Protokoll der Sitzung vom 21.05.2014

Soweit ich erkennen kann, stammt auch das Geld, das im Haushaltstitel 891 04 Jahr für Jahr eingestellt wird, aus den Regionalisierungszuschüssen des Bundes, sodass der Tunnel direkt mit den Zweckverbänden um dieses Geld konkurriert. Bis 2010 existierte dieser Titel noch nicht. Stattdessen wurde der ebenfalls aus dem Regionalisierungsgeld gespeiste, aber für andere Aufgaben vorgesehene Titel 887 06 in Kapitel 07 04 herangezogen. In diesem Titel standen im Jahr 2010 circa 80 Millionen Euro. Im Jahr 2011 waren es nur noch 20 Millionen Euro.

Der Bund zahlt jedes Jahr an Sachsen, ebenso wie an die anderen Bundesländer, mehrere Hundert Millionen Euro an sogenannten Regionalisierungsmitteln. Im Jahr 2014 bekommen wir ungefähr 522,6 Millionen Euro. Dieses Geld dient eigentlich dazu, flächendeckend einen öffentlichen Personennahverkehr aufrechtzuerhalten, indem die

Zweckverbände bezuschusst werden. In § 6 Abs. 1 des Regionalisierungsgesetzes steht wörtlich, ich zitiere: „Mit dem Betrag nach § 5 ist insbesondere der Schienenpersonennahverkehr zu finanzieren.“

Das Regionalisierungsgeld, das der Freistaat vom Bund erhält, steigt jedes Jahr um 1,5 % und ist damit ungefähr inflationsbereinigt. Das Geld, das der Freistaat an die ÖPNV-Zweckverbände weiterleitet, nahm aber im gleichen Zeitraum von circa 397 Millionen Euro auf circa 392,6 Millionen Euro ab. Wenn dieser ohnehin reduzierte Teilbetrag der gesamten sächsischen Regionalisierungsmittel ebenfalls jedes Jahr inflationsbereinigt worden wäre, hätte er heute 421 statt 392 Millionen Euro betragen, also fast 29 Millionen Euro mehr.

Daran kann man deutlich erkennen, dass die Staatsregierung den Schienenpersonennahverkehr im ländlichen Raum, das heißt, in allen sächsischen Landkreisen, systematisch zurückfahren möchte, so wie diese Staatsregierung überhaupt Sachsen bis auf die Peripherie des Sachsendreiecks offenbar in eine dünn besiedelte Ferienregion für reiche Touristen aus Westdeutschland und dem Ausland umwandeln möchte.

Die Regionalverkehrszweckverbände sind auf die Regionalisierungsmittel angewiesen. Deren Geschäftsführer haben deutlich festgestellt, dass sie bei weiter rückläufigen Mitteln oder auch schon bei Ausbleiben des Inflationsausgleichs den Schienenbetrieb über kurz oder lang werden einstellen müssen, wahrscheinlich eher über kurz als über lang. Dies bedeutet, dass auf vielen Strecken nur Busse fahren werden.

Es bleibt die traurige Feststellung, die auch mit dem Projekt City-Tunnel verbunden ist, der über solche Gelder querfinanziert wurde, dass die Staatsregierung offensichtlich genau das will. Sie hat seit Jahren systematisch dem ländlichen Raum die für die Verkehrinfrastruktur notwendigen Mittel entzogen und diesem Raum damit nicht nur direkt, sondern auch indirekt geschadet, indem sie dem Bund signalisiert hat, dass Sachsen die Mittel für den vorgesehenen Zweck eigentlich gar nicht braucht.

Wir Nationaldemokraten werden immer wieder auf solche gravierenden Missstände in der Entwicklung unseres Freistaates hinweisen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Ich frage die Fraktionen, ob noch Redebedarf besteht. – Das ist nicht der Fall. Herr Minister, möchten Sie noch sprechen? – Bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich teile ausdrücklich die Feststellung des Sächsischen Rechnungshofs vom 19. Dezember 2012, die er im Schreiben an den Vorsitzenden des Haushalts- und Finanzausschusses des Sächsischen Landtages geäußert hat, in dem er eine fehlende kontinuierliche Begleitung

des Projektes durch das SMWA in der Vergangenheit angemahnt hat.

Das ist genau die Situation, die ich bei meinem Amtsantritt im Ministerium vorgefunden habe. Ich habe mich damals in den Sachverhalt eingearbeitet und die Problematik erkannt. Mit all den Informationen und Problemen bin ich daher nach Leipzig zum Sächsischen Rechnungshof gefahren. Das war damals, Herr Prof. Binus, noch unter Ihrem Amtsvorgänger Herrn Heigl. Dort habe ich die Fakten auf den Tisch gelegt und deutlich gemacht, was ich im Ministerium vorgefunden habe. Ich bin sehr dankbar dafür, dass der Haushalts- und Finanzausschuss letztendlich dazu bereit war, einen entsprechenden Gutachtenauftrag gegenüber dem Sächsischen Rechnungshof zu formulieren. Denn nur im Ergebnis des Gutachtenauftrages haben wir das Gutachten vom Rechnungshof tatsächlich erhalten, das die Feststellung, die ich gerade zitierte, hervorgebracht hat. Es hat aber auch hervorgebracht, worin die Ursachen für die Kostensteigerungen zu sehen waren. Es ist in der Debatte bereits angesprochen worden: Die Ursachen der Kostensteigerungen lagen in der unzureichenden Planungstiefe zu Beginn des Projektes.

Ich denke, auch in Richtung des Steuerzahlers ist das ein wichtiges Signal: dass zwar zu Projektbeginn Fehler gemacht wurden, dass wir aber faktisch einen reellen Gegenwert für das ausgegebene Geld erhalten haben und insofern nicht Steuergeld im Zuge des Projektablaufs verschwendet worden ist.

Allerdings ist auch richtig, was in der Debatte bereits angesprochen wurde, dass die Vertragsgestaltung aus dem Jahre 2006 extrem nachteilig für den Freistaat Sachsen war. Der Rechnungshof hat das in seinem Gutachten festgestellt. Wir hatten verschiedene Projektbeteiligte. Alle Kostenrisiken sind aber aus der Vertragsgestaltung letztendlich am Freistaat Sachsen hängen geblieben. Diese Situation haben wir vorgefunden. Von daher war es in der Abwicklung der Projekte sowohl meinem Amtsvorgänger Thomas Jurk als auch mir nicht mehr möglich, gegenzusteuern. Die Vertragssituation war so, wie sie eben war. Wir haben das alles übernommen.

Die Chancen für die Region wurden in der Debatte ebenfalls bereits angesprochen. Ich meine, dass auch zu den Gesamtkosten von 935 Millionen Euro, wie wir sie momentan ermitteln, das Projekt für die Region, die Stadt Leipzig, einen entsprechenden Nutzen bringen wird. Ich bin mir sicher: Wir werden uns in 50 Jahren fragen, wie ÖPNV und SPNV in der Stadt Leipzig ohne City-Tunnel überhaupt funktionieren konnten. Das heißt, die Zeitabläufe werden deutlich machen, dass das Projekt auch zu diesen Kosten gerechtfertigt war.

Lassen Sie mich noch auf das Thema Barrierefreiheit eingehen, weil es in der Debatte angesprochen wurde. Der City-Tunnel und alle Stationen im Projektumfang des Freistaates Sachsen und der Deutschen Bahn AG sind vollumfänglich barrierefrei. Nicht barrierefrei ist der Fußgängertunnel, der unter den Straßen zum Hauptbahn

hof führt. Dieser Fußgängertunnel war nicht Bestandteil des Projektes City-Tunnel, sondern es handelt sich hierbei um einen Auftrag der Stadt Leipzig an die Projektbeteiligten, diesen Tunnel im Zusammenhang mit dem Projekt zu errichten. Der Tunnel wurde so errichtet, wie es die Stadt Leipzig haben wollte. Die Ausführung war Gegenstand einer Beratung im Stadtrat in Leipzig. Dort wurde das Thema ausführlich diskutiert.

An der Stadtratssitzung hat damals auch der Behindertenbeauftragte der Stadt Leipzig, der CDU-Stadtrat Konrad Riedel, mitgewirkt. Er hat keine Einwendungen gegen das Projekt erhoben. Ebenso kamen keine Einwendungen von den Stadträten Volker Külow und Dietmar Pellmann von den LINKEN. Auch der Kollege Weichert von den GRÜNEN hat ebenso wenig einen Einwand gegen die Projektgestaltung erhoben wie ich, der ich damals ebenfalls Stadtrat in Leipzig war. Von daher sollten wir alle zusammen mit Schuldzuweisungen in Richtung des Freistaates zurückhaltend sein. Wenn wir alle, die ich gerade genannt habe, im Leipziger Stadtrat gesessen und ein solches Projekt beschlossen haben, dann kann man nachher, wenn es nicht barrierefrei geworden ist, dem Freistaat Sachsen dafür nicht den Vorwurf machen. Diese Sache müssen wir alle, nicht nur die genannten Personen, sondern auch viele andere Stadträte aus dieser Zeit, kommunalpolitisch mit uns ausmachen.

Zur Frage, wie es mit den Regionalisierungsmitteln und einer Strategie für den Freistaat Sachsen weitergeht. Ich denke, aufgrund des Titels des Tagesordnungspunktes war nicht zu erwarten, dass die Staatsregierung heute einen umfassenden Bericht über ihre Strategie im Zusammenhang mit dem SPNV und den Regionalisierungsmitteln darlegen wird.

Aufgrund der Tatsache, dass wir morgen aber eine mündliche Anfrage zu diesem Thema vorliegen haben und ich aufgrund anderer Termine – ich vertrete den Ministerpräsidenten – nicht an der Fragestunde teilnehmen kann, gestatten Sie mir folgende Ausführungen:

Zur Strategie hinsichtlich der Regionalisierungsmittel habe ich den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in der letzten Sitzung umfangreich informiert. Ich habe über die Ergebnisse der Verkehrsministerkonferenz berichtet und dargelegt, welche Argumente wir als Freistaat Sachsen in den Verhandlungen mit den anderen Bundesländern sowie auf der Verkehrsministerkonferenz,

die als Sonderverkehrsministerkonferenz stattfinden wird, in die Waagschale werfen werden. Frau Jähnigen, der Kollege Weichert war in der Ausschusssitzung anwesend und kann Ihnen sicherlich berichten. Ich bitte Sie aber um Verständnis, dass weder ich heute noch ein Kollege in meiner Vertretung morgen in öffentlicher Sitzung diese Strategie erläutern kann. Es wäre den anderen Beteiligten gegenüber töricht, in öffentlicher Debatte die Strategie zu erläutern.

Ich kann nur so viel sagen: Die Bundesregierung hat in Person von Staatssekretär Bomba im Rahmen der letzten Verkehrsministerkonferenz deutlich gemacht, dass der Betrag der Regionalisierungsmittel für das Jahr 2015 höher ausfallen wird als im absoluten Betrag 2014 und dass es eine weitere Dynamisierung geben wird. Das ist das, was ich hier gern mitteilen kann.

Das Gutachten der Länder zu diesem Thema wird rechtzeitig vor der Sonderverkehrsministerkonferenz vorliegen. Ich bitte Sie um Verständnis, dass wir öffentlich dazu jetzt keine weiteren Ausführungen machen werden. Ich habe aber dem Ausschuss zugesagt, ihn laufend über die Entwicklungen zu unterrichten, und das werde ich tun, so auch in der nächsten Ausschusssitzung.

Unterm Strich, denke ich, bleibt für den Freistaat Sachsen, für die Region Leipzig, für das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz festzuhalten, dass wir bei all den Problemen, die wir in der Projektdurchführung mit dem City-Tunnel und dem Mitteldeutschen S-Bahn-Netz hatten, ein attraktives Angebot für den ÖPNV in der Region geschaffen haben, das dazu führen wird, dass sich immer mehr Menschen bereit erklären, auf Individualverkehr zu verzichten und auf den ÖPNV umzusteigen. Genau das wollten wir gemeinsam erreichen, und das ist uns auch gelungen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses in der Drucksache 5/14344 ab. Wer die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe einige Stimmenthaltungen, ansonsten ist mehrheitlich zugestimmt worden. Ich kann den Tagesordnungspunkt schließen und rufe auf

Tagesordnungspunkt 14

Nachträgliche Genehmigungen gemäß Artikel 96 Satz 3 der Verfassung

des Freistaates Sachsen zu über- und außerplanmäßigen

Ausgaben und Verpflichtungen

Drucksachen 5/14184, 5/14272, 5/14274, 5/14275,

Unterrichtungen durch das Sächsische Staatsministerium der Finanzen

Drucksache 5/14055, Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses

Es ist keine Aussprache vorgesehen. Gibt es dennoch Redebedarf? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Damit stimmen wir nun über die Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses ab. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. –

Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Eine Reihe von Stimmenthaltungen, dennoch ist der Beschlussempfehlung mit Mehrheit zugestimmt worden. Auch dieser Tagesordnungspunkt ist beendet. Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 15

Beschlussempfehlungen und Berichte der Ausschüsse

Sammeldrucksache –

Drucksache 5/14382

Auch hierzu ist keine Aussprache vorgesehen. Wünscht dennoch ein Abgeordneter das Wort zu nehmen? – Das ist nicht der Fall. Gemäß § 102 Abs. 7 der Geschäftsordnung stelle ich hiermit die Zustimmung des Plenums zu den

Beschlussempfehlungen entsprechend dem Abstim

mungsverhalten im Ausschuss fest. Damit ist auch dieser Tagesordnungspunkt beendet und wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 16

Beschussempfehlungen und Berichte zu Petitionen

Sammeldrucksache –

Drucksache 5/14383