Beim FSJ Pädagogik wiederum, das die Koalition im letzten Herbst spontan aufgrund mangelnden Lehrernachwuchses während der Haushaltsdebatte aus dem Ärmel geschüttelt hat, fragte man sich: Warum genau 40 Stellen? Der Ansturm von mehr als 400 sächsischen Schulen auf eine der 40 Stellen ist aus meiner Sicht weniger eine Erfolgsmeldung als vielmehr ein Seismograf für die schwierige Personalsituation an den Schulen.
Darüber hinaus ist die zusätzliche Finanzierung mit einer Viertelmillion Euro für die zusätzlichen Stellen an den Schulen zwar gut gemeint, aber ein Affront für die Schulträger öffentlicher und freier Schulen, die bereits bisher ein FSJ an ihren Schulen finanziert haben und jetzt nicht davon profitieren dürfen. Es ist auch ein Affront gegenüber den Trägern von Kindertageseinrichtungen, die ebenfalls unter großen Anstrengungen bereits ein FSJ finanzieren und nicht finanziell unterstützt werden, obwohl das FSJ in der Kita eine der besten Möglichkeiten darstellt, den Erzieherberuf kennenzulernen. Schließlich – das sei gesagt – fehlen im Topf der bisher geförderten FSJ-Stellen im Sozial- und Kulturbereich 46 000 Euro, um die Trägerumlage für die 40 neuen Stellen an den Schulen zu finanzieren. Ich weiß nicht, wie Sie das den Wohlfahrtsverbänden erklären.
Richten wir den Blick zum Schluss auf das Freiwillige Ökologische Jahr: Da bitte ich doch die Landwirtschafts- und Umweltpolitiker noch einmal hinzuhören. Das FÖJ war bis 2009 im Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft angesiedelt und wechselte in der Förderung ab 2010 ins Sozialministerium. Vollkommen unverständlich ist, warum die Landesförderung von ehemals mehreren Hunderttausend Euro seit diesem Jahr auf null Euro geschrumpft wurde, wenn gleichzeitig das SMUL laut Sächsischem Agrarbericht 2012 mit der Nachwuchsoffensive „Grüne Berufe“ für eine Ausbildung in der Land- und der Forstwirtschaft und der Tierhaltung wirbt.
Auch wenn die Beantwortung unserer Großen Anfrage durch das SMS mehr als unbefriedigend war und sich weitere Kleine Anfragen daraus ergeben – das kann ich schon einmal ankündigen –, gibt es doch Diskussionsbedarf hinsichtlich folgender Fragen: Was können Freiwilligendienste im Hinblick auf den zukünftigen Fachkräftebedarf in Sachsen leisten? Wie können die freien Träger, Einsatzstellen und Wohlfahrtsverbände im Bereich der Freiwilligendienste besser unterstützt werden? Wie kann es gelingen, auch Jugendliche mit niedrigen Bildungsabschlüssen oder aus benachteiligten Familien für einen Freiwilligendienst und damit für gesellschaftliches Engagement zu gewinnen?
Ich kann für meine Fraktion sagen: Wir werden das Thema weiterhin begleiten und darauf hinwirken, dass die Staatsregierung dieses Thema nicht weiter stiefmütterlich behandelt, sondern mit den Trägern und den Wohlfahrtsverbänden – das ist uns wichtig – gemeinsam eine Strategie für die Freiwilligendienste in Sachsen entwickelt.
Das war Frau Klepsch für die Fraktion DIE LINKE. – Nun spricht für die CDUFraktion Herr Abg. Schreiber. Sie haben das Wort, Herr Schreiber.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst einmal möchte ich mich ganz herzlich bei der Fraktion DIE LINKE dafür bedanken, dass sie a) die Große Anfrage gestellt hat und b) dafür, dass wir heute hier über das Thema Freiwilligendienste in Sachsen sprechen.
Ich bin, ehrlich gesagt, sehr froh darüber, dass das immer und immer wieder hier Thema ist, denn: Es gibt keinen Bereich, den man mehr honorieren und würdigen kann als den, wo sich Menschen freiwillig und ehrenamtlich engagieren.
Natürlich gilt der Dank auch den freiwillig Dienstleistenden. Die Arbeit als Bufdis, FSJler und FÖJler ist nicht nur ein Dienst an der Gesellschaft, sondern auch ein wichtiger Schritt in der Entwicklung von jungen Menschen und vor allen Dingen auch ein wichtiger Schritt, wenn sich junge Menschen sagen „Ich brauche vielleicht noch Orientierung und schaue mich erst einmal um.“ Sie haben dadurch eine Möglichkeit zu schauen, was das Richtige für sie ist.
Frau Klepsch, ich kann Ihnen sofort eine Antwort auf eine Ihrer letzten Fragen geben, nämlich: Was können Freiwilligendienste für den künftigen Fachkräftemangel tun? – Ich glaube, ich wiederhole mich jetzt: Ich habe hier, an dem Pult, schon einmal gesagt: Es ist mir lieber, ein Jugendlicher dreht erst einmal eine Ehrenrunde über den Freiwilligendienst und probiert sich aus und schaut, ob beispielsweise das Arbeiten im Seniorenheim oder im Umweltbereich oder in sonstigen Bereichen des FSJ etwas für ihn oder auch für die berufliche Karriere ist, als dass man irgendwo anfängt und nach einem halben oder Dreivierteljahr das große Erwachen kommt und der Jugendliche feststellt, dass dieser Lehrberuf, den er begonnen hat, eigentlich nichts für ihn ist.
Das heißt: Diese Freiwilligendienste sind gerade für die Berufsorientierung und damit auch für den zu deckenden Fachkräftemängel in bestimmten Bereichen ganz wichtig. Deswegen unterstützen wir das Ganze auch.
Laut dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben ist Sachsen – wenn man einmal von Nordrhein-Westfalen absieht, das lasse ich aufgrund seiner Einwohnergröße hier einmal außen vor – wieder einmal spitze, und zwar, was die Anzahl von Bundesfreiwilligendienstleistenden angeht – so zumindest sagt es die Statistik aus dem August 2013.
In Sachsen engagieren sich 4 638 Menschen im Bundesfreiwilligendienst. Hinzu kommen laut der Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage 656 vom Freistaat geförderte FSJ-Plätze in den Jahren 2013/2014 und 286
Eines muss man auch sagen – da möchte ich einen kleinen Satz zu Ihrem Entschließungsantrag verlieren: Es gibt immerhin 23 Plätze in Sachsen, die zwar zur Verfügung stehen, letztendlich jedoch nicht abgerufen, also nicht besetzt sind. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir die auch noch ins FSJ Pädagogik gesteckt, nicht, weil wir den Personalmangel an Schulen mit Freiwilligendienstleistenden ausgleichen wollen, sondern weil es darum geht, mit dem FSJ Pädagogik jungen Menschen den Lehrerberuf nahezubringen. Das war von Anfang an die Intention. Dafür habe ich zwei Jahre gekämpft, Frau Klepsch, das lasse ich mir von Ihnen auch nicht madig reden.
Sie haben die Kürzungen angesprochen. Jawohl, es ist richtig, wir mussten im Jahr 2010 in diesem Bereich der Freiwilligendienste Kürzungen hinnehmen. Es ist nicht nur auf knapp über 700 Stellen gekürzt worden, sondern es ist auf 600 Stellen gekürzt worden, also über 500 Stellen. Allerdings haben Sie vergessen, dass wir das mit dem Jahr 2011/2012 im Doppelhaushalt – also unmittelbar ein Jahr später – zumindest zum Teil auf mittlerweile 722 Plätze revidiert haben.
Natürlich sind das nicht wieder 1 100, Frau Klepsch. Aber wenn ich alles einmal zusammenrechne, was Sie hier vorne an Freiwilligenaufgaben jedes Mal miteinander subsumieren und alles gerne haben und bezahlen möchten, aber nirgendwo sagen, woher Sie das Geld dafür eigentlich nehmen wollen, dann muss man ganz deutlich sagen: Vielleicht sollten Sie sich irgendwann auch einmal einige Prioritäten setzen, und dann können wir auch weiter darüber reden.
Dass der BfD und die bestehenden Freiwilligendienste im Freistaat Sachsen nicht konkurrieren, zeigt sich beispielsweise am FÖJ. Lediglich zwei Plätze wurden durch den BfD ersetzt. Hingegen sind 27 vom BfD ergänzt worden. Auch die Statistik des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben vom August 2013 erwähnte es bereits: Sie sieht eben kein Konkurrenzverhältnis zwischen BfD und Freiwilligendiensten. 83,7 % der Bundesfreiwilligendienstleistenden in Sachsen sind über 27 Jahre alt. Das zeigt ganz deutlich: 83,7 % derer, die diesen Bundesfreiwilligendienst leisten, könnten gar kein FSJ in Sachsen leisten, weil sie eben über 27 sind. Natürlich sagen Sie da wieder: Um Gottes willen, das sind alles Arbeitsplätze, die früher einmal mit Fachkräften besetzt waren! – Dann sage ich Ihnen ganz ehrlich: – –
Ja, das mache ich, Frau Klepsch, vor allem, wenn Sie dann wieder von prekären Arbeitsverhältnissen und kostengünstigen Arbeitskraftpotenzialen in Ihrem Entschließungsantrag sprechen. Da brauche ich nicht zuhören, sondern nur ordentlich zu lesen, da weiß ich, wohin der Hase läuft. – Gehen Sie bitte einmal in ein Seniorenheim und schauen Sie sich an, was Bundesfreiwilligendienste dort machen, und schauen Sie sich einmal an, mit welcher Motivation die das machen. Schauen Sie sich einmal an, in welchem Lebensalter diese sich teilweise befinden, und schauen Sie sich an, ob Ihr Vorwurf, dass das alles Hartz-IV-Empfänger sind, die ein Jahr überbrücken wollen und deshalb den BfD machen, der Realität entspricht. Ich sage Ihnen: Es ist definitiv nicht so.
Wie wir in Sachsen die etablierten Freiwilligendienste unterstützen, weiterentwickeln und vor allen Dingen sehen, wie groß die Resonanz dafür ist, zeigt sich an unserem Projekt des FSJ Pädagogik. Die Zielstellung – ich gebe gern zu, das ist haushalterisch bedingt – waren zunächst 40 Plätze. Knapp doppelt so viele junge Menschen haben sich dafür beworben. An 40 Schulen sollte das Projekt starten; Sie haben es bereits gesagt. 400 Schulen haben sich darauf beworben, einen FSJler abzubekommen. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Für mich persönlich ist das ein Zeichen dafür, dass das in die richtige Richtung läuft und dass wir uns überlegen müssen – auch als Koalition –, wie wir an dieser Stelle weiterarbeiten.
Natürlich – wir hatten erst im Sommer mit unserem Sozialarbeitskreis ein Gespräch dazu mit dem entsprechenden Träger – ist auch vorgesehen, dass da evaluiert wird, dass geschaut wird, was dort überhaupt passiert. Wir haben mehrfach deutlich gemacht und gesagt: Es kann nicht sein, dass die FSJler dort nur in der Cafeteria die Würstchen verkaufen oder die Pausenaufsicht übernehmen und darauf achten, dass die Kinder in der Grundschule nicht aufs Beet trampeln, sondern es geht ganz klar darum, dass wir jungen Menschen, Abiturienten unter der Maßgabe, dass sie vielleicht den Lehrerberuf anstreben wollen, die Chance geben, Schule einmal aus einer anderen Sicht, nämlich der des Lehrers, kennenzulernen. Aus meiner Sicht ist das ein absolut vernünftiger Weg.
Ich bin, ehrlich gesagt, richtig stolz darauf, dass sich mehr als doppelt so viele junge Menschen gemeldet haben, als Plätze vorhanden waren, obwohl das alles so kurzfristig war, und dass auch so viele Schulen gesagt haben, dass sie ein Interesse daran haben.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Schreiber, da Sie gerade auf die Abiturienten abgezielt haben, die im FSJ Schule für das Lehramtsstudium gewonnen werden sollen – wir sind uns auch
darin einig, dass das ein sinnvoller Ansatz sein kann –; aber ist Ihnen bekannt, dass das FSJ Schule auch Schulabgängern mit Mittelschulabschluss, ohne Hochschulreife offensteht?
Frau Klepsch, Sie wissen, dass man beispielsweise auch als Quereinsteiger, indem man zum Beispiel einen Meisterberuf im Handwerk gelernt hat, immer noch Lehrer werden kann? Das wissen Sie hoffentlich auch. Also steht das dem Ganzen überhaupt nicht im Wege. Man kann erst einmal mit einem Realschulabschluss eine ordentliche Handwerksausbildung machen oder einen ordentlichen Beruf erlernen, bevor man vielleicht irgendwann sagt, okay, ich werde jetzt noch Berufsschullehrer.
Aus meiner Sicht widerspricht sich das Ganze nicht, aber ich denke, das sind Einzelfälle. Die Mehrheit derer, die im FSJ Pädagogik sind, sind schon junge Menschen mit einem Abitur, die eine entsprechende Qualifikation mitbringen, um dann ein Studium aufzunehmen und Lehrer zu werden.
Wir sollten, was das FSJ Pädagogik angeht, erst einmal abwarten, wie sich das entwickelt. Wir sollten abwarten, wie sich auch inhaltlich die Fortbildung der FSJler ausgestaltet. Wir haben deutlich artikuliert an den FSJ-Träger, was wir erwarten – auch an den Träger, was er für Leistungen zu erbringen hat, was wir uns vorstellen, was an Fortbildungsmöglichkeiten und Fortbildungsleistungen erbracht werden muss, damit das Ziel, junge Menschen für den Lehrerberuf zu gewinnen, nicht verfehlt wird.
Ich will zur Großen Anfrage zurückkommen. Sie fragen, ob das FSJ Pädagogik in finanzieller und personeller Konkurrenz zu den bestehenden FSJ-Stellen steht. Wenn man ehrlich ist, muss man sagen: natürlich. Wieder haushalterisch: Wir haben diese 40 Stellen nicht oben draufgesetzt, sondern wir haben gesagt, vom FSJ, was bisher gefördert worden ist, sollen 40 Stellen für dieses FSJ Pädagogik vorgehalten werden. Das kann man uns sicher vorwerfen. Darüber kann man sich ärgern.
Es ist allerdings ein Fakt, und ich sage Ihnen auch ganz ehrlich, wenn ich etwas näher darüber nachdenke – da bin ich jetzt einmal böse –: Mir sind 40 FSJler, von denen vielleicht 35 Lehrer werden wollen, lieber als 40 FSJler, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr in der Rosa-LuxemburgStiftung oder in der SPD-Landtagsfraktion unter der Rubrik FSJ Politik machen –
oder in der Adenauer-Stiftung, genau. Das FSJ Politik gibt es ja trotzdem. Also, das FSJ Pädagogik hat einen absolut tollen Sinn und wir sollten alles dafür tun, dies auch zu erhalten, wenn nicht sogar zu verstärken.
Ein Aspekt ist noch nicht angeklungen: der Bereich der benachteiligten Schüler. Es wäre schön, wenn Sie vielleicht in einer zweiten Runde erwähnten oder es zumindest anerkennen, dass auch die Freiwilligendienste Schü
lern mit Benachteiligung ohne Abschluss eine Chance geben, sich zu bewähren. In diesem Zusammenhang wird in Sachsen auch ein FSJ für Jugendliche mit besonderem Bildungsbedarf aus ESF-Mitteln finanziert. Auch hier ist es unsere gemeinsame Aufgabe zu schauen und es hinzubekommen, dass in der nächsten ESF-Förderperiode wieder Mittel vorhanden sind, um dort weiterarbeiten zu können.
Abschließend müssen wir uns im Bereich der Freiwilligendienste natürlich fragen, was wir insgesamt damit erreichen wollen; vor allem wie gezielt wir insbesondere die Jugendlichen in Zukunft fördern möchten. Wenn wir damit gleichzeitig Entwicklungs- und Berufsorientierung verbinden können, dann erfüllen die Freiwilligendienste ihre Aufgabe in der gesamten Gesellschaft und für den einzelnen Dienstleistenden.
Nochmals der Dank an alle, die sich bereit erklären, sich freiwillig auf ehrenamtlicher Basis und mit einem geringen Taschengeld für unsere Gesellschaft zu engagieren.