Protokoll der Sitzung vom 13.03.2013

(Vereinzelt Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Fünftens. Für alle gilt – und das ist aus meiner Sicht ein gewaltiger Erfolg –: Die in der gegenwärtigen Förderperiode im ELER erstmals nicht erstattungsfähige Mehrwertsteuer wird wieder förderfähig, und das entgegen den Vorschlägen der EU-Kommission. Was das bedeutet, meine Damen und Herren, wissen unsere Kommunen am besten. Hier müssen in Zukunft weniger Eigenmittel aufgebracht werden. Oder im Umkehrschluss: Den Kommunen stehen mehr Mittel für eigene Projekte zur Verfügung. Ich denke, das ist eine gute Nachricht für die sächsischen Kommunen insgesamt.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Weiterhin liegen die Höchstbeträge für die Kofinanzierung bei den Strukturfonds für ganz Sachsen einheitlich bei 80 %. Nur zur Erinnerung: Es hätten auch nur 50 % sein können. Natürlich bleibt ein Wermutstropfen, und den kann man nicht vom Tisch wischen: Sachsen erhält in Zukunft weniger EU-Mittel. Dennoch, die pessimistischen Annahmen von 2010 lagen bei 600 Millionen Euro, nun kann der Freistaat im optimalen Fall mit über 2,6 Milliarden Euro aus den EU-Strukturfonds in den Jahren 2014 bis 2020 rechnen. Das ist ein gutes Ergebnis für Sachsen,

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

und das, obwohl der Finanzrahmen erstmals in der Geschichte der EU kleiner wird. Allein in der Kohäsionspolitik gibt es 8 % weniger, das heißt also, auch in den Strukturfonds. Die Gipfelergebnisse sind deswegen für uns ein

Erfolg, denn Leipzig bekommt die Sonderzuweisungen und es gibt ein Sicherheitsnetz für Dresden und Chemnitz und eben zusätzlich die Sonderzuweisungen für die aus der Höchstförderung ausscheidenden ostdeutschen Regionen, das heißt für Chemnitz und Dresden.

Dieses gute Ergebnis ist nicht vom Himmel gefallen. Es ist das Ergebnis einer gut durchdachten und lang angelegten Strategie. Diese haben wir mit einer Vielzahl von Partnern auf den unterschiedlichsten Ebenen umgesetzt. Meine Damen und Herren, wir alle wissen: Weder wir, die Staatsregierung, der Freistaat Sachsen, noch ein anderes Bundesland sitzen in Brüssel in den Verhandlungsrunden am Tisch, geschweige denn in der sogenannten Nacht der langen Messer, wo so lange verhandelt wird, bis es ein Ergebnis gibt. Dieses Mal hat sich die Ministerpräsidentenkonferenz erstmalig und frühzeitig, das heißt sowohl die ostdeutschen als auch die westdeutschen Länder, über eine gemeinsame inhaltliche Position verständigt. Die Bundesregierung hat diese Position für die Verhandlungen in Brüssel übernommen. Das führte zu einer deutlichen Stärkung des Bundes am Verhandlungstisch. In der vergangenen Periode sind die Einzelnen hingefahren und haben sowohl westdeutsche als auch ostdeutsche Interessen und dort auch noch jeweils unterschiedliche Interessen vorgetragen. Dieses Mal konnte das verhindert werden, und wir sind mit einer geschlossenen Position von Bund und Ländern in Brüssel aufgetreten.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Ich bin dankbar, dass mit Constanze Krehl und Hermann Winkler zwei sächsische Europaabgeordnete maßgeblich – ich betone ausdrücklich: beide – zu den Beschlüssen des Regionalausschusses des Europäischen Parlaments im Juli 2012 beigetragen haben.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und der Staatsregierung)

Ab da waren im Europäischen Parlament die Weichen gestellt. Vorausgegangen war dem eine Vielzahl von Gesprächen in Brüssel. Bereits im Vorfeld wurden zahlreiche Informationen ausgetauscht und gesammelt. Es gab eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern des Europäischen Parlaments und der Sächsischen Staatsregierung.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Tino Günther, FDP)

Nach dem Sommer 2012 folgten noch mehr Gespräche. Parteiübergreifend haben sich Abgeordnete dieses Hohen Hauses sowie die sächsischen Staatsminister in ihren Fachbereichen für Sachsen in Brüssel eingebracht. Staatsminister Dr. Martens war allein im zweiten Halbjahr 2012 siebenmal dazu in Brüssel. Ja, er ist sogar der zyprischen Ratspräsidentschaft auf ihre Insel hinterhergeflogen. Selbst dort hat er für die sächsischen und für unsere Anliegen geworben. Und, meine Damen und Herren, es hat sich gelohnt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wenige Tage nach seinem letzten Treffen mit der zyprischen Ratspräsidentschaft auf Zypern hat diese die Vorschläge für die Beratungen zum europäischen Gipfel im vergangenen Herbst vorgelegt. Das Ergebnis war, dass erstmalig Zahlen und Regeln vorgelegt worden sind, die unseren Vorstellungen am weitesten entsprachen. Das war ein sehr wichtiger Teilerfolg für uns, für die ostdeutschen Bundesländer und insbesondere für Sachsen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Auf dieser Grundlage sind wir gleich zu dritt mit unserer gemeinsamen Überzeugungskraft, nämlich mit Frau Kollegin Lieberknecht und Kollegen Platzeck, nach Brüssel und zum Europäischen Parlament gegangen. Wir konnten Gespräche mit dem Ratspräsidenten Van Rompuy und dem Kommissionspräsidenten Barroso führen und für unsere Position werben.

An dieser Stelle ist es mir ein besonderes Anliegen, dem EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski zu danken. Er war es, der maßgeblich aus der Reihe der Kommissare unsere Position, die der ostdeutschen Länder, unterstützt hat. Meine Damen und Herren, das ist für mich ein ganz starkes Zeichen: Europa funktioniert und wächst zusammen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von der NPD)

Ich wusste gar nicht, dass es Sie auch noch gibt.

(Zuruf von der CDU: Nicht mehr lange!)

Aber all unsere Bemühungen, meine Damen und Herren, wären Makulatur gewesen, wenn nicht unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Verhandlungen so überzeugend gewirkt hätte.

(Zurufe von den LINKEN und der SPD)

Sie hat die Interessen Deutschlands, der neuen Bundesländer und insbesondere Sachsens – siehe Leipzig! – sehr energisch und am Ende erfolgreich vertreten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Unsere Bundeskanzlerin hat einen Spagat geschafft: Neben ihrem konsequenten Einsatz für ein Maßhalten beim EU-Finanzrahmen hat sich Angela Merkel dennoch für Leipzig und Sachsen starkgemacht.

(Lachen bei den LINKEN und der SPD)

Ja, es ist ja schön, wenn Sie lachen können.

Meine Damen und Herren, gemeinsam haben alle diese Bemühungen zu den jetzt erzielten Ergebnissen geführt. Der Brüsseler Ratsbeschluss ist gut und erfreulich für unseren Freistaat Sachsen. Aber, meine Damen und Herren, das ist nur ein erster Schritt. Ich könnte es auch anders ausdrücken: Das Heu ist auf dem Wagen, aber noch nicht in der Scheune, denn das Europäische Parlament muss das Gipfelergebnis noch gutheißen. Ich weiß aus eigener Erfahrung als Europaabgeordneter: Wenn es

um Beschlüsse solcher Tragweite geht, geht es auch immer um Grundsätzliches. Dazu kommt, dass bei dem Gipfelergebnis, einem Kompromiss, nicht alle hundertprozentig zufrieden sind, nicht jeder die Vorteile für sich erkennen kann. So streitet das Europäische Parlament nahezu geschlossen um mehr Zuständigkeiten beim Verfahren um die mehrjährige Finanzplanung mit dem Rat. Grundsätzlich geht es dem Parlament um die Berücksichtigung seiner Anliegen.

Deswegen ist es sehr wahrscheinlich, dass das Europäische Parlament heute einen Beschluss fassen wird, in dem es seine Zustimmung von den substanziellen Verhandlungen und von erheblichen inhaltlichen Korrekturen abhängig macht. Das, meine Damen und Herren, wird Zeit kosten, die wir nicht haben, denn der 1. Januar 2014 und damit der Beginn der neuen Förderperiode rücken näher.

Deswegen bitte ich Sie, dass aus unserer Mitte, aus dieser Debatte, ein deutliches Signal hervorgeht: Wir wollen, wir brauchen Planungssicherheit. Wir wollen einen reibungslosen Übergang zur nächsten Förderperiode.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Denn anschließend geht es in Brüssel weiter, nämlich mit dem Ringen um die Details. Die Gipfelergebnisse müssen in Rechtstexte gegossen werden. Diesen wiederum müssen das Europäische Parlament und der Europäische Rat zustimmen. Danach müssen die Verordnungen zur Strukturförderung und zur Gemeinsamen Agrarpolitik beschlossen werden. Parallel dazu müssen Verhandlungen über die Mittelverteilung innerhalb Deutschlands und natürlich unter den neuen Bundesländern mit dem Bund und den Ländern geführt werden. Das, meine Damen und Herren, wird mit Sicherheit nicht einfach.

Es wird nunmehr darauf ankommen, die Interessen des Freistaates bei der innerdeutschen Mittelvergabe erfolgreich zu vertreten. Damit Sie wissen, worüber ich spreche: In den vergangenen zwei Förderperioden war es durchaus üblich, dass der Bund einen großen Teil der EFRE- und ESF-Mittel für sich abgezwackt hat.

Darüber hinaus gibt es eine Situation, dass SachsenAnhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern anders als der Freistaat Sachsen EFRE- und ESF-Mittel nicht kofinanzieren können und deswegen natürlich Interesse daran haben, dass, wie bei der Bundesautobahn, mit EFRE-Mitteln und kofinanziert durch den Bund gebaut wird.

Aber, meine Damen und Herren, seien Sie versichert: Wir, die Sächsische Staatsregierung, müssen und werden uns weiter in diese Verhandlungen einbringen; denn es gilt, einerseits eine Überregulierung zu vermeiden und uns andererseits die Gestaltungsfreiheit für unsere Förderprioritäten zu erhalten.

Meine Damen und Herren, wir, die Sächsische Staatsregierung, werden uns in die Ausgestaltung der sogenannten Partnerschaftsvereinbarung zwischen dem Bund und der Kommission einbringen, denn dort werden die Förderschwerpunkte für ganz Deutschland festgelegt. Nur so

können wir tatsächlich das fördern, was wir fördern wollen. Für mich ist klar, dass das Bildung, Ausbildung, Wissenschaft und Technologie und die Förderung der Innovation, das heißt der Ausbau der Infrastruktur, sind. Wir wollen damit erreichen, dass der Fachkräftebedarf auch zukünftig weiter gesichert werden kann, dass die Arbeitslosigkeit bekämpft wird und dass wir die Wettbewerbsfähigkeit nicht nur der sächsischen Wirtschaft, sondern Sachsens insgesamt beibehalten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Um eine neue Förderperiode zum Laufen zu bringen, bedarf es der operationellen Programme und Förderrichtlinien. Diese können wir jedoch erst fertigstellen, wenn der erforderliche europäische Rechtsrahmen steht. Da aber, wie ich schon sagte, der 1. Januar 2014 näher rückt, wollen wir nicht auf Brüssel warten. Wir fangen heute an. Die Vorarbeiten laufen. Wir machen das nicht im Alleingang. Wir werden die Gespräche mit allen Partnern aus der Wirtschaft, dem sozialen Bereich und der kommunalen Ebene suchen.

Meine Damen und Herren, wir werden natürlich auch mit unseren Ideen zu Ihnen in den Sächsischen Landtag kommen, um mit Ihnen diese Ideen für die neuen operationellen Programme und die Förderrichtlinien zu diskutieren.

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Je früher wir unsere operationellen Programme in Brüssel einreichen, desto eher können wir mit einer Genehmigung rechnen und letztlich mit der Förderung beginnen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Deswegen hoffe ich gemeinsam mit Ihnen, dass wir die verbindlichen Finanzbeträge für die einzelnen Förderbereiche im Sommer kennen, nachdem die Gipfelergebnisse durch das Europäische Parlament gutgeheißen worden sind. Daher ist jetzt noch nicht der Zeitpunkt, schon über konkrete Zahlen bis zur dritten Stelle nach dem Komma zu sprechen. Erst müssen sich Rat, Kommission und Europäisches Parlament einigen, dann ist die Mittelaufteilung zwischen dem Bund und den Ländern bzw. den Förderregionen notwendig, und erst danach, meine Damen und Herren, können wir verbindlich planen.

Die Gipfelbeschlüsse eröffnen uns aber über die EUStrukturfonds hinaus auch weitere Chancen für Sachsen. Ich will einige wenige Beispiele nennen. So steht ein Drittel mehr an Mitteln für die Forschung zur Verfügung. „Horizon 2020“ ist das Zauberwort. Kein anderer Bereich der Ausgaben hat auch nur annähernd einen vergleichbaren Aufwuchs erfahren. Davon kann der Freistaat als eines der Spitzenländer in der Forschung hoffentlich auch profitieren.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Tino Günther, FDP)

Es gibt keine obligatorische Kappung der Direktzahlung für große Landwirtschaftsbetriebe. Das ist ein gutes Ergebnis für die sächsische Landwirtschaft.