Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

(Heiterkeit bei der SPD, der CDU, den LINKEN, der FDP und den GRÜNEN)

Es würde mich durchaus interessieren, wie Sie da wieder rauskommen wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bitte entschuldigen Sie meinen zynischen Unterton. Ein solcher Antrag von der NPD ist wirklich schwer zu ertragen in Anbetracht der mindestens 25 Millionen toten Sowjetbürger, die, durch die deutschen Nationalsozialisten angestiftet,

(Lebhafter Widerspruch bei der NPD)

zum größten Teil Zivilisten, Juden und Judenfrauen und Kinder, von Ihren Vorfahren ermordet wurden.

Ich kann nur hoffen, dass die Bemühungen der Bundesregierung und der Europäischen Union etwas bringen. Ich hoffe sehr, dass die sehr viel beschworene und stark beförderte Kontaktgruppe zwischen USA, Russland,

Ukraine und der EU-Außenbeauftragten Ashton nächste Woche zustande kommt. Das wäre ein wirklicher Beitrag. Ihr Antrag ist das Gegenteil davon.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Schimmer, Sie wünschen?

Ich würde gern vom Mittel der Kurzintervention Gebrauch machen.

Bitte.

Herr Homann, ich sehe davon ab, auf die satirischen Elemente in Ihrem Vortrag zu antworten. Allerdings sollte es doch auch aus Ihrer Sicht völlig selbstverständlich sein, auch die Interessen von VW und Siemens mitzudenken.

(Henning Homann, SPD: Aber Sie doch nicht!)

Natürlich für uns auch! Denn daran hängen in Deutschland sehr viele Arbeitsplätze. Siemens hat 800 Millionen Euro in Russland investiert, ist mittlerweile seit 160 Jahren in Russland tätig. Dementsprechend sollte man vorsichtiger agieren.

Selbst Frank Schirrmacher hat in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ festgestellt, dass mittlerweile die Vaterlandsverratsrhetorik gegen Siemenschef Joe Kaeser schlimmere Formen angenommen habe als im Kalten Krieg, nur weil er Putin im Kreml besucht und dort versucht hat, die Interessen seines Unternehmens und damit auch die Interessen seiner Mitarbeiter zu schützen.

Das sollte selbstverständlich sein. Es geht mit unserem Antrag eben nicht um völkerrechtliche Auslegungen. Es geht hier um die Frage von Wirtschaftssanktionen, die von Ihrem Ehrenvorsitzenden Helmut Schmidt als „dummes Zeug“ bezeichnet wurden, denn wir sollten unsere Interessen nicht beschädigen. Die jetzige Situation ist eine gute Chance, dass wir das außenpolitische Verhältnis Deutschlands ausbalancieren. Wir sind zu stark abhängig von den Vereinigten Staaten, und wir sollten jetzt als verlässlicher Partner in einer Krise auch weiterhin für die Russen ein Ansprechpartner sein und damit die Rolle des ehrlichen Maklers spielen, die Bismarck schon Ende des 19. Jahrhunderts gespielt hat. Das ist das Gegenteil eines aggressiven Expansionismus oder von Aggression überhaupt. Das ist das wohlabgewogene Verfolgen von Interessen.

Wir sehen da durchaus auch bei der SPD Bündnispartner, beispielsweise Gerhard Schröder, –

Bitte zum Schluss kommen!

– der auch zugegeben hat, dass er an einem Angriffskrieg beteiligt war. Das ist doch zumin

dest Ehrlichkeit, das ist ein erster Anfang, und das begrüßen wir.

(Beifall bei der NPD)

Herr Homann, Sie möchten erwidern?

Ich möchte sagen, dass internationaler Handel ohne Frage in der Regel, wenn er fair läuft, Fortschritte und Gewinnbringendes für beide bringt. Deshalb ist Globalisierung auch per se nichts Schlechtes. Was den internationalen Handel angeht, so waren wir im Übrigen vor dem Ersten Weltkrieg auf einem gar nicht so unähnlichen Niveau wie heute, bevor wir durch zwei Weltkriege, vor allem motiviert durch einen übertriebenen deutschen Nationalismus, den Sie in Ihrer Tradition fortsetzen,

(Lebhafter Widerspruch bei der NPD)

auch was die globale wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Welt angeht, wieder ins 19. Jahrhundert zurückgeworfen wurden.

Das heißt, wenn wir über erfolgreichen Handel auf internationaler Ebene sprechen, der heute ohne Frage stattfindet, dann findet der nicht aufgrund Ihrer Ideen statt, sondern trotz Ihrer Ideen. Wir wären im Bereich der Globalisierung, des Austausches nicht nur im Bereich der Wirtschaft, sondern auch in dem der Politik wesentlich weiter, hätten Sie uns nicht das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte eingebrockt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Meine Damen und Herren, in der ersten Runde liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde? – Das ist der Fall. Für die NPD-Fraktion spricht Herr Abg. Schimmer. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die im Jahr 2005 zwischen dem damaligen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Russlands Präsidenten Wladimir Putin vertraglich vereinbarte deutsch-russische Ostseepipeline Nord Stream ist aus Sicht der NPD nicht nur Garant einer sicheren und kostengünstigen Versorgung Deutschlands mit Erdgas, sie steht auch symbolisch für die erfolgreiche und zukunftsträchtige Energiekooperation unseres Landes mit Russland. Genau diese Frage – ich wiederhole es hier nochmals – müssen wir doch dringend mit berücksichtigen, wenn wir in der jetzigen Situation klug handeln wollen. Deswegen werde ich in den nächsten Minuten hier in diesem Haus über Energiepolitik reden.

Die NPD bekennt sich schon in ihrem Parteiprogramm unmissverständlich zur deutsch-russischen Energiepartnerschaft. Daran ändert selbstverständlich auch die Tatsache nichts, dass wir zur ukrainischen Regierungspar

tei Swoboda oder dem außerparlamentarischen Rechten Sektor freundschaftliche Kontakte pflegen.

Im Gegensatz zu den tonangebenden Politikern in diesem Lande setzen wir Nationaldemokraten eben nicht auf einseitige Parteinahme, sondern auf den Dialog mit beiden Seiten. Wir haben auch einen Ansprechpartner in Russland.

Seit 2011 transportiert die Ostseepipeline Nord Stream etwa 55 Milliarden Kubikmeter russischen Gases unter Umgehung von Transitstaaten wie Weißrussland, die Ukraine und Polen vom russischen Wyborg durch die Ostsee ins pommersche Lubmin. 2012 wurde der zweite Strang der rund 1 220 Kilometer langen Trasse verlegt. Derzeit gibt es Planungen, noch ein oder zwei weitere Leitungen zu verlegen, um die Kapazität von Nord Stream auf 110 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr verdoppeln zu können.

Bekanntlich trifft die deutsch-russische Ostseepipeline auf Sachsen direkt, denn schließlich endet die Leitung OPAL, die das Gas von Lubmin aus in Richtung Süden weiterleitet, im osterzgebirgischen Olbernhau an der Grenze zu Tschechien, von wo aus eine Anbindung an das europäische Erdgasfernleitungsnetz stattfindet.

Ich kann mich noch gut an die Bilder vom ersten Spatenstich der OPAL-Verlegung durch Sachsen erinnern. Damals konnten Ministerpräsident Tillich und Wirtschaftsminister Morlok nicht genug in die Kameras lächeln und betonen, wie wichtig das Gesamtprojekt für unsere Energieversorgung ist und wie stolz man ist, als Freistaat Sachsen eine derart wichtige Rolle dabei zu spielen.

Doch das nun von der Bundesregierung und leider auch von der Sächsischen Staatsregierung unterstützte Säbelrasseln gegen Moskau und die drohenden Wirtschaftssanktionen gefährden nicht nur den Ausbau von Nord Stream, sondern die Ostseegasdurchleitung an sich zusehends.

Wir von der NPD warnen daher vor den Folgen der momentan betriebenen antirussischen Boykottpolitik gerade für Deutschland.

(Beifall bei der NPD)

Nein, meine Damen und Herren, man kann es doch drehen und wenden, wie man will: Wir werden künftig bei der Erdgasversorgung nicht ohne die selbst zu Sowjetzeiten und damit zu Zeiten des Kalten Krieges stets vertragstreuen und zuverlässigen Russen auskommen. Nach Ansicht der NPD besteht auch gar kein Grund dazu, sich in irgendwelche Fantasiealternativen wie Schiefergas, das aus den USA zu noch gar nicht existierenden LNGTerminals verschifft werden soll, auszudenken, denn die Deutsch-Russische-Energieallianz ist ein Projekt mit Zukunft und – hier muss man dieses Wort wirklich einmal verwenden – alternativlos, zumindest für die nächsten Jahrzehnte.

Knapp ein Drittel der Erdgaseinfuhr in die Europäische Union kommt aus Russland, und Deutschland liegt mit fast 40 % russischem Importanteil sogar noch über dem EU-Durchschnitt.

Doch ausgerechnet die GRÜNEN, deren führende Vertreter derzeit noch stärker gegen Russland schießen als die Bundeskanzlerin, wollen nicht begreifen, dass mit der Gefährdung der Gaslieferungen aus Russland auch ihre heiß geliebte Energiewende inklusive des geplanten Atomausstiegs bis 2022 zur Disposition steht.

Das Münchner ifo-Institut für Wirtschaftsforschung hat anhand der Einspeisungen von Wind- und Sonnenstrom während der 8 760 Stunden des Jahres 2011 die zur Glättung dieses Stroms notwendige Speicherkapazität berechnet. Die installierte Nennleistung beider Energiequellen betrug 54 Gigawatt, die durchschnittliche Erzeugung lag bei 7,3 Gigawatt, die gesicherte Leistung, die 99,5 % der Stunden verfügbar war, betrug aber lediglich 0,9 Gigawatt.

Der Präsident des ifo Instituts, Prof. Hans-Werner Sinn, kommt daher zu dem Schluss, „dass die einzige wirtschaftlich halbwegs vertretbare Lösung zur Realisierung der Energiewende in der deutsch-russischen Erdgaspartnerschaft liegt“. In einem Gastbeitrag für die „Wirtschaftswoche“ schrieb Sinn dazu wörtlich: „Der Strom aus den Wind- und Solaranlagen kommt herbeigezappelt und wird mit Strom aus Methanspeichern geglättet, die von Putins Leuten gefüllt und dann intermittierend geleert werden. So entsteht in der Summe ein gleichmäßig verfügbarer Strom. Nur dieser Weg geht. Alles andere sind Hirngespinste.“

Wenn Sie schon Prof. Sinn nicht glauben mögen, meine Damen und Herren, dann hören Sie doch wenigstens auf jemanden, der als eingefleischter Transatlantiker in Ihren Augen über jeden Zweifel erhaben sein dürfte, nämlich den früheren CDU-Politiker und heutigen Direktor des European Centre for Energy & Resource Security, Friedbert Pflüger, der in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“ kürzlich eindringlich davor warnte, die deutschrussische Energiepartnerschaft wegen des Ukrainekonflikts aufs Spiel zu setzen. Pflüger wörtlich: „Alle Möglichkeiten, die Gaslieferung zu diversifizieren, stehen erst gegen Ende des Jahrhunderts zur Verfügung, und aufgrund der zur Neige gehenden europäischen Gasreserven wird auch 2030 immer noch russisches Gas in großen Mengen in Europa benötigt.“

Entsprechende Diversifizierungsmöglichkeiten wie

aserbaidschanisches Gas aus der Trans Adriatic Pipeline, Erdgas aus dem Nordirak, aus Zypern, dem gewaltigen South-Pars-Gasfeld im Iran oder auch Schiefergas aus Nordamerika – wobei hier sehr unklar ist, ob das wirklich in einem Volumen zur Verfügung steht, wie sich das viele jetzt vielleicht noch vorstellen – seien allenfalls mittel- bis langfristige Optionen und zudem nur Ergänzungen, die die Gaslieferungen aus Russland nicht ersetzen können.

Daher zieht Pflüger das Resümee: Ob wir es wollen oder nicht, es wird zwar gelingen, die Gasabhängigkeit von

Russland etwas zu reduzieren, im Kern aber wird sie noch lange bestehenbleiben. Das allerdings sei aber auch gar nicht weiter schlimm; denn, so der frühere CDU-Politiker: „Diese gegenseitige Abhängigkeit hat sich über Jahrzehnte als ein stabilisierender Faktor in der Außen- und Sicherheitspolitik bewährt. Die Politik solle sich davor hüten, eine Situation zu schaffen, in der das Gut einer fünfzigjährigen verlässlichen Energiepartnerschaft zwischen der EU und Russland zerredet wird.“

Meine Damen und Herren! Auch wenn wir sonst kaum mit einem Herrn Pflüger übereinstimmen, hier hat er jedoch absolut recht. Auch wir Nationaldemokraten streben eine größtmögliche Diversifizierung bei den Energielieferungen an und wollen auch heimische Energieträger verstärkt nutzen, um überhaupt Abhängigkeiten zum Ausland zu verringern. Doch für uns ist dabei klar, dass zu einem zukunftsfähigen Energiemix auch russisches Erdgas gehört, gerade wenn ein Ausstieg aus der Atomenergie finanziell erträglich und versorgungstechnisch gelingen soll.