Meine Damen und Herren, da der vorliegende Entschließungsantrag in allen drei Punkten abgelehnt wurde, erübrigt sich eine Schlussabstimmung. Der Entschließungsantrag mit der Drucksachennummer 6/2120 ist abgelehnt und der Tagesordnungspunkt damit beendet.
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde, wie immer: CDU, SPD, DIE LINKE, AfD, GRÜNE; Staatsregierung, wenn gewünscht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mit vorliegendem Antrag möchten wir ein Vorhaben des Koalitionsvertrages umsetzen. Im Bereich der frühkindlichen Bildung wollen wir die Zusammenarbeit aller Akteure im jeweiligen Sozialraum mit den örtlichen Kindestageseinrichtungen forcieren und stärken, indem wir Kindestageseinrichtungen zu Eltern-Kind-Zentren entwickeln.
Dafür haben wir im Rahmen des Doppelhaushaltes 2015/2016 insgesamt 1 Million Euro zur Verfügung gestellt. Ziel unseres Anliegens ist es ausdrücklich nicht, dass die Erzieher in den Kindertagesstätten zusätzliche Beratungsleistungen oder therapeutische Leistungen für Kinder oder gar Eltern übernehmen müssen. Wir wollen die Kompetenzen der Einrichtungen insofern stärken, als sie von den Eltern als erster Ansprechpartner für eventuell vorhandene Probleme verstanden und angenommen werden.
Von dort sollen ihnen dann die Beratungsangebote direkt vor Ort vermittelt oder, wenn möglich, soll die Beratung sogar ins Haus geholt werden. Dabei sind die anstehenden Probleme so verschiedenartig wie die Sozialräume selbst, in denen wir leben. Als Beispiel würde ich Ihnen gern den Leipziger Stadtbezirk nennen, in dem ich mein Wahlkreisbüro habe. Der Anteil der dort lebenden Menschen mit Migrationshintergrund liegt bei 32,5 %. Nein, meine Damen und Herren, ich spreche nicht von BerlinNeukölln – wir sind hier in Sachsen –, ich spreche von
Leipzig–Volkmarsdorf. Der multikulturelle Bevölkerungsmix in diesem Stadtteil stellt uns logischerweise vor Aufgaben, die sich in anderen sächsischen Gemeinden – schon in anderen Leipziger Stadtteilen – ganz anders darstellen. In Volkmarsdorf haben wir Grundschulklassen, in denen der Ausländeranteil bei über 60 % liegt. Das sind Gegebenheiten, meine Damen und Herren, mit denen wir in diesem speziellen Sozialraum sehr sorgsam umgehen müssen.
Unsere Aufgabe besteht darin, auf ein Zusammenleben von Deutschen und Migranten hinzuarbeiten, das von gegenseitigem Respekt und Verständnis geprägt ist. Hierbei sollten wir bereits unsere Kleinsten einbeziehen. Bei der Weiterentwicklung von Kitas in diesem Stadtteil würde es beispielsweise Sinn machen, wenn man den Schwerpunkt bei der Sprach- und Kulturvermittlung ansetzt. In anderen Regionen des Freistaates müssen sicherlich andere Prioritäten gesetzt werden.
Vergangene Woche war ich bei der Eröffnung einer neuen Kita in Volkmarsdorf. Deren Arbeit wird sich integrativ auf diese multikulturelle Bevölkerungsstruktur einstellen und ausrichten. Deutsche Kinder werden die Gelegenheit bekommen, fremde Kulturen kennen- und verstehen zu lernen. Ausländische Kinder kommen frühzeitig mit kulturellen Wurzeln, mit Werten und Moralvorstellungen in Deutschland in Berührung. Das alles wird die Akzeptanz, den Respekt und hoffentlich auch das Verständnis für den anderen fördern. Ich halte das übrigens ganz allgemein für eine wichtige Grundlage guter Nachbarschaft.
Die Idee, Kindertageseinrichtungen im Rahmen eines sächsischen Modellprojektes zu Eltern-Kind-Zentren weiterzuentwickeln, ist spannend, vor allem im Hinblick auf die Verschiedenartigkeit der jeweiligen Sozialräume. Ich habe es vorhin mit meinem Beispiel illustriert.
Ein ähnliches Modellprojekt wurde zwischen 2009 und 2012 in einer Reihe von Kindertagesstätten der Stadt Leipzig durchgeführt. Die Ergebnisse sind durchaus beachtlich. In Leipzig war die sozialräumliche Öffnung und Vernetzung der Kindertagesstätten durchaus eine Art Ideologiewechsel. Angebote für Eltern wurden nicht mehr nur als zeitlich begrenzte Maßnahme verstanden. Es ging um die Schaffung eines Ermöglichungsraumes. Die Familien sollten von Akteuren im Stadtteil, aber auch untereinander voneinander erfahren und die Möglichkeit bekommen, Netzwerkbeziehungen aufzubauen. Der
Grundgedanke hinter der Einbettung von Familienbildungsangeboten war es, den Zugang möglichst niedrigschwellig zu gestalten.
Beim Modellprojekt in Leipzig sollten die Angebote die Eltern nicht überfordern. Sie sollten den Eltern die Möglichkeit geben, miteinander in Kontakt zu kommen, sich auszutauschen, voneinander und miteinander zu lernen. Den Eltern sollte außerdem die Möglichkeit geboten werden, bewusst Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Für das Modellprojekt des Freistaates fehlt bisher das inhaltliche Konzept. Deshalb wollen wir die Staatsregierung auf diesem Weg beauftragen, dem Hohen Haus ein solches Konzept bis zum 31. Oktober 2015 vorzulegen. Dafür bitte ich ganz herzlich um Ihre Zustimmung.
Das war Herr Gasse für die CDU-Fraktion. Als Nächste spricht jetzt Frau Kollegin Pfeil für die SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in einer Zeit, in der Mobilität und Flexibilität fast schon Einstellungsvoraussetzungen sind und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine zentrale Frage der Familiengründung ist.
Die Lebensformen und die Familienmodelle werden vielfältiger und das soziale Netz „Familie und Nachbarschaft“ unterliegt dem Wandel der Zeit. Familie funktioniert schon längere Zeit nicht mehr selbstverständlich oder gar automatisch. Große Unterstützung erhalten Familien jedoch in den Kindertageseinrichtungen. 97 % aller Kinder ab drei Jahren besuchen in Sachsen einen Kindergarten. Sie sind nicht nur Orte der Bildung und Betreuung, sondern auch Orte des Vertrauens für die Eltern. Sie wissen, dass sich ihre Kinder hier wohlfühlen, dass sie gefördert und behütet werden.
Genau an dieser Stelle setzt der Grundgedanke an, der hinter dem Begriff „Eltern-Kind-Zentren“ steckt, und zwar an jenen Orten, die so ein großes Vertrauen genießen, auch Angebote für die Familien zu etablieren. Wir wollen dieses Potenzial nutzen, um für Eltern ein Ansprechpartner zu sein und ihnen ein wohnortnahes Angebot der Familienhilfe anzubieten. Mit den Eltern-KindZentren soll kein neuer Einrichtungstyp etabliert werden. Wir wollen vor Ort vorhandene Ressourcen erschließen,
nutzen und erweitern. Ziel unserer Familienpolitik ist es, Eltern bei der Umsetzung ihrer besonderen Verantwortung zu stärken. Durch die Bündelung der Angebote verschiedener Träger sollen Bildung, Erziehung und Betreuung in Eltern-Kind-Zentren mit bestehenden Angeboten der Familienberatung und Familienbildung zusammengeführt werden. Damit sind sie für Eltern leichter zugänglich und Familien können schneller und unkomplizierter Hilfe und Unterstützung in Anspruch nehmen.
Durch eine frühe Beratung und ein breites Angebot an Information und Hilfe in allen Lebenslagen kann nicht nur zielgerichtet geholfen, sondern auch eine wichtige präventive Arbeit geleistet werden. Gerade Familien in schwierigen Lebenslagen können passgenaue und niedrigschwellige Hilfen angeboten werden. So sind es doch besonders Familien in Belastungssituationen, die sich scheuen, Beratungs- und Bildungseinrichtungen aufzusuchen. Der Ansatz der Eltern-Kind-Zentren bietet ein Angebot, das Familien an einem Ort erreicht, den sie täglich aufsuchen und dem sie vertrauen. Natürlich bietet man auch Familien mit Migrationshintergrund in einem Eltern-Kind-Zentrum durch integrative Angebote bzw. spezielle Angebote für zugewanderte Familien einen einfachen Zugang.
Um diesen Weg zu beschreiten – mein Kollege hat es eben gesagt –, wird im Antrag vorgeschlagen, bis zum 31. Oktober 2015 ein inhaltliches Konzept zu entwickeln, wie im Rahmen eines Modellprojektes Kindertageseinrichtungen zu Eltern-Kind-Zentren weiterentwickelt
werden können, und zwar unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände, der Vertreter der freien Träger von Kindertageseinrichtungen, des Landesjugendhilfeaus
schusses, aber auch der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen sowie der Elternvertretungen. Dabei sollen Erfahrungswerte aus bereits in Sachsen und anderen Bundesländern bestehenden Eltern-Kind-Zentren berücksichtigt werden.
ermöglicht werden können und welche Unterstützung vor Ort gegeben ist. Mein Kollege hatte darauf hingewiesen, wie unterschiedlich das regional bei der Frage Stadt oder Land sein kann. Auch muss geprüft werden, welche Beratungen in einer Kita überhaupt angeboten werden können und welche nicht. So spielt auch die Frage der Anonymität bei manchen Beratungsformen eine recht große Rolle und gehört vielleicht auch nicht unbedingt an diesen Ort.
Für die Umsetzung des Projektes stehen über den Haushalt in den Jahren 2015 und 2016 jeweils 500 000 Euro zur Verfügung. Ich bin mir sicher, das ist gut investiertes Geld. Es wird in den Einrichtungen ankommen und macht unsere Familien stärker.
Ein wichtiger Punkt aus dem Koalitionsvertrag wird damit umgesetzt und wir erhöhen die Qualität der frühkindlichen Bildung in Sachsen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Zunehmend sind ungleiche Bildungschancen vor allen Dingen für Kinder aus sozial benachteiligten Gebieten, die Zunahme verhaltensauffälliger Kinder von Sprachstörungen, Bewegungsarmut, falschen Ernährungsweisen zu verzeichnen. Alle diese individuellen Lebenssituationen erfordern ein pädagogisch individuelleres Wirken von pädagogischen Fachkräften unter Einbeziehung und Begleitung der Kinder und ihrer Familien/Eltern.“ – Zitatende.
Das, meine Damen und Herren, hätte aus dem Programm der LINKEN sein können, ist es aber nicht. Ich zitierte zum wiederholten Male aus dem kinder- und jugendpolitischen Papier des Sächsischen Landkreistages vom November 2013. Seit der Erarbeitung des Papiers ist viel Wasser die Elbe hinuntergeflossen und es hat eine Landtagswahl stattgefunden. Ich darf anmerken, DIE LINKE fordert seit vielen Jahren in diesem Hohen Haus eine gezielte Familienbildung in den sächsischen Kindertagesstätten.
Im schwarz-roten Koalitionsvertrag vom Herbst 2014 durften wir nun lesen, dass es auch in Sachsen ElternKind-Zentren geben soll. Auf meine Nachfrage vom April dieses Jahres antwortete mir das Kultusministerium, dass man ohne einen beschlossenen Haushalt noch gar nichts zu diesem Projekt sagen könne. Das fand ich verwunderlich, denn schließlich sollen die 500 000 Euro pro Jahr hoffentlich in die Arbeit der Kitas fließen und nicht als Planungskosten versickern.
Jetzt haben wir Juli und Sie wollen nun mit Ihrem Antrag die Regierung beauftragen, ein Konzept für ein Modellprojekt zu entwickeln. Das ist doch nicht Ihr Ernst!
Nach Jahren der Projektitis in der sächsischen Kinder- und Jugendhilfe, nach unzähligen Landes- und Bundesmodellprojekten, in denen durch die Kindertageseinrichtungen ausprobiert und evaluiert wurde – ich nenne nur Familienbildung in Kooperation mit Kindertagesstätten oder das Landesmodellprojekt „Sprache fördern“ oder das Modellprojekt „Konsultationskitas“ –, kommen Sie mit einem Modellprojekt um die Ecke. Ich will Sie noch einmal daran erinnern: Die sächsischen Kommunen klagen seit Jahren über unendlich steigende Kosten für die Hilfen zur Erziehung, auf die bekanntlich ein Rechtsanspruch besteht. Zuletzt waren es mehr als 180 Millionen Euro nur in Sachsen für alle Kommunen.
Doch anstatt den bekannten Problemen wirksam, gezielt und in der Fläche zu begegnen, schließt sich ein befristetes Projekt an das nächste an. Da spreche ich noch nicht davon, wie es gelingen kann, wenigstens die Hälfte der mehr als 2 800 Kitas in Sachsen zu erreichen, oder wie
wir dahin kommen, multiprofessionelle Teams in den Kitas zu etablieren. Dann müssten wir nämlich auch über die Fachkräfteverordnung und Erzieherausbildung sprechen.
Ich darf daran erinnern, dass mit dem Modellprojekt „Familienbildung in Kooperation mit Kindertageseinrichtungen“ aus dem Jahr 2004 – vor elf Jahren – bereits ein wissenschaftlicher Abschlussbericht vorliegt; er ist im Internet zu finden auf „familie.sachsen.de“.
Wir sind uns einig, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, dass es angesichts gestiegener Anforderungen an das System Familie und an berufstätige Eltern erhöhte Erwartungen auch an die Erziehungsfähigkeit von Eltern sowie durch kumulierte soziale Problemlagen in bestimmten Ortsteilen gibt und es dadurch einer besseren Unterstützung für Familien bedarf. Diese Unterstützung ist eben nicht mit Ehegattensplitting, sächsischen Familientagen oder Betreuungsgeld zu leisten. Die benötigte Form der Unterstützung – da sind wir wieder beim Programm – hat vor allem mit Vertrauen, mit Beziehungsarbeit und mit Wertschätzung zwischen Fachkräften und Eltern zu tun.
Ein viel gelobtes und über die Jahre entwickeltes Programm hat die Landeshauptstadt Dresden vorzuweisen, denn die vielerorts beklagten Probleme, wie von Herrn Gasse angesprochen: Entwicklungsverzögerungen der Kinder und Erziehungsdefizite, gepaart mit verstärkten sozialen Problemlagen, zum Teil auch Migration, sind auch in Sachsen mindestens seit der Jahrtausendwende zu beobachten.
Bereits 2005, also vor zehn Jahren, startete deshalb die Stadt Dresden das Programm KiNET „Frühprävention, Sozialisation und Familie“. Seit 2010 heißt das Programm „Aufwachsen in sozialer Verantwortung“ und wurde inzwischen auf weitere Stadtteile übertragen und wissenschaftlich begleitet.
Ebenfalls bereits vor zehn Jahren – deshalb will ich betonen, Eltern-Kind-Zentren sind nun wahrlich nichts Neues –, im Oktober 2005, legte das Deutsche Jugendinstitut einen Grundlagenbericht im Auftrag des Bundesfamilienministeriums zu Eltern-Kind-Zentren vor als die neue Generation kinder- und familienfördernder Institutionen. Sachsen ist also wieder einmal ganz weit vorn mit einem neuen Modellprojekt, und wenn der Landtag heute beschließt, dass die Regierung ein Modell entwickeln soll, dann hechelt Sachsen leider, wie so oft, einer bundesweiten Entwicklung hinterher.
Kommen wir zu Punkt 2. Hier fordern Sie richtigerweise die breite Einbeziehung der kommunalen Spitzenverbände, der freien Träger und des Landesjugendhilfeausschusses. Wenn das Konzept jedoch bereits am 31. Oktober dieses Jahres dem Landtag vorgelegt werden soll und vorher noch durchs Kabinett muss, dann ist es fraglich, wie eine ernst gemeinte Einbeziehung innerhalb von zwei Monaten funktionieren soll. Aber vielleicht haben Sie ja Glück und das zuständige Referat im Kultusministerium hat doch schon vorgearbeitet.
Unterschiedlichste Konzepte zu Eltern-Kind-Zentren liegen aus mehreren Bundesländern vor; ich verweise auf Thüringen und auf Brandenburg. Jetzt gilt es für Sachsen, das beste Modell in die Fläche zu implementieren, und da werden die 500 000 Euro kaum ausreichen, wenn der finanzielle Mehraufwand dieses richtigen Ansatzes nicht bei den Kommunen hängenbleiben soll.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fraktion DIE LINKE wird sich deshalb bei diesem Antrag enthalten – nicht, weil die Richtung verkehrt ist, sondern weil es wieder nur um ein Modellprojekt geht, das nicht ausfinanziert ist, und weil wir stattdessen einen grundsätzlich anderen Ansatz für die Weiterentwicklung der sächsischen Kitas brauchen.