Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

zu gestalten. Besondere Bedeutung für das gesunde Aufwachsen von Kindern kommt den sogenannten UUntersuchungen zu. Um die Teilnehmerzahl an diesen Untersuchungen zu steigern, wurde ein umfassendes Einladungs- und Erinnerungswesen geschaffen.

Um einen effektiven Kinderschutz zu sichern, sind darüber hinaus interdisziplinäre Netzwerkstrukturen, verbindliche Kooperationsstrukturen und präventive Angebote zur Vermeidung von Überforderungssituationen von Eltern geschaffen worden.

Trotz der kurzen Zeitspanne zieht die Sächsische Staatsregierung eine positive Bilanz: Die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Akteuren bei der Umsetzung des Gesetzes funktioniert inzwischen gut. Vorbehalte wurden größtenteils ausgeräumt – durch die Informationsstelle zum Sächsischen Kindergesundheits- und Kinderschutzgesetz bei der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen. Dafür – und allen Beteiligten – meinen Dank im Namen der Kinder in Sachsen.

Wir haben bereits erreicht, dass die Teilnehmerquoten an den U-Untersuchungen gestiegen sind, der Kinderschutz professionsübergreifend in Netzwerken funktioniert und die Öffentlichkeit nachhaltig für dieses Thema sensibilisiert ist. Das Gesetz hat sich als ein wesentlicher Bestandteil des Sächsischen Handlungskonzepts zum präventiven Kinderschutz bewährt.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 12

Vorläufiger Abschlussbericht der Parlamentarischen Kontrollkommission

des Sächsischen Landtages im Zusammenhang mit dem Tatkomplex NSU

Drucksache 5/9529, Unterrichtung durch

den Präsidenten des Sächsischen Landtages

Drucksache 5/10164, Beschlussempfehlung des Innenausschusses

Das Präsidium hat dafür eine Redezeit von 10 Minuten je Fraktion festgelegt. Die Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der CDUFraktion, Herrn Prof. Schneider, das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bitte gestatten Sie, dass ich wegen der Bedeutung des Themas meine Rede nicht zu Protokoll gebe. Das Thema ist zu wichtig.

Es geht um den vorläufigen Abschlussbericht, den wir als Parlamentarische Kontrollkommission erstattet haben. Ich bedanke mich persönlich als Nichtmitglied im Innenausschuss beim Herrn Ausschussvorsitzenden Rolf Seidel und bei den Damen und Herren Kollegen des Ausschusses, dass sie mich gleichwohl eingeladen und mir die Gelegenheit zur Berichterstattung gegeben haben. Ich

möchte vorab hinzufügen, dass ich hier für meine Fraktion als Mitglied der PKK spreche und nicht als deren Vorsitzender.

Meine Damen und Herren! Die Parlamentarische Kontrollkommission – ich werde sie im Folgenden nur als PKK bezeichnen – hat die Aufgabe, den Sächsischen Verfassungsschutz zu kontrollieren. Die Beratungen sind geheim. Ziel der Kontrolle ist die des Verfassungsschutzes. Es geht um die Stärkung und um die Schaffung des öffentlichen Vertrauens in eine sachgemäße und rechtskonforme Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel.

Sie kennen den vorläufigen Abschlussbericht, den wir vor einigen Monaten erstattet haben. Er muss in seiner Zeit gesehen werden. Ich möchte darüber berichten und den Versuch unternehmen, ein paar Lehren daraus zu ziehen.

Ende des vergangenen Jahres musste die Öffentlichkeit mit Entsetzen sukzessive feststellen, was bis dato als undenkbar galt: Eine rechtsterroristische Gruppierung – sie selbst hat sich den Namen Nationalsozialistischer Untergrund gegeben – hat in Deutschland eine beispiellose Mordserie an acht türkischstämmigen Mitbürgern, einem Griechen und einer deutschen Polizistin verübt. Die Gruppe hat mehrere Raubüberfälle begangen. Sie hat unter anderem – so viel ist bis dato erwiesen – einen Nagelbombenanschlag zu verantworten.

(Jürgen Gansel, NPD: Den Sprengstoff hat er vom V-Mann!)

Ach, Herr Gansel, halten Sie doch einfach mal den Mund.

Meine Damen und Herren! Den Sicherheitsbehörden, auch den sächsischen Sicherheitsbehörden, ist es nicht gelungen das Trio, in diesem Zeitraum von mehr als zehn Jahren zu fassen. Es ist auch nicht gelungen, die Taten als das Werk einer rechtsterroristischen Gruppe zu identifizieren. Offensichtlich hat die erforderliche Abstimmung zwischen den Sicherheitsbehörden und der Justiz nicht funktioniert, und zwar ebenso wenig wie die Auswertung, die Informationsweitergabe, die Dokumentation und die Kontrolle durch die damit befassten Behörden.

All dies hat natürlich zu berechtigten Fragen geführt. Wir sind diesen Fragestellungen seit November 2011 in insgesamt 15 Sitzungen nachgegangen. Wir haben uns dazu vom Staatsminister bzw. teilweise auch vom Staatssekretär des Innern und den leitenden Mitarbeitern des Landesamtes für Verfassungsschutz in Sachsen und dem Leiter der Fachaufsicht über das LfV Sachsen Bericht erstatten lassen.

Wir haben dazu das Material zusammengezogen, das uns vonseiten der benannten Gremien als relevant erkannt und vorgelegt worden ist. Dazu kam das sogenannte Gutachten der Untersuchungskommission aus Thüringen, Herrn Bundesrichter a. D. Dr. Schäfer, und wir haben weitere Berichte aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz, und zwar hier eine „Chronologie der Erkenntnisse und operativen Maßnahmen nach dem Abtauchen der terroristischen Vereinigung NSU im Zeitraum von 1998 bis 2001“ gesichtet. Wir haben unsere Analyse und Bewertung auf das genannte Material und die genannten Erkenntnisquellen gestützt.

Meine Damen und Herren! Ich will an dieser Stelle bereits sagen: Soweit wir Unterlagen gewünscht haben, sind diese Unterlagen durchweg zeitnah und vereinbarungsgemäß vorgelegt worden. Ich will aber hinzufügen: Kontrollbefugnisse gegenüber weiteren Stellen als den genannten, beispielsweise Polizeibehörden, sächsisches LKA, haben wir als Parlamentarische Kontrollkommission nicht. Wir haben auch keine Kontrollrechte gegenüber den Landesbehörden in anderen Bundesländern. Wir haben auch kein Recht zur Zeugeneinvernahme.

Zu den wesentlichen Erkenntnissen: Es hat – das ist, glaube ich, überhaupt die wichtigste Erkenntnis, die wir

uns immer wieder deutlich machen sollten – keine Zusammenarbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen mit dem Trio –soweit wir das beurteilen können – und dem Umfeld gegeben.

Nach Überzeugung der PKK ist erwiesen – ich stütze mich auf den Abschlussbericht –, dass der Sächsische Verfassungsschutz mit dem Trio weder mittelbar noch unmittelbar zusammengearbeitet hat. Auch ist dem Trio und dessen Umfeld weder direkt noch indirekt irgendeine Unterstützungshandlung zuteil geworden. Es hat zum Beispiel Nachfragen zu Ausweispapieren oder Papieren in anderer Form gegeben bzw. Nachfragen zu Erkenntnissen über den Aufenthalt und den Verbleib. All dies haben wir aus unserer Sicht umfangreich aufgeklärt.

Zweitens, zur Tätigkeit auf Thüringer Ersuchen: Das LfV ist während des gesamten kontrollierten Zeitraums auf Ersuchen des dortigen Landesamtes für Verfassungsschutz tätig geworden. Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen hat sich auf dieses Ersuchen – im Ergebnis ohne Erfolg – mit eigenen nachrichtendienstlichen Mittel bemüht, eigenen Hinweise auf den Verbleib des Trios zu finden und Hinweisen nachzugehen.

Allerdings haben sich bereits in dieser frühen Phase der Erkenntnisse Defizite im Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden wie folgt gezeigt: Eine Zusammenführung von Informationen erfolgte weder regelmäßig noch im Einzelfall. Eine systematische Auswertung von Informationen, und zwar der im Landesamt für Verfassungsschutz vorhandenen und verfügbaren Informationen, hat nicht stattgefunden. Es gab keine zentrale Koordination dieser Maßnahmen.

Jetzt könnte man an dieser Stelle sagen: Das ist gut, es waren die anderen. Das haben wir aber nicht getan. Wir haben gleichwohl unabhängig von den bereits genannten Punkten Defizite im eigenen Vorgehen des Landesamts für Verfassungsschutz Sachsen erkannt.

Ungeachtet der vorstehend genannten mangelhaften Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Behörden der Länder ist festzustellen, dass das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen, obgleich nur auf Ersuchen eingebunden, gerade die fragmentarisch vorhandenen Informationen einerseits mit Nachdruck und andererseits vor allem selbstständig hätte auswerten müssen. Die Frage, weshalb eine solche eigenständige Informationsauswertung nicht erfolgt ist, blieb uns gegenüber unbeantwortet.

Offensichtlich ist dann die Folgerung, die man hier ziehen muss. Wenn ich sage offensichtlich, ist das mehr als nur wahrscheinlich: Offensichtlich hat sich das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen geradezu selbstverständlich und unkritisch darauf verlassen, dass die erhobenen Maßnahmen wohl schon im Bereich der Thüringer federführenden Behörde ausgewertet werden würden. Das war zu wenig.

Zur Gesamteinschätzung: Meine Damen und Herren! Wir sind uns und ich persönlich bin mir als Mitglied der PKK

der Grenzen unserer Kontrolltätigkeit und unserer Kontrolldichte bewusst. Örtlich und sachlich ist die Prüfungskompetenz der PKK auf das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen im Wesentlichen konzentriert und beschränkt. Inwieweit eine bessere Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz der Länder innerhalb der Länder, des Landes, des Freistaates, aber auch zwischen den Ländern, auch hin zum Bund zum Ergreifen der Gesuchten hätte führen können, können wir nicht beurteilen. Hier beginnt Spekulation, vor der ich warne.

Hier kann nur durch eine übergreifende Auswertung des Wissensstandes und der durchgeführten Maßnahmen aller beteiligten Behörden Klarheit geschaffen werden, nach meinem persönlichen Erachten nur durch ein übergreifendes Gremium wie die Bund-Länder-Kommission. Ich erinnere aber auch an den Untersuchungsausschuss im Bundestag und hier in diesem Hohen Hause, und es gibt mittlerweile auch in Thüringen Untersuchungsausschüsse.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Und in Bayern!)

Ich rede jetzt ja nur von Beispielen, Frau Köditz.

Meine Damen und Herren! Vier Feststellungen möchte ich jetzt kurz skizzieren.

Erstens. Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen hat dem NSU und dem Umfeld nach Stand der Erkenntnisse zu keinem Zeitpunkt irgendeine Unterstützung geleistet.

Zweitens. Wir haben als PKK festgestellt, dass bei der Fahndung nach Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Frau Zschäpe kein unter Beteiligung aller Behörden erstelltes und fortgeschriebenes Gesamtlagebild existiert hat. Das bedeutet, dass die beteiligten Behörden mithin immer nur einen Teilausschnitt der Erkenntnisse besaßen. Das ist ein schwerer Mangel. Dieser Mangel hat die Analyse der Lage und die Koordination der Fahndungsmaßnahmen nicht nur massiv erschwert, sondern ganz offensichtlich überhaupt das Erkennen der Problematik verhindert.

Drittens. Eine zentrale Koordination hat gefehlt. Koordinationsdefizite im Verfassungsschutzverbund, also innerhalb des Bundes zu den Ländern sowie auch zwischen Verfassungsschutz und Polizei, sind offensichtlich. So hat die Schäfer-Kommission in Thüringen in ihrem Bericht die Hauptverantwortlichkeit für diesen Mangel im Kern bei den Thüringer Sicherheitsbehörden gesehen. Dies mag dort so sein, das ehrt auch die dortige Kommission. Ich stelle hier für uns im Freistaat fest: Es bleibt offen, weshalb sich das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen nicht veranlasst gesehen hat, auf Beseitigung von erkannten Koordinationsdefiziten hinzuwirken.

Viertens. Hier kommt es zu der Feststellung, dass, auch wenn es hier nur eine unvollständige Informationslage gegeben hat, auch vonseiten anderer Länder hierher, erforderliche Informationen vom Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen wohl aber auch nicht mit dem erforderlichen Nachdruck eingefordert worden sind.

Wir haben bei dieser Sachlage, die wir in unserem vorläufigen Abschlussbericht zusammengefasst haben, mehrere Forderungen aufgestellt. Die wesentlichste Forderung ist die nach einer stärkeren Institutionalisierung und Intensivierung des Informationsaustausches, und zwar zwischen Polizei und Verfassungsschutzverbund, selbstverständlich in dem von Verfassungs wegen gegebenen Rahmen.

Wir haben aus dieser Sicht heraus die Einrichtung einer gemeinsamen Informations- und Analysestelle im Verfassungsschutzverbund GAR und zwischen LKA Sachsen und LfV Sachsen GIAS begrüßt. Wir fordern darüber hinaus – das hat mit einer Forderung nach neuen gesetzlichen Regelungen zunächst einmal gar nichts zu tun –, dass durch interne Regelungen aus dem exekutiven Handeln sichergestellt wird, dass in vergleichbaren Fällen die regelmäßige Wiedervorlage der Vorgänge vorgeschrieben wird. Das hat auch am Ende etwas mit Aktenordnung zu tun, meine Damen und Herren, von der ich einmal gehört habe.

Wir fordern, regelmäßige Analysen des Ist-Zustandes vorzunehmen. Regelmäßig sollen auch bei anderen Behörden möglicherweise dort erlangte anderweitige Informationen abgefordert werden, sodass die eigene Lagebeurteilung ermöglicht wird. Wir haben natürlich selbstverständlich die sozusagen kontrollierten Stellen gebeten, uns über den Fortgang der Aufarbeitung des Gesamtkomplexes NSU zu unterrichten.

Welche Lehren, meine Damen und Herren, sind nun hier zu ziehen? Es sind zunächst einmal vier Erwägungen:

Erstens. Für mich persönlich ist es ausgesprochen beklemmend, dass es in Deutschland einer Gruppe gelingen konnte, in einem solch langen Zeitraum unbehelligt einem derart verbrecherischen Tun nachzugehen. Das ist unfassbar.

Zweitens. Das wichtigste Kapital, das wir alle miteinander haben, ist Vertrauen. Natürlich muss der Verfassungsschutz neu ausgerichtet und zukunftsfähig gemacht werden. Dabei wird es gerade um Vertrauensrückgewinn gehen. Das wird schwierig! Der Verfassungsschutz muss natürlich auch – das brauchen wir nicht einmal als Forderung oder als Lehre aufzustellen – nach einem demokratischen Selbstverständnis handeln. Transparenz, Offenheit, Kooperation – darum geht es hier. Ich bin sehr froh, dass der neue Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, Herr Meyer-Plath, genau mit dieser Prämisse angetreten ist. Ich wünsche ihm auch im Namen meiner Fraktion in seiner wichtigen Aufgabe in den nächsten Monaten viel Erfolg.

Meine Damen und Herren! Der Verfassungsschutz ist in dieser Vertrauenslage gleichwohl auch im föderalen System unverzichtbar. Aber natürlich ist er auch Teil inmitten einer Gesellschaft. Er schwebt nicht im rechtsfreien Raum.

Drittens. Erforderlich ist die Stärkung der Zusammenarbeit im Verfassungsschutzverbund, die sich nach dem Kriterium der Qualität ausrichtet. Dabei wird es vornehm

lich um die Klarstellung der zentralen Verantwortlichkeit in den jeweiligen verschiedenen Fallkonstellationen gehen.