Martin Dulig

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eine Idee, wie dieses Land, wie unser Sachsen morgen aussehen soll. Ich habe eine Vorstellung, welche Herausforderungen vor uns liegen, um allen Menschen in Sachsen eine gute Zukunft zu ermöglichen.
Ich habe die Motivation, die Energie und den Elan, mit vollem Einsatz für ein Sachsen von morgen zu arbeiten;
denn ich weiß, wie es den Menschen in Sachsen geht, weil ich die Gewinner und die Verlierer kenne. Ich bin zu ihnen gegangen, ich habe mit ihnen gesprochen und ihnen zugehört.
Mit dem Polizisten, der seinen Beruf liebt, aber gerade an seinem Dienstherrn zweifelt. Mit der Erzieherin, die sich für die Kinder aufopfert, aber oft an der Überlastungsgrenze steht. Mit der Suchtberaterin, die mir von einem 11-jährigen Crystal-Abhängigen erzählt hat. Mit der Zöllnerin, die ihren eigenen Sohn durch Drogen verloren hat und nun die Dealer an der Grenze stellt, aber verbittert erkennen muss, dass für diese wichtige Arbeit zu wenig Personal zur Verfügung steht.
Aber ich habe auch den erfolgreichen IT-Unternehmer getroffen, der seine Softwarefirma in Dresden so entwickeln konnte, dass sie inzwischen über 200 Mitarbeiter beschäftigt. Mich hat der Betriebsratsvorsitzende von Plauen beeindruckt, der für seinen Standort gekämpft hat und alle Kolleginnen und Kollegen entweder beim Mutterkonzern mit sicheren Arbeitsplätzen versorgt oder für eine veränderte Produktion weiterhin am Standort gesorgt hat.
Mich hat berührt, wie stolz die Vereinsvorsitzende über den Preis des Sozialministeriums war,
weil sie endlich Anerkennung für ihre jahrelange, aufreibende Arbeit bekommen hat. Ich bewundere die Pflegerin, die seit 23 Jahren aufopfernd in einem Pflegeheim arbeitet und körperlich und psychisch an ihre Grenzen kommt.
Es gab so viele Begegnungen mit Menschen, die mir im Gedächtnis geblieben sind: Die Schülerin, die bei Wind und Wetter 70 Minuten mit dem Schulbus von zu Hause bis zur Schule fahren muss, nur für eine Fahrt. Die Mutter aus dem Elternrat, die für mehr Geld für die Schulen kämpft, aber das Gefühl hat,
„von denen im Kultus“ nicht ernst genommen zu werden. Die Straßenbauarbeiter, die ihren Buckel für unmögliche Leistungsvereinbarungen mit der Stadt hinhalten müssen, aber froh sind, dass jetzt die Rente mit 63 kommt. Oder die Kinder, die ihr selbst geschriebenes Theaterstück aufgeführt haben und in jenem Moment die stolzesten Menschen der Welt waren.
Das alles ist Sachsen. Das ist Sachsen im Jahr 2014. Es gibt Licht und Schatten. Die Menschen sind trotz zahlreicher, begründeter Sorgen mehrheitlich recht zufrieden. Nur, wir dürfen nicht selbstzufrieden sein, denn wir tragen die Verantwortung für Sachsens Zukunft.
In meinem Sachsen wird jedes Kind so gefördert, dass es unabhängig davon, wie es zu Hause aussieht, die beste Bildung bekommt, um das eigene Leben zu meistern. In meinem Sachsen werde ich um jedes Talent kämpfen.
In meinem Sachsen will ich mich nicht damit abfinden,
dass jeder Zehnte die Schule ohne einen Schulabschluss verlässt. In meinem Sachsen wird nicht eingeteilt, wer mehr oder wer weniger Bildungschancen in unserem Bildungssystem hat.
Unsere Kinder, unsere Bildung – das ist das größte Kapital, was wir haben,
doch wir sind auch gerade dabei, es zu verschleudern.
Verunsicherte Schulleiter, die wegen des fehlenden Personals die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Frustrierte Eltern, die vor Kurzem noch nicht wussten, auf welche Schule ihr Kind gehen wird, und die sich immer öfter gezwungen sehen, gegen Unterrichtsausfall und Lehrermangel zu protestieren. Zukunftsplanung und vorausschauende Personalpolitik sehen anders aus.
In unserem Sachsen werden wir in den nächsten fünf Jahren jede ausscheidende Lehrerin und jeden ausscheidenden Lehrer ersetzen und zusätzlich – ich betone: zusätzlich – jedes Jahr weitere 500 Lehrerinnen und Lehrer einstellen, um zum einen die große Altersbugwelle abzufangen und zum anderen wieder in Qualität von Schule zu investieren
und um eben nicht weiter Lehrerstellen abzubauen, wie geplant.
Wie viel sind uns unsere Kinder wert? Das ist für mich die Schlüsselfrage der nächsten Wahlperiode. Meine Antwort lautet: Wir müssen Geld für Kinder und Schulen und nicht für Banken ausgeben. Wer 2,75 Milliarden Euro für die Rettung einer Landesbank
im Haushalt hat, der hat auch Geld für Lehrerinnen und Lehrer sowie für Personal an Kitas.
Das, was wir brauchen, sind Kitas, in denen die Erzieherinnen und Erzieher ihren Kindern wieder zuhören können, vor allem den Kindern, denen zu Hause zu wenig zugehört wird.
Was wir brauchen, ist ein neuer und lebensnaher Betreuungsschlüssel und keine Mogelpackung.
In unserem Sachsen wird den Hochschulen wieder Luft zum Atmen gegeben, werden die Kürzungen zurückgenommen. In unserem Sachsen wird die duale Ausbildung gestärkt, werden junge Menschen optimal in Ausbildung und Beruf begleitet.
Ich will kein Kind, keinen Jugendlichen in Sachsen zurücklassen. Das muss Richtschnur jeder Politik sein, wenn sie die Zukunft im Blick hat. Wenn wir heute nicht in unsere Kinder investieren, müssen wir morgen die negativen Auswirkungen reparieren, und uns werden die Fachkräfte für die Zukunft fehlen. In unserem Sachsen ist die Bekämpfung des Fachkräftemangels Chefsache. Wir können die Zukunft unseres Landes nicht aufs Spiel setzen und zulassen, dass unsere Unternehmen nicht ausreichend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen und die Wirtschaft geschwächt wird. Wir brauchen eine starke Wirtschaft, die das erwirtschaftet, was wir verteilen.
In unserem Sachsen haben Politik und Wirtschaft erkannt, dass unsere Zukunft in der Digitalisierung liegt. Das Gerede, der Staat müsse sich aus der Wirtschaft heraushalten, ist nicht nur ein Irrtum, sondern auch gefährlich.
Jede industrielle Revolution – ob der Bau von Eisenbahnlinien oder der Ausbau der Telekommunikation – wurde
erst durch staatliche Investitionen vorangetrieben. Ich spreche hier von wirklich notwendigen Investitionen, einer tatsächlichen digitalen Offensive in unserem Sachsen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu gehört auch die Energiesicherheit. Wir werden für eine vertretbare Übergangszeit auch weiterhin auf unsere einheimische Braunkohle setzen, bis wir regenerative Energien auch so speichern können, dass sie grundlastfähig sind. Alles andere gefährdet unsere Industrie und damit unseren Wohlstand.
Das Rückgrat unserer Wirtschaft sind die Menschen. Sie sind es, die mit ihrer Leistung, ihrer Kraft und ihren Ideen die Werte schaffen. Was so banal klingt, ist eben nicht selbstverständlich. In einer Gesellschaft, in der der Mensch immer mehr auf seinen ökonomischen Nutzen reduziert wird, ist es notwendig zu sagen, für wen wir das tun. Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt.
Deshalb ist es in unserem Sachsen notwendig, alles zu tun, um die wachsende Spaltung zu überwinden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in unserem Sachsen sollen die Menschen fair entlohnt werden. In unserem Land soll man nicht mit Niedriglöhnen überleben, sondern mit ordentlich ausgehandelten Tariflöhnen gut leben können.
Wir müssen an die Zukunft denken und jetzt den Übergang zum Mindestlohn gestalten. Eine funktionierende Sozialpartnerschaft, in der kluge Arbeitgeberverbände und starke Gewerkschaften auf Augenhöhe Tarifverträge aushandeln – das soll Normalität in unserem Sachsen sein.
Soziale Spaltung zu verhindern – dazu gehört auch, die Gräben zuzuschütten, die sich zunehmend zwischen unseren Städten und den ländlichen Regionen auftun. In unserem Sachsen darf man sich nicht in ländlichen Regionen abgehängt fühlen oder gar durch fehlende Infrastruktur, fehlenden ÖPNV, fehlende soziale, medizinische und kulturelle Angebote abgehängt werden.
In unserem Sachsen muss man sich in Zukunft aber auch in den großen Städten noch Mieten leisten können. Wie schnell die Dinge aus dem Ruder laufen können, sehen wir in vielen anderen deutschen Metropolen, in denen immer mehr Mieterinnen und Mieter an den Stadtrand oder in sozial schwache Stadtviertel verdrängt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, ich wünsche mir auch eine andere politische Kultur in diesem Land. Ich
möchte kein Sachsen, in dem Kritik an Nazivorfällen schlimmer ist als der Nazivorfall selbst.
In unserem Sachsen ist konstruktive Kritik erwünscht. Da sind die Menschen keine Bittsteller und Untertanen, sondern gleichberechtigte Teilhaber. In unserem Sachsen möchte ich den Streit um die besten Lösungen und keine Grabesstille; denn in einer Kultur des Schweigens und des Sich-Wegduckens gibt es keine Innovation, keinen kreativen Aufbruchgeist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Legislaturperiode geht nun zu Ende, die neue steht vor der Tür. Die einen blicken zurück, die anderen nach vorn.
Ich danke dir, Karl: Du hast immer für eine andere politische Kultur gekämpft
und selbst einen hohen Preis dafür gezahlt.
Liebe Liane, ich danke dir – der stillen, aber fachlich versierten und dadurch über Fraktionsgrenzen hinweg anerkannten Kollegin im Parlament.
Mein Dank geht auch an Marie-Luise. Du hast es geschafft, dich in nur wenigen Wochen in die Themen einzuarbeiten, und dich mit vollem Elan eingebracht.
Zu einer guten politischen Kultur gehört, auch denen zu danken, die anderer Meinung waren.
Lieber Steffen Flath, gerade in der letzten Zeit haben Sie es mir nicht ganz leicht gemacht. Auch Ihnen gilt mein Dank und Respekt, verbunden mit den besten Wünschen für Ihr persönliches Wohlergehen auf Ihrem weiteren Weg.
Dieser Dank und die besten Wünsche für die Zukunft gelten natürlich für alle Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, die freiwillig oder unfreiwillig den Landtag verlassen. Vielen Dank für die grundsätzlich kollegiale Zusammenarbeit!
Es liegt an uns, wie sich Demokratie und die politische Kultur in Sachsen entwickeln. Es liegt an uns, wie sich unser Land entwickelt – ob es nur verwaltet wird oder ob wir den Mut und den Willen für notwendige Veränderun
gen aufbringen, damit alle Bürgerinnen und Bürger eine gute Zukunft haben.
Ich habe Ihnen das Bild unseres Sachsens für morgen vorgestellt – nun vergleichen Sie!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben heute mit dem Debattentitel nicht nur unsere Volksverbundenheit zeigen, –
sondern vor allem die Aufmerksamkeit auf etwas lenken wollen, was in den allgemeinen politischen Diskussionen bisher immer eine untergeordnete Rolle gespielt hat, aber unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten eine zentrale Frage ist, nämlich das Thema Mieten und Wohnen. Wir wollen auch darüber reden, wie in diesem Land damit umgegangen wird. Wenn man Probleme benennt, wird man als Nestbeschmutzer beschimpft, weil es in Sachsen ja keine Probleme gibt, oder es wird gesagt, Probleme muss die Opposition benennen.
Wie sieht es denn wirklich aus? Wie wird in den letzten Jahren mit Politik umgegangen? Inzwischen ist es so, dass in Sachsen politisches Marketing die Politik ersetzt. Dass Verkaufen dazugehört, ist das eine, aber wenn es zum Politikersatz wird, dann wird es gefährlich, weil Sie die Probleme nicht mehr einschätzen und sehen können. Da verkündet man mit einer großen Werbekampagne, man will die Pendler zurückholen und verteilt Eierschecke. Anstatt danach eine Lohnpolitik zu machen und Tariflöhne einzufordern, ist die Antwort Müsliriegel. Also wieder die nächste Werbekampagne. Der neue Clou der Regierung ist, dass man kurz vor den Wahlen Geschenke verteilt. Stück für Stück werden Wohltaten verteilt, um von den Problemen abzulenken.
Nur, so kann man mit dem Thema insgesamt nicht umgehen. Die Überschrift, die Sie beim Thema Mieten und Wohnen gewählt haben, ist „Hohe Mieten ist kein Thema“ – O-Ton Herr Ulbig. Hohe Mieten sind keine Thema. Dann haben Sie ein Wohnungsbaukonzept mit den Zahlen von 2010 vorgelegt. Vier Jahre alte Zahlen. Sie sagen, das sei alles kein Problem. Sie weisen zwar darauf hin, dass Sie einen entspannten Wohnungsmarkt haben und dass es auch in zehn Jahren noch ausreichend preiswerten Wohnraum im Freistaat geben wird. Das stimmt. Das stimmt
aber nicht für Dresden und Leipzig. Das stimmt eben nicht für die Ballungszentren. Dort haben wir inzwischen eine Mietentwicklung, wo es nicht erst in zehn Jahren ein Problem geben wird, sondern in den nächsten fünf Jahren werden Sie vor der Frage stehen, wie Sie genügend bezahlbaren Wohnraum sicherstellen können. Das können Sie in Leipzig und Dresden heute schon ablesen. Nicht ohne Grund hat der Mieterbund gesagt, dass Ihre Aussage an der Stelle falsch ist.
Natürlich besteht Sachsen aus vielen Ortschaften, aus ländlichen Regionen und den Städten, aber gerade in Leipzig und Dresden wohnt nun mal fast ein Viertel der sächsischen Bevölkerung. Das können Sie doch nicht abtun. Es muss das Ziel sein, dass wir auch in Zukunft bezahlbaren Wohnraum haben.
Ihre Antwort ist, dass Sie den Erwerb von Wohneigentum und die energetische Sanierung bezuschussen. Sie lehnen sozialen Wohnungsbau ab. Das wird nicht funktionieren. Der freie Markt ist nicht gerecht, sondern er will an dieser Stelle Rendite. Er wird nicht für sozialen Wohnraum sorgen.
Wir brauchen beides. Wir brauchen eine Mietpreisbremse in den Ballungszentren, weil es jetzt schon bei Neuvermietungen Mietsteigerungen von bis zu 30 % gibt. Es gibt zu wenig großen Wohnraum für Familien. Das bezieht sich nicht nur auf Dresden und Leipzig, sondern auch auf die umliegenden Orte, wie Markkleeberg oder Radebeul. Der Markt wird es nicht allein regulieren.
Die energetische Sanierung – das muss man einmal offen sagen – ist ein Aufbauprogramm West. Dort gibt es einen Bestand an Wohnungen aus den Fünfzigerjahren, wo tatsächlich eine energetische Sanierung dazu beitragen kann, dass die Energiekosten gesenkt werden und damit die Betriebskosten. Wir haben aber aufgrund unseres Sanierungszustandes in Ostdeutschland zwar auch noch genug in der energetischen Sanierung zu tun, aber wir werden nicht mehr die Effekte erzielen, wie sie im Westen sind. Das heißt, die energetische Sanierung allein ist keine soziale Wohltat. Sie werden mit der energetischen Sanierung nicht die Betriebskosten senken. Das ist nunmal so wegen der guten Substanz, die wir inzwischen aufgrund des guten Sanierungszustandes haben. Sie können das Problem nicht leugnen. In einem Radiointerview haben Sie gesagt, durch die überaus hohe Leerstandsquote werden sich die Mietpreise in Dresden selbst regulieren. Aha! Wissen Sie, wohin sich die Mietpreise regulieren werden? Nach oben.
Es wird jetzt schon spekuliert mit den Grundstücken, mit fehlender Wohnfläche. Das heißt, Sie werden nicht sozialen Wohnraum schaffen, sondern weitere Verdrängung haben und soziale Ausdifferenzierung. Das wollen wir nicht.
Wir wollen weiterhin, dass in den Städten alle miteinander leben, die, die viel haben, die wenig haben, eine gute soziale Durchmischung, und nicht, dass die, die wenig haben, aus den Städten herausgedrängt werden.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn in München und in Hamburg die Mieten steigen, dann liegt das genau an der wirtschaftlichen Kraft dieser Region und an der Verknappung, wie schon festgestellt wurde.
Interessant ist nur, dass in Hamburg 30 % des neu geschaffenen Wohnraums sozialer Wohnraum ist. Das ist sozialdemokratische Wohnungsbaupolitik.
In Dresden und in Leipzig steigen die Mieten. Bezahlbarer Wohnraum wird knapp. Wer das leugnet, der kann das Problem nicht lösen.
Die 5 % Leerstand in Dresden besagen ja auch nicht, wie viel davon in einem vermietbaren Zustand ist. Reden Sie
mal mit den Wohnungsbaugesellschaften und mit dem Mieterverband. Die sagen, in den nächsten fünf Jahren ist dieses aufgebraucht. Das heißt, Ihre Aussage, dass das in zehn Jahren immer noch kein Problem ist, stimmt schlichtweg nicht. Sie müssen die Dynamik berücksichtigen.
Erstens brauchen wir einen sozialen Wohnungsbau in den Ballungszentren, um ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Zweitens brauchen wir auch ein Wohnungsbauprogramm für altersgerechten Umbau; denn der Druck, dass wir bezahlbaren Wohnraum benötigen, wird noch einmal dadurch größer, dass wir auch mit der Problematik der wachsenden Altersarmut zu kämpfen haben bzw. unabhängig davon der Wunsch der Menschen besteht, so lange wie möglich in Würde in ihren eigenen vier Wänden alt zu werden. Das bedarf Sanierungen und Umbau von Wohnungen zu altersgerechten Wohnungen, und eher dafür brauchen wir ein Wohnungsbauprogramm. Das sind die Dinge, die wir fordern. Dazu muss man aber das Problem vorher verstanden haben.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Mütterrente ist gerecht. Die Unterscheidung zwischen Ost und West und die Finanzierung ist ungerecht. Als 2001 SPD und GRÜNE die Mütterrente in einem Rentenpaket eingeführt haben, wurde zum ersten Mal die Lebensleistung Tausender Frauen anerkannt, die aufgrund der Erziehung ihrer Kinder wenig oder nicht gearbeitet haben. Das gilt auch für Männer, aber die große Anzahl waren Frauen. Es war eine große Gerechtigkeitsleistung.
Zur Wahrheit gehört auch, dass uns damals das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Pflegeversicherung gesagt hat, dass Kinder stärker auf die Pflegeversicherung anzurechnen sind. Genau deshalb hat man gesagt, wir müssen auch bei der Rente eine Regelung finden. Daraus wurde die Mütterrente, die aufgrund des Gerichtsbeschlusses mit dem Stichtag 1992 angelegt wurde. Zur Wahrheit gehört auch, dass es etwas mit Finanzierung zu tun hat, denn wir reden hier über viel, viel Geld. Allein in die bisherige Mütterrente fließen jährlich 11 Milliarden Euro. Deshalb wurde damals dieser Termin gesetzt, der die Mütterrente finanzierbar ließ.
Ich bleibe dabei, die Mütterrente als solche ist eine gute Sache. Die Frage ist nur – und das sagt auch der heutige Debattentitel –, wie die Sächsische Staatsregierung mit dem Thema umgeht. Es ist immer wieder faszinierend, entweder den Ministerpräsidenten oder Frau Clauß zu hören, die bestimmte Entscheidungen auf Bundesebene anders kommentieren als die Entscheidung, die durch Sie in Berlin mit gefällt wurde. Sie erinnern sich an den Mindestlohn. Herr Tillich sitzt mit in der Verhandlungsgruppe, sagt nicht Muh und nicht Mäh und erklärt dann dem MDR, er konnte sich nicht durchsetzen. Ja, stumm kann man sich nicht durchsetzen, da muss man vielleicht auch mal was sagen.
Ich war völlig überrascht, als ich gehört habe, dass Frau Clauß fordert, dass die Mütterrente steuerfinanziert werden soll. Sie haben uns sofort an Ihrer Seite.
Da bin ich mal gespannt und habe folgende Frage an Sie. Bei der Bundestagswahl gab es die zehn Wahlkampfschlager der CDU. Neun davon hießen Angela Merkel und einer Mütterrente. Das war Ihr großes Thema: Mütterrente. Frau Clauß, erklären Sie bitte hier, wie Sie die Mütterrente finanzieren wollten, was Sie im Wahlkampf gesagt haben. Wie lautete denn das Konzept der CDU zur
Finanzierung der Mütterrente? Konnten Sie sich damals schon nicht durchsetzen? Wollten Sie damals schon sagen, über Steuererhöhungen reden wir jetzt lieber nicht? Wie wollten Sie die Mütterrente finanzieren? Sagen Sie das doch einmal bitte hier.
Dann frage ich mich auch an dieser Stelle, wer dieses Thema mitbehandelt hat. Sie waren zwar nicht in der Arbeitsgruppe Soziales, wo das diskutiert wurde, sondern in einer anderen Arbeitsgruppe, aber ich frage mich, wo die sächsische Stimme war.
Natürlich!
Zum einen möchte ich gern die Frage beantwortet haben, wie Sie Ihren Wahlkampfschlager Mütterrente finanzieren wollten. Was hatten Sie vor der Bundestagswahl gesagt?
Wir als SPD haben im Wahlkampf ein Steuerkonzept vorgelegt, ja, durchaus auch mit Steuererhöhungen für eine kleine Gruppe, um für eine Mehrheit etwas finanzieren zu können. Wir waren so ehrlich und haben über Steuererhöhungen gesprochen.
Bei den Koalitionsverhandlungen war das erste No-Go der CDU das Thema Steuererhöhungen.
Das heißt, die CDU selbst hat die Türe zugemacht für die Frage, ob man das Rentenpaket steuerfinanziert.
Sie selber haben diese Tür zugemacht! Das gehört zur Wahrheit.
Deshalb finde ich die Diskussion vonseiten der Sächsischen Staatsregierung und der Staatsministerin an dieser Stelle scheinheilig. Sie hätten das bei den Koalitionsverhandlungen machen können und Sie hätten uns an Ihrer Seite gehabt. Sie hatten nur keine Mehrheit in der CDU, weil Sie nicht wussten, wie Sie es sonst finanzieren sollten. Das ist Ihr Problem. Wir können gern eine gemeinsame Initiative starten, dass wir die Mütterrente steuerfinanzieren. Dabei haben Sie uns sofort an Ihrer Seite; nur tun Sie bitte nicht so, als würde Ihnen das jetzt einfallen, jetzt, wo die Entscheidungen getroffen sind. Ich hätte Ihre Stimme gern bei den Koalitionsverhandlungen gehört, als es darum ging, Entscheidungen zu treffen. Das ist halt Ihr Glaubwürdigkeitsproblem.
Ja, es ist viel Geld. Dass Herr Pellmann alles, was an diesem Rentenpaket gut ist, schlecht findet, weil es nicht ausreichend ist, mag typisch für DIE LINKE sein. Alle, die in der Sozialpolitik gerade beim Thema Rente tätig sind, wissen, dass wir nicht über ein paar Millionen Euro Rente reden, sondern wir reden über ein Rentenpaket in zweistelliger Milliardenhöhe. Auch heißt es immer abzuwägen und die Balance zu wahren. Ich wäre sofort an der Seite der Ministerin, wenn wir ein Rentenkonzept hinbekommen würden, – –
– in dem wir alle Rentenleistungen nicht über die Versicherung, sondern über Steuern finanzieren. Dann heißt es auch, dass wir eine andere Steuerpolitik in diesem Land machen müssen. Aber dafür gibt es zur Zeit keine Mehrheit.
Vielen Dank.
Der erste Punkt und damit Unterschied zwischen uns beiden ist folgender: Bei uns kann und muss man die Wahlversprechen immer am konkreten Handeln messen, weil wir regieren. Sie können aus der Opposition natürlich immer den Finger heben, alles kritisieren und schlechtmachen. Das ist der Unterschied.
Der zweite Punkt ist folgender: Wir haben bei den Koalitionsverhandlungen, gerade als ostdeutsche Vertreter, innerhalb der SPD sehr wohl dafür gesorgt, dass das Thema der Angleichung der Ost-West-Renten überhaupt eine Rolle bei dem Rentenpaket spielt. Sind wir einmal ehrlich: Wir haben bei allen Parteien – ich möchte die Kolleginnen und Kollegen der CDU mit einschließen – durchaus noch große Überzeugungsarbeit bei unseren Kolleginnen und Kollegen im Westen zu leisten, dass diese Unterschiede, egal ob beim Rentensystem oder beim Thema Rentenwert bei der Mütterrente, endlich überwunden werden. Deshalb, auch wenn wir uns einen strafferen Zeitplan bei der Ost-West-Angleichung gewünscht hätten, sind wir froh, dass die Angleichung im Koalitionsvertrag enthalten ist und bis zum Jahr 2016 eine Rentenangleichung erreicht wird.
Das Dritte ist Folgendes: Sie vermischen selbst die Themen. Reden wir über die Rente. Im Zusammenhang damit stellt sich die Frage, inwieweit wir uns als Landesparlament in eine Debatte einmischen, die bundespolitisch geführt wird. Entscheidender ist für mich jedoch folgender Punkt: Wenn wir daraus eine Gerechtigkeitsdebatte machen, müssen wir klar machen, dass es am Schluss nicht darum geht, ob wir zum Beispiel mit einer Mütterrente Altersarmut verhindern. Herr Krauß, Sie sind, glaube ich, einen Schritt zu weit gegangen. Wir müssen uns um gute und gerechte Löhne kümmern. Somit könnten wir über eine andere Art der Rentengerechtigkeit sprechen. Voraussetzung für die Rente ist das, was man vorher erarbeitet hat. Es muss unsere Aufgabe in Sachsen sein, dafür zu sorgen, dass die Menschen endlich ordentliche und faire Löhne – am besten Tariflöhne – erhalten.
Vielen Dank.
Da ich jetzt nicht genau weiß, inwieweit Sie als Vertreter der CDU-Fraktion oder als Vertreter der Staatsregierung sprechen, auch im Hinblick auf die gemeinsame Entstehungsgeschichte des ursprünglichen Antrages habe ich eine ganz einfache Frage: Wie zufrieden sind Sie mit dem aktuellen Zustand der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Sachsen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Aktuelle Debatte ist dazu da, sich in freier Rede mit einem aktuellen Thema auseinanderzusetzen, zu argumentieren, zu diskutieren. Dass wir jetzt eine Mini-Fachregierungserklärung vorgelesen bekommen haben, ist nicht nur eine Beugung der Geschäftsordnung,
sondern es ist auch schlechter politischer Stil; denn wir sind hier nicht zu einer Vorlesung, sondern zu einer Aktuellen Debatte und einer politischen Auseinandersetzung zusammengekommen.
Dass die Regierung Eckwerte für den Haushalt vorstellt, ist ja nicht zu kritisieren. Es geht schlichtweg darum, dass wir in einem Gesetzgebungsverfahren sind, auch wenn wir alle wissen, dass weder diese Regierung noch diese Koalition den Haushalt beschließen werden. Die Hauptauseinandersetzung dreht sich um die Frage, welche Art von Haushaltspolitik wir in unserem Freistaat Sachsen machen wollen. Genau wie Sie es gesagt haben: den grundlegenden Kurs der Haushaltspolitik festzulegen. Sie haben in den letzten Jahren die Monstranz der soliden Haushaltspolitik vor sich hergetragen und es festgemacht an der Diskussion, wie denn die einzelnen Parteien oder Fraktionen zu der Frage stehen, wie sie es mit den Schulden halten. Nur, Entschuldigung, dieses Thema ist abgeräumt. Den Höhepunkt haben Sie erreicht, indem wir das in der Verfassung verankert haben.
Jetzt wird es also um eine andere Frage gehen, nämlich, wie aus einer soliden Haushaltspolitik auch eine kluge Haushaltspolitik wird. Wie bereiten wir uns darauf vor, das Land auf Zukunft einzustellen? Wie bereitet sich der Freistaat auf die Haushaltssituation nach 2020 vor? Wir sind das zweitgrößte Nehmerland. Die aktuelle Politik des Freistaates ist die, das Geld der anderen zu nehmen, es als eigenes auszugeben, aber noch keinen Plan zu haben, was passiert, wenn es wegfällt. Die nächste Frage die sich
stellt, ist, ob wir kluge Investitionen machen. Die Frage Beton oder Investition ist deshalb immer von uns gestellt worden, weil Sie einteilen, was gutes Geld und was schlechtes Geld ist.
Sie sagen doch, die Investition ist gutes Geld, alles anderes ist konsumtiv, und das ist schlecht. Diese Einteilung ist falsch.
Die Frage kann man rhetorisch auch andersherum stellen. Was nützen uns schöne Hüllen, sanierte Hochschulen und Schulen, wenn wir keine Lehrerinnen und Lehrer haben? Ganz einfach.
Eine solide, kluge Haushaltspolitik muss vor allem auch verlässlich sein im Hinblick auf die inhaltlichen Aussagen. Das, was wir gerade mit dem letzten Doppelhaushalt und mit den aktuellen Ankündigungen bei Ihnen erleben, nenne ich zielgruppenorientierte Haushaltspolitik im Wahljahr. Denn wie oft wurde uns in der vergangenen Legislaturperiode ein Horrorgemälde an die Wand gemalt! Das hat zu einem Kürzungshammer geführt, der sich dann am Ende des Jahres in Luft auflöste bzw. sogar dazu führte, dass wir 879 Millionen Euro Überschuss hatten. Wie glaubhaft ist denn eigentlich Ihre Haushaltsrhetorik?
Wir haben gestern wieder erlebt, dass uns reihenweise die Erhöhungen, die Zulagen vor allen Dingen in den Bereichen verkauft werden, wo Sie vorher gekürzt haben. Das noch als Erfolg zu verkaufen ist mindestens zynisch.
Sie sehen das zum Beispiel bei der Stellenhebung der Polizei, bei den zinsverbilligten Darlehen für Kleinkläranlagen, bei der Erhöhung der Mittel für die Suchtberatung und die Verbraucherzentralen. Sie billigen den Grundschul- und den Mittelschullehrern ab 1. August 2014 eine Anhebung der Eingruppierung und die Altersteilzeitregelungen zu. Das ist alles gut und schön, das unterstützen wir. Aber es widerspricht halt der Politik, die Sie vorher gemacht haben. Verkaufen Sie die Leute nicht für dumm! Die durchschauen, dass das Manöver sind.
Wir brauchen eine verlässliche Politik für diejenigen, die zum Beispiel als Lehrerinnen und Lehrer schon seit Jahren darauf warten, dass ihre Arbeit endlich wertgeschätzt wird und dass sie eine ordentliche Eingruppierung bekommen.
Sie verkünden für die freien Schulen, dass neben den 10 Millionen Euro in diesem Jahr für das nächste Jahr unter Haushaltsvorbehalt 25 Millionen Euro vorgesehen sind. Sie kündigen an, dass Sie etwas regeln, aber Sie
müssen das immer im Kontext dessen sehen, was Sie in den Jahren zuvor gemacht haben. Und dann bleibt von Ihrer Haushaltspolitik nicht mehr viel übrig.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Biesok hat uns vorgeworfen, wir wollten eine rot-grüne Wohlfühlgesellschaft. Darüber lässt sich trefflich streiten, in welcher Gesellschaft wir wirklich leben wollen. Wohlfühlen heißt nicht automatisch ruhigstellen, heißt nicht, dass es keine Probleme gibt und wir uns sozusagen den Frieden kaufen.
Worüber ich auch mit Ihnen und vor allem mit Herrn Unland, weil in seiner Rede die Menschen keine Rolle spielten, viel eher reden möchte, ist die Frage: Wie schaffen wir es, dass es den Menschen in dem Land gut geht, dass sie sich hier geborgen fühlen, dass es auch in Zukunft ihre Heimat ist? Wie schaffen wir es, dass wir dieses Land auf die Zukunft einstellen? Diese Frage möchte ich gern mit Ihnen diskutieren. Wie sieht unser Land, wie sieht unsere Gesellschaft in ein paar Jahren aus? Inwieweit stellt unsere Haushaltspolitik genau die richtigen Weichen dafür?
Das, was ich Ihnen vorwerfe, ist, dass Sie statt Politik nur politisches Marketing machen.
Sie bauen einen Popanz auf und wollen damit die Menschen einlullen. Sie verkaufen zum Beispiel 5 Milliarden Euro Bildung. Was sagt denn das? Was sagt denn das, dass Sie 5 Milliarden Euro in Bildung stecken?
Ist das eine qualitative Aussage? Geht es darum, dass wir mehr Bildung, bessere Bildung, mehr Lehrerstellen haben, dass wir die Kita-Problematik endlich angehen, dass wir die Probleme bei den freien Schulen lösen? Nein, die Zahl sagt erst einmal gar nichts, aber sie suggeriert, wie viel der Freistaat in Bildung steckt. Dass wir zum Beispiel auf so eine hohe Summe kommen, liegt natürlich auch daran, dass sich die zwei Förderperioden der europäischen Mittel überlappen und wir dadurch doppelte Zahlen haben. Das hat auch damit zu tun, dass alles, was irgendwie mit Bildung zu tun hat, bis hin zur kleinsten Weiterbildungsmaßnahme in den eigenen Ministerien, bei Ihnen unter diesen Bildungskanon gehört. Das sagt aber nichts darüber, was Sie für eine Vorstellung über die Herausforderungen bei der Bildung haben. Aber dazu später mehr.
Jetzt möchte ich auf Ihre berühmte Investitionsquote eingehen, Ihre 18 %. Das klingt auch wieder gewaltig. Nur, was heißt denn das?
18 % – auch hier schmücken Sie sich wieder mit fremden Federn. Auch hier kommen alle EFRE-Mittel, die etwas mit Investitionen zu tun haben, mit hinein, ebenso die SoBEZ-Mittel usw. Wenn das alles einmal wegfällt, bricht automatisch auch Ihre Quote zusammen. Sie schmücken sich mit fremden Federn.
Was man an der Stelle auch noch einmal in Erinnerung rufen darf, ist das Versagen bei der Landesbank, die 2,75 Milliarden Euro als Bürgschaft.
Die werden im Haushalt abgebildet. Aktuell werden 592 Millionen Euro dieser Bürgschaft im Haushalt auf die Investitionsquote angerechnet. Das heißt, das, was Sie verbockt haben, wollen Sie uns auch noch bei der höheren Investitionsquote als etwas Gutes verkaufen. Das ist wirklich eine Frechheit!
(Beifall bei der SPD – Torsten Herbst, FDP: Wer saß denn in den Aufsichtsgremien? Das ist doch lächerlich! – Zuruf von der CDU: In guten wie in schlechten Zeiten!)
Sie wollen das Versagen bei der Landesbank durch eine höhere Investitionsquote als etwas Gutes verkaufen. Bitte, viel Spaß.
Zu den fremden Federn, mit denen Sie sich schmücken, gehört auch die Aussage, wie sich die Investitionsquote zusammensetzt. Wir haben im letzten Jahr eine Hochwasserkatastrophe erlebt und daraufhin wieder eine große solidarische Leistung, bei der alle Bundesländer und der Bund gesagt haben: Wir stemmen das. Der Schaden von 1,9 Milliarden Euro heißt aber auch, dass das wieder Investitionen sind. Aber da sollten Sie auch sagen, dass von dieser Summe lediglich 223 Millionen Euro aus Ihrem eigenen Haushalt kommen. Das wäre das Geld,
womit Sie sich schmücken können, und nicht mit der gesamten Summe.
Das heißt, hinter Ihrer großen Zahl 18 steckt erst einmal nicht viel, wenn Sie nicht einmal erklären, was Sie konkret damit wollen. Also lassen Sie uns nicht nur über politisches Marketing, sondern auch einmal über Inhalte reden,
darüber, wie man wirklich eine kluge und nachhaltige Finanzpolitik macht.
Wir wollen 2,75 Milliarden Euro in die Bildung stecken. Wir wollen genau den gleichen Ehrgeiz entwickeln, wie Sie ihn doch auch hatten,
um die Landesbank abzufinanzieren. Sie haben dieses Geld komplett in den Haushalt gesteckt. Warum haben Sie nicht den gleichen Ehrgeiz, genauso viel Geld in die Zukunft unserer Kinder zusätzlich zu investieren? Das frage ich Sie.
Wir haben Ihnen ja nachgewiesen, dass das geht, und zwar aufgrund Ihres eigenen Finanzmanagements.
Sie können mit den Mitteln, die wir im Haushalt haben, diese zusätzlichen Mittel in Höhe von 275 Millionen Euro pro Jahr, wenn man das auf zehn Jahre streckt, abbilden, ohne dass wir einen Cent Schulden aufnehmen müssen, –
– sondern nur dadurch, dass wir im eigenen Haushalt andere Schwerpunkte setzen, eine andere Haushaltspolitik machen. Man muss es nur wollen.
Eine kluge, nachhaltige Investitionspolitik orientiert sich nicht nur an den Stärken, sondern nutzt vor allem die Stärken, um dort etwas entgegenzusetzen, wo wir in der Quote schlecht sind.
Wie wäre es denn, wenn wir so investieren, dass wir endlich die Schulabbrecherquote auf 4 % senken? Wie wäre es denn mit so einem ehrgeizigen Ziel?
Das würde aber bedeuten, dass Sie Ihre Investitionspolitik verändern müssen. Erstens müssten Sie Ihren Investitionsbegriff verändern, damit er nicht nur auf Investitionen in Beton setzt, sondern auch auf Investitionen in die Bildung, und zweitens müssten Sie andere Schwerpunkte setzen. Wie wäre es denn mit diesem Ehrgeiz? Ich wäre dafür, die Schulabbrecherquote auf 4 % zu senken. Und Sie?
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sachsen ist ein Kulturland, und das, was wir an Kultur in Sachsen haben, hat Weltruf. Das ist etwas, worauf man auch gemeinsam stolz sein kann. Ich glaube auch, dass wir, wenn wir hier im Sächsischen Landtag über Kultur reden, unabhängig von Koalition oder Opposition mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes finden können. Trotz aller persönlichen Wertschätzung und Sympathiebekundungen für Sie, Frau Ministerin, können wir es Ihnen nicht ersparen, auch eine kritische Auseinandersetzung über die Kunst- und Kulturpolitik der vergangenen viereinhalb Jahre vorzunehmen. Kultur in Sachsen und Kulturpolitik in Sachsen – das sind zwei verschiedene Dinge.
Frau von Schorlemer, vielleicht hätten Sie vor Ihrer Zusage, Ministerin zu werden, einen Blick in den Koalitionsvertrag werfen sollen, um zu erkennen, was darin steht. Ich zitiere nur einen Satz: „Wir werden die großen Kultureinrichtungen dabei unterstützen, verstärkt eigene Erträge und einen höheren Kostendeckungsgrad zu erwirtschaften, damit sie ihre überregionale und internationale Bedeutung erhalten und ausbauen können.“
Dieser Satz kommt als selbstverständlich daher und wäre vielleicht gar nicht infrage zu stellen, wenn er lediglich den Grundsatz zum Ausdruck bringen würde, dass natürlich auch Kultureinrichtungen betriebswirtschaftlichen Grundsätzen folgen müssen. Das Problem an diesem Satz ist, dass er die Philosophie der Kulturpolitik beschreibt, die der schwarz-gelben Regierung obliegt. Die Philosophie lautet: Ökonomisierung von Kultur. Diese zeigt sich in einer Privatisierungs- und Umstrukturierungswelle und daran, dass sich der Staat immer mehr aus der Verantwortung herauszieht, die ihm durch die Verfassung eigentlich zugeschrieben worden ist. Das ist das Problem.
Deshalb gibt es eine Diskrepanz zwischen dem, was Sie vielleicht kulturpolitisch wollen, und der geschilderten Philosophie bzw. der Kulturpolitik, die wir in den vergangenen viereinhalb Jahren in Sachsen erlebt haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bedeutung von Kultur für das demokratische und soziale Gemeinwesen, für die freie Entfaltung des Menschen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt – all diese Aspekte spielen in Ihrer Kulturpolitik keine Rolle. Nur, für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind Kunst und Kultur Räume der Freiheit, der Kreativität, des Experiments, des Widerspruchs, des Selbstgesprächs.
Es gibt eine untrennbare Verbindung zwischen Freiheit, Demokratie und kultureller Freiheit. Kulturpolitik hat immer die Aufgabe, die Voraussetzungen für diese Freiheit zu schaffen und auch zu verbessern. Kurz: Kultur ist nicht nur eine Haushaltsstelle.
Deshalb müssen wir noch einmal auf die Frage eingehen, wie es in Sachsen mit der Kulturpolitik bestellt ist. Das zeigt sich aktuell an dem Streit um die Intendanz der Semperoper. Wenn wir feststellen, dass Sachsen eine Kultur von Weltruf hat, dann zeigt die Auseinandersetzung um die Semperoper zwei Problemlagen auf:
Erstens. Wenn wir stolz darauf sind, dass wir Klangkörper wie die Staatskapelle und die Semperoper haben – Einrichtungen von Weltruf! –, dann müssen wir natürlich auch eine Kulturpolitik haben, die diesem Niveau entspricht. Es stellt sich die Frage, ob das, was wir in der Auseinandersetzung um die Intendanz der Semperoper erlebt haben, diesem Anspruch tatsächlich standhält. Als Sie die fristlose Kündigung aussprachen, dämmerte Ihnen durchaus, dass dies eine schwierige Auseinandersetzung
werden würde. Wenn ich Ihre Pressemitteilung lese, stelle ich fest: Sie ist weniger kulturvoll geschrieben als vielmehr Ausdruck dessen, dass Sie sich schon zu dem Zeitpunkt darauf eingerichtet hatten, eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung führen zu müssen. Ob das tatsächlich dem Anspruch „Kultur von Weltruf“ gerecht wird, sei dahingestellt. Die Art, wie diese Auseinandersetzung geführt wurde, zeugt eher von Provinzialität als von Weltruf.
Ich komme zu dem zweiten großen Problem. Sie konzentrieren bzw. reduzieren Kulturpolitik wieder auf die Leuchttürme. Das liest man auch in Ihrem Entschließungsantrag. Kultur und Kulturpolitik in Sachsen – das ist aber mehr als die Staatskapelle und mehr als die Semperoper, sondern muss alle Bereiche umfassen: die Kultur in den urbanen Zentren und in den ländlichen Bereichen, die Mischung zwischen Hochkultur und Soziokultur. Das kommt zu kurz, wenn wir uns nur auf dem Feld von Auseinandersetzungen bewegen wie der, die wir in den letzten Wochen erlebt haben.
Als ich Ihrer Regierungserklärung lauschte, stellte ich fest: Sie trugen viele Dinge vor, die wir bereits im „Kulturkompass 2009“ lesen konnten. Die Botschaft hör‘ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, inwieweit das alles Ihre Errungenschaften sind; denn im Jahr 2009 hatten noch andere Verantwortung. Nur, was nützt es, wenn Sie zu den richtigen Erkenntnissen kommen, aber in der falschen Regierung sind? Sie liefern sich jemanden aus, der Kulturpolitik weiterhin nur finanzpolitisch sieht. Das bleibt die zentrale Auseinandersetzung zwischen uns.
Die Ökonomisierung von Kultur kommt konkret bei den Menschen an. Bei den Menschen kommen die Auswirkungen von Privatisierungen und Kürzungen im Kulturbereich an. Die Reduzierung der Kulturraummittel führt zu Kürzungen in der freien Kulturszene, bei Theatern, Bibliotheken und Museen. Weitere Folgen sind die Einführung bzw. Steigerung von Eintrittspreisen – siehe Pillnitz –, die Entlassung von Künstlerinnen und Künstlern sowie die Verschlechterung von Verträgen. Das spüren die Menschen direkt. Was nutzen geringere Eintrittspreise für Kinder und Jugendliche in Dresden, wenn in Plauen, Zittau und Bautzen die Theater ihre Preise erhöhen müssen?
Vor allem die FDP und der Finanzminister treiben die Privatisierung von Kultur voran.
Zum Beispiel der Landesbühne, die sich in meinem Wahlkreis befindet.
Ich verweise zudem auf die Zusammenführung der Orchester der Elbland-Philharmonie. Es ist nur deshalb nicht zu einem Totalzusammenbruch gekommen, weil Musiker und Theaterensemble im Interesse des Erhalts ihrer Arbeitsplätze und einer für die Menschen wichtigen
Kultureinrichtung zu erheblichen Zugeständnissen bereit waren. Das ist also kein Verdienst der Staatsregierung. Erst die kommenden Jahre werden zeigen, welche Auswirkungen dieser Privatisierungswahn tatsächlich hat, zum Beispiel auf die Eintrittspreisgestaltung und die künstlerischen Möglichkeiten des Orchesters. Privatisierte Einrichtungen erhalten nämlich nur noch Zuschüsse des Freistaates und stehen dadurch kaum noch unter unserer kulturpolitischen Verantwortung. Der Staat entledigt sich hier seiner Verfassungsverantwortung und verlagert die Kosten auf die Nutzer oder die neuen Betreiber.
Das trifft auch auf die Zusammenführung von Staatsschauspiel und Semperoper unter einem Verwaltungsdach zu. Warum dieser unsinnige Zusammenschluss? Sie sagen: weil es keine Einsparungen geben soll. – Wie bitte? Was ist denn Sinn und Zweck dieser Zusammenführung? Das müssen Sie uns erklären. Natürlich wird es am Ende zu Einsparungen kommen, aber zu Einsparungen, die Besucher und Mitarbeiter teuer bezahlen müssen.
Scharf kritisieren müssen wir auch den Umgang mit dem Thema „kulturelle Bildung“. Sie haben die kulturelle Bildung sehr gelobt, aber sie wird in Sachsen zwischen den Ministerien zerfleddert. Jeder rühmt sich, ein bisschen was damit zu tun zu haben, anstatt ein gemeinsames Konzept zu entwickeln. Der Kultursenat hat unter der Überschrift „Was PISA nicht gemessen hat“ zu Recht auf die Defizite im Bereich kultureller Bildung im Freistaat aufmerksam gemacht. Das beginnt bei Kürzungen und fachfremden Besetzungen im Musik- und Kunstunterricht an den Schulen und geht über Kürzungen bei den Museums- und Theaterpädagogen, den Ganztagsangeboten und der Soziokultur bis hin zu Mobilitätshindernissen, weil zum Beispiel Kinder aus Zittau keine Chance haben, kostengünstig nach Dresden in ein Museum oder das Theater „Junge Generation“ zu kommen. Das sind Auswirkungen der Kürzungen, die konkret bei den Menschen ankommen. Das ist auch Ihre Kulturpolitik!
Ich möchte einen weiteren Punkt aufgreifen: die hohen Kulturinvestitionen in Sachsen, die Sie in Ihrer Regierungserklärung so gelobt haben. Bitte bleiben Sie bei der Wahrheit! Wir müssen nämlich genau differenzieren, wie viel wofür ausgegeben wird. Die hohen Kulturinvestitionen des Freistaates bestehen zu einem sehr großen Teil aus Investitionen in Schlösser, Burgen und Kulturdenkmäler. Auch das gehört für mich zu den Kulturaufgaben. Nur, was nutzen uns diese Investitionen, wenn anschließend in diesen schönen, sanierten historischen Gebäuden kein Leben mehr ist, wenn kein langfristiges Konzept vorhanden ist oder die Eintrittspreise so hoch sind, dass sie sich nur noch Reiche leisten können?
Sie haben die Hubertusburg mit 40 Millionen Euro saniert. Dort gibt es eine tolle Ausstellung. Und wie geht es dann weiter? Gibt es dafür eine Idee, ein Konzept?
90 Millionen Euro? Noch besser! Das macht es noch leichter, den Widerspruch zu verdeutlichen: Sie stellen für Investitionen gern Geld zur Verfügung; aber auf die Frage, was dann notwendig ist, um ein solches Haus zu betreiben, nämlich ein langfristig angelegtes Konzept, damit Menschen dort hinkommen, fehlt Ihnen die Antwort.
Da sieht man eben auch, dass zum Beispiel Ausstellungen auf Zeit, wie in meinem schönen Moritzburg oder in Torgau, zwar die Tagestouristen anziehen, nur hat das halt weniger mit Kunst als mit Tourismusmarketing zu tun. Konsumkultur statt Kunsterleben steht hier im Vordergrund. Geld, das in dreistelliger Millionenhöhe in Beton oder historische Bausubstanz fließt, fehlt an anderen Stellen, zum Beispiel um kostengünstige Räume für Amateurtheater oder Kreativschaffende zur Verfügung zu stellen. Ja, Denkmalschutz ist wichtig, ohne Frage, nur frage ich mich, warum das nicht gebündelt beim Kunstministerium liegt.
Stattdessen hält das Finanzministerium mit Schlössern, Burgen und Gärten den größten Teil in finanzpolitischer Aufsicht und das Innenministerium den Denkmalschutz in trauter Gemeinsamkeit mit der Stadtentwicklung und dem sogenannten Stadtrückbau. So lässt sich auf einfache Weise der Abriss von denkmalgeschützten Bauwerken begründen, und der Widerstand im eigenen Hause ist dann nicht möglich.
Kulturpolitik, ich hatte es anfangs angesprochen, darf sich nicht nur auf die urbanen Zentren oder die Hochkultur konzentrieren, sondern muss gerade auch unter dem Gesichtspunkt der demografischen Entwicklung die gesamte Bandbreite abbilden und differenziert betrachten. In den urbanen Zentren trifft Kultur auf ein ausdifferenziertes Publikum. In den Städten hat Kultur eine Ankerfunktion, während in den dünn besiedelten Regionen die Kultur viel stärker die Funktion von gemeinschaftlichem Erleben erfüllt. Deshalb wird es auch darum gehen müssen, wie wir Möglichkeiten schaffen, um Kooperationen und Netzwerke zu fördern. Warum nicht über eine Art regionalen Kreativmanager nachdenken, ähnlich wie wir Quartiermanager in der sozialen Stadt haben? Es wird darum gehen müssen, dass nicht nur Unterscheidungen, sondern die Offenheit einer Kulturinstitution förderfähig ist. Kultur braucht schlichtweg Begegnungsorte, die mehrfach genutzt werden können, Orte, in denen neben Theateraufführungen auch der Häkelkurs stattfindet und die Freiwillige Feuerwehr ihre Jahreshauptversammlung durchführt. Wer Veränderungen will, muss Verlässlichkeit schaffen.
Die Kulturraumfinanzierung ist das Rückgrat unserer sächsischen Kulturlandschaft. Ja, wir brauchen eine Dynamisierung der Kulturraummittel und eine langfristi
ge Perspektive für Kulturräume, nur müssen wir dabei auch die Kopplung an die Einwohnerzahl auf den Prüfstand stellen.
Zu einer zukunftsfähigen Kulturpolitik zählt für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Frage, wie wir mit den Künstlerinnen und Künstlern umgehen, mit unseren Kulturschaffenden und Kreativen. Hier reicht es doch nicht, nur darauf abzustellen, dass die Studierenden unserer Kunst- und Musikhochschulen auch ein gewisses betriebswirtschaftliches Rüstzeug mitbekommen müssen. Das ist richtig, aber nur eine kleine Note im Kanon. Wir haben dazu in dieser Legislaturperiode mehrere Vorstöße gemacht, aber bis jetzt gibt es noch keine sächsische Beratungsstelle für die Kreativwirtschaft.
Wir wollen auch einen zweiten Kulturwirtschaftsbericht. Es ist vor allem notwendig, dass wir die Arbeitsbedingungen der Künstlerinnen und Künstler ins Blickfeld rücken. Das gilt auch für die Kulturpolitik. Gibt es soziale Mindeststandards in der öffentlichen Kulturförderung? Gibt es eine Selbstverpflichtung für den öffentlichen Bereich, Ausstellungshonorare zu zahlen? Wie sehen die Arbeitsbedingungen und sozioökonomischen Bedingungen von Lehrbeauftragten an Musik- und Kunsthochschulen aus? Können Schulen den Künstlerinnen und Künstlern für Ganztagsangebote angemessene Honorare zahlen? – Nein. All diese Fragen müssen wir mit Nein beantworten. Aber all das sind Aspekte, die in die kulturpolitische Verantwortung des Freistaates für seine Künstlerinnen und Künstler fallen.
Karl Valentin hat gesagt: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.“ Uns geht es darum, dass ein Künstler bzw. Kreativer auch von seiner Arbeit leben kann. Dazu zählt auch eine soziale Absicherung. Deshalb bin ich froh, dass es uns gelungen ist, im Koalitionsvertrag des Bundes die Stabilisierung der Künstlersozialkasse zu verankern. Nur, hat auch unsere sächsische Kulturförderung im Blick, dass ein Künstler von seiner Arbeit leben können muss? Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, die Funktion von Kultur auch als Zeichen von Willkommenskultur wurde schon einmal angesprochen. Auch hier erleben wir eine Diskrepanz. Wir haben mit unserer Kultur ein Aushängeschild, was eine Weltoffenheit repräsentiert, die im Widerspruch steht zu der Weltoffenheit, die es tatsächlich in Sachsen gibt. Es muss unsere gemeinsame Aufgabe sein, mithilfe von Kultur, aber auch mit einer eigenen Haltung diese Diskrepanz aufzulösen, dass wir in Sachsen eine Willkommenskultur brauchen, die klarmacht: Wir sind neugierig auf das Neue, wir sind neugierig auf das andere, wir sind neugierig auf eine Fortentwicklung. Willkommenskultur bedeutet Neugier und Offenheit, also das Gegenteil von Vorurteilen, die ihren Ursprung immer in Unwissenheit haben. Kultur war und ist ein wesentlicher Transformationsriemen, um Unwissenheit und Vorurteile abzubauen, weil Kultur sinnlich erfahrbar ist und damit den emotionalen Zugang ermöglicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der von Hilmar Hoffmann geprägte Satz „Kultur für alle“ ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten aktueller denn je; denn heute geht es noch mehr als damals um die Frage, wie wir Menschen zu einer emanzipatorischen Gestaltung ihres Lebens befähigen. Dazu ist die Kultur in dem weiten Begriff, wie wir ihn als Sozialdemokraten haben, neben der Bildungspolitik ein wichtiger Baustein.
Man könnte noch ganz viel zu den kulturpolitischen Herausforderungen der nächsten Jahre sagen, zur zeitgenössischen, experimentellen Kunst, zur weiteren Ausgestaltung der Willkommenskultur genauso wie zur Ausgestaltung der Industriekultur.
Einen Satz will ich noch zum Thema Gedenkstättengesetz sagen, weil ich es Ihnen nicht ganz durchgehen lasse, dass Sie sich als Retterin dieses Gedenkstättengesetzes präsentieren. Zur Wahrheit gehört, dass es 2003 versemmelt wurde. Damals gab es keine Koalition. Damals gab es nur eine Partei, die die komplette Verantwortung dafür getragen hat. Das war die CDU. Damals wurde es versemmelt.
Zur Wahrheit gehört auch, dass es vor allem Eva-Maria Stange zu verdanken ist, dass die Türen wieder geöffnet wurden und der von Ihnen auch beschriebene gemeinsame Geist hier im Landtag es ermöglicht hat, dass sie gemeinsam mit Albin Nees diesen Prozess gut zu Ende führen konnte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle zehn Zukunftsfelder, die Sie in Ihrer Rede genannt haben, sind nur im Zusammenwirken aller Ressorts zu verwirklichen. Deshalb müssen wir die Diskrepanz zwischen dem kulturpolitischen Verständnis, das Sie als Ministerin haben, und der tatsächlichen Unterstützung des Ministerpräsidenten und der gesamten Staatsregierung auflösen. Die kulturpolitischen Zukunftsaufgaben können nicht isoliert betrachtet werden. Sie sind nicht nur ein Ressort, sondern eine Gesamtaufgabe der Regierung. Dazu braucht man auch ein starkes Kulturministerium.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch immer verlangen Arbeitgeber stark nach Flexibilität bei jungen Familien. Dabei müssten es doch Mütter und Väter sein, die diese Forderung stellen. Die Wahl darf doch nicht durch äußere Zwänge wie unterschiedliche Bezahlung, Karrierenachteile oder gar Karriereeinbrüche eingeengt werden. Es darf nicht sein, dass eine gut ausgebildete Frau heute immer noch vor der Entscheidung steht: Kinder oder Karriere. Der Wiedereinstieg darf keine Hürde, sondern muss Sprungbrett ins Erwerbsleben sein.
Der demografische Wandel wird den Wettbewerb um Fachkräfte verändern. Künftig wird der Bewerber den Unternehmer fragen: Wie flexibel sind Sie?
Wir brauchen Zeit fürs Familienleben. Wir müssen Familien und vor allem den Eltern das schlechte Gewissen und den damit verbundenen Druck nehmen, ständig überall zu spät zu sein. Mehr Zeit für Familien bedeutet, den Spieß umzudrehen. Dazu braucht es eine Grundhaltung, die fragt: Wie kann die Arbeitszeit oder die Betreuungszeit flexibler werden, damit es für Familien passt? Stattdessen heißt es: Wie kann das Familienleben an Arbeitswelt oder Öffnungszeiten des Kindergartens angepasst werden?
„Für Eltern sind Arbeitszeiten dann flexibler als heute, wenn sie endlich größere Spielräume über sehr viel längere Zeiträume bekommen, zum Beispiel, indem sie weniger arbeiten, wenn die Kinder klein sind, und später es wieder ausgleichen und mehr arbeiten, wenn die Kinder größer sind.“ – Ihr verunsichertes Schweigen nehme ich als Zustimmung.
Denn das, was ich Ihnen jetzt als Zitat gebracht habe, um bei der Geschäftsordnung zu bleiben, –
– sind die Originalworte des Ministerpräsidenten. Damit hat er recht.
Die Frage ist also nicht, ob wir dieselbe Analyse haben, ob wir nicht auf denselben Kern kommen, sondern die Frage ist: Was ist Ihre Antwort? Was ist Ihre Antwort darauf, dass Sie es richtig beschrieben haben, was die eigentliche Herausforderung an die Arbeitswelt ist? Ist es die ideologische Debatte, was Zwang und was freiwillig ist? Das geht doch voll an der Sache vorbei. Die Herausforderung, die bei uns und für die Politik steht, ist: Welche Rahmenbedingungen schaffen wir, damit Familien die Arbeit und die Familie unter einen Hut bekommen, und auch, damit Unternehmen die Sicherheit bekommen, die Möglichkeit zu nutzen, um familienfreundlich zu sein? Darüber muss man sich unterhalten.
Das Einzige, was ich jetzt konkret auf dem Tisch habe, ist der Vorschlag von Manuela Schwesig, die Familienarbeitszeit einzuführen. Das ist der einzige Vorschlag, der sich damit beschäftigt.
Das Einzige, was ich darauf erlebt habe, war ein Reflex, der hieß: Weg damit, das geht nicht!
Moment! Haben Sie sich denn wirklich einmal mit Familienarbeitszeit auseinandergesetzt? Wissen Sie, was Familienarbeitszeit ist? Das heißt, nach der Elternzeit sollen die Väter und Mütter, die beide arbeiten wollen, beide voll berufsfähig sind, auf 32 Stunden Teilzeit gehen
können und gestaffelt einen Lohnausgleich als Lohnersatzleistung bekommen. Das heißt, nicht der Unternehmer wird belastet, sondern wir als Steuerzahler. Da frage ich Sie: Wenn wir uns einig sind, dass wir dort eine Lösung wollen, ist das nicht besser investiertes Geld? Ist es nicht besser, wenn wir genau da die Spielräume des Staates nutzen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein Angebot. Wir wollen die Eltern nicht zwingen, in diese Teilzeit zu gehen, sondern ihnen das Angebot machen, damit sie endlich die Möglichkeit haben, bis zu vier Jahre Familie und Beruf zu vereinbaren. Auch die jungen Leute sind inzwischen moderner, als Sie es vielleicht wahrhaben wollen. Sie wollen gern aus den Rollen heraus.
Natürlich.
Nein, es geht schlichtweg darum, dass man sich als Staat überlegen muss: Ich möchte eine Lohnersatzleistung definieren, die den Ausgleich für den Verdienstausfall schafft. Nicht der Unternehmer soll das ausgleichen – das ist doch in Ihrem Interesse –; das soll vielmehr über eine Lohnersatzleistung der Arbeitsagentur geschehen. Der Instrumentenkoffer bei der Arbeitsagentur sollte meiner Meinung nach schon um den Bereich Familienarbeitszeit erweitert werden.
Da kann man sich dann gern auseinandersetzen, ob Betreuungsgeld das Richtige ist oder etwas anderes. Aber die Sache ist für die nächste Zeit geregelt; keine Sorge, liebe CDU, das steht im Koalitionsvertrag.
Ich finde aber die Prioritätensetzung richtig, darüber nachzudenken, dass wir für Familien die Möglichkeit schaffen, auf Teilzeit zu gehen, ohne dass das ein sozialer Abstieg oder ein soziales Hindernis ist. Das ist unsere Herausforderung.
Das, was wir Ihnen hier vorschlagen, ist ein durchgerechnetes Modell. Das hat das DIW durchgerechnet. Das ist nicht eine Gewerkschaft oder eine sozialdemokratische Erfindung, das DIW hat das Modell durchgerechnet und
gesagt: Das ist sinnvoll, das ist klug, das ist richtig. Das ist unser Angebot an Sie. Das ist das einzige, was zurzeit auf dem Tisch liegt.
Ich frage Sie: Was ist Ihr Angebot? Oder sind es wieder nur leere Worte?
Vielen Dank.
Ich habe gar nicht so viel Redezeit, um all das zu sagen, was man eigentlich zu diesem Thema sagen müsste. Aber mir läuft das Herz über, und deshalb wollte ich unbedingt auch selbst in diese Debatte gehen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen haben heute eine Fachregierungserklärung gehört. Diese wird eigentlich am Anfang gehalten, indem erklärt wird, was das Programm ist. Jetzt hören wir – wir sind im Jahr 2014 – wieder eine Reihe – das wird wahrscheinlich erst der Anfang sein – von Regierungserklärungen als Bilanz. Ich würde ja gern einmal vergleichen zwischen dem, was vorher als Programm von Ihnen definiert und was heute als Bilanz vorgelegt wurde.
Deshalb frage ich Sie, Frau Clauß: Worauf sind Sie persönlich als Familienministerin stolz? Was haben Sie sich in den letzten viereinhalb Jahren vorgenommen,
damit die Situation von Kindern und Familien in Sachsen besser wird? Was ist das Projekt, bei dem Sie mit ganzem Herzen dabei sind und sagen: Genau das wollte ich, und das habe ich geschafft? Was ist Ihre Bilanz als Familienministerin? Worauf sind Sie stolz? Das frage ich Sie.
Ich möchte die Debatte nutzen, nicht nur in diesem alten Schwarz-Weiß zu bleiben: Da ist die Regierung, die alles schön finden muss, und da ist die Opposition, die alles kritisieren muss. Nein. Ich glaube gerade, wenn wir über Familien in Sachsen reden, dann kann man vieles, was Sie beschrieben haben, unterstützen, weil es stimmt. Gerade wenn Sie an die Leistungen, die in Familien erbracht werden, mit unterschiedlichsten Beispielen erinnern, wo auch jeder mit eigenen Beispielen beitragen kann, wird deutlich, dass der Dank, den man den Familien ausdrückt, ein ehrlicher Dank sein muss und ein ehrlicher Dank ist. Dem kann ich mich nur anschließen.
Ich glaube sogar, dass wir bei der Vielfältigkeit bei Familien in vielen Bereichen gar nicht ermessen können, was wirklich Leistungen von Familien sind, wie es Familien ergeht, die tagtäglich aus sozialen Gründen kämpfen, wie es für Familien ist, die richtige Lösung ihrer Kinder bei der Schulwahl zu treffen, wie schlimm und schwierig es für Familien mit Kindern mit Behinderung ist, für alles kämpfen und sich immer rechtfertigen zu müssen. Das kostet eine immense Kraft. Wir können oft nicht ermessen, was dies wirklich bedeutet. Deshalb findet man gar nicht die richtigen Worte, um tatsächlich diese Wertschätzung und den Dank, den man Familien entgegenbringen muss, auszudrücken.
Ich gebe Ihnen auch recht, dass jede Familie einzigartig ist. Jedes Beispiel ist aber auch wieder gefährlich, weil es eben nicht der Verallgemeinerung dienen kann, weil jede Familie einzigartig ist. Jeder hat ein eigenes Schicksal, eine eigene Geschichte, und jeder bringt eigene Stärken und Schwächen mit ein.
Was ist Familie? Familie ist dort, wo man füreinander Verantwortung übernimmt. Wenn man sich auf diesen Nenner verständigen kann, sind wir schon einmal einen gemeinsamen Schritt weiter. Es geht sowohl um die Beziehung von Mutter, Vater, von Eltern zu ihrem Kind, genauso aber natürlich auch um die Beziehung von Kind/Kindern zu ihren Eltern. Familie ist also nicht nur die Phase am Anfang, sondern der dauerhafte Prozess und auch die Verantwortung, die Kinder für ihre Eltern haben, wenn sie in Pflege gehen und Betreuung benötigen.
Für mich ist das Wichtigste, wenn ich an Kinder denke, nicht die Frage, in welchem Verhältnis sie leben, also ob Vater oder Mutter bei ihnen sind. Das Wichtigste ist für mich, dass Kinder behütet aufwachsen, dass sie ein Umfeld haben, in dem alles getan wird, dass sie gelingend aufwachsen können, dass sie ihr Leben meistern können. Das ist für mich das Zentrale. Was mich an dieser Debatte stört, ist, dass wir Familie und Ehe immer als Einheit diskutieren. Ich wiederhole mich an dieser Stelle: Ich bin über 20 Jahre mit ein und derselben Frau verheiratet und habe mit ihr sechs Kinder. Ich möchte das Privileg der
Ehe nicht durch die Diskriminierung anderer Lebensformen haben.
Wir müssen doch auch zur Kenntnis nehmen, dass gerade einmal knapp über die Hälfte der Familien mit Kindern in einer Ehe leben. Das heißt, dass es gar keinen Sinn macht, wenn Sie zum Beispiel Leistungen für Kinder an die Rechtsform der Ehe binden. Wir müssen die Debatte darauf konzentrieren, was das Beste für das Kind ist, und nicht eine Rechtsformdebatte führen. Das muss Zentrum einer guten Familienpolitik sein: Was dient dem Wohl des Kindes und nicht, in welcher Rechtsform lebt es? Das ist die zentrale Frage.
Da haben wir eine unterschiedliche Wahrnehmung über das, was hier als Schwerpunkt für ein Familienbild gesetzt wurde.
Über wen reden wir? Ich bin mir nicht so sicher, ob Sie tatsächlich wissen, wie es Familien in Sachsen geht, denn jeder führt seine Beispiele an, jeder nimmt seine Statistiken. Ich hätte aber gern einmal das Versprechen, das wir einmal dem Sächsischen Landtag gegeben haben, dass wir nämlich einen Lebenslagenbericht in jeder Legislaturperiode fortschreiben, eingelöst. Wir hatten 2006, in der letzten Legislaturperiode, den ersten Lebenslagenbericht, den ersten Armuts- und Reichtumsbericht des Freistaates Sachsen mit der Aussage, dass dieser fortgeschrieben werden soll. Dazu muss ich Ihnen sagen, dass dieser Lebenslagenbericht der erste und leider auch der letzte war.
Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob Sie wissen, wie es Familien in Sachsen geht. Wir haben keine Sozialberichterstattung, wir haben keine Familienberichterstattung. Da verstehe ich schon, dass Sie natürlich heute in Ihrer Regierungserklärung eher beschreibend unterwegs waren als wirklich programmatisch.
Es macht keinen Sinn, wenn wir über Familienpolitik reden, nur in Extremen zu reden, weder alles schön-, noch alles schlechtzureden. Weder geht es darum, Familien nur als solche zu sehen, denen es sozial gut geht, die alles haben, die alles in den Griff bekommen, als auch die Familien darauf zu reduzieren, dass es alles arme Familien sind, die die sozialen Leistungen des Staates benötigen. Die große Mehrheit lebt nämlich genau dazwischen.
Es gibt Familien, die Leistungen des Staates bzw. des Freistaates bekommen, und es gibt eine große Anzahl von Familien, die verdient so viel, dass sie nicht die sozialen Leistungen bekommt, aber wiederum auch so wenig, dass sie sich trotzdem bestimmte Sachen nicht leisten kann. Da besteht eine Unwucht. Deshalb ist zum Beispiel, dass wir das kostenfreie Vorschuljahr gestrichen haben, für einen Großteil von Familien ein Problem, denen wir das erste Mal eine Leistung geschenkt, sie tatsächlich wertgeschätzt haben, nämlich die große Gruppe, die genau
dazwischen ist. Doch diese verlieren wir zunehmend aus dem Blick.
Die Familien in Sachsen fühlen sich wohl. Es ist ihre Heimat. Sie partizipieren natürlich auch von einem wirtschaftlichen Fortschritt, auch davon, dass sich der Arbeitsmarkt positiv entwickelt. Wir können uns doch alle freuen, dass in bestimmten Branchen die Gehälter steigen. Wir können auch gemeinsam froh sein, dass wir eine gute Bildungsinfrastruktur besitzen, dass wir eine gute KitaStruktur haben, dass wir Schulen und Bildungseinrichtungen haben, dass unsere Kinder und unsere Lehrinnen und Lehrer PISA-Sieger sind. Darauf können wir stolz sein, das ist doch gut.