Protokoll der Sitzung vom 11.08.2016

Wir erwarten in den Jahren 2017 und 2018 eigene Steuereinnahmen der Kommunen in Höhe von jeweils rund 3,2 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Vor etwas mehr als zehn Jahren war dieser Betrag noch nicht einmal halb so hoch. Darüber hinaus profitieren die Kommunen von den Steuereinnahmen des Landes, und zwar automatisch über den Gleichmäßigkeitsgrundsatz I. Ohne den Sondereffekt der Überführung des Mehrbelastungsausgleichs erhalten die Kommunen in den beiden Jahren 3 Milliarden Euro bzw. 3,2 Milliarden Euro im kommunalen Finanzausgleich. Damit stehen den Kommunen in den Jahren 2017 und 2018 rekordverdächtige 6,2 Milliarden Euro bzw. 6,4 Milliarden Euro als regelgebundene Finanzausstattung zur Verfügung. Das sind zusammen rund 800 Millionen Euro mehr als im aktuellen Jahr 2016.

Darüber hinaus haben wir die Absenkung des Mehrbelastungsausgleichs aus der Verwaltungsreform 2008 nicht nur gestoppt, sondern auch auf ein höheres Niveau gehoben. Der Mehrbelastungsausgleich wurde zudem in das FAG integriert und nimmt dadurch an der Dynamisierung in den nächsten Jahren teil.

Damit ist jedoch bei Weitem nicht der gesamte finanzielle Spielraum der kommunalen Ebene beschrieben; denn auch außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs kommen in den Jahren 2017 und 2018 weitere allgemeine Zuweisungen aus dem Landeshaushalt hinzu. Das wohl bekannteste Beispiel des Freistaates ist die KitaPauschale. Die Kommunen werden hierfür mehr als eine halbe Milliarde Euro jährlich erhalten.

Die außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs und damit des Gleichmäßigkeitsgrundsatzes I gezahlten

allgemeinen Zuweisungen belaufen sich in den kommenden beiden Haushaltsjahren ohne die durchlaufenden Bundesmittel auf jeweils 2 Milliarden Euro. Das sind 39 % der insgesamt vom Land an die Kommunen, inklusive des FAG-Ausgleichs, ausgereichten allgemeinen Zuweisungen. Vor zehn Jahren betrug der Anteil noch 30 %.

Um diese Entwicklung noch einmal einzusortieren: Es nehmen also nicht nur die Zuweisungen innerhalb des FAG zu; die übrigen Zuweisungen steigen sogar deutlich stärker. Dieser Anstieg – da bin ich ganz offen – macht mich durchaus nachdenklich. Ein solcher Anstieg zeigt, dass wir bei der kommunalen Finanzausstattung zunehmend einen Pfad beschreiten, der sich vom Primat des Gleichmäßigkeitsgrundsatzes kontinuierlich wegbewegt.

Diese Entwicklung sollten wir sorgfältig beobachten, da wir uns langfristig ein solches Hybridsystem nicht leisten können. Der im Freistaat Sachsen angewendete Gleichmäßigkeitsgrundsatz gibt den Kommunen die Möglichkeit, ihre Aufgaben selbstverantwortlich und effizient wahrzunehmen. Er trägt auch dazu bei, die Demokratie auf der lokalen Ebene zu festigen. Die durch den Gleichmäßigkeitsgrundsatz garantierte allgemeine Finanzausstattung der Gemeinden und Landkreise ist ein hohes Gut und sollte daher nicht infrage gestellt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf basiert auf der Einigung zwischen der Staatsregierung und den Präsidenten der kommunalen Landesverbände vom 6. Juni 2016. Die Verhandlungen zum Finanzausgleichsgesetz haben erneut gezeigt, dass wir in Sachsen auf die Partnerschaft zwischen der kommunalen Ebene und der Staatsregierung bauen können. Ich möchte daher allen Beteiligten danken, die sich im Interesse unserer Städte, Gemeinden und Landkreise für diese ausgewogene und faire Lösung engagiert haben.

Erlauben Sie mir jedoch noch ein Wort zur generellen Situation der kommunalen Haushalte. Das gilt natürlich nicht für jeden Haushalt im Einzelnen, aber es gilt generell. Wir haben in der Tat die kommunalen Haushalte mit einem Rekordvolumen ausgestattet, insbesondere mit sehr vielen freien Mitteln. Es obliegt nun den Entscheidungs

trägern auf der kommunalen Ebene, die Mittel verantwortungsvoll zu bewirtschaften. Sie müssen darauf achten, dass keine Strukturen aufgebaut werden, die dauerhaft nicht finanzierbar sind.

Um es auf den Punkt zu bringen: Mit dem FAG 2017/2018 steigt die Verantwortung der kommunalen Selbstverwaltung. Es kommt also noch stärker auf unsere Bürgermeister und Landräte, wie auch auf die Stadt-, Gemeinde- und Kreisräte in den sächsischen Kommunen an.

Alles in allem sehen wir auf dieser Grundlage einer ausgezeichneten Entwicklung der allgemeinen Deckungsmittel entgegen. Aus diesem Grund haben wir die investiven Schlüsselzuweisungen deutlich angehoben. Den Kommunen werden insgesamt 720 Millionen Euro an investiven Schlüsselzuweisungen zur Verfügung stehen. Dies beinhaltet aber gleichzeitig die Verpflichtung der Gemeinden und Landkreise, diese Investitionsmittel zusätzlich zu den Mitteln aus dem Brückenfonds tatsächlich und vor allem nachhaltig zu verwenden.

Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf sichert nicht nur die kommunale Finanzausstattung auf hohem Niveau, er setzt auch die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag zur Stärkung des ländlichen Raumes um. Ihnen ist bekannt, dass die Bevölkerung in den Städten zunimmt, die im ländlichen Raum dagegen abnimmt. Aufgrund der höheren Gewichtung, die die Einwohner der kreisfreien Städte bei der Finanzkraftverteilung haben, führt die unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung zur Verschiebung von Finanzkraftanteilen. Diese Verschiebung entspricht nicht den Veränderungen der Aufgaben.

Um die bevölkerungsbedingten Verzerrungen in der Finanzausstattung beider Räume auszugleichen, wurde ein Volumen von 50 Millionen Euro als notwendig ermittelt. Im Einvernehmen mit den kreisfreien Städten – das möchte ich betonen – haben wir daher Schlüsselzuweisungen in Höhe von 50 Millionen Euro von den kreisfreien Städten zugunsten des kreisangehörigen Raumes umgeschichtet. Unter Beachtung der spezifischen Aufgaben und Eigenschaften der Räume wird damit wieder ein Gleichgewicht zwischen ihnen hergestellt.

Auch für den ländlichen Raum stellt der Freistaat erhebliche Mittel neben dem FAG zur Verfügung. Beispielsweise unterstützt der Freistaat die Kommunen beim Straßenbau und Straßenerhalt mit Fördermitteln in Höhe von 121 Millionen Euro jährlich und ermöglicht eine deutlich verbesserte Förderung des kommunalen Straßenbaus.

Zudem profitiert der ländliche Raum durch die digitale Offensive des Freistaates Sachsen. Die Verbesserung der digitalen Infrastruktur ist eines der wichtigsten Zukunftsaufgaben. Der Ausbau der digitalen Infrastruktur wird daher im Jahr 2017 mit rund 50 Millionen Euro und im Jahr 2018 mit 42 Millionen Euro weitergeführt.

Auch die Kulturraummittel werden im Doppelhaushalt 2017/2018 mit 3 Millionen Euro jährlich aufgestockt und

liegen in den kommenden beiden Jahren jeweils bei 94,7 Millionen Euro. Neben den drei Großstädten profitiert auch der ländliche Raum von dieser Erhöhung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Staatsregierung legt Ihnen mit dem Entwurf zum Doppelhaushalt 2017/2018 einen Rekordhaushalt vor. Rekorde sind kein Normalzustand und können es auch nicht werden. Wir können uns auch in Zukunft nicht darauf verlassen, dass die Einnahmequellen so ergiebig sprudeln, wie sie es momentan noch tun.

Trotz der besonderen Herausforderungen durch Zuwanderung und Integration schaffen wir es, einen generationsgerechten Haushalt ohne Einschnitte in den einzelnen Ressorts aufzustellen. Der Freistaat Sachsen kann aufgrund seiner langjährigen soliden Haushaltspolitik Prioritäten setzen und politische Handlungs- und Gestaltungsspielräume nutzen, auch unter schwierigen Bedingungen. Dies zeigt sich auch in der verlässlichen Partnerschaft zwischen der kommunalen Ebene und der Landesregierung.

Die Staatsregierung hat mit dem Haushaltsentwurf einen Vorschlag unterbreitet, der auch künftig Stabilität und Sicherheit für Sachsen gewährleistet und die anstehenden Herausforderungen meistert. Es werden intensive Schritte unternommen, um den anstehenden Generationenwechsel zu gestalten. Mit dem Haushaltsentwurf setzen wir Schwerpunkte, zum Beispiel in den Bereichen Sicherheit, Bildung, Wissenschaft, Forschung, Gesundheitswesen und Kommunen. Damit sichern wir die Zukunft Sachsens.

Für diesen eingebrachten Vorschlag bitte ich Sie in den anstehenden Haushaltsverhandlungen um Ihre Unterstützung, und ich freue mich auf die intensiven Gespräche.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung – Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Vielen Dank. – Wir hörten soeben unseren Staatsminister der Finanzen. Er sprach für die einreichende Staatsregierung und hat seine Redezeit um 26 Sekunden überschritten. Weil wir ganz korrekt sind, erhalten natürlich alle Fraktionen, die eine abweichende Meinung vortragen wollen – ich gehe davon aus, dass das die Oppositionsfraktionen sind –

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Auch die! – Heiterkeit im Saal)

diese 26 Sekunden zusätzliche Redezeit.

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Aussprache. Zunächst erteile ich der oppositionellen Fraktion DIE LINKE das Wort. Es spricht Herr Kollege Gebhardt. Er hat jetzt 26 Sekunden mehr.

(Dirk Panter, SPD: Nutze sie weise! – Christian Piwarz, CDU: Es nützt aber auch nichts bei dir, Rico! – Heiterkeit bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Herr Präsident! Na ja, Herr Finanzminister, keine Ahnung was Ihre Koalition mit Ihnen heute eigentlich vorgehabt hat. Dass Sie heute Beifallsstürme verlangt hätten, glaube ich nicht. Aber irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, dass alle zufrieden sind mit dem, was Sie hier vorgetragen haben. Ich werde mich jetzt außerhalb Ihres Vortrages bewegen und mich eher mit der Frage beschäftigen, ob denn der Herr Ministerpräsident weiß – obwohl ich ihm auch die Millionenfrage ersparen könnte, die sonst bei Günther Jauch gestellt wird –, wann denn das Datum des ersten Antrages meiner Fraktion zum Thema „Keine Abstriche bei der Unterrichtsversorgung an Grund-, Förder- und Berufsschulen im kommenden Schuljahr – sofort neue Lehrerstellen schaffen“ gewesen ist.

Da er es ja nicht wissen kann, will ich Ihnen das Datum in Erinnerung rufen, weil es unser erster Antrag war, der sich ausdrücklich dem beginnenden Lehrermangel gewidmet hat: Es war der 4. Juli 2006,

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Hört, hört!)

also ziemlich genau vor zehn Jahren. Herr Tillich, Sie waren bereits damals Abgeordneter im Sächsischen Landtag und haben diesen Antrag mutmaßlich abgelehnt, weil Sie als CDU-Abgeordnete ja grundsätzlich alle Anträge unserer Fraktion ablehnen.

(Jens Michel, CDU: Wenn sie gut sind, stimmen wir zu!)

Aber das soll heute gar nicht mein Thema sein.

Wenn man in einer bekannten Suchmaschine „Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt“ eingibt, dann landet man erstaunlicherweise bei der Kampagne der BundesCDU zu den Europawahlen 2014. Interessant ist, dass niemand bei der von der sächsischen CDU geführten Staatsregierung auf die Idee käme, dass das ihr Motto sein könnte.

Nein, bei Ihnen hier in Sachsen steht der Finanzminister im Mittelpunkt. Das ist seit 1990 so. Aber seit der Amtsinhaber Unland heißt, zählt für Sie nur noch der Kassenwart. Die schwarze Null des Landeshaushaltes wurde erstmals 2006 als neues goldenes Kalb in die Arena getrieben, übrigens von einer CDU/SPD-Koalition. Mit dieser Ideologie der schwarzen Null haben Sie Investitionen in die Zukunft unterlassen. Es helfen Ihnen dabei auch keine aus dem Boden gestampften Projekte wie die „Brücken in die Zukunft“, mit Geld, das den Kommunen zum großen Teil sowieso zugestanden hätte.

Mit dieser Ideologie der schwarzen Null haben Sie uns bewiesen, dass Sie keine Ahnung von volkswirtschaftlichen Zusammenhängen haben. Ihre Verliebtheit in die sprichwörtliche schwäbische Hausfrau lässt viele Menschen in diesem Land eine rote Null sehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man muss, wenn man nicht resistent gegen Fakten ist, grundsätzlich feststellen, dass wir heute auf den beiden landespolitischen Großbaustellen Schule und Polizei dramatische Personalprobleme haben. Das liegt an den falschen Weichenstellungen vor allem in der vorletzten Legislaturperiode. Das bedeutet, die amtierende CDU/SPD-Koalition versucht, den Schaden einzudämmen, den die frühere CDU/SPD-Koalition losgetreten hat.

Wenn Sie nun als Reparaturbrigade die eigenen Ruinen wieder instandsetzen, dann ist das zwar besser als nichts, aber auch kein Grund, in überschwänglichen Jubel auszubrechen. Grund, Sie zu feiern und zu loben, haben wir als LINKE nicht.

(Beifall bei den LINKEN – Christian Piwarz, CDU: Das hatten Sie noch nie!)

Herr Tillich, Sie gehören seit 1999 dem sächsischen Kabinett an. Sie waren von 2002 bis 2004 Chef der Staatskanzlei und von 2007 bis 2008 Finanzminister. Sie sind seit 2004 Landtagsabgeordneter und seit 2008 sind Sie Ministerpräsident. Alles richtig, vermute ich?

(Zurufe von der CDU)

Kultusministerin Kurth spricht in ihrer verzweifelten Lage

(Starke Unruhe bei der CDU und der Staatsregierung)

aktuell von den Fehlern der Vergangenheit, die sie nicht heilen könne. Herr Tillich, diese Fehler der Vergangenheit sind Ihre Fehler; denn Sie waren in der gesamten Zeit, als die Weichen falsch gestellt wurden, Teil dieses Stellwerkes.

Von fünf neuen Lehrkräften an den Oberschulen sind drei sogenannte Seiteneinsteiger. Sie verfügen ebenso wie die Neulehrer nach dem Zweiten Weltkrieg nicht über die im Schuldienst erforderliche pädagogische Ausbildung. Viele von ihnen werden sich mit großem Engagement, mit Unterstützung des Kollegiums zu guten Lehrkräften entwickeln wie diejenigen, die vor 70 Jahren das Schulwesen aufbauten.

Allerdings drängt sich die Frage auf: Was ist eigentlich in den letzten Jahren passiert, dass wir an einer ähnlichen Stelle wie vor 70 Jahren stehen? Ich will Ihnen die Antwort darauf geben: Sie und Ihre CDU sind uns passiert, Herr Tillich. Sie haben mit Ihren CDU-Truppen einen ideellen Krieg gegen die Schülerinnen und Schüler, die Eltern und vor allem gegen die Lehrerinnen und Lehrer geführt, nur um Ihr goldenes Kalb – die schwarze Null – nicht zu gefährden, die im Übrigen nie wirklich in Gefahr war, wenn ich mir Ihre gut gefüllten Sparkonten anschaue.

Jetzt kommt die Staatsregierung mit dem Argument des sogenannten leer gefegten Lehrermarktes.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

„Warum Sachsen keine Lehrer findet“ hieß der Bericht im Deutschlandfunk schon vor zwei Monaten. Ich empfehle Ihnen auch das MDR-Dosier „Lehrermangel in Sachsen – eine politische Ursachenforschung“.