Protokoll der Sitzung vom 27.11.2013

(Beifall bei der SPD)

Für die SPD-Fraktion sprach Herr Kollege Pecher. Nun ergreift für die FDPFraktion Herr Kollege Prof. Schmalfuß das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Nachhinein wissen immer alle alles besser. Wer in der letzten Legislaturperiode schon Abgeordneter hier in diesem Haus gewesen ist, weiß, dass es wenige Abgeordnete gegeben hat, die sich des Themas Sachsen LB angenommen haben. Herr Scheel, Ihr Vorgänger als Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschusses, Ronald Weckesser, war lange Jahre selbst Mitglied des Verwaltungsrates der Sachsen LB und hätte dort entsprechend gegensteuern können.

Herr Pecher, wenn Sie ein schlechtes Gewissen haben – ich glaube, dass das möglich ist –, können Sie gern eine freiwillige Zahlung an den Landeshaushalt leisten. Sie waren selbst Mitglied des Kreditausschusses, Sie waren Mitglied des Verwaltungs- und Finanzausschusses.

(Mario Pecher, SPD: Drehen Sie sich doch mal um!)

Seit 2005 verfolgt die Landesbank Sachsen uns. Ich kann mich erinnern. 2005 habe ich einmal eine Große Anfrage zur Geschäfts- und Anlagepolitik der Sachsen LB gestellt. Wir haben das Thema als FDP-Fraktion – es gab auch Abgeordnete anderer Fraktionen – gestellt. Jetzt, im Nachhinein, schreien die am lautesten, Herr Pecher, die selber mit dabei waren nach dem Motto: Haltet den Dieb! Ich war nicht dabei.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Die ehemalige Sachsen LB hat über ihre irische Tochter und verschiedene Zweckgesellschaften umfangreiche Verbriefungsgeschäfte mit amerikanischen Hypothekenmarktkrediten getätigt. Jeder weiß das. Risikobewertung und Ausrichtung der Geschäftsstrategie waren eindeutig falsch, es wurden Fehler gemacht. Wir reden jetzt vielleicht schon das zehnte, das 20. Mal darüber. Ich glaube, wir werden auch keine neuen Erkenntnisse bekommen. Darin besteht zumindest bei den vernünftig denkenden Abgeordneten politischer Konsens.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Auch der Sächsische Landtag ist kein Tribunal. Wir können eine politische Verantwortung feststellen. Das machen wir in regelmäßigen Abständen bei jeder Rede, die wir zur Sachsen LB halten.

Es gibt unterschiedliche Dimensionen der Aufarbeitung. Wir haben die haushalterische Dimension. Herr Michel hat es sehr gut dargestellt. Leider haben Sie von der linken Seite vielleicht nicht richtig zugehört. Wir haben seit Jahren die finanziellen Risiken, die leider mit der Sachsen-LB verbunden sind, mit dem Garantiefondsgesetz abgesichert. Mittlerweile haben wir auch durch die Zuführungen, die erfolgen, das noch verbleibende maximale Risiko aus der Höchstbetragsgarantie in Höhe von 1,7 Milliarden Euro vollständig abgedeckt. Die Garantieobergrenze bei 2,75 Milliarden Euro schmerzt, das ist gar keine Frage.

Bei aller Kritik und politischer Auseinandersetzung, wofür man Geld ausgeben könnte – wir haben gerade eine Aktuelle Debatte zum Thema Innovation gehabt. Das Problem, das wir hatten, war, dass die Sachsen LB entsprechend in Risikoschieflage gekommen ist, dass die Sachsen LB verkauft worden ist und dass wir in den Verhandlungen eine entsprechende Bürgschaft bis zur Höhe von 2,75 Milliarden Euro übernommen haben. Das sind die Fakten, und jetzt geht es darum, eine Rechtsverbindlichkeit abzufinanzieren.

Meine Damen und Herren! Neben der haushalterischen Verantwortung gibt es die juristische Verantwortung. Der Vergleichsabschluss, der vergangene Woche getroffen worden ist, ist sicherlich ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Vier ehemalige Vorstände haben sich auf einen Vergleich eingelassen. Damit werden diese

Vorstände auch einen finanziellen Beitrag für ihre Fehler der Vergangenheit als ehemalige Vorstände zahlen.

Bei der juristischen Dimension haben wir die zuständige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Verantwortung genommen – PriceWaterhouseCoopers –, die Versicherungsunternehmen und die vier ehemaligen Vorstände. Ich denke, das ist auf dem Weg der juristischen Aufarbeitung ein Schritt in die richtige Richtung.

Die politische Dimension kann ich relativ kurzhalten. Es gab einen Untersuchungsausschuss zur Sachsen LB, es gab auch einen Unterausschuss des Haushalts- und Finanzausschusses. Leider war das damals zuständige Mitglied der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die den Unterausschuss beantragt hatten, selbst bei diesem Unterausschuss kaum anwesend.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Ich möchte an dieser Stelle Herrn Finanzminister Prof. Unland recht herzlich für seine regelmäßigen Informationen im Haushalts- und Finanzausschuss danken. Das ist eine neue Qualität gegenüber seinem vorangegangenen Finanzminister. Ich denke, dass bei ihm das Thema Transparenz, ausführliche und laufende Berichterstattung gegenüber dem HFA, –

Ihre Redezeit ist zu Ende.

– das heißt den Abgeordneten des Sächsischen Landtages, in guten Händen ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Für die FDP-Fraktion sprach Herr Prof. Schmalfuß. Für die Fraktion GRÜNE spricht jetzt Frau Kollegin Hermenau.

Vielen Dank. Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Michel, Sie sagten, Sie wollen hier nichts schönreden. Aber Sie haben vieles kleingehandelt und manches abgewunken; das müssen wir einmal festhalten. Es war doch nicht alles schlecht, was wir bei der CDU jetzt geleistet haben bei der Abwicklung der Sachsen LB – das ist das, was Sie heute hier vorgetragen haben. Diese Sprüche kenne ich sonst woanders her. Es geht um Verantwortung, sicherlich auch um die Verantwortung in der Großen Koalition von 2004 bis 2009 hier in Sachsen; aber das ist noch eine andere Geschichte.

Die CDU hat in ihrer Alleinregierungszeit diese Sachsen LB erfunden, das Geschäftsmodell betrieben und es weiterentwickelt. Es wurden in den Rechtsstreitigkeiten ein paar Millionen gewonnen, aber es wurden Milliarden verloren. Sie, Herr Prof. Unland, haben jetzt die Abwicklungsverantwortung, und darüber würde ich gern sprechen.

Sie haben selbst schon sinngemäß gesagt, es geht typischerweise in einem Zivilprozess nicht um Schuld, Sühne und Strafe, sondern um Geld, und das Ziel wäre, mehr Geld zurückzubekommen, als der Prozess kostet. Wir haben ungefähr 28 Millionen Euro an Prozesskosten ausgegeben, wir haben circa 60 Millionen Euro an Schadenersatz eingenommen; das sind etwas mehr als zwei Prozent als allein die Bürgschaftssumme von 2 750 Millionen Euro: Millionen gewonnen – Milliarden verloren!

(Beifall bei den GRÜNEN und ganz vereinzelt bei den LINKEN)

Dabei lasse ich unerwähnt die Vorlaufkosten, Kapitalaufstockungen, beim Verkauf getätigte Verzichte usw.

Das Staatswesen – das ist Ihre Rechtsauffassung gewesen, Herr Prof. Unland; Sie haben es heute wieder vorgetragen – ist in meinen Augen keine Firma. Sie können einen Staat nicht wie eine Firma betreiben; das geht nicht, auch wenn Sie betriebswirtschaftliche Verantwortung tragen.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN – Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Ein Staatswesen basiert auf Vertrauen und Verantwortung, sonst funktioniert es nicht – jedenfalls nicht in einer Demokratie. Dann müssen Sie eine andere Staatsform wählen. Ich halte das wirklich für ein Problem. Die ganze Fraktion hat sich immer wieder eingebracht, wir haben ständig darauf hinzuweisen versucht, dass das wichtig ist.

Jetzt haben wir aktuelle Gerichtsaussagen: Vorstände sind nicht allein und nicht ursächlich verantwortlich, irgendwie waren sie es gar nicht so richtig … Sie kommen jetzt irgendwie davon – und das, weil der Verwaltungsrat unkritisch war –, und das wird nicht einmal wirklich thematisiert.

Politiker tragen Verantwortung – vielleicht nicht aus der individuellen Sicht; das mag jeder halten, wie er will –, aber aus der Sicht der Bevölkerung auf jeden Fall, und dem ist Rechnung zu tragen. Es geht um Verantwortung.

Der Verwaltungsrat hatte nach der damaligen Rechtslage den Auftrag: Er vertritt – nach Abs. 4 – die Sachsen LB gegenüber den Vorstandsmitgliedern. Er überwacht – nach Abs. 5 – den Vorstand und seine Ausschüsse. Das war der Job des Verwaltungsrates. Er war das Bindeglied der Staatsregierung – der politischen Spitze im Lande – zur SLB. Nun ist das alles verjährt. Sie haben auf die Anklageerhebung verzichtet. Sie haben das mit Kostenfragen begründet. Was sind denn die demokratischen Kosten dieses Verzichts, den Sie geübt haben?

Wir haben am 28. August 2009 ein Urteil vor dem Verfassungsgericht in Leipzig erwirkt, das sich genau mit den Sorgfaltspflichten der Verwaltungsratsmitglieder befasst hat. Danach wurde schuldhafte Pflichtverletzung festgestellt und die Sorgfaltspflichten wurden beschrieben. Es geht nicht darum, ob hier vorsätzlich gehandelt wurde oder nicht – es geht um Sorgfaltspflichten und bei Investitionsentscheidungen darum, eben nicht auf die Einstufung

von Ratingagenturen zu vertrauen und nicht in eigener Verantwortung Risiken für das Unternehmen einzugehen, die im Falle ihrer Verwirklichung zum Untergang des Unternehmens führen.

Ich zitiere aus der Begründung des Urteils: „Seit 2004 bestehende Hinweise sind nicht zum Anlass genommen worden, eine detaillierte Prüfung der Risikostruktur in diesem Geschäftsfeld vorzunehmen. Vielmehr wurden die in der Kreditvorlage offen zutage tretenden Widersprüche in der Risikobewertung nicht aufgeklärt.“ Der Verwaltungsrat hat versagt; er hat seine Verantwortung nicht wahrgenommen, und wir thematisieren das hier nicht angemessen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Es war klar, dass 2 750 Millionen Euro nicht wieder hereinzuholen sind. Das Geld fehlt nun – bei Investitionen im Bau von Schulen und Kitas, beim Breitbandausbau im ländlichen Raum … –; es fehlt. Wo ist die persönliche Rechenschaft? Ein Ministerpräsident und ein Finanzminister sind zurückgetreten. Es werden jetzt Hinterzimmervergleiche gemacht und es gibt keine öffentlichen Urteile. Wo ist die persönliche Verantwortung – woran kann man diese festmachen?

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Ich finde Ihr Wirtschaftlichkeitsargument lächerlich. Es schützt politisch Verantwortliche. Wo soll in Zukunft Verantwortung für unser Gemeinwesen auch bei Politikern und anderen, die man wirbt, für solche Aufgaben herkommen, –

Ihre Redezeit ist zu Ende.

– wenn wir nicht über die notwendige Gewissenhaftigkeit für die Zukunft in solchen Aufgaben debattieren und hier nicht klarstellen, was zu tun und was zu lassen ist?

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das war die

Abg. Hermenau, die für die Fraktion GRÜNE sprach. Für die NPD-Fraktion spricht jetzt der Abg. Schimmer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fünf Jahre nach dem Zusammenbruch der Sächsischen Landesbank ist dieses Debakel immer noch eine gigantische Belastung für den Freistaat Sachsen. Erst am 2. Oktober dieses Jahres musste eine weitere Rate in Höhe von 63,15 Millionen Euro aus dem Garantiefonds geleistet werden, womit sich die Summe der Ausgaben, die der Freistaat mittlerweile für seine gescheiterte Landesbank leisten musste, auf insgesamt knapp 1,1 Milliarden Euro erhöht hat.

Auch diesmal war es wie immer: Auf die neue Rate, die aus dem Garantiefonds gezahlt wurde, folgte eine be

schwichtigende Pressemitteilung aus dem Finanzministerium, in der erklärt wurde, dass die nun fällig gewordene Zahlung angeblich den sächsischen Landeshaushalt gar nicht belaste, weil sie aus dem Garantiefonds genommen worden sei.

Aber mit Verlaub, meine Damen und Herren, diese Argumentation ist natürlich völlig hanebüchen, völlig durchsichtig, und sie dient nur dazu, die gigantischen Verluste aus dem Sachsen-LB-Desaster vor dem sächsischen Steuerzahler zu verschleiern.

Fakt ist aber, dass die Gelder, mit denen der Garantiefonds gefüllt wird, erst einmal dem Landeshaushalt entzogen werden und somit für Investitionen im Freistaat für landespolitische Zwecke nicht mehr zur Verfügung stehen.