Herr Lichdi, Sie möchten vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen? – Nein. Dann rufe ich eine zweite Runde auf. Herr Lichdi, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich sage vielen Dank an die Rednerinnen und Redner der demokratischen Fraktionen für die bisher sehr nachdenkliche Debatte.
Herr Schiemann, ich möchte die Zeit nutzen, um auf eines Ihrer Argumente einzugehen, das wie folgt lautet: Wir wüssten nicht, was in der Materialsammlung enthalten sei. Herr Schiemann, nun ist einer der schwer zu ertragenden Zustände der, dass der „Tagesspiegel“, der „Spiegel“ und die „Tageszeitung“ – also alle wichtigen Zeitungen – über diese Materialsammlung verfügen. Sie zitieren und berichten seit drei Monaten daraus. Deswegen können wir uns ungefähr ein Bild machen, was darin stehen und wie die Struktur der Argumentation aussehen wird. Alles, was ich darin erkenne, ist, dass das Kriterium „aggressiv-kämpferisch“ allein durch Zitate von NPDFunktionären, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind, nachgewiesen werden soll. Das aber wiederum ist die Linie des KPD-Urteils von 1956.
Ich komme zum Schluss. Wir können sicher sein, dass das vom Bundesverfassungsgericht nicht mehr als Maßstab angenommen werden wird. Daher rührt meine Sorge.
Wir sind noch in der zweiten Runde. Wünscht noch ein Abgeordneter das Wort? – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann frage die die Staatsregierung, ob sie das Wort ergreifen möchte? – Herr Staatsminister Ulbig, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! „Für mich und die GRÜNEN gilt Folgendes: Wir wollen ein Verbotsverfahren anstrengen, wenn das Material einen erfolgversprechenden Antrag hergibt und die Unterlagen sauber sind. Es muss endlich ein
gesellschaftliches Zeichen an die Opfer des NSU und ihre Angehörigen sowie an die Menschen, die täglich in ihren Orten hören müssen, dass sie angeblich Nestbeschmutzer sind, weil sie sich gegen Rechtsextremismus erheben, gesendet werden.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das sind nicht meine Worte. Das haben Sie sicherlich erkannt. Das sind die Worte von Renate Künast.
württembergische Ministerpräsident Kretschmann geäußert. Deshalb bin ich – zumindest bezogen auf die Antragsteller – über den vorliegenden Antrag doch etwas verwundert.
Die Innenministerkonferenz hat in der vergangenen Woche ein Verbotsverfahren gegen die NPD empfohlen. Die Innenministerkonferenz zeichnet das Einstimmigkeitsprinzip aus. Das bedeutet, dass ein Beschluss die Innenministerkonferenz nur passieren kann, wenn die Innenminister einstimmig zu diesem Ergebnis kommen. Gleiches gilt für die Ministerpräsidentenkonferenz. Auch die Ministerpräsidenten haben in Berlin für die Länder beschlossen, einen Verbotsantrag in Karlsruhe zu stellen. Einige der Vorredner haben es ausgeführt: Es ist zu erwarten, dass der notwendige Beschluss dazu morgen im Bundesrat gefasst wird.
Wie ist das Verfahren bisher abgelaufen? – Wir haben ein Jahr hart gearbeitet und sauber geprüft und die Empfehlung sehr sorgfältig vorbereitet. Wir haben eine wichtige technische Voraussetzung erfüllt: Die Fachleute aller Länder haben bestätigt, dass alle unsere Zuarbeiten aus öffentlich-zugänglichen Quellen stammen und keine Aussagen von V-Leuten enthalten. Das möchte ich noch einmal klar erklären.
Meine Damen und Herren! Die Diskussion, die da immer lautet, die Minister wollen das nicht unterschreiben, möchte ich an dieser Stelle aufgreifen und denjenigen, die Juristen sind, aber auch den anderen deutlich sagen: Es geht hier bei diesem Testat nicht um ein politisches Testat, sondern es geht nüchtern um eine Sachfrage, nämlich das, was in diesem Testat steht, sachlich tatsächlich auch belegen zu können. Das können nach unserer Überzeugung, nach der Überzeugung der Innenminister, natürlich die Präsidenten und die Verantwortlichen für den jeweiligen Apparat.
(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Unser neuer Ministerpräsident war noch gar nicht da! Der kennt das doch gar nicht!)
Ich möchte dank der umfangreichen Belege sagen, dass ich wie meine Kollegen davon überzeugt bin, dass die NPD verfassungsfeindlich ist.
Das war hier in der Diskussion auch ziemlich unstrittig. Allein im Parteiprogramm findet sich eine Vielzahl von Aussagen, die auf die Abschaffung der freiheitlichdemokratischen Grundordnung abzielen. Dahin gehende Zitate von NPD-Verantwortlichen gibt es genug. Ich zitiere Holger Apfel, der sagt: „Eine Abkehr vom Abstammungsprinzip wird es mit mir nicht geben. Ihr werdet niemals aus meinem Munde hören, dass ein schwarzer Fußballspieler im Trikot der bundesdeutschen Nationalmannschaft ein Deutscher sein kann. Denn dieses System hat keine Fehler, es ist der Fehler, und dabei bleibt es.“
Noch deutlicher wird es im Parteiprogramm: „Die Würde des Menschen als soziales Wesen verwirklicht sich vor allem in der Volksgemeinschaft. Erst die Volksgemeinschaft garantiert die persönliche Freiheit. Diese endet dort, wo die Gemeinschaft Schaden nimmt.“ – Soweit nur zwei kurze Zitate aus einer über tausendseitigen Materialsammlung.
Außerdem betrachten wir es als erwiesen, dass vor allem in den neuen Bundesländern zahlreiche Verflechtungen zwischen NPD und gewaltbereiten Rechtsextremisten bestehen. Die Partei hat wiederholt gewalttätige Straftäter aufgenommen und distanziert sich von Gewalt nur aus taktischen Erwägungen.
Trotz der marginalen Wahlergebnisse in den alten Bundesländern versucht die NPD, Teile des öffentlichen Lebens zu unterwandern und diese für sich zu instrumentalisieren. Darin kann man das aggressiv-kämpferische Vorgehen erkennen, mit dem die NPD auf eine Umkehrung unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft hinarbeitet.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, muss man klar die Schlussfolgerung ziehen: Für Zögern und Zaudern ist jetzt kein Platz mehr. Die Gründe sind überzeugend. Wie viele führende Grüne, aber auch die allermeisten Demokraten halte ich es für nicht mehr hinnehmbar, dass sich die NPD aus Steuergeldern finanziert.
(Andreas Storr, NPD: Die CDU und die anderen Parteien bekommen ein Vielfaches von dem, was die NPD bekommt! – Holger Apfel, NPD: Schaffen Sie doch generell die Parteienfinanzierung ab!)
Rechtsextremisten dürfen ihre menschenverachtende Ideologie nicht länger unter dem Deckmantel der Parlamente verbreiten.
Gerade wir in Sachsen haben dafür eine besondere Verantwortung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, außerdem befürworten fast 75 % der Deutschen ein Verbotsverfahren. Das ist auch für mich eine klare Positionierung der Bevölkerung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich ist es richtig, dass es ein Prozessrisiko gibt, aber die Fachleute und auch juristische Gutachten sagen ganz klar, dass es hinreichende Erfolgsaussichten für ein entsprechendes Verbotsverfahren gibt. Damit sind die Chancen ganz klar und deutlich besser als im Jahr 2003. Deshalb möchte ich auch noch einmal deutlich sagen: Es gilt nicht ein Entweder-oder, wie es teilweise diskutiert wurde, entweder ein NPD-Verbotsverfahren oder die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus an anderer Stelle, sondern ganz klar ein Sowohl-als-auch.
Natürlich ist mir und allen Demokraten klar, dass ein NPD-Parteiverbotsverfahren das Problem der Rechtsextremisten nicht löst. Polizeiliche Verfolgung ist genauso wichtig wie entsprechende Präventionsarbeit. Doch ein erster Schritt wäre mit dem Verbot getan. Deshalb hoffe ich, dass uns alle ernsthaften Demokraten bei diesen Vorhaben unterstützen.
Ja. Vielen Dank. Der letzte Satz meines Vorredners hat mich jetzt doch motiviert, einmal kurz aufzustehen. Ob nur diejenigen die aufrechten Demokraten sind, die das NPD-Verbotsverfahren unterstützen, wage ich stark zu bezweifeln. Das ist erst einmal an Ihre Adresse gerichtet.
Das Zweite, das ich in Bezug auf Ihre Rede vortragen möchte, ist: Es hat Sie offensichtlich geärgert, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diesen Antrag heute hier im Sächsischen Landtag eingebracht hat. Denn Sie haben mehrmals versucht, eine Differenz zwischen den Parteispitzen in Berlin und dem Landesverband hier in Sachsen aufzubauen. Es ist nicht unnormal, dass ein Landesverband einer Partei eine andere Meinung vertritt als die Berliner. Das wurde sogar öfter als „sächsischer Weg“ bezeichnet.
Aber unabhängig davon möchte ich auf eines reflektieren: Mir ist aufgefallen – und ich habe das heute nicht vorgetragen und der Kollege Lichdi auch nicht –, dass sowohl der Bundesinnenminister, der nicht von den Grünen gestellt wird, als auch die Bundeskanzlerin, die nicht von den Grünen gestellt wird, äußerste Zurückhaltung an den Tag gelegt haben.
Ich persönlich – das muss ich ehrlich sagen – habe den Eindruck, dass Sie heute von der FDP, Ihrem Koalitionspartner, aber auch innerhalb Ihrer eigenen Reihen in der CDU den schwarzen Peter zugeschoben bekommen haben, und wenn es schiefgeht, sind Sie es gewesen. Das finde ich natürlich schnöde.
Herr Ulbig, möchten Sie auf die Kurzintervention antworten? – Das kann ich nicht erkennen. Das Schlusswort hält jetzt Herr Lichdi.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihr Beitrag, Herr Staatsminister Ulbig, hatte leider nicht das Niveau der Redner der Fraktionen der demokratischen Parteien. Ich muss schon fast sagen: Wer solche Freunde wie Sie von der CDU- und FDP-Fraktion hat, braucht keine Feinde mehr. Denn das war doch das Ergebnis dieser Debatte.
Sowohl Herr Schiemann als auch Herr Biesok haben die Verantwortung für das Scheitern oder das Gelingen des Verfahrens ganz allein bei Ihnen abgeladen.
Sie haben nämlich gesagt: Wir gehen davon aus, dass das alles richtig gemacht wurde. Viel Vergnügen jetzt allein auf der Insel, Herr Ulbig!