Protokoll der Sitzung vom 09.04.2014

Zweitens. Was tut die Staatsregierung gegen Altersarmut? Ich fordere seit Jahr und Tag ein Konzept an. Nichts bekomme ich. Es gibt keinen Widerstand gegen die Senkung des Rentenniveaus. Bei Kohl waren es noch 53 %. Inzwischen sind wir bei knapp 48 %, und es soll bis 2030 auf 43,7 % zurückgehen. Wo bleibt Ihr Protest dagegen? Wer gegen Altersarmut ist, muss dafür sorgen, dass das Rentenniveau nicht weiter abgesenkt wird.

Drittens. Wie ehrlich ist es denn mit der Rente mit 63? Die Regierung hat keine Daten. Sie haben keine Daten liefern können, wie viele eigentlich davon betroffen sind. Ich sage Ihnen: Nach meinen Überlegungen und Berechnungen sind kaum Menschen davon betroffen. Es ist eine Mogelpackung. Weitgehend werden Langzeitarbeitslose – und das ist auch der Streit, um den es in Berlin geht – ausgeschlossen. Das muss sich ändern.

Viertens. Was wird mit der Erwerbsminderungsrente? Ja, wir erkennen erste Schritte. Aber warum gehen Sie nicht generell davon aus, dass alle Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten zu unterbleiben haben? Niemand geht doch freiwillig in Erwerbsminderungsrente. Er geht in diese Rente, weil er krank ist und nicht mehr arbeiten kann. Dafür darf er nicht bestraft werden.

Fünftens. Wo ist der Protest gegen den Griff in die Rentenkasse? Das frage ich Sie deutlich. Denn das, was jetzt an scheinbaren Verbesserungen für alle kommt, wird aus der Rentenkasse bezahlt. Ich bin dafür, dass solche sozialen Leistungen kommen. Sie müssen kommen, aber – das sage ich auch – dann bitte aus Steuermitteln und nicht aus der Rentenkasse.

Wir werden Sie dann mit weiteren Dingen befassen.

(Beifall bei den LINKEN)

Nächster Redner ist für die CDU-Fraktion Herr Krauß.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auf die Mütterrente eingehen, weil sie im Antrag erwähnt worden ist, auch wenn Herr Pellmann jetzt allgemein gesprochen hat.

Die Mütterrente war eine der Kernforderungen der Union im Bundestagswahlkampf. Wenn man mit den Menschen auf der Straße gesprochen hat, hat man festgestellt, dass das ein Thema war, das die Menschen interessiert hat, weil es viele Mütter gibt, die auch schon in Rente sind und wissen, dass sie davon profitieren werden. Es sind 9,5 Millionen Frauen in Deutschland.

Herr Pellmann, wenn Sie fragen, was die Staatsregierung gegen Altersarmut tut, dann ist die Mütterrente ein ganz, ganz wichtiger Schritt gegen Altersarmut, denn wir wissen, dass zwei Drittel derjenigen, die in Altersarmut sind, Frauen sind. Altersarmut ist weiblich, und deswegen ist die Mütterrente so wichtig.

(Beifall bei der CDU)

Herr Krauß, möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Bitte schön.

Herr Dr. Pellmann, bitte.

Ich bedanke mich, Herr Präsident. – Herr Krauß, den Begriff „Mütterrente“ setze ich immer in Anführungszeichen. Wissen Sie auch, warum? Ich frage Sie: Ist Ihnen bekannt, dass das ein Fehlbegriff ist, weil von denjenigen, die betroffen wären, immerhin 120 000 Männer sind? Ist Ihnen bekannt, dass wir deshalb nicht von der „Mütterrente“ im eigentlichen Sinne sprechen können, sondern von einer Rente wegen Anrechnung von Kindererziehungszeiten.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Herr Kollege Pellmann, aus persönlicher Erfahrung ist mir auch bekannt, dass in der Tat in diesem Land Väter existieren, die sich auch um die Erziehung der Kinder kümmern. Ich leiste dabei auch meinen Beitrag, so wie Sie auch Ihren Beitrag leisten. Nichtsdestotrotz gilt – das ist auch Ihnen bekannt –, dass die Hauptlast die Mütter in diesem Land tragen. Man darf ruhig einmal aussprechen, dass das so ist. Dass man dann auch von „Mütterrente“ spricht, ist aus meiner Sicht in Ordnung, wenngleich auch klar ist – da sind wir uns auch einig –, dass Väter eine ganz wichtige Rolle für die Erziehung der Kinder und für das Rentensystem spielen.

Lassen Sie mich zu den Kindern zurückkommen. Herr Pellmann, man muss auch einmal sagen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Zahl der Kinder, die in einem Land geboren werden, und der Rentenzahlung gibt. Bei uns im Land werden 1,4 Kinder je Mann und je Frau geboren. Das sind natürlich zu wenig. Bestandserhaltend wären 2,1 Kinder je Mann und je Frau. Wenn wir uns anschauen, wie sich die Lebenserwartung in Rente entwickelt, so war es vor 50 Jahren so, dass man acht Jahre Rente bezogen hat. Heute sind wir bei 18 Jahren, die man im Regelfall die Rente bezieht. Das heißt, man muss das auch finanzieren können.

Wie ist es derzeit bei den Müttern? Eine Frau, die beispielsweise fünf Kinder hat, konnte nicht durchgängig arbeiten. Wenn sie dann wieder gearbeitet hat, hat sie nicht die Karriere gemacht. Die haben andere gemacht. Nehmen wir auf der anderen Seite eine Frau, die überhaupt keine Kinder gehabt hat, aus welchen Gründen auch immer. Es ist ja auch legitim, dass man keine Kinder hat. Diese Frau hat vielleicht eine gute Arbeit gehabt, sie hat gut verdient, sie hat keine gebrochene Erwerbsbiografie. Sie bekommt einmal eine gute Rente, während die Frau, die viele Kinder hat, heute in unserem Land eine mickrige Rente bekommt. Aber diese gute Rente der Frau, die keine Kinder hat, wird von den Kindern der Frau finanziert, die viele Kinder gehabt hat. Zu hinterfragen, ob das gerecht ist, ist doch wohl richtig.

Deswegen ist es richtig, dass die Kindererziehung in der Rente anerkannt wird, so wie das mit der Mütterrente geschieht. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Ich glaube, die Große Koalition hat gut daran getan, diese Mütterrente jetzt ins Regierungshandeln aufzunehmen.

(Beifall bei der CDU)

Das kostet uns eine Stange Geld. Sie als LINKE machen sich über Finanzen keine Gedanken. Wir müssen das tun, weil wir nicht das Blaue vom Himmel versprechen können. Das kostet 6,5 Milliarden Euro. Das ist eine Stange Geld. Wir haben gesagt, das ist uns so wichtig, weil wir die Erziehungsleistung der Mütter wertschätzen und ein zusätzliches Jahr bei der Rentenberechnung schaffen wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Pellmann, Sie haben recht, es gibt Unterschiede pro Kind, die für die Rente gutgeschrieben werden. Im Osten sind es 26 Euro pro Monat, die man zusätzlich pro Kind ab 1. Juli bekommt, und im Westen sind es 28 Euro. Man darf die Frage stellen, warum das so ist.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Das wissen wir!)

Sie haben es aber nicht verstanden, habe ich das Gefühl.

Man muss deutlich sagen, dass das eine Schlechterstellung im Osten bedeutet. Richtig ist, dass es auch am Rentenniveau liegt. Bei der gleichen Erwerbsbiografie bekomme ich 91,5 % Rente von dem, was bei der gleichen Zahl an Arbeitsjahren jemand im Westen bekommt. Ich muss der Fairness halber aber sagen, dass der Osten an anderer Stelle bevorzugt wird, nämlich wenn es um die Menschen geht, die heute in Arbeit stehen. Wenn heute jemand im Osten für 7 Euro Stundenlohn arbeitet, bekommt er später eine Rente wie jemand im Westen, der für 8 Euro arbeitet. Der Rentenfaktor wird aufgewertet.

Machen wir uns nichts vor: Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass man in den westdeutschen Bundesländern mitmacht, dass wir Rosinenpickerei betreiben und sagen, wir suchen uns immer das Schönste heraus! Der Aufwertungsfaktor würde natürlich so sicher wie das Amen in der Kirche wegfallen, wenn wir die Rentenangleichung mit einem Schritt machen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Deswegen gehört es zur Ehrlichkeit, das anzusprechen. Wir haben derzeit eine schrittweise Anpassung. Im letzten Jahr gab es im Westen eine Rentenerhöhung um 0,25 % und im Osten um über drei Prozentpunkte mehr. Die Rentenschere schließt sich. Ich finde, dieser Weg ist dreimal besser als der Vorschlag, den Sie unterbreiten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich finde es gut, dass die Regierungskoalition gesagt hat, – –

Herr Krauß, bitte zum Schluss kommen.

– wir wollen bis 2030 diese Rentenlücke insgesamt schließen.

Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Mütterrente ist etwas sehr Vernünftiges. Ich bitte darum, dass

wir dies unterstützen. Wir sind auf einem sehr, sehr guten Weg mit dieser Mütterrente.

(Beifall bei der CDU und der Staatsministerin Christine Clauß)

Für die SPD-Fraktion als nächster Redner Herr Dulig. Herr Dulig, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Mütterrente ist gerecht. Die Unterscheidung zwischen Ost und West und die Finanzierung ist ungerecht. Als 2001 SPD und GRÜNE die Mütterrente in einem Rentenpaket eingeführt haben, wurde zum ersten Mal die Lebensleistung Tausender Frauen anerkannt, die aufgrund der Erziehung ihrer Kinder wenig oder nicht gearbeitet haben. Das gilt auch für Männer, aber die große Anzahl waren Frauen. Es war eine große Gerechtigkeitsleistung.

Zur Wahrheit gehört auch, dass uns damals das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Pflegeversicherung gesagt hat, dass Kinder stärker auf die Pflegeversicherung anzurechnen sind. Genau deshalb hat man gesagt, wir müssen auch bei der Rente eine Regelung finden. Daraus wurde die Mütterrente, die aufgrund des Gerichtsbeschlusses mit dem Stichtag 1992 angelegt wurde. Zur Wahrheit gehört auch, dass es etwas mit Finanzierung zu tun hat, denn wir reden hier über viel, viel Geld. Allein in die bisherige Mütterrente fließen jährlich 11 Milliarden Euro. Deshalb wurde damals dieser Termin gesetzt, der die Mütterrente finanzierbar ließ.

Ich bleibe dabei, die Mütterrente als solche ist eine gute Sache. Die Frage ist nur – und das sagt auch der heutige Debattentitel –, wie die Sächsische Staatsregierung mit dem Thema umgeht. Es ist immer wieder faszinierend, entweder den Ministerpräsidenten oder Frau Clauß zu hören, die bestimmte Entscheidungen auf Bundesebene anders kommentieren als die Entscheidung, die durch Sie in Berlin mit gefällt wurde. Sie erinnern sich an den Mindestlohn. Herr Tillich sitzt mit in der Verhandlungsgruppe, sagt nicht Muh und nicht Mäh und erklärt dann dem MDR, er konnte sich nicht durchsetzen. Ja, stumm kann man sich nicht durchsetzen, da muss man vielleicht auch mal was sagen.

(Beifall bei der SPD)

Ich war völlig überrascht, als ich gehört habe, dass Frau Clauß fordert, dass die Mütterrente steuerfinanziert werden soll. Sie haben uns sofort an Ihrer Seite.

(Zuruf der Staatsministerin Christine Clauß)

Da bin ich mal gespannt und habe folgende Frage an Sie. Bei der Bundestagswahl gab es die zehn Wahlkampfschlager der CDU. Neun davon hießen Angela Merkel und einer Mütterrente. Das war Ihr großes Thema: Mütterrente. Frau Clauß, erklären Sie bitte hier, wie Sie die Mütterrente finanzieren wollten, was Sie im Wahlkampf gesagt haben. Wie lautete denn das Konzept der CDU zur

Finanzierung der Mütterrente? Konnten Sie sich damals schon nicht durchsetzen? Wollten Sie damals schon sagen, über Steuererhöhungen reden wir jetzt lieber nicht? Wie wollten Sie die Mütterrente finanzieren? Sagen Sie das doch einmal bitte hier.

(Alexander Krauß, CDU, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Dann frage ich mich auch an dieser Stelle, wer dieses Thema mitbehandelt hat. Sie waren zwar nicht in der Arbeitsgruppe Soziales, wo das diskutiert wurde, sondern in einer anderen Arbeitsgruppe, aber ich frage mich, wo die sächsische Stimme war.

Herr Dulig, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Möchten Sie die gern zulassen? –

Natürlich!

Herr Krauß, bitte.