Protokoll der Sitzung vom 22.06.2016

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 36. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir alle sind erschüttert durch die Mordanschläge von Extremisten auf Polizisten, Mitbürger und Politiker; besonders erinnert sei an unsere britische Kollegin Cox. Das alles mahnt und erinnert uns an ein kostbares Gut, das uns manchmal vielleicht zu selbstverständlich geworden ist: den Frieden in unseren Gesellschaften und zwischen den Staaten.

Meine Damen und Herren! Heute vor 75 Jahren überfiel das nationalsozialistische Deutschland die Sowjetunion und entfesselte einen Vernichtungskrieg, der das Land über 20 Millionen Opfer kostete, unermessliches Leid brachte und in dem unvorstellbare Verbrechen begangen wurden. „Eingedenk eigener Schuld“, wie es in der Präambel unserer Verfassung heißt, erinnere ich an die Lehren, die unser demokratisches und auch mithilfe der Sowjetunion wiedervereinigtes Land aus der Geschichte gezogen hat. Der Frieden in Europa muss auch und besonders durch ein gutes und partnerschaftliches Miteinander von Deutschland und Russland gesichert werden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute gibt es drei Geburtstagsjubilare: Frau Silke Grimm, Frau Dr. Claudia Maicher und Herr Gunter Wild. Ich gratuliere Ihnen zu diesem Ehrentag.

(Beifall)

Folgende Abgeordnete haben sich zur heutigen Sitzung entschuldigt: Frau Lauterbach, Frau Pfeil, Frau Klotzbücher.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Weiterhin liegt mir das Verlangen nach einer Erklärung außerhalb der Tagesordnung durch Herrn Kollegen Rico Gebhardt vor. Nach § 91 der Geschäftsordnung kann der amtierende Präsident eine solche Erklärung vor Eintritt, nach Schluss, durch Unterbrechung oder Vertagung der Aussprache zulassen. Der Wortlaut der gewünschten Erklärung liegt mir vor. Die Erklärung betrifft die Vorkommnisse in der 1. Aktuellen Debatte der vorletzten – der vorletzten! – Plenarsitzung. Unter anderem geht es um eine nachträgliche Ordnungsmaßnahme.

Nach § 96 Abs. 5 der Geschäftsordnung wäre eine derartige Ordnungsmaßnahme in der heutigen 36. Sitzung unzulässig. Ich bitte die Fraktion DIE LINKE daher noch einmal um Überprüfung der Erklärung und werde Ihnen, Kollege Gebhardt, gemäß § 91 der Geschäftsordnung nach Schluss der Tagesordnung das Wort erteilen.

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Was soll denn das?)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 2 bis 9 folgende Redezeiten festgelegt: CDU 120 Minuten, DIE LINKE 80 Minuten, SPD 64 Minuten, AfD 56 Minuten, GRÜNE 40 Minuten, Staatsregierung 80 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Ich sehe keine Änderungswünsche zur Tagesordnung. Die Tagesordnung der 36. Sitzung ist bestätigt. Wir treten also in diese ein.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Digitale Offensive – Breitbandausbau und Reform der

Störerhaftung bei öffentlichem WLAN – Wir gestalten Sachsens Zukunft

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

2. Aktuelle Debatte: Die staatliche Porzellanmanufaktur Meissen –

Tradition stärken, Vertrauen wieder herstellen, Experimente beenden!

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Die Festlegung der Gesamtredezeit hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 25 Minuten, SPD 18 Minuten, AfD 14 Minuten, GRÜNE

10 Minuten; Staatsregierung zwei Mal 10 Minuten, wenn gewünscht.

Wir kommen zu

1. Aktuelle Debatte

Digitale Offensive – Breitbandausbau und Reform der Störerhaftung

bei öffentlichem WLAN – Wir gestalten Sachsens Zukunft

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Als Antragstellerinnen haben zunächst die Fraktionen CDU und SPD das Wort. Es ergreift für die CDU-Fraktion Kollege Rohwer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland ist mittlerweile in vielen Bereichen wieder Weltspitze: Wir sind Fußball-Weltmeister. Wir sind Export-Vizeweltmeister. Auch bei der technischen Weiterentwicklung der Erzeugung erneuerbarer Energien sind wir weit vorn dabei. Die hohe Arbeitsproduktivität könnten wir natürlich auch nennen.

Aber beim Ausbau der digitalen Entwicklung sind wir leider nur Mittelmaß. Besonders deutlich wird dies aus meiner Sicht, wenn wir uns die WLAN-Hotspots anschauen. Von diesen haben wir in Deutschland circa 15 000. Das viel kleinere Taiwan hat schon doppelt so viele.

Der Grund ist, dass es bisher wegen einer unklaren Rechtslage große Haftungsrisiken für die Anbieter von WLAN-Zugängen gegeben hat. Die Anbieter der bereitgestellten Verbindung hätten für Rechtsverletzungen, die andere begangen haben, haften müssen. Dies hat dazu geführt, dass sich Cafés, Hotels, aber auch andere Anbieter nicht so engagiert haben, wie es im asiatischen und im amerikanischen Raum bereits üblich ist. Es gibt auch gute Beispiele in Europa. Beziehen wir die Zahl der Hotspots auf die Einwohner, stellen wir fest, dass es in Deutschland gerade einmal 1,9 Hotspots pro 10 000 Einwohner gibt, während es in Großbritannien 28,7 und in Südkorea sogar 37,4 sind.

Die Bundesregierung hat mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes die richtige Entscheidung getroffen. Mit diesem Vorstoß wird nun der Haftungsausschluss wirksam. Der Bundesrat hat am 17. Juni 2016 ebenfalls zugestimmt.

Warum diskutieren wir dann heute in diesem Parlament, dem Sächsischen Landtag, in einer Aktuellen Debatte darüber? Jetzt geht es natürlich darum, dass es weitergeht. Die Gesetzesänderung war nur ein Zwischenschritt.

Hier hat die Staatsregierung vorgearbeitet, und das wollen wir hervorheben. Mit der neuen Richtlinie, mit dem DiOS-Programm, Digitale Offensive Sachsen, sind wir aus unserer Sicht gut aufgestellt, jetzt auch diesen Vormarsch weiter voranzutreiben. Wir können das auch schon sehen. Die Initiative D 21, die immer einen entsprechenden Index herausgibt, hat uns im aktuellen Index von Platz 12, auf dem wir einmal gestanden haben, auf Platz 8 nach vorne gerückt, nicht weil sie das so wollen, sondern weil wir offensichtlich vorangekommen sind. Wir haben

also auch extern die Überprüfung, dass unsere Politik an dieser Stelle die richtige ist.

Trotzdem sind wir alle noch nicht zufrieden, denn es wird viel darüber diskutiert, wie es mit dem Breitband weitergeht. Es gibt Regionen, die noch keinen Breitbandausbau haben. Die Bundesregierung hat das flächendeckende Ziel von 50 Mbit/s ins Auge gefasst und angekündigt, dieses umzusetzen. Aus der Sicht des Freistaates Sachsen kann das nur ein Minimalziel sein. Da sind wir mit den 100 Mbit/s als Zwischenziel im Freistaat Sachsen schon weiter nach vorn gerückt, aber auch das wird langfristig nicht ausreichen. Dessen sind wir uns bewusst. Die Bandbreiten müssen am Bedarf der Wirtschaft und nicht zuletzt an den Interessen der privaten Nutzer ausgerichtet werden.

Nachdem wir auf Bundesebene diese Entscheidung getroffen haben, jetzt von der Störerhaftung wegzugehen, bleibt nun die Entscheidung beim mündigen Bürger, wie er das Netz nutzt, was er tut und wie er sich vor Angriffen anderer auf seine Internetnutzung schützt. Damit komme ich zu einem Punkt, der uns wichtig ist und den wir bestimmt in weiteren Runden unserer Aktuellen Debatte diskutieren werden. Das heißt auch, dass wir die Menschen entsprechend fähig machen müssen, das Netz sicher zu nutzen. Das heißt in der Konsequenz, dass wir in der Diskussion um das neue Schulgesetz für den Freistaat Sachsen auch das Thema digitale Bildung ins Auge fassen. Es gehört in dieses Schulgesetz hinein.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit in der ersten Runde.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das war gerade Herr Kollege Rohwer für die einbringende CDU-Fraktion. Es schließt sich jetzt Kollege Mann für die einbringende SPD-Fraktion an.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, Ihr Archiv steht nicht mehr im Schrank oder im Bücherregal, sondern liegt in einer digitalen Cloud im Netz, Ihre Arbeitsprozesse können rund um den Planeten mit anderen geteilt werden und sind automatisch dokumentiert.

Sie werden durch den Straßenverkehr geführt mit einem Navigationsgerät, das in Echtzeit Verkehrssituationen erfasst und die beste Route auswählt. Ihr Kalender liegt im Internet, hat mehrere Schichten für Ihre sozialen Aufgaben, Rollen und Interessen, kann live ins Internet gestellt oder mit Ihren Partnern geteilt werden. Ihre Fotos werden sofort ins Internet hochgeladen, sind nutzbar,

verfügbar für Ihre Öffentlichkeitsarbeit oder Geschäftsprozesse. Sie erledigen Ihre Finanzgeschäfte online weitgehend bargeldlos. Mit Ihren Kollegen, Freunden, ja selbst mit Ihrer Familie kommunizieren Sie regelmäßig über bis zu drei verschiedene soziale Netzwerke. Und – aller digitaler Brief- und Postverkehr wird zentral in einem Postfach gesammelt.

All diese kleinen Szenarien, die ich eben beschrieb, passen in Ihre Brieftasche oder in Ihr Smartphone. Nein, kein Zukunftsszenario, sondern ein aktuelles Beispiel von vielen in Sachsen.

Jetzt, meine Damen und Herren, stellen Sie sich einmal kurz vor, wie dieses Szenario vielleicht in zehn Jahren aussieht. Denken Sie einmal darüber nach!

Genauer gesagt, meine Damen und Herren: Das ist meine persönliche Lebens- und Arbeitswelt in einer vernetzten Umgebung. Das aber ist sie nur, weil ich in Sachsen vor allem zwischen Leipzig und Dresden pendele. Die Realität in Sachsen sah im letzten Jahr noch deutlich trüber aus, und – im Unterschied zu Kollegen Rohwer – man kann verschiedene Zahlen und Studien heranziehen, Sachsen war beim Breitbandausbau im Bund im letzten Jahr auf dem vorletzten Platz. Der Nutzungsanteil der Sächsinnen und Sachsen ist einer der hinteren Plätze im Bundesvergleich. Das ist schlimm genug, doch zu diesen Fakten kommt: Unter den öffentlichen Institutionen sind ausgerechnet Schulen diejenigen, wo flächendeckend bestenfalls zwei Mbit/s anliegen. Wir könnten uns jetzt darüber erheben, aber, meine Damen und Herren, Sie alle haben Erfahrungen mit der Nutzung des Internets hier im Sächsischen Landtag gemacht. Ich könnte mit einem Beispiel von heute Morgen dazu beitragen.

Wir, die SPD und die CDU, haben uns deshalb ganz klar im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass wir diese Entwicklung voranbringen wollen und voranbringen müssen. Sie haben in den letzten Wochen unter anderem die Einigung zur Abschaffung der Störerhaftung, insbesondere mit dem Ziel eines deutlichen Ausbaus frei zugänglicher WLAN-Netze, mitbekommen. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich allen in der Staatsregierung, nicht zuletzt unserem Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Martin Dulig, für die Unterstützung dafür danken.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Die DiOS-Richtlinie, auf die schon Bezug genommen wurde, ist in Kraft. Wir haben uns, wie die Bundesregierung, ambitionierte Ziele gestellt und das auch mit entsprechenden Geldern untersetzt: 50 Mbit/s bis 2018 flächendeckend in Sachsen, bis 2025 100 Mbit/s, weil wir wissen, dass diese 50 Mbit/s insbesondere für die sächsische Wirtschaft kaum ausreichen werden.

Dass man, wenn man aktiv ist, „daheeme“ in Sachsen dieser Entwicklung mit findigen Menschen „Beene machen“ kann, das wird Ihnen dann mein Kollege Henning Homann in der zweiten Runde noch skizzieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Infrastrukturfrage dieser Dekade ist eben nicht mehr, ob eine Gemeinde ans Bundesstraßennetz angeschlossen ist, sondern, ob die Datenautobahnen ausgebaut sind und hohe Geschwindigkeiten ermöglichen. Bei allen Risiken, über die wir reden müssen, was wir heute auch in der Aussprache zum Bericht des Sächsischen Datenschutzbeauftragten tun werden, tun wir Sozialdemokraten das in dem Bewusstsein, dass die Digitalisierung vor allem Chancen für Menschen, Staat und Wirtschaft bereithält. Ja, ich bin der festen Überzeugung, sie ist sogar Voraussetzung dafür, dass wir auch in Zukunft flächendeckend und zeitnah die Versorgung mit aktuellen Informationen, staatlichen und privaten Dienstleistungen, aber auch Bildung gewährleisten können.