Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist für DIE LINKE ein zentraler Baustein, wenn wir die Entwicklung des ländlichen Raums betrachten. Das haben wir auch in der Begleitung des Prozesses, der zur Erarbeitung des Landesentwicklungsplanes führte, in diesem Hause verdeutlicht.
Dabei verschränken wir in unserer Betrachtung die Sicherung der ländlichen Regionen – also ihre Stabilisierung –, die Daseinsvorsorgesicherung und die Barrierefreiheit zu einem ganzheitlichen Gedankenansatz. Das ist auch wichtig vor dem Hintergrund der Problemlagen, die die Kollegin vorhin umrissen hat.
Unser Leitbild umfasst unter anderem die klare Orientierung auf die Erreichbarkeit von Grund-, Mittel- und Oberzentren in 30, 60 und 90 Minuten mit dem ÖPNV, eine klare Schulnetzplanung, die vor allem kurze Wege garantiert und somit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert, und ebenso Aussagen zur KitaLandschaft.
Meine Damen und Herren! Die Nahversorgung in den Grundzentren ist vor dem Hintergrund der immer älter werdenden Bevölkerung eine der wichtigsten Herausforderungen, wenn es darum geht, eine möglichst hohe Lebensqualität in den ländlichen Räumen zu sichern. Über die medizinische Versorgung ist vorhin – ich denke, für heute ausreichend – debattiert worden.
Es geht ferner um die Sicherstellung des Brandschutzes und die Gewährleistung der inneren Sicherheit; insoweit spielt die Polizei eine große Rolle. Ein großes Problem ist der Rettungsdienst. Ich darf Ihnen von einer Begebenheit bei einer Veranstaltung, die wir zur Begleitung der Erstellung des Landesentwicklungsplans durchführten, erzäh
len. Eine ältere Dame aus der Nähe von Görlitz sagte mir: „Wissen Sie, Herr Stange, wenn der Rettungswagen nicht mehr in der erforderlichen Zeit zu uns gelangen kann und ich damit um das Leben meines Mannes fürchten muss, dann müssen wir in die Stadt ziehen.“ Vor genau dieser Frage stehen derzeit viele Menschen in den Landkreisen, insbesondere dort, wo Rettungswachen zusammengelegt werden sollen. Wir sind also nicht nur mittendrin im demografischen Wandel, sondern auch mittendrin, die Fragen zu beantworten, die sich daraus ergeben.
Die Sicherung des kulturellen Lebens ist ein Aspekt der Bewahrung der Lebensqualität. Diese erwarten nicht nur ältere, sondern auch junge Menschen, wenn sie in unseren ländlichen Regionen, in unseren Dörfern bleiben sollen.
Wir haben heute die Frage der Medizinischen Versorgungszentren erörtert. Die Gewährleistung guter Pflege ist ebenfalls eine ganz wichtige Herausforderung.
All diese Fragen sind aber für den ländlichen Raum nicht nur Kostenfragen, sondern auch Beschäftigungsfragen. Damit bin ich bei dem Ankerpunkt der Bemühungen, junge Menschen und Familien im ländlichen Raum zu halten. Mit Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnen wir jungen Menschen eine Perspektive, sodass sie im ländlichen Raum bleiben können und für Ausbildung und Studium nicht in die Oberzentren abwandern müssen.
Wir als Fraktion DIE LINKE sehen in dem Antrag der Fraktion der SPD einen wichtigen Hinweis darauf, dass es an der Zeit ist, Bericht zu erstatten – richtig! –, und zwar zu allen Aspekten, die in dem Antrag benannt sind. Darüber hinaus gilt es neue Wege zu gehen, um die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden zu aktivieren und sicherzustellen. Allerdings haben wir Zweifel – zumindest müssen wir viel öfter darüber diskutieren –, ob die „Verehrenamtlichung“ der Ausweg sein kann. Einen ehrenamtlichen Ansprechpartner in den Ortsteilen gewinnen, in denen es keine Ortschaftsräte gibt – das kann als Übergangslösung eine Variante sein. Aber wir als LINKE wollen die Stärkung der Ortschaftsräte und – über deren Wahl – die Stärkung der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.
Fakt ist: Der ländliche Raum umfasst nicht nur Dörfer, sondern auch Ortsteile von Städten, die mittlerweile fast so groß sind wie Leipzig. Liebe Petra Köpping, Sie wissen es von Grimma. Wir können es selbstverständlich nicht zulassen, dass die Beteiligung der Menschen in den Ortsteilen über einen solchen ehrenamtlichen „Lückenbüßer“ abgebildet wird. Wir müssen vielmehr die Ortschaftsräte stärken.
Was die ehrenamtlichen Sozialkoordinatoren angeht, so haben wir besondere Bedenken. Wir sind der Auffassung, dass es nicht Aufgabe eines Ehrenamtlers sein kann, einen Volljob zu leisten. Dieses Problem wird ohne Geld nicht lösbar sein.
Hinsichtlich der aktiven Partizipation der Bürgerinnen und Bürger sind wir anderer Auffassung als Kollege Tiefensee. Wir glauben sehr wohl, dass regelmäßige
Einwohnerversammlungen wichtig sind – wenn denn die Bürgerinnen und Bürger und ihre Ortschaftsräte tatsächlich etwas entscheiden können und auch haushalterische Hoheit in ihrem Bereich haben. Dann werden sie sich wesentlich aktiver beteiligen, wenn es um die Belange in ihren Ortschaften geht.
Die Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft halten wir für einen Ansatzpunkt, um jenen Kulturschaffenden, die sich nicht in Leipzig, Dresden, Chemnitz, Zwickau oder Plauen niederlassen wollen, im ländlichen Raum größere Chancen einzuräumen und diesen mit ihrer Arbeit zu bereichern.
Wir werden den Antrag, wie er heute vorliegt, unterstützen, auch wenn wir in einzelnen Punkten noch Diskussionsbedarf sehen. Wir werden dem Antrag zustimmen und werben dafür, dass Sie das Gleiche tun.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Wir haben uns bereits im Rahmen der Regierungserklärung zum EPLR mit den Problemen und den Lösungsansätzen für den ländlichen Raum intensiv auseinandergesetzt. Demografieaspekte spielten dabei bereits eine Rolle. Der Antrag hätte insoweit ein Anschluss an die Debatte sein können.
Doch das, was in Ihrem Antrag steht, kann – uns jedenfalls – nicht überzeugen. Was Sie hier fordern, geht an der Lebenswirklichkeit der Menschen völlig vorbei. Wenn wir über Demografie sprechen, gibt es drei zentrale, wichtige Punkte: die Bedingungen für den Zuzug von Menschen, Gesundheit und Pflege. Diese wirklich wichtigen Punkte fehlen in Ihrem Antrag. Der „Kümmerer“, wie Sie ihn nennen, ist eine lustige Idee, mehr aber nicht. Damit schaffen Sie keine Fakten, die für die Menschen tatsächlich wichtig sind.
Wenn Sie dem demografischen Wandel entgegentreten wollen, dann müssen Sie für den Zuzug junger Menschen entsprechende Gegebenheiten schaffen. Wichtig ist es, Schulen zu erhalten. Wenn wir die Familien im ländlichen Raum halten wollen, wenn wir die Attraktivität des ländlichen Raums an sich erhalten wollen, dann müssen wir uns Gedanken darüber machen, was wir den Familien bieten können. Dazu gehört es, die Lebensqualität in den Dörfern zu erhöhen, indem wir zum Beispiel die Schulen sanieren.
Aber das ist nicht der einzige Aspekt. Noch wichtiger ist es, dass die Familien Sicherheit und eine Perspektive für ihre Kinder bis in das Erwachsenenalter hinein haben. Deswegen hat sich die FDP für das Schulschließungsmoratorium eingesetzt.
Bis zur Novellierung des Schulgesetzes werden keine Grund- und Oberschulen geschlossen, wenn die Eingangsklasse 20 Schüler zählt. Seit die FDP mitregiert, haben Familien im ländlichen Raum die Sicherheit, dass die Schulen ihrer Kinder nicht in der Existenz bedroht sind. Wir sind der Meinung: Ein Schulschließungsstopp hilft uns wirklich, den ländlichen Raum als Lebensstätte für Familien zu erhalten.
In Ihrem Vorschlag für ein Programm zur sozialen Dorferneuerung steht nichts zur Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum. Das ist aber das A und O für die Menschen dort. Darüber machen sich die Menschen Gedanken. Deswegen ist es wichtig, dass wir die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum sichern. Wenn wir über demografische Probleme im ländlichen Raum reden, dann müssen wir immer die Gesundheitsversorgung im Blick haben.
Wir müssen den ländlichen Raum in einem Gesamtkonzept bedenken. Das Landärztestipendium ist hierzu eine Maßnahme, Investitionszuschüsse für den Erhalt und den Neubau von Praxen eine weiter. Es gilt, eine ganzheitliche Versorgungsstruktur für ältere Menschen, aber ebenso für junge Familien zu schaffen. Die Ärzteversorgung im ländlichen Raum ist hierfür ein wichtiger Pfeiler. Medizinische Versorgungszentren bieten hierfür einen Ansatz.
Die Pflege der Menschen im ländlichen Raum ist ohne Zweifel das Wichtigste, dem wir uns widmen müssen. Wenn wir über Demografie sprechen, müssen wir auch über Pflege reden. Doch dazu steht im Punkt 2 erst einmal gar nichts. Wir brauchen niedrigschwellige Angebote, um die Menschen vor Ort zu unterstützen. Dafür sind zum Beispiel die Alltagsbegleiter da. Es fanden sich überwiegend Seniorinnen im Alter zwischen 71 und 90 Jahren, die das Angebot regelmäßig in Anspruch nehmen. Die Senioren nehmen die Projektangebote gut an und bewältigen ihren Alltag damit selbstständiger. Die Idee des Alltagsbegleiters fand guten Anklang. Viele Teilnehmer der Befragung sprachen sich für die Schaffung weiterer ähnlich strukturierter Projekte aus. Einige Träger konnten aus ihrem Alltagsbegleiterprogramm bereits jetzt eigene neue Initiativen entwickeln. Dazu zählen Begleitdienste, Seniorenzentren sowie die Fortführung des Alltagsbegleiterprogramms ohne die Förderung.
Mehrgenerationenhäuser sind ein weiterer Ansatz, um ein Wohnumfeld zu schaffen, mit dem pflegebedürftige Menschen – bis zu einem gewissen Pflegebedarf natürlich – unterstützt werden können. Mehrgenerationenhäuser dienen als Versorgungsangebot in Verbindung von Wohnen und Pflege. Sie bieten außerdem ein soziales Umfeld und Zusammenhalt für deren Bewohner.
Sachsen hat in den vergangenen Jahren landesweit ein Pflegenetz aufgebaut, das zum Ziel hat, Pflegebedürftige und deren Angehörige umfassend zu beraten, zu betreuen und zu versorgen. Diese Netzwerkarbeit hat sich bewährt.
Außerdem setzen wir uns für eine Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgungsstruktur ein. Bürgerschaftliche Initiativen und Selbsthilfenetzwerke sollten zukünftig stärker in das Pflegenetz integriert werden.
Ich möchte es noch einmal wiederholen: Der demografische Wandel erfordert Anstrengungen im Schulwesen, in der Gesundheitsversorgung und in der Pflege. Dafür gibt es gute Konzepte. Mit den Vorschlägen Ihres Antrages hingegen werden wir den Herausforderungen des demografischen Wandels nicht begegnen können. Wir lehnen ihn deswegen ab.
Mir klingen noch die blumigen Worte von Staatsminister Kupfer im Ohr, der erst im letzten Plenum der Welt erklärte, was Sachsen alles zur Entwicklung des ländlichen Raumes tut und wie sich die blühenden Landschaften entwickeln. Auch an die Kritik der Opposition kann ich mich lebhaft erinnern. Wie ich erwartet habe, hörten wir jetzt schon einen Großteil.
Werte Kollegen von der SPD, Sie arbeiten nach dem Motto „Wiederholen ohne einzuholen“. Um sich aber als ein pfiffiger Koalitionspartner zu empfehlen, sollten Sie die Themen künftig aufgreifen, bevor die Staatsregierung dies getan hat. Aber so schlecht, dass Sie sich verstecken müssten, ist der Antrag nun auch wieder nicht.
Auf den Berichtsteil möchte ich im Folgenden nicht weiter eingehen. Man kann ihn lesen, man wird nicht dümmer davon. Interessant ist da schon Ihr Punkt 2 zur sozialen Dorferneuerung. Meine Damen und Herren, es ist offenkundig, dass der demografische Wandel in den ländlichen Teilen Sachsens eine besondere Dynamik entwickelt und für Veränderungen sorgt. Landauf, landab wird beklagt, dass sich die ländlichen Räume entleeren. Mangels wirksamer Gegenstrategie werden Infrastruktur, Gesundheitsversorgung, Mobilitätsangebote an die
abnehmende Bevölkerung angepasst und damit Arbeitsplätze und Lebensqualität immer weiter abgebaut und die Landflucht weiter beschleunigt.
Während Teile der Politik angesichts dessen in scheinbare Schockstarre verfallen sind, andere Analysen und Studien beauftragen und wieder andere Heimatpakete an die Wegzügler senden, haben sich einige Heimattreue in den Regionen längst auf den Weg gemacht. Sie haben überlegt, wie sie ihr Zuhause besser in Wert setzen können, damit Arbeitsplätze erhalten oder geschaffen werden und die Menschen in der Region bleiben. Diese Aktivitäten gilt es zu unterstützen. Es geht also um Menschenförderung und nicht um Sachförderung oder abstrakte Programme. Das sollte die Staatsregierung zuallererst im
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Fehler steckt schon im Titel des Programms „Soziale Dorferneuerung“. Ländlicher Raum ist nicht gleich Dorf. Soziale Dorferneuerung ist ein sperriger Begriff, der es nicht trifft. Sie vergessen die wichtigen Grundzentren in den ländlichen Räumen, die urbanen Charakter haben und die enorm wichtig für die Infrastruktur sind. Ich fände es besser, wenn das Ganze sich so ähnlich wie „Zukunftsmanagement in Sachsens ländlichen Regionen“ nennen würde.
Meine Damen und Herren, die Idee, Ehrenamtliche als Ansprechpartner in den Ortsteilen einzusetzen, in denen es keine Ortschaftsräte gibt, welche die Lücke zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und den Bürgermeistern schließen – Kümmerer, Dorfmanager –, ist nicht neu. Aber es geht doch nicht nur um den Kontakt zum Bürgermeister, der immer weniger Handlungsspielraum hat, sondern auch um Lokalbudgets oder Regionalbudgets, die nicht zweckgebunden eingesetzt werden können mit Konditionen, wie zum Beispiel einer Beteiligungspflicht. Neben den Dorfmanagern wünschen Sie sich ehrenamtliche Sozialkoordinatoren, die Informationsdrehscheibe für soziale Aktivitäten sein sollen. Einmal mehr sollen es die Ehrenamtlichen leisten, die nichts kosten und hin und wieder mit einem Ehrenamtspreis, einer Ehrenamtskarte oder auch mit einem feuchten Händedruck belohnt werden.
Meine Damen und Herren, so funktioniert das aber nicht. Ehrenamtliche sind in ländlichen Regionen schon mehr als zugepackt und wieder will man alles dahin abschieben. Es braucht Geld, am besten freies, sonst funktioniert das nicht, wie die Erfahrung gezeigt hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, manchmal frage ich mich ernsthaft, in welchem Jahrzehnt Sie gerade unterwegs sind. Wer kommt denn heute noch zu regelmäßigen Einwohnerversammlungen oder Einwohnerfragestunden, die dann vielleicht noch im Klub der Volkssolidarität stattfinden. Das macht man doch schon lange nicht mehr. Längst gibt es richtig gute neue Methoden, wie Haushaltsbrunch, Zukunftswerkstatt, Tag der offenen Baustellentür usw. usf. Darauf haben die Menschen mehr Lust, aber – und da sind wir wieder bei den Menschen – dafür braucht es kompetente Ansprechpartner. Jede Kommune bräuchte mittlerweile ein eigenes Zukunftsbüro, das damit beschäftigt ist, Projektmittel zu akquirieren, Beteiligungsprozesse zu organisieren, Bürgerhaushalte zu stricken und Netzwerkarbeit zu leisten.
In der Begründung des Antrages beschreiben Sie den Würgegriff des demografischen Wandels im ländlichen Raum, aber bei so einer Beschreibung beginnt das Problem ja schon. Wenn Sie den ländlichen Raum so darstellen, wer soll dann noch Lust bekommen, dorthin zu ziehen. Laut Leibniz-Institut für Länderkunde kommen Rückkehrer nach Ostdeutschland. Sie kommen zwar nicht in Massen, aber immerhin. Es handelt sich unter anderem
Meine Damen und Herren, dieser Antrag ist hinsichtlich seiner Intention gut. Die Forderungen sind aber ein bisschen zu angestaubt und der Blick der SPD im ländlichen Raum scheint einen kleinen Grauschleier zu haben. Darum werden wir uns enthalten.