlechter Ausgangspunkt. Wir haben in den vergangenen Jahren gerade bei der Debatte um den Jahresbericht des Landesbeauftragten immer wieder erlebt, dass es in diesem Sächsischen Landtag eine große Gemeinsamkeit in dieser Frage gibt. Ich bin überzeugt davon, dass wir eine solche Gemeinsamkeit auch für die

Wahl des Landesbeauftragten herstellen können. Das ist nicht zuletzt auch im Interesse des Kandidaten. Voraussetzung dafür wäre, diesen Tagesordnungspunkt heute von der Tagesordnung abzusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Gerstenberg. – Am Mikrofon 2 hat Herr Kollege Dulig das Wort.

Im Namen der SPD-Fraktion beantrage auch ich die Absetzung des Tagesordnungspunktes 1. Wir haben bereits im Präsidium den Versuch unternommen, eine Verschiebung der Wahl hinzubekommen. Ich erinnere an die Landtagssitzung, in der wir den Schlussbericht von Herrn Beleites diskutiert haben und sehr oft auf seinen Abschiedsbrief Bezug genommen wurde, in dem er viele Vorschläge zur Weiterentwicklung des Amtes gemacht hat. Viele der Rednerinnen und Redner haben dies positiv aufgenommen und deutlich gemacht, dass es nicht nur um die Wahl eines Nachfolgers geht, sondern tatsächlich um die Neuausgestaltung dieses Amtes.

Nun ist das Verfahren in den letzten Wochen schon sehr chaotisch gewesen. Ich finde es weder dem Amt noch dem Kandidaten angemessen, jetzt mit aller Macht eine Wahl durchzusetzen und Fragen, die über den Kandidaten hinausgehen, die zur Ausgestaltung des Amtes notwendig sind, hintanzustellen. Das ist des Kandidaten und des Amtes nicht würdig. Deshalb ist es im Interesse des gesamten Hauses, wenn wir die Wahl um einen Monat verschieben und die Zeit nutzen, um tatsächlich eine Gemeinsamkeit in der inhaltlichen Ausgestaltung in diesem Hause zu erlangen; denn es war, ist und sollte eine gute Tradition bleiben, dass es bei der Ausgestaltung des Amtes und bei der Wahl nicht auf knappe Mehrheiten ankommt, sondern eine breite Zustimmung im Landtag und darüber hinaus natürlich auch mit den Opferverbänden erreicht wird. Deshalb bitten wir um Absetzung des Tagesordnungspunktes.

(Beifall bei der SPD)

Am Mikrofon 3 hat das Wort Herr Kollege Herbst.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist das gute Recht der Fraktionen im Landtag, die Absetzung des Tagesordnungspunktes zu beantragen, aber es ist genauso das gute Recht der Koalitionsfraktionen, die Tagesordnung so umzusetzen, wie sie im Präsidium beschlossen wurde.

Wir sind der Auffassung, dass wir die Wahl heute durchführen können. Es gibt eine klare gesetzliche Grundlage für die heutige Wahl. Heute steht keine Strukturdiskussion an, sondern eine Personalentscheidung. Die gesetzlichen Grundlagen sind klar. Jede Fraktion hatte die Möglichkeit,

das Gespräch mit dem Kandidaten zu suchen. Das haben nicht alle Fraktionen wahrgenommen. Es gab das Angebot an jede Fraktion. Wie glaubwürdig es ist, meine Damen und Herren, dass man jetzt eine Grundsatzdiskussion über die Aufgaben des Amtes führen will, zeigt sich darin, dass innerhalb des letzten Jahres weder von den GRÜNEN noch von der SPD ein einziger Vorschlag zu hören war, was gesetzlich geändert werden sollte. Es ist nichts gekommen. Sie haben in den vergangenen Monaten nie einen Vorschlag unterbreitet. Sie haben es jetzt kurzfristig gemacht, auch um die Koalition ein Stück weit vorzuführen.

Es ist Ihr gutes Recht, meine Damen und Herren, hier einen Antrag auf Absetzung zu stellen. Es ist Ihr gutes Recht, die Geschäftsordnung zu nutzen. Ich finde es sehr bedauerlich, dass Sie es bei diesem wichtigen Amt machen. Ich glaube, wir sollten diese Personalentscheidung heute fällen. Es steht dem nichts entgegen, dass wir heute eine respektable Persönlichkeit wählen können.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Kollege Tischendorf am Mikrofon 1, Sie haben das Wort.

Unsere Fraktion wird das Ansinnen von GRÜNEN und SPD unterstützen. Dieser Punkt ist nur deshalb auf die Tagesordnung gekommen, weil die Koalition im Präsidium nicht bereit war, auf die Bedenken der anderen Fraktionen einzugehen. Es war immer schon guter Brauch, wenn Fraktionen anmelden, dass noch Beratungsbedarf besteht – gerade bei Personalentscheidungen und bei diesem Thema sollten wir in diesem Hohen Hause zu einem möglichst breiten Konsens kommen, was im Präsidium aufgrund der Mehrheiten nicht stattgefunden hat –, in der Öffentlichkeit deutlich zu machen, dass der Sächsische Landtag sich bemüht, eine einvernehmliche Lösung zu finden und die

Möglichkeit einer Verständigung für diesen Monat zu geben. Ich denke, dass niemand in Sachsen sich deshalb vom Parlament abwenden wird, ganz im Gegenteil, es ist zu sehen, dass wir diesen Punkt ernst nehmen.

Auch wir haben 45 Minuten mit dem Kandidaten gesprochen. Da haben wir schon überzogen, weil die GRÜNEN auch schon auf den Kandidaten gewartet hatten. Ich denke, das ist aufgrund der vielen Fragen, die in der Öffentlichkeit und auch bei unseren Abgeordneten standen, keine Verständigung im Sinne der Fraktionen. Aus diesem Grund werden wir dem Ansinnen zustimmen und bitten die Koalition, darüber nachzudenken, ob das der richtige Stil ist, wenn wir heute so entscheiden, nachdem in der Öffentlichkeit bekannt ist, welche Bedenken es gibt.

(Beifall bei den LINKEN)

Gibt es jetzt weitere Wortmeldungen oder Redebedarf? – Das sehe ich nicht. Wir können über den Antrag der GRÜNEN, unterstützt von SPD und Fraktion DIE LINKE, auf Absetzung des Tagesordnungspunktes 1 abstimmen.

Wer diesen Tagesordnungspunkt 1 absetzen möchte und den Antrag unterstützt, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Vielen Dank. Stimmenthaltungen? – Danke. Damit ist die Absetzung des Tagesordnungspunktes 1 mit Mehrheit abgelehnt und er verbleibt auf der Tagesordnung.

Gibt es weitere Änderungsvorschläge zur Tagesordnung? – Dies kann ich nicht erkennen. Es gibt auch keinen Widerspruch gegen die Tagesordnung. Die Tagesordnung der 32. Sitzung ist damit bestätigt.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 1

Wahl des Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (gemäß § 2 Abs. 2 Landesbeauftragtengesetz)

Drucksache 5/5305, Wahlvorschlag der Staatsregierung

Auf Grundlage des § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Rechtsstellung des Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ist der Landesbeauftragte vom Landtag zu wählen. Die Staatsregierung hat Ihnen in der vorliegenden Drucksache 5/5305 vorgeschlagen, Herrn Lutz Rathenow als Landesbeauftragten zu wählen.

Zu diesem Wahlvorschlag ist keine Debatte vorgesehen. Deshalb kommen wir jetzt zur Wahl.

Meine Damen und Herren! Die Wahl findet nach den Bestimmungen unserer Geschäftsordnung geheim statt, allerdings kann stattdessen durch Handzeichen abgestimmt werden, wenn kein Abgeordneter widerspricht. Ich frage daher, ob es Widerspruch gibt. – Ich sehe Widerspruch. Es kann also nicht durch Handzeichen abgestimmt werden und wir kommen zur geheimen Wahl.

Ich berufe aus den Reihen der Schriftführer eine Wahlkommission mit folgenden Mitgliedern des Landtages: für DIE LINKE Frau Kollegin Roth, die wie immer als

Leiterin fungiert, CDU Herrn Colditz, SPD Herrn Homann, FDP Herrn Hauschild, GRÜNE Herrn Jennerjahn und NPD Frau Schüßler.

Nach der Wahlhandlung schlage ich Ihnen eine Unterbrechung der Sitzung vor, damit das Ergebnis der Stimmauszählung dann vorgelegt werden kann. Im Anschluss setzen wir die Tagesordnung fort. – Herr Tischendorf, eine Wortmeldung.

Herr Präsident! Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Wir haben im Präsidium keine derartige Regelung getroffen. Mitunter haben wir im Präsidium festgelegt, wann Mittagspause ist oder ob wir eine Auszeit nach der Wahl machen oder nicht. Es gab wohl eine Anregung in der PGF-Beratung, aber im Präsidium war das nicht mehr das Thema. Bei den letzten Wahlen sind wir immer so verfahren, dass wir den Wahlgang abgeschlossen haben, dann wurde ausgezählt und in der Zeit der Auszählung haben wir die Aktuellen Debatten geführt. Wir denken, dass das sinnvoll ist.

Ich will die Präsidiumsmitglieder noch einmal daran erinnern: Mehrere Fraktionen haben heute 2. Lesungen als Tagesordnungspunkte abgesetzt, und zwar aus Zeitgründen. Wir haben uns bereit erklärt, entgegen den Interessen der Beschäftigten auch unserer Verwaltung keine Mittagspause zu machen. Insofern ist es überhaupt nicht angemessen und es gibt auch keinen Grund, hier 20 Minuten zu warten und dann zu schauen, wie das Ergebnis aussieht. Ich denke, das Verfahren, das wir in den letzten Monaten gewählt haben, nämlich die Debatten zu führen und dann das Ergebnis bekannt zu geben, sollte beibehalten werden. Dann gibt es immer noch die Möglichkeit der Fraktionen – auch das haben wir hier im November mithilfe des Juristischen Dienstes ausgestritten –, eine Auszeit zu nehmen, wenn Beratungsbedarf besteht. Wir sollten diese Linie beibehalten und es weiter so tun.

Herr Kollege Tischendorf, ich nehme Ihren Hinweis zur Kenntnis, aber am Schluss befindet über die Unterbrechung bei Auszählung der Stimmen der Präsident. Das wird dann auch geschehen. Wir werden die Sitzung unterbrechen. – Hier ist eine weitere Wortmeldung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin doch einigermaßen überrascht über die Wortmeldung von Herrn Kollegen Tischendorf, da es zwischen den Parlamentarischen Geschäftsführern diesbezüglich eine andere Absprache gibt. Ich will daran erinnern, dass wir bei diversen Wahlen dem jeweiligen Amt und der Würde des Amtes entsprechend eine Stimmzählpause eingelegt haben, um dann nicht in der Tagesordnung fortzufahren.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Nur beim Ministerpräsidenten!)

Man möge es sich nur vor Augen führen: Wir haben danach eine Aktuelle Stunde, die ungefähr zweieinhalb Stunden in Anspruch nehmen wird, erst danach würde das

Ergebnis bekannt gegeben. Das können wir weder dem Amt des Stasiunterlagenbeauftragten noch dem Kandidaten Herrn Rathenow zumuten. Deshalb plädieren wir für diese Zählpause von 20 Minuten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank. Ich kann nur noch einmal betonen: Darüber befindet der Präsident. Ich werde die Sitzung unterbrechen.

Aber zunächst übergebe ich das Wort an die bewährte Leiterin unserer Wahlkommission, die dann ganz zügig die Stimmen auszählen wird. Bitte, Frau Roth.

Danke, Herr Präsident. Wir kommen zur Wahl.

Meine Damen und Herren! Sie werden in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen und erhalten einen Stimmschein. Sie können sich auf dem Stimmschein in dem entsprechenden Feld für Ja, Nein oder Stimmenthaltung entscheiden. Ungültig sind Stimmscheine, auf denen mehrere oder keine Kreuze sind.