Protokoll der Sitzung vom 13.03.2013

Vielen Dank, Herr Mann. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abg. Dr. Gerstenberg; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bibliotheken heute, das sind weit mehr als öffentliche Bücherregale. Bibliotheken sind Orte der Bildung für alle Altersgruppen, und sie sind wichtige Partner in der sächsischen Bildungslandschaft. Sie haben eine Schlüsselrolle in der Medien- und Informationsgesellschaft bei der Förderung von Lesekompetenz und beim lebenslangen Lernen. Deshalb stehen auch die nicht-wissenschaftlichen Bibliotheken vor der Herausforderung, zukunftsweisende Dienstleistungen zu entwickeln.

Frau Staatsministerin von Schorlemer, Sie schienen diese Aufgabe erkannt zu haben. Im August 2010 haben Sie bei der Präsentation der Bibliotheksentwicklungskonzeption von 14 Bibliotheken den sozialen Lernort Bibliothek im Zusammenwirken von Elternhaus, Schule und anderen Bildungseinrichtungen für unverzichtbar erklärt. Auf diesem Stand sind aber viele unserer Bibliotheken noch nicht. Sie müssen sich erst dahin entwickeln. Umso unverständlicher ist es, dass die Staatsregierung und die Koalitionsfraktionen nicht bereit sind, daraus Konsequenzen zu ziehen.

Werte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP! Sie wehren sich bislang mit Händen und Füßen dagegen, dass die Bildungspolitik des Freistaates heute auch die Bibliotheken einbeziehen muss. Ich halte es für mehr als naiv, wenn Sie erwarten, dass die Bibliotheken ohne ordentliche Rechtsgrundlage und allein als Kultursparte legitimiert die notwendigen Schritte gehen können.

Wir wollen Ihnen heute gemeinsam mit der SPD-Fraktion noch einmal die Gelegenheit geben, diese Schere in Ihrem Kopf zu schließen. Unsere Fraktion hat bereits mit dem Entwurf eines sächsischen Bibliotheksgesetzes gezeigt, dass sie eine gesetzliche Normierung für überfällig hält. Ich möchte jetzt nicht wiederholen, welche Probleme dieses Gesetz gelöst hätte. Aber heute fordern wir Sie, die Koalitionsfraktionen und die Staatsregierung, auf, nach der Ablehnung des Gesetzentwurfes doch zumindest eigene Lösungen für bessere rechtliche Rahmenbedingungen für die Bibliotheken zu suchen.

Wir sind durchaus bereit, verschiedene Lösungsalternativen zu diskutieren. Nach wie vor steht ja Ihre Ankündigung im Raum, Frau Fiedler, dass durch die Erhöhung der Gestaltungsspielräume im SLUB-Gesetz Verbesserungen für die Bibliotheken erzielt werden können. In Ihrem Antrag im Januar-Plenum ging es diesbezüglich um Serviceaufgaben. Die Unterstützung durch die SLUB bei Koordinierung, Fortbildung und Digitalisierung ist ohne Zweifel wichtig, aber das ist doch nie und nimmer ausreichend.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition! Uns GRÜNEN geht es um eine rechtliche Aufwertung und um eine fachliche Untermauerung der öffentlichen Bibliotheken. Es ist notwendig, deren Bildungsauftrag zu definieren und dafür Qualitätsstandards zu setzen. Solche Normen haben eine wichtige Orientierungsfunktion für die Träger. Sie geben bei der Bibliotheksentwicklung verbindlich die Richtung vor.

Unser vorliegender gemeinsamer Antrag greift weitere wichtige Regelungsdefizite und Rahmenbedingungen auf. Zwei wunde Punkte im sächsischen Bibliothekssystem will ich ergänzend zu meinem Kollegen Holger Mann noch vertiefen.

Ich spreche noch einmal die Sächsische Landesfachstelle für Bibliotheken an. Sie berät die Bibliotheken bei der Fortbildung, sie koordiniert Verbünde und hilft mit Ergänzungsbeständen aus. In Ihrer Stellungnahme, Frau Staatsministerin, zum Antrag heißt es lapidar: „Die Landesfachstelle ist mit derzeit 5,5 Vollzeitäquivalenten für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben hinreichend ausgestattet.“ Unter Experten besteht jedoch Übereinstimmung – das haben wir auch in der Anhörung zu unserem Gesetzentwurf gehört –, dass die Leistungsfähigkeit dieser Stelle sehr eingeschränkt ist. Nicht zuletzt der Vertreter des Sächsischen Städte- und Gemeindetages plädierte dafür, die Angebote der Landesfachstelle insbesondere für ehrenamtliches Personal auszubauen.

Wichtig ist zudem die Unterstützung des landesweiten Bibliothekssystems bei der Entwicklung nutzerorientierter Bildungs- und Dienstleistungszentren, und wenn die Aufgaben der Bibliotheken gewachsen sind, dann muss die Landesfachstelle dem auch entsprechen können.

Ebenfalls besteht in der Fachwelt weitgehende Einigkeit, dass die Anbindung der Landesstelle unangemessen ist. Erst wurde sie aus dem SMWK herausgeschnitten und ins Regierungspräsidium gepackt, heute steckt sie in der

Landesdirektion Sachsen, in der Unterabteilung II für Inneres, Soziales und Gesundheit, im Referat 26.

Meine Damen und Herren von Staatsregierung und Koalition, es ist höchste Zeit, die Landesfachstelle aus dem Abseits zu holen und als leistungsfähige Behörde aufzustellen. Der gegenwärtige Zustand steht in einem absoluten Missverhältnis zur großen Bedeutung der Bibliotheken, der auch Sie stets beipflichten.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mein zweiter Punkt ist die Leseförderung. Sie hat in den letzten Jahren eine zunehmende Aufmerksamkeit gefunden. Zu Recht, denn ohne besondere Anregung erlangen viele Kinder und Jugendliche zu geringe Lese- und Sprachfähigkeiten und damit nur einen eingeschränkten Zugang zum Wissen über die Welt. Wir haben in Sachsen ja bereits Modellprojekte. Seit dem letzten Jahr wird das Modellprojekt „Buchsommer Sachsen“ über die Förderrichtlinie Kulturelle Bildung des SMWK unterstützt. 2012 bekamen knapp 4 000 Schülerinnen und Schüler von der 5. bis zur 8. Klasse in 60 Bibliotheken in den Sommerferien aktuelle Jugendbücher. Das ist ein Anfang, und er zeigt, wie die Zusammenarbeit von Bibliotheken und Schulen gelingen kann.

Die Staatsregierung steht nun aber vor der Aufgabe, eine Perspektive für eine höhere Breitenwirksamkeit solcher Angebote zu entwickeln; denn Sachsen hat in den Klassen 5 bis 8 nicht nur 4 000, sondern über 150 000 Schülerinnen und Schüler. Die Annahme, dass nach dem Modellprojekt die Leseförderung in diesen Netzwerken ganz von selbst weiterläuft, ist unrealistisch, schon weil in den Kulturräumen Leseförderung nicht als Aufgabe verordnet ist. Die Angebote der Leseförderung müssen fortlaufend koordiniert und vor allem ressortübergreifend weitergeführt werden. Hier steht die Staatsregierung in der Verantwortung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir bitten Sie um Zustimmung zu diesem Antrag, damit endlich die notwendigen Verbesserungen für das sächsische Bibliothekswesen auf den Weg gebracht werden können.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Gerstenberg. – Für die CDU-Fraktion Frau

Abg. Fiedler. Bitte; Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für uns sind Bibliotheken wichtige Bildungs- und Kultureinrichtungen, sie sind Einrichtungen für Forschung und Wissenschaft und sichern die Informationsfreiheit. Sie sind unser kulturelles Gedächtnis und leisten einen entscheidenden Beitrag zur gesellschaftlichen Teilhabe und zum lebenslangen Lernen. Auch stehen sie mit Blick auf die Digitalisierung vor großen Herausforderungen. Hier stimmen wir mit den Antragstellern überein.

Nicht überein stimmen wir mit den von SPD und GRÜNEN heute hier aufgestellten politischen Forderungen, und zwar aus folgenden Gründen. Zunächst zur Situation und der in Punkt 1 Ihres Antrages geforderten Gesamtverantwortung.

Die Bibliothekslandschaft in Sachsen ist gut aufgestellt. In der von Ihnen, Herr Gerstenberg, zitierten Anhörung im Hochschul- und Wissenschaftsausschuss im Dezember 2012 wurde das sächsische Bibliotheksnetz von fast allen Sachverständigen als eines der besten Deutschlands bezeichnet. Grund hierfür ist nicht zuletzt das deutschlandweit einmalige Kulturraumgesetz, dank welchem die Kommunen auch finanziell durch die Förderung des Freistaates in die Lage versetzt werden, ein umfangreiches kommunales Bibliotheksnetz aufzubauen und zu unterhalten, und das tun sie auch.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP)

Wenn wir uns die Statistik bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Bibliotheken des Jahres 2011 anschauen, dann steht Sachsen an vierter Stelle, an zweiter Stelle der Flächenländer. Länder mit einem Bibliotheksgesetz liegen teilweise deutlich unter diesen Werten. Wenn man sich das einmal genauer anschaut: Sachsen auf Platz 4, Thüringen auf Rang 11 von 16 Bundesländern und Sachsen-Anhalt auf Platz 12.

Mithilfe des Kulturraumgesetzes gelingt es uns in Sachsen also sehr gut, die beachtliche bibliothekarische Infrastruktur kommunaler Bibliotheken zu unterstützen. Würden wir Ihren Ansatz weiter verfolgen, müssten die Gesamtverantwortung und Gleichberechtigung auch für alle anderen im Kulturraumgesetz erfassten Einrichtungen gelten. Also auch für Theater, Museen, Archive, Orchester oder Festivals, teilweise sogar Kinos müsste der Freistaat die Gesamtverantwortung übernehmen. Das wäre nicht nur völlig unrealistisch, sondern widerspricht – völlig zu Recht – der von den Städten und Gemeinden immer wieder eingeforderten kommunalen Selbstverwaltung.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und des Abg. Nico Tippelt, FDP)

Zu Punkt 2 und den angeblichen Regelungslücken, die Sie hier aufzeigen. Sie haben recht: In der letzten Landtagssitzung haben wir beschlossen, dass uns das SLUBGesetz vorgelegt werden soll. Dabei war – noch kurz in Erinnerung gerufen – die Regelung des Pflichtexemplars ein Punkt. Diese Regelung, das auch in dem Zusammenhang mit dem Gesetz über unsere Staats- und Universitätsbibliotheken aufzunehmen, war übrigens eine Anregung, die in der von Ihnen zitierten Anhörung gekommen ist. Die Pflichtexemplare, auch die elektronischen – das ist ein Bereich, in dem wir uns wirklich neu aufstellen müssen –, können nicht besser gesammelt werden als in der Landesbibliothek. Wenn also die Novellierung des SLUB-Gesetzes den Landtag erreicht, rechne ich deshalb auch fest mit Ihrer Zustimmung.

Warum die Informations- und Medienkompetenzförderung durch gesetzliche Regelungen gestärkt werden soll,

ist in der Antragsbegründung, die eher gering ausgefallen ist, und auch heute nicht richtig ersichtlich geworden. Unsere Bibliotheken leisten bereits eine gute Arbeit auf diesem Gebiet und es gehört zum unmittelbaren Aufgabenbereich – vielleicht vergleichbar mit der kulturellen Bildung von Kultureinrichtungen. Aber auch hier wird niemand auf die Idee kommen, die kulturelle Bildung jetzt noch einmal extra in einer Gesetzesinitiative aufzunehmen. Außer Bürokratien, weil dann die Landesebene – wenn es so kommt, wie Sie es uns vorschlagen – konkret in die Arbeit vor Ort eingreift, sehe ich keine Auswirkungen, schon gar keine Verbesserungen für die jetzige Situation.

Zur Sächsischen Landesstelle für Bibliothekswesen. Dass unsere Bibliotheken, wie eben zitiert, so gut aufgestellt sind, ist auch auf die Arbeitsweise der Landesstelle zurückzuführen. Mit 5,5 Vollzeitäquivalenten ist sie zum einen nicht schlecht ausgestattet und zweitens ist sie ein wichtiger Ansprechpartner. Unabhängig davon sehen wir den Handlungsbedarf eher bei der Zusammenarbeit zwischen den wissenschaftlichen und den öffentlichen Bibliotheken. Deshalb haben wir diesen Punkt auch in den Antrag, der beim letzten Mal hier im Landtag beschlossen worden ist, aufgenommen. Wie es konkret aussehen könnte, steht zum Beispiel in einem Artikel des aktuellen „Bibliotheksjournals“ der sächsischen Bibliotheken, in dem sich die SLUB schon Gedanken gemacht hat und unter anderem die Stichworte Digitalisierung und Langzeitverfügbarkeit anspricht, wo dies konkret geschehen könnte.

Zu Möglichkeiten des Lizenzerwerbs. Ich habe nicht verstanden, welche Bürokratien jetzt in Gang gesetzt werden. Es können doch die Bibliotheken vor Ort am besten entscheiden, welche Programme sie brauchen und welche Einkaufsverbünde sie schließen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP)

Im Übrigen tun sie das auch. So wird das Wissenschaftsministerium aus Strukturmitteln des Kulturraumgesetzes zusätzliche 140 000 Euro für die Weiterentwicklung der öffentlichen Bibliotheken im Jahre 2013 zur Verfügung stellen, und zwar für die Entwicklung eines internetbasierten Recherche- und Ausleihdienstes für alle Bibliotheken Sachsens. Das heißt, wir brauchen hier keine zusätzliche Stelle, sondern die kommunalen Bibliotheken sollten bekräftigt werden, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.

Kommen wir zu den breitenwirksamen Angeboten zur Leseförderung. Auch hier sind wir bereits einen Schritt weiter. Sie haben den „Buchsommer“ zitiert, der im letzten Jahr mit 90 000 Euro finanziert wurde. Auf Antrag von CDU und FDP ist im Haushalt das Literaturprogramm aufgenommen worden, für welches in den kommenden beiden Jahren jeweils 50 000 Euro für den Ankauf von sächsischen Bibliotheken und Lesungen mit sächsischen Schriftstellern in den Bibliotheken zur Verfügung gestellt werden, und zwar organisiert vom Literaturrat und dem Sächsischen Bibliotheksverband.

Weiterhin wird der Bibliothekspreis aufgewertet und erstmalig 2013 vom Bibliotheksverband und dem Staatsministerium zusammen vergeben. Mit 4 000 Euro ist er deutlich höher dotiert als mit den bislang 1 000 Euro.

„Buchsommer“, internetbasiertes Recherchesystem,

Literaturförderungsprogramm, Bibliothekspreise – es ist eben nicht so, Herr Mann, dass der Staatsregierung, dem SMWK oder uns die Bibliotheken egal wären, sondern es zeigt, dass wir mit konkreten und auf den Bedarf abgestellten Projekten gezielt auf die Anforderungen reagieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sehen, der Freistaat hat bereits Verantwortung für das Bibliothekswesen übernommen, und das in enger Abstimmung und Kooperation mit der kommunalen Ebene. Dieses Erfolgskonzept wollen wir weiter fortsetzen. Deshalb werden wir diesen Antrag, der eine andere Richtung einschlagen will, ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Frau Fiedler. – Für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Dr. Külow. Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Debatte über den Bibliotheksgesetzentwurf der GRÜNEN am 12. April 2012 und der Diskussion um die Änderung der Rechtsform der SLUB am 30. Januar 2013 beraten wir heute zum dritten Mal innerhalb eines Jahres im Landtag über prinzipielle Fragen der Entwicklung des sächsischen Bibliothekswesens. Das ist gut, zumal die Debatte heute – auf diese Duplizität hat Kollege Mann hingewiesen – mit zwei aktuellen Ereignissen zum Thema „Bibliothek und Buch“ zusammenfällt:

Vor wenigen Minuten ist im Gewandhaus zu Leipzig die Buchmesse eröffnet worden. Seit Montag – auch das hat Herr Mann richtigerweise gesagt – führt in Leipzig unter dem Motto „Wissenswelten neu gestalten“ der Dachverband der Deutschen Bibliotheksverbände seinen fünften Kongress durch – mit 3 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern immerhin europaweit der größte seiner Art.

Damit bin ich schon beim eigentlichen Thema und dem vorliegenden Antrag. Der Freistaat verfügt unstrittig über ein gutes Bibliotheksnetz mit diversen Leuchttürmen, die in der wichtigsten Rankingliste der deutschen Großstadtbibliotheken in den letzten Jahren regelmäßig Spitzenpositionen belegten. Darauf hat der Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen im Deutschen Bibliotheksverband, Prof. Dr. Arend Flemming, in der bereits mehrfach zitierten Anhörung zum Entwurf der GRÜNEN für ein Sächsisches Bibliotheksgesetz am 5. Dezember 2011 hier im Landtag zu Recht verwiesen. Sachsen hat mit seinen Bibliotheken weit geöffnete Tore zur Welt des Wissens.

Wo viel Licht ist, Frau Fiedler, gibt es aber auch einigen Schatten. Auf dem Weg zu einem modernen, leistungsfähigen und kooperativen Bibliothekswesen hat Sachsen noch ein ganzes Stück zurückzulegen. Allein die Anzahl der öffentlichen Bibliotheken hat sich in den letzten 20 Jahren von über 1 400 auf knapp 500 und damit drastisch verringert. Durch den jahrelangen Konsolidierungsdruck in den sächsischen Städten und Gemeinden ist Bibliothekssterben auch in Sachsen leider traurige Realität.

Es gibt hier künftig nichts mehr zu sparen, wenn zumindest die noch vorhandenen Bibliotheken im Zeitalter der fortschreitenden Digitalisierung die viel beschworenen offenen und öffentlichen Orte bleiben sollen. Für den Rollenwandel der Bibliotheken im 21. Jahrhundert hat sich die gängige Formel „vom klassischen Wissensspeicher zum aktiven Bildungspartner“ eingebürgert. Um dieser komplexen Herausforderung wirklich gerecht werden zu können, bedürfen unsere Bibliotheken aber einer verstärkten landespolitischen Zuwendung bzw. einer Gesamtverantwortung des Freistaates, die sich naturgemäß auch finanziell ausdrücken muss.

Schaut man sich die Lage insbesondere der kleineren Bibliotheken im Freistaat an, wird der enorme landespolitische Handlungsbedarf deutlich: 79 % der sächsischen Bibliotheken haben keine Bibliothekshomepage, 75 % können keine Kataloginformationen im Netz präsentieren, 24 % können sich keinerlei Neuzugang von Medien leisten, 74 % haben eine Stellenkapazität von weniger als einer Planstelle. Folgerichtig haben 84 % der Bibliotheken weniger als 25 Stunden pro Woche geöffnet.

Die sehr unerfreulichen Zahlen ließen sich beliebig fortsetzen. Viele kleinere Bibliotheken, insbesondere im ländlichen Raum, können aus eigener Kraft weder das Geld für den dringend notwendigen Web-OPAC noch für die Einführung des RFID-Systems aufbringen. Deshalb wird in dem Antrag – das will ich an dieser Stelle betonen – die Staatsregierung zu Recht aufgefordert, eine umfassende politische Gesamtverantwortung des Freistaates für das landesweite öffentliche Bibliothekssystem wahrzunehmen, nicht zuletzt deshalb – das haben die Redner von SPD und GRÜNEN vor allem betont –, weil Bibliotheken längst wichtige Bildungsorte sind. Bildung ist bekanntlich Ländersache. Deshalb reicht auch der Verweis – Herr Gerstenberg hat das genauer ausgeführt – auf die Leistungen der Landesstelle für Bibliotheken und ihre 5,5 Planstellen nicht aus. Diese ehrenwerte und unverzichtbare Einrichtung, die man wirklich aus dem Abseits wieder auf das Spielfeld zurückholen sollte, hat leider viel zu wenige Mittel für Investitionen und Innovationen zur Verfügung. So leidet der Ausbau der Bildungsfunktion der Bibliotheken. Es ist zum Beispiel nicht hinnehmbar – Sie haben das gewissermaßen als etwas Tolles dargestellt, Frau Fiedler –, dass die Mittel für die geplante Fortentwicklung des gemeinsamen Medienkatalogs der öffentlichen Bibliotheken des Freistaates – besser bekannt als „Sachsen-OPAC“ – in Höhe von insgesamt 230 000 Euro ausschließlich aus Strukturmitteln des Kulturraumgesetzes und der einzelnen Kulturräume finanziert werden.

Hier stiehlt sich die Staatsregierung, insbesondere was Punkt 4 betrifft, aus ihrer Verantwortung.

Auch zu Punkt 5 – Leseförderung – bleibt die Staatsregierung ziemlich blass. Trotz des Erfolgs des „Buchsommers 2012“ – den wollen wir nicht kleinreden; ich will ihn ausdrücklich anerkennen und allen Akteurinnen und Akteuren danken – gibt es diesbezüglich noch erhebliche Reserven, auch weil in den letzten Jahren eine Reihe von erfolgreichen Maßnahmen im Bereich der Leseförderung zurückgefahren worden ist.

Was uns an der Antwort der Staatsregierung besonders hellhörig gemacht hat, ist jegliches Fehlen eines Hinweises auf die im Januar beschlossene Novellierung des SLUB-Gesetzes, die bekanntlich im Mai vorliegen soll. Ich gehe davon aus, dass der Entwurf derzeit in der interministeriellen Endabstimmung ist. Immerhin fand sich in dem von der Koalition eingebrachten Antrag die Festlegung, dass neben der Gründung eines Staatsbetriebes auch – ich zitiere nochmals – „die Service- und Koordinierungsaufgaben für die Bibliotheken und Informationseinrichtungen in Sachsen gesetzlich geregelt“ werden sollen. Das spielt durchaus bei dem heutigen Thema eine Rolle, wenngleich die SLUB objektiv nicht das leisten kann, was der vorliegende Antrag unter dem Stichwort „kooperatives Bibliothekswesen in Sachsen“ zu Recht fordert. Es wäre sicherlich sehr interessant, Frau Prof. Schorlemer, und auch wünschenswert, wenn Sie in Ihrem Beitrag auf diesen Teilaspekt des Themas etwas näher eingehen könnten.