Protokoll der Sitzung vom 10.07.2013

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 80. Sitzung des 5. Sächsischen Landtags.

Zuerst darf ich ganz herzlich Herrn Staatsminister Kupfer zum Geburtstag gratulieren und ihm alles, alles Gute wünschen.

(Beifall)

Ich begrüße zu unserer Sitzung ganz, ganz herzlich die bisherige Präsidentin des Großen Rates des Kantons Bern, Frau Therese Rufer-Wüthrich, und ihren Mann als Gäste auf unserer Besuchertribüne. Frau Rufer-Wüthrich ist noch im April dieses Jahres in ihrer Funktion als Großratspräsidentin eine wunderbare Gastgeberin für eine Delegation des Sächsischen Landtags gewesen, die sich in der Schweiz ein Bild von der soliden Schweizer Finanzpolitik, insbesondere der sogenannten Schuldenbremse, machen wollte.

(Beifall)

An dieser Stelle nochmals recht herzlichen Dank. Ich wünsche Ihnen, sehr verehrte Frau Kollegin, dass Sie noch schöne und interessante Stunden in Sachsen verbringen, und hoffe, dass wir uns bald wiedersehen – sei es in Sachsen, sei es in Bern.

Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Herr Günther, Frau Bonk, Frau Klinger, Herr Bandmann und Herr Nolle.

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 3 bis 7 folgende Redezeiten festgelegt: CDU bis zu 75 Minuten, DIE LINKE bis zu 50 Minuten, SPD bis zu 30 Minuten, FDP bis zu 30 Minuten, GRÜNE bis zu 25 Minuten, NPD bis zu 25 Minuten, Staatsregierung 50 Minuten, wenn gewünscht. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf diese Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Ich sehe jetzt im Rund keine weiteren Änderungsvorschläge zur oder Widerspruch gegen die Tagesordnung. – Die Tagesordnung der 80. Sitzung ist damit bestätigt.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 1

2. Lesung des Entwurfs

Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaates Sachsen

(Verfassungsänderungsgesetz)

Drucksache 5/11838, Gesetzentwurf der Fraktionen

der CDU, der SPD, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/12308, Beschlussempfehlung des

Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses

Das Präsidium hat für diesen Tagesordnungspunkt folgende Redezeiten festgelegt: CDU 38 Minuten,

DIE LINKE 29 Minuten, SPD 19 Minuten, FDP 19 Minuten, GRÜNE 17 Minuten, NPD 17 Minuten, Staatsregierung 45 Minuten.

Den Fraktionen wird jetzt das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Die Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, SPD, FDP, GRÜNE, DIE LINKE, NPD, Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Kollegen Steffen Flath das Wort. Er spricht für die miteinbringende CDUFraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Am 26. Mai 1992 verabschiedete der Sächsische Landtag für den Freistaat Sachsen im Ergebnis der friedlichen Revolution die

Verfassung. Am 27. Mai 1992 wurde die Verfassung ausgefertigt, das heißt vom damaligen Landtagspräsidenten und dem damaligen Ministerpräsidenten unterschrieben. Diese Verfassung hat sich in 21 Jahren bewährt, und sie wurde bisher aus gutem Grund nie geändert.

Der Verfassungsabschnitt über das Finanzwesen bedarf aber nunmehr einer Überarbeitung. So wird das im Grundgesetz vorgegebene Neuverschuldungsverbot in die Sächsische Verfassung implementiert – nicht erst ab 2020, sondern bereits ab 2014. Damit ersparen wir unseren Kindern und Enkeln nicht nur einen immer weiter wachsenden Schuldenberg, sondern ziehen darüber hinaus die richtigen Lehren aus der europäischen Schuldenkrise.

(Beifall bei der CDU, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Schon Ende der Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts reifte in Sachsen die Erkenntnis, dass die Kreditfinanzierung bereits mittelfristig mehr Nachteile als Vorteile hat. So wurden die Neukreditaufnahmen von Jahr zu Jahr verringert; seit dem Jahr 2006 wird auf Neuverschuldung gänzlich verzichtet. Wegen der demografischen Entwicklung begannen wir in Sachsen mit der Tilgung alter Schulden, für Beamtenpensionen werden Rücklagen gebildet.

Diese nicht nur für Deutschland vorbildliche Finanzpolitik entwickelte sich als Markenkern sächsischer Politik. Sie ist – erstens – von Vorteil für nachfolgende Generationen, also für unsere Kinder und Enkel, und sie ist – zweitens – ein Gewinn für die Gegenwart. Nach nur wenigen Jahren zeigte sich, dass wir Geld, das andere als Zinsen zur Bank tragen, in die Entwicklung unseres Landes investieren können. So haben wir in Sachsen über Jahre hinweg die höchste Investitionsquote der Länder. Aber auch in anderen Politikfeldern, beispielsweise bei den Kulturausgaben, liegt Sachsen an der Spitze.

Wenn wir heute das Finanzkapitel der Verfassung ändern, so erfinden wir nichts Neues. Wir bilden bewährte sächsische Praxis in der Verfassung ab.

Was wir heute im Landtag erleben, ist aus unserer Sicht eine Sternstunde in der Parlamentsgeschichte Sachsens. Für die erforderliche Zweidrittelmehrheit haben fünf Fraktionen auf den Tag genau 17 Monate an der Vorbereitung der Verfassungsänderung gearbeitet.

Vier Fraktionen haben gemeinsam die Verfassungsänderung beantragt. Das ist eine sehr beachtliche Leistung, die Anerkennung verdient.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Leider durfte nach der Vereinbarung der Fraktionsvorsitzenden eine Fraktion auf Befehl aus Berlin nicht mehr mitmachen.

Ich danke dennoch allen für die geleistete Arbeit.

Aus unserer Fraktion danke ich besonders den Abgeordneten Marko Schiemann und Jens Michel.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Ich danke aber auch Holger Zastrow. Manchmal, lieber Holger, drohte dir der Geduldsfaden zu reißen. Berechtigt brachtest du dann die Volksabstimmung ins Gespräch. Richtig!

(Holger Zastrow, FDP: Ja!)

Was wir heute hier beschließen, hat eine Mehrheit im sächsischen Volk. Ich danke deshalb auch Ihnen, Frau Hermenau, und Ihnen, Herr Dulig. Ich weiß sehr wohl: Ihre Fraktionen verfolgten auch andere Änderungsziele. Dass Sie diese nicht zur Bedingung gemacht haben, ermöglicht uns heute hier im Parlament die erfolgreiche Abstimmung. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der SPD)

Auch Ihnen, Herr Gebhardt, danke ich für die Ernsthaftigkeit des Einigungsversuches. Noch hoffe ich deshalb auf die Zustimmung der Mitglieder der Linksfraktion hier in Dresden.

Berlin kann von Sachsen mindestens nachhaltige Finanzpolitik lernen, nicht umgekehrt.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der SPD)

Die heutige Sternstunde im Parlament kann aber auch ein Meilenstein für die Demokratie werden. Nicht nur in Deutschland wurde seit den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts die Schuldenfinanzierung der öffentlichen Haushalte mehr und mehr zur Normalität. Von Jahr zu Jahr wuchsen die Wünsche schneller als die finanziellen Möglichkeiten. Bald glaubte man, Demokratie könne nur mit immer neuen Wohltaten erhalten werden. So wurde der Staat zum besten Kunden der Banken. Kurt Biedenkopf mahnte und nannte das Ausbeutung der Enkel.

Vor sechs Jahren begann dann die Finanz- und Bankenkrise, zunächst in den USA. Zwei Jahre später schwappte sie nach Europa über. Doch die globale Finanz- und Bankenkrise ist in Wirklichkeit eine Schuldenkrise der einzelnen Staaten. Nicht die Märkte haben versagt. Ganz klar müssen wir sagen: Die Politik hat versagt!

Am Abgrund des Staatsbankrotts stehend, hat endlich ein Umdenken begonnen. Interessanterweise – unsere Fraktion konnte das bei der Reise nach Estland, Tallin, hautnah erleben – hat das Umdenken in den osteuropäischen Ländern begonnen, und dort schneller und meistens viel konsequenter als in der westlichen Welt. In der westlichen Welt tut man sich schwerer, und wie die letzten Wochen zeigen, wird das Sparen wieder infrage gestellt.

Ich will auch heute nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass es um Sparen gar nicht geht. Sparen ist, wenn ich weniger ausgebe, als ich einnehme und etwas für schlechtere Zeiten zurücklege. Das praktiziert nach meinem Wissen nur Norwegen.

Die Mitglieder der Europäischen Union und die Mitglieder der Währungsunion sind weit entfernt vom Sparen. Die Verträge zur Währungsunion werden einfach ignoriert. Dieses Verhalten ist aus meiner Sicht eine Fehlentwicklung, die unsere Demokratie gefährden kann.

Leider glauben viele, auch sogenannte Experten und Politiker, nicht mehr daran, dass wir uns wieder an die vereinbarten Regeln annähern könnten. So wird, meine Damen und Herren, Vertrauen verspielt.

Was wir in Sachsen seit Jahren beweisen und heute in die Verfassung schreiben, ist, dass im Normalfall die staatlichen Aufgaben mit den jährlichen Einnahmen ohne Kredite finanziert werden. Die christliche Kardinaltugend des Maßhaltens findet damit in der sächsischen Politik Anwendung. Ich bin überzeugt, dass wir als Mutterland der friedlichen Revolution dem Demokratieerhalt in Europa damit einen Dienst erweisen.

Ich bitte Sie deshalb, meine Damen und Herren des Sächsischen Landtages, um Ihre Zustimmung zur vorgelegten Verfassungsänderung.