Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

Wenn Sie behaupten, Bildung hätte im Freistaat Sachsen keine Priorität, dann muss ich Ihnen sehr deutlich widersprechen: Ein Drittel des gesamten sächsischen Landeshaushaltes geht in die Bildung und Ausbildung unserer Kinder und jungen Menschen in diesem Freistaat Sachsen, und das müssen Sie, bitte schön, auch einmal anerkennen.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Natürlich könnte es auch immer mehr sein, das ist gar keine Frage. Dafür braucht man aber auch noch mehr Einnahmen, und ich bleibe dabei: Wenn Sie eine Grunderwerbsteuer als Gegenfinanzierung nehmen und unser Bundesland Sachsen von der Einkommenstruktur her vielleicht mit Baden-Württemberg oder Bayern vergleichen, dann sind Sie irgendwo falsch gewickelt.

Ich persönlich stehe dazu, dass auch der Bürger, der nicht über ein riesiges Vermögen verfügt oder jeden Monat einige Tausend Euro verdient, in die Lage versetzt werden muss oder sich selbst in die Lage versetzen können muss, Wohneigentum zu bilden. Das negieren Sie an dieser Stelle vollkommen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Das waren eine Kurzintervention und die Reaktion darauf. Wir gehen in der Rednerrunde weiter und für die Fraktion DIE LINKE ergreift Frau Klepsch das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zurück zum eigentlichen Thema. Ich beginne mit einem Zitat: „Um die Betreuungsqualität und die Umsetzung der im Bildungsplan gesetzen Ziele in den Kitas künftig sicherzustellen, setzen wir uns für eine bessere Personalausstattung in den sächsischen Kitas ein.“ – Das ist nicht aus dem Wahlprogramm der LINKEN, sondern aus dem Regierungsprogramm der CDU vom Mai 2014. Ich frage Sie: Ist das ein Lippenbekenntnis oder eine Wahlkampfblase? Ich möchte, dass die CDU heute ganz klar Farbe bekennt: Was wollen Sie in diesem Bereich in den nächsten fünf Jahren erreichen?

(Christian Piwarz, CDU: Das ist ziemlich viel Farbe in letzter Zeit!)

Ich finde es gut, dass die GRÜNEN das Thema heute noch einmal auf die Tagesordnung gehoben haben – vielen Dank dafür. Wenn seit 2005 in diesem Haus um einen besseren Betreuungsschlüssel gerungen wird – so wie die damalige CDU-Ministerin Helma Orosz es 2006 angekündigt hat, als der Bildungsplan eingeführt wurde – und immer noch nichts passiert ist in den neun Jahren, dann ist es richtig, dass wir heute wieder darüber sprechen.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Was hat die CDU in diesen fünf Jahren getan? Sie hat Modellprojekte gemacht, sie hat ein Modell nach dem nächsten durchs Land getrieben. Die Erzieherinnen und Erzieher mussten sich immer wieder auf neue Dinge und Themen einstellen und ihre Arbeit wurde nicht mit einer Verbesserung des Betreuungsschlüssels wertgeschätzt, und das kritisieren wir.

Für diejenigen, die es immer noch nicht wissen – wir haben das aber schon hundert Mal besprochen –, wiederhole ich es: Wenn pro Erzieherin in einer Krippengruppe acht oder neun Kinder bzw. in einer Kitagruppe 19 Kinder sind, dann ist das Aufbewahrung statt Bildung. Das grenzt an Kindeswohlgefährdung.

(Patrick Schreiber, CDU: Unglaublich!)

So sind auch die Rückmeldungen, die wir von vielen Fachkräften bekommen. Erzieherinnen und Erzieher, die langzeiterkrankt sind und nicht mehr können, haben Angst, dass ihnen in der Kita ein Unfall passiert, weil die Gruppen zu groß sind. Das muss geändert werden. Es ist gut, dass sich die Fachpolitiker fraktionsübereifend einig sind. Das erkenne ich schon an, Patrick.

Dass wir seit fünf Jahren oder sogar noch länger um den Betreuungsschlüssel ringen, führt allerdings dazu, dass wir andere Debatten, die im Zusammenhang mit dem Kitabereich ebenfalls dringend notwendig sind, überhaupt nicht führen. Es gibt neue Herausforderungen, über die wir sprechen müssen, zum Beispiel die soziale Integration, die Inklusion und die Migration. Das alles sind Themen, die für die Kitas neu sind und über die wir sprechen müssen.

Da Frau Hermenau zu den Finanzen alles gesagt hat, will ich das weglassen. Mir ist es wichtig, an dieser Stelle noch einmal Folgendes zu erwähnen: Es ist richtig gewesen, dass die Eltern, die Erzieherinnen, die LIGA, die Wohlfahrtsverbände und auch die Gewerkschaften an diesem Thema festgehalten haben; sie haben nicht aufgegeben, sondern gekämpft. Wir müssen diesen Kampf fortsetzen, bis sich – endlich – etwas ändert, nicht nur finanziell, sondern auch im Sächsischen Kitagesetz.

Selbst die CDU-Fraktion kommt an dem Thema nicht vorbei. Das kann man dem Regierungsprogramm entnehmen. Es sind halbherzige Vorschläge, die dort unterbreitet werden. Ich sage auch deutlich: Eine Entlastung der pädagogischen Fachkräfte durch irgendwelche Zusatzkräfte – wie vorgeschlagen – ist der falsche Weg. Den gehen wir als LINKE nicht mit.

(Beifall bei den LINKEN)

Es gibt zwei positive Aspekte der Kitabetreuung in Sachsen: Unser Netz ist sehr gut ausgebaut, und wir haben eine hohe Betreuungsquote. Unsere Fachkräfteverordnung garantiert hohe Mindeststandards. An diesen müssen wir festhalten; sie dürfen nicht aufgeweicht werden, auch wenn der Betreuungsschlüssel verbessert wird.

Richtig geärgert habe ich mich heute früh, als ich in der „Freien Presse“ las: „Omas in die Kitas?“. Ich bin Tino Moritz ausdrücklich dankbar dafür, dass er bei Ministerpräsident Tillich nachgehakt hat, was dieser denn in der Betreuungsschlüsselfrage nun wolle. Es ärgert und es entsetzt mich, wenn Herr Tillich vorschlägt, dass Langzeitarbeitslose oder Omas, die zu viel Zeit haben, plötzlich die Erzieherinnen und Erzieher entlasten sollen.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Unglaublich!)

Das ist Ausdruck einer Missachtung der Fachkräfte.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Das ist eine Missachtung der Menschen, die viele Jahre lang eine Ausbildung absolviert oder studiert haben, damit sie die beste Betreuungs- und Bildungsarbeit in den Kitas leisten können.

(Sebastian Fischer, CDU: Welche Mutter hat denn eine Fachausbildung? Welche Oma hat denn eine Fachausbildung dafür? – Stefan Brangs, SPD: Aber Herr Küchenmeister!)

Ich sage es noch einmal in Richtung CDU: Man kann mit dem Ehrenamt nicht all das abdecken, was an Arbeit in diesem Land zu leisten ist. Die Zeiten, in denen eine Kindertageseinrichtung eine Aufbewahrungsstätte war, sind zum Glück lange, lange vorbei. Der Vorschlag von Herrn Tillich ist eine Ohrfeige auch für das Fachreferat „Kindertagesbetreuung“ im Ministerium. Offenbar hat der Ministerpräsident noch nicht verstanden, dass wir bei Kitas von Bildungseinrichtungen reden. Lässt sich Herr Tillich etwa von einer Krankenpflegehelferin operieren, wenn er ins Krankenhaus geht? Lässt er sein Auto vom Klempner reparieren?

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Thomas Schmidt, CDU: Das ist doch eine Verdrehung der Tatsachen!)

Der bessere Betreuungsschlüssel muss kommen. Der Bildungsplan muss umgesetzt werden. Ich fordere Sie, Frau Kurth, auf: Lassen Sie sich in den Haushaltsverhandlungen bitte nicht abspeisen, sondern setzen Sie durch, dass der Betreuungsschlüssel verbessert wird!

In der zweiten Runde werde ich auf einige weitere fachliche Aspekte – wie von Herrn Fischer gewünscht – eingehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE sprach Frau Klepsch. Die SPD-Fraktion ist jetzt an der Reihe. Es spricht Frau Dr. Stange.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich beginne mit einem Zitat: „‚Wir sind mit unserem Sächsischen Bildungsplan wirklich spitze – aber es kann doch nicht sein, dass wir beim Personalschlüssel die rote Laterne haben‘, findet die CDU-Abgeordnete Ines Saborowski-Richter.“

Recht hat sie! Das ist derselbe Artikel, aus dem gerade Annekatrin Klepsch zitiert hat. Er offenbart, wie zerrissen die CDU-Fraktion in der Positionierung zu dieser Frage ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist noch nicht einmal zehn Jahre her, als die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung an die gesellschaftliche Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern appellierte. Das war der Durchbruch für die Bildungspläne in den Kindertagesstätten. Zum ersten Mal wurde damals von einem bundesweit anerkannten Gremium signalisiert, dass angesichts veränderter Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt und einer generell veränderten Familiensituation Familien allein die Verantwortung für das Aufwachsen der Kinder nicht mehr übernehmen können. Es gibt eine gesellschaftliche Verantwortung.

Ich knüpfe an das an, Herr Küchenmeister, was Sie gerade eingeworfen haben.

(Heiterkeit des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Diese gesellschaftliche Verantwortung beginnt bei der Qualifikation der Fachkräfte in den Kindertagesstätten. Auf diese Qualifikation legen wir seit jener Zeit erheblichen Wert. Längst überwunden ist der Zustand, dass in den Kindertagesstätten die wohlmeinende Mutti oder Oma tätig war; denn die Gesellschaft hat erkannt, dass wir dafür gut qualifizierte Fachkräfte brauchen, die mindestens eine Fachschulausbildung absolviert haben müssen. Seit zehn Jahren ist klar, dass auch eine entsprechende wissenschaftliche Ausbildung benötigt wird, weswegen in Sachsen einige dieser Fachkräfte mittlerweile an Fachhochschulen ausgebildet werden.

Insofern richtet sich mein Dank nochmals an die Abteilung des Ministeriums, die für die Kindertagesstätten zuständig war und ist und die immer, selbst bei dem 5Millionen-Euro-Programm, Wert darauf gelegt hat, dass in den Kindertagesstätten nicht irgendjemand für die Betreuung der Kinder zuständig ist, sondern qualifiziertes Personal.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Jahr 2005 wurde – auf Druck der SPD; das war die Zeit der Großen Koalition – zum letzten Mal die Kita-Pauschale angehoben. Seitdem ist insoweit leider nichts mehr passiert.

Auch wir wollen seit Jahren – das wissen Sie –, dass die Kita-Pauschale angehoben wird. Das soll sich vor allen Dingen in einer Verbesserung des Betreuungsschlüssels umsetzen. Über den Stufenplan ist hier mehrmals diskutiert worden. Wir haben in den Beratungen über die Haushaltspläne für 2010 und 2012 entsprechende Vorschläge unterbreitet; die muss ich hier nicht wiederholen.

(Patrick Schreiber, CDU: Doch, gern!)

Herr Schreiber, ich bin nicht der Meinung, dass es ausreichend ist – der Ministerpräsident meint das aber offensichtlich –, die Kita-Pauschale anzuheben und den Betreuungsschlüssel beiseite zu lassen. Sie haben gestern gesagt – ich habe sehr genau hingehört –, dass es gerade nicht ausreiche, die Kita-Pauschale anzuheben, weil dieses Geld bei den Kämmerern in den Kommunen versickere.

(Patrick Schreiber, CDU: Richtig, ja!)

Der Ministerpräsident ist offenbar anderer Meinung. Auch das kann man in dem Artikel heute nachlesen. Deswegen bitte ich Sie darum, innerhalb der CDU dringend zu klären, in welche Richtung Sie gehen wollen, was diese Frage angeht.

Wir müssen den Betreuungsschlüssel verbessern, ob das in die Vor- und Nachbereitungszeit geht oder in die Senkung des Betreuungsschlüssels zunächst für die Krippe und dann für den Kindergarten. Dafür müssen Sie die Kommunen ausstatten, dazu muss die Kita-Pauschale gesenkt werden. Denn seit dem vergangen Jahr haben wir eine geänderte Verfassung.

(Patrick Schreiber, CDU: Erhöht werden, nicht gesenkt!)

Danke. Das war ein Aufmerksamkeitstest.

(Patrick Schreiber, CDU: Ja, ja!)

Sie muss erhöht werden. Ich weiß, warum die CDU sich so schwertut. Im vergangenen Jahr ist die Verfassung geändert worden. Ich habe dem nicht zugestimmt, weil ich genau diese Auseinandersetzung befürchtet habe.