Umso mehr freue ich mich, heute hier um Zustimmung zu unserem Antrag „Jedem Kind ein Instrument – Weiterentwicklung des Projektes als fester Bestandteil der kulturellen Bildung“ zu werben. Der Antrag sieht vor, die Evaluierung des Projektes zu nutzen, um noch in diesem Jahr die Möglichkeiten auszuloten, wie das Projekt gezielt fortgeführt werden kann. Dabei sollen Schwachstellen minimiert und die Zusammenarbeit der beteiligten Akteure verbessert werden. Denn gerade die Grundschulen, Musikschulen und Musikvereine vor Ort sind es, die hier über die musikalische Erziehung einen echten Mehrwert für unsere Gesellschaft generieren.
Damit haben wir heute die Chance, den Weg zu ebnen, um das Modellprojekt aus den Kinderschuhen zu holen und langfristig als einen Bestandteil der kulturellen Bildung im Freistaat zu etablieren. Hier können mit vergleichsweise geringen Mitteln große Effekte erzielt werden, Effekte, die sich vor allem mittel- und langfristig auszahlen werden. Wir müssen die Eltern immer wieder dafür sensibilisieren und begeistern, ihren Kindern eine musikalische Ausbildung zu ermöglichen, weil sie viel mehr als nur Zeitvertreib ist. Sie schafft die Grundlage für das kulturelle Selbstverständnis unserer Kinder und Jugendlichen und prägt sie für ihr Leben. Unterstützen Sie uns dabei mit Ihrer Zustimmung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinder haben ein Recht auf Kunst und Spiel, heißt es
Diese Formulierung wurde nicht von ungefähr gewählt, denn es gibt kaum einen besseren Weg, Kindern so wichtige Kompetenzen wie Kreativität, Teamfähigkeit und Toleranz über gemeinsames Musizieren, Theaterspielen, Tanzen, Schreiben, Malen und Gestalten zu vermitteln. Kultur und kulturelle Bildung sind aber nicht nur dafür wichtig, sie machen das Leben einfach schöner; denn Kinder sind neugierig und die Kultur bietet so vieles, was spielerisch entdeckt werden kann. Insofern ist jeder Ansatz zu begrüßen, der Kinder auf neuen Wegen an die Musik heranführt.
Vor circa zehn Jahren wurde dafür in NordrheinWestfalen das Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ aus der Taufe gehoben, das dann im Jahre 2007 mit aktiver Unterstützung der CDU-geführten Landesregierung ein eigenständiges Fundament erhielt. Der selbsternannte Arbeiterführer Jürgen Rüttgers war seinerzeit vom mitreißenden Auftritt des Simón Bolivar Youth Orchestra of Venezuela und dem ihm zugrunde liegenden musikpädagogischen System so begeistert, dass er „JeKi“ als Kooperationsprojekt für die Bewerbung zur Kulturhauptstadt „RUHR.2010“ entwickeln ließ. Immerhin: Die nordrheinwestfälische CDU war sich vor sechs Jahren nicht zu schade, indirekt vom unlängst verstorbenen Hugo Chavez zu lernen.
Von Caracas über Bochum sprang der musikrevolutionäre Funke zwei Jahre später auch nach Dresden über. Befördert wurde dieser Funkenflug durch die verdienstvolle Forschungsarbeit des leider ebenfalls schon verstorbenen Frankfurter Musikpädagogen Hans Günther Bastian. Dieser hatte den segensreichen Einfluss des Musizierens auf die Konzentrationsfähigkeit und Kreativität, die soziale Begabung und Anerkennung, die Intelligenz und Ausgeglichenheit der beobachteten Kinder – bekannt wurden diese Erkenntnisse unter dem etwas verkürzenden Motto „Musik macht schlau“ – bereits Ende der Neunzigerjahre nachgewiesen.
Im Gefolge dieser verdienstvollen Pionierarbeit jagten sich nach der Jahrtausendwende die musikpädagogischen Fachkongresse. So führten lokale Initiativen Kinder an Rhythmik, an Bach, an die Neue Musik und an die Konzertsäle heran, als sollten jetzt alle bildungspolitischen Versäumnisse der Vergangenheit auf einmal nur noch mit Sang und Klang wieder gut konzertiert werden.
In Sachsen startete „JeKi“ – wir haben es schon gehört – im Schuljahr 2009/2010 mit 1 123 Kindern an
38 Grundschulen. Damit waren laut Berechnung des nun vorliegenden Evaluationsberichts circa 1,3 % aller sächsischen Grundschulkinder erfasst. Selbst wenn ich jetzt großzügig die im Schuljahr 2012/2103 beteiligten Kinder in „JeKi I“ und „JeKi II“ zusammenzähle, dann ergibt das eine Gesamtzahl von exakt 1 925 Kindern und ich komme
Das ist für den im Titel erklärten programmatischen Anspruch „Jedem Kind ein Instrument“ deutlich zu wenig – ohne von Etikettenschwindel sprechen zu wollen.
Zum Vergleich eine andere Zahl: Das Projekt „SINGT EUCH EIN!“ der Musikschule Leipzig ermöglicht ebenfalls einen niedrigschwelligen Einstieg, ist wesentlich kostengünstiger und erreicht im aktuellen Schuljahr 2012/2013 mit 1 890 Kindern deutlich mehr als 10 % aller Grundschülerinnen und Grundschüler der Messestadt. Obwohl die teilnehmenden Kinder nachweislich durch dieses Projekt ihren Tonumfang vergrößern und damit zu ihrer physiologischen Stimmheimat zurückgeführt werden konnten, wurde und wird „SINGT EUCH EIN!“ seitens der Landesregierung nicht für förderfähig gehalten.
Gerade auch die „JeKi“-Evaluation hat übrigens dem Singen zu Recht eine besondere Bedeutung beigemessen.
Ich könnte noch andere für unsere Fraktion kritische Punkte des „JeKi“-Projektes benennen, wenn ich allein an die erhebliche Kürzung der Mittel im aktuellen Doppelhaushalt für die kulturelle Bildung und die damit verbundene Fokussierung der übrig gebliebenen 850 000 Euro auf das Leuchtturmprojekt „JeKi“ denke.
Und noch ein strategisches, mit „JeKi“ untrennbar verknüpftes Dilemma ist völlig ungelöst, Frau Fiedler und Herr Tippelt: Laut Bekunden der Antragsteller sowie der Evaluierungskommission soll „JeKi“ in ein pädagogisches Gesamtkonzept eingebunden sein. Wie ist aber gewährleistet, dass Kinder nach „JeKi I“ und „JeKi II“ bei weiter anhaltendem musikalischem Interesse – Sie haben es beide erwähnt – auch einen Musikschulplatz bekommen?
Angesichts einer derzeitigen Warteliste von mehreren Tausend Kindern an den sächsischen Musikschulen ist es sehr ambivalent, musikhungrigen Kindern Appetit zu machen und sie dann im Regen stehen zu lassen. „JeKi“ muss mit einer Konzeption einhergehen, die wesentlich mehr auf Nachhaltigkeit angelegt ist. Da wir bei diesem wichtigen Gegenstand heute gutwillig sind, interpretieren wir den vorliegenden Koalitionsantrag in diesem Sinne und werden ihm trotz seines partiellen Schaufenstercharakters zustimmen.
Ich komme zum Schluss. „JeKi“ ist zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung. Den Kernaussagen der Evaluation und den zehn Thesen zu „JeKi“ stimmt die Linksfraktion völlig zu. Insbesondere erkennen wir an, dass durch den kostenlosen bzw. gebührenbefreiten „JeKi“
Unterricht besonders Kindern aus sozial benachteiligten Verhältnissen ein musikalisches Bildungsangebot unterbreitet wird, das sonst nicht vorhanden wäre.
Insofern möchte ich an dieser Stelle – ich glaube, das ist auch fraktionsübergreifend angemessen – all denjenigen, insbesondere den beteiligten Musikpädagoginnen und -pädagogen sowie Grundschullehrerinnen und -lehrern,
Mein spezieller Dank gilt der profunden Evaluierung des Projektes durch die erwähnte Leipziger Musikwissenschaftlerin Frau Prof. Dr. Ines Mainz, durch deren Arbeit sicher nicht nur ich viel Neues erfahren durfte. Im Resümee ihres Evaluationsberichtes stellte die Autorin mit Blick auf „JeKi“ fest: „Wenn Musikschule und Schule hier gemeinsame Wege gehen, Erfahrungen und Reflexionen sich verbinden, kann auch die außerordentliche erzieherische Dimension ihre Wirkung entfalten und verantwortungsbewusste und vernunftbegabte Persönlichkeiten entwickeln, die einmal auch unsere Zukunft gestalten werden.“
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da ich nicht ganz so viel Redezeit habe wie meine Kollegin von der CDU oder der Kollege von den LINKEN, spare ich mir hier die vielen lobenden und wiederholenden Worte zu dem Projekt „JeKi“.
Frau Fiedler, es ist ein gemeinsames Projekt und nicht nur ein CDU-Projekt gewesen. In Nordrhein-Westfalen war es übrigens ein sozialdemokratisches Projekt, was dann aufgenommen wurde.
Ich glaube, wir sind uns in dem Ziel und in den Maßnahmen sehr wohl einig. Ich möchte aber hier wiederholen, was ich damals bereits gesagt habe, als dieses Projekt während der Haushaltsberatungen 2008 aus der Taufe gehoben wurde: Ich habe meine Skepsis, was die Nachhaltigkeit des Projektes anbelangt. Wir sind genau jetzt an dem Punkt angekommen, wenn es darum geht, wie wir dieses Projekt nachhaltig gestalten. Ich hatte eigentlich schon die Hoffnung, dass wir das während der Haushaltsberatungen 2012 schaffen. Es hat zahlreiche Nachfragen von unserer Seite dazu gegeben.
Leider liegt mir bis heute der Evaluationsbericht nicht vor. Ich weiß nicht, woher die anderen Kollegen ihre Erfahrungen haben. Ich habe die Kernpunkte, die uns während der Haushaltsberatungen zur Kenntnis gegeben wurden, aber nicht den gesamten Bericht. Das ist also meine dringende Bitte an das Ministerium: Wenn der Bericht vorliegt, dann würde ich ihn gern zur Kenntnis nehmen. Damit würde sich übrigens auch der erste Punkt aus dem Antrag erledigen, denn die Evaluation ist dann erfolgt.
Worum geht es ganz konkret? Es sind schon einige Zahlen genannt worden. Wir haben überall dort, wo das
Projekt in den Schulen erfolgreich läuft, die Erfahrung gemacht, dass Kinder mit Begeisterung an ein Musikinstrument herangeführt werden, dass sie anders und konzentrierter im Unterricht mitwirken können und dass sie etwas für ihr Leben mitnehmen, egal, ob sie anschließend ein Musikinstrument spielen oder nicht.
Mit dem Projekt erreichen wir zurzeit lediglich 48 Grundschulen – ich habe gerade die Zahl von 51 Grundschulen gehört; lassen Sie es 51 Grundschulen sein – von 766 Grundschulen, die wir im Freistaat haben. Wir erreichen 51 von 766 Grundschulen. Momentan lassen wir die Großstädte noch außen vor. Das heißt, wenn wir jedem Kind ein Musikinstrument in die Hand geben wollen, dann haben wir erhebliche Anstrengungen vor uns. Wenn wir es anhand der jetzt eingesetzten Fördermittel einfach hochrechnen – wir wissen nicht, was für 51 Schulen im Jahr 2013 eingesetzt wird; wir wissen nur, was für die 40 Schulen im Jahr 2012 eingesetzt wurde –, dann sind das 9 Millionen Euro, die wir einsetzen müssten, um es auf alle Schulen zu transportieren. Auch wenn diese Zahl sehr hochgerechnet ist – ich will nicht sagen, es ist eine Milchmädchenrechnung –, so ist es doch eine erhebliche finanzielle Kraftanstrengung.
Von daher wundere ich mich ein wenig, warum wir diese Debatte jetzt, eineinhalb Jahre vor den nächsten Haushaltsberatungen, führen und warum wir sie nicht vor einem halben Jahr geführt haben, als wir in den Haushaltsberatungen waren. Aber auch dort gehe ich gutmütig heran und sage, man soll das nicht übers Knie brechen, sondern genau hinschauen. Vielleicht müssen sich die Rahmenbedingungen ändern.
Aus den Eckpunkten der Evaluierung geht auch hervor: Wenn wir in den Schulen keine ausreichende Grundlage haben – Musiklehrer, ausgebildete Musikpädagogen, die mit der pädagogischen Herausforderung an einer Schule, wo sie keinen Einzelunterricht, sondern eine Gruppe vor sich haben, umgehen können –, dann kann das Projekt nicht erfolgreich laufen.
Wir brauchen dringend andere Rahmenbedingungen. Ich möchte hinzufügen, dass wir derzeit die Förderung über den Musikschulverband vornehmen, also über die Musikschulen. Das bitte ich unbedingt aufzunehmen: Wenn Sie das Projekt weiterentwickeln wollen, brauchen Sie dringend die Schulen dazu. Der Schlenker, „das Kultusministerium solle sich bitte beteiligen“, reicht nicht aus. Das Projekt findet nicht nur in der Schule statt, sondern es muss mit dem Schulkonzept verzahnt sein.
Aus den Eckpunkten der Evaluierung ging auch die Kritik hervor, dass es immer am Rande der Unterrichtszeit stattfindet. Deshalb noch einmal mein Hinweis: Es muss in das Schulkonzept integriert sein. Lassen Sie uns einfach darüber nachdenken, ob es nicht andere Möglichkeiten als diese ständige Projektförderung gibt. Ich habe ein wenig gegrübelt, wieso der Sächsische Blasmusikverband hineingekommen ist. Offenbar möchte an diesem Projekt
noch jemand partizipieren. Das Geld sollte dort ankommen, wo es hingehört, nämlich bei den Schulen und bei den Kindern, damit sie ein Musikinstrument spielen lernen, und nicht – ich sage es vorsichtig; auch diese Kritik kam schon –, um die Verbände zu stärken. Auch wenn ich es gern sehe, dass die Verbände stark sind, so ist dies nicht das Ziel dieses Projektes.
Lassen Sie uns also darüber nachdenken, ob die Förderung direkt zu den Schulen muss, zum Beispiel über die GTA-Mittel, das heißt über die Ganztagsangebote. Wir brauchen eine gemeinsame Förderrichtlinie für kulturelle Bildung zwischen dem SMWK und dem SMK. Im SMK gibt es gar keine Förderrichtlinie. Dort wird kulturelle Bildung nach dem guten Willen des Referenten, des Referatsleiters finanziert. Im SMWK haben wir eine Förderrichtlinie. Man überlegt, ob man sie mit den Musikschulen zusammenlegt. Das halte ich für den falschen Weg. Dazu gab es die entsprechende Kritik. Wir brauchen eine Förderrichtlinie für kulturelle Bildung.
Ein letzter Punkt, der damit zusammenhängt, ist: Kulturelle Bildung heißt nicht nur jedem Kind ein Musikinstrument.
Wir hatten bei der kulturellen Bildung eine Kürzung von 200 000 Euro. Mittel der kulturellen Bildung im SMWK sind gekürzt worden. Wir haben Kürzungen bei den GTAAngeboten. Wenn wir kulturelle Bildung als Ganzes betrachten wollen und eine Förderrichtlinie haben, dann gehört dazu auch Theater in der Schule. Es gehört auch die bildende Kunst dazu. Die Schulen sollten entsprechend ihrem Profil ein Stück überlegen und mitentscheiden können, wofür sie sich bei der Förderung der kulturellen Bildung der Schülerinnen und Schüler entscheiden.
Mein ganz dringender Hinweis: Nehmen Sie unbedingt die Schulen und das SMK bei der Erarbeitung dieses Konzeptes hinzu; denn sonst funktioniert es nicht und wird kein fester Bestandteil der Schule werden. Es bleibt ansonsten ein Flickwerk. Sie werden die 9 Millionen Euro in den nächsten Jahren nicht aufbringen können, wenn Sie das Projekt „JeKi“ nicht in den Schulablauf integrieren.