Protokoll der Sitzung vom 16.08.2018

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 76. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags.

Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Frau Feiks, Frau Köditz, Herr Wurlitzer, Herr Patt, Herr Wehner und Herr Hippold.

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor.

Meine Damen und Herren! Ich schlage vor, dass wir – wie in den vergangenen Haushaltsberatungen – die erste Beratung aller drei Gesetzentwürfe gemeinsam in einem Tagesordnungspunkt durchführen. Wir würden also die Tagesordnungspunkte 1 und 2 zusammenziehen, was nach § 79 Abs. 5 unserer Geschäftsordnung jederzeit möglich

ist. Gibt es Widerspruch zu diesem Vorschlag? – Diesen sehe ich nicht. Dann verfahren wir so.

Das Präsidium hat für die heutige Debatte folgende Redezeiten festgelegt: CDU 38 Minuten, DIE LINKE 29 Minuten, SPD 21 Minuten, AfD 17 Minuten, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17 Minuten, fraktionslose MdL je

2 Minuten, Staatsregierung 50 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können je nach Bedarf verteilt werden.

Ich sehe keine Änderungsvorschläge zur oder Widerspruch gegen die Tagesordnung. – Die Tagesordnung der 76. Sitzung ist damit bestätigt.

Meine Damen und Herren! Der – nun einzige – Tagesordnungspunkt ist aufgerufen:

Tagesordnungspunkt 1

Erste Beratung der Entwürfe

Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes

des Freistaates Sachsen für die Haushaltsjahre 2019 und 2020

(Haushaltsgesetz 2019/2020 – HG 2019/2020)

Drucksache 6/13900, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Gesetz begleitender Regelungen zum Doppelhaushalt 2019/2020

(Haushaltsbegleitgesetz 2019/2020 – HBG 2019/2020)

Drucksache 6/13901, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Zweites Gesetz zu den Finanzbeziehungen zwischen

dem Freistaat Sachsen und seinen Kommunen

Drucksache 6/13902, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Für die Staatsregierung als Einreicherin spricht der Staatsminister der Finanzen, Herr Dr. Matthias Haß. Danach sprechen die Fraktionen DIE LINKE, CDU, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie die fraktionslosen Abgeordneten Frau Dr. Petry, Frau Dr. Muster, Frau Kersten und Herr Wild.

Herr Staatsminister der Finanzen, sehr geehrter Herr Dr. Haß, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine Premiere für mich als sächsischer Staatsminister der Finanzen, bringe ich heute doch meinen ersten Doppelhaushalt in dieses Hohe Haus ein.

Wir stehen mit dem Doppelhaushalt 2019/2020 an der Schwelle zu einem neuen Jahrzehnt. Dieser Doppelhaushalt steht gleichzeitig in Verbindung mit erheblichen finanzpolitischen Veränderungen auf Bundesebene, von denen auch die Länder betroffen sind, und zwar ganz

massiv. Der neue Bund-Länder-Finanzausgleich wird 2020 in Kraft treten ebenso wie die Schuldenbremse, die auf Bundesebene und in vielen Ländern gelten wird. Dort wird die Schuldenbremse – im Gegensatz zu Sachsen – also erst zum Jahr 2020 eingeführt. Das sind erhebliche finanzpolitische Geschehnisse, die einen historischen Wendepunkt auch für Deutschland insgesamt darstellen.

Wir stehen in Deutschland und damit auch in Sachsen im kommenden Jahrzehnt, also ab den 2020er Jahren, vor weiteren Veränderungen, die uns alle betreffen werden. Zum einen ist es die Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelt, die weiter voranschreiten wird. Der Fachkräftemangel, der nicht nur Sachsen betrifft, wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen und die Rahmenbedingungen auch unseres Haushalts beeinflussen.

Von dem französischen Chemiker Louis Pasteur stammt der Satz: „Veränderungen begünstigen nur denjenigen, der

darauf vorbereitet ist.“ – Meine Damen und Herren, wir sind gut vorbereitet.

Zunächst zum konjunkturellen Umfeld unseres Haushalts und zu den Steuereinnahmen: Das wirtschaftliche Umfeld bleibt positiv. Deutschland befindet sich in einem lang anhaltenden Wachstumsprozess, der seit 2010 ununterbrochen andauert. Das ist eine Dekade des Wachstums, wie wir sie in Deutschland seit dem Krieg nicht gekannt haben. Die Arbeitslosenquote Deutschlands liegt heute auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung; im Juni 2018 waren es 5,0 %, im Juli 5,1 %. Auch in Sachsen verzeichnen wir aktuell Rekordniedrigwerte bei der Arbeitslosigkeit; 5,8 % sind es im Juni gewesen. Seit 1992 waren in Deutschland und in Sachsen noch nie so viele Menschen erwerbstätig wie heute.

Die Produktionskapazitäten in Deutschland sind ausgelastet. Die wirtschaftliche Entwicklung bestimmt maßgeblich die Einnahmenentwicklung auch in Sachsen und damit den Rahmen unseres Doppelhaushalts. Seit dem Jahr 2010 sind die Steuereinnahmen um über 6,6 Milliarden Euro angestiegen. 6,6 Milliarden Euro – das ist ein massiver Anstieg. Wenn wir diesen Anstieg auf das Volumen unseres Landeshaushalts beziehen, sehen wir, welche gewaltige Hausnummer das ist.

Damit ist aber auch eine große Gefahr verbunden; denn Haushalte werden in guten Zeiten verdorben. Deswegen gilt in Sachsen wie bisher: Dauerhafte Ausgaben müssen durch dauerhafte Einnahmen gedeckt sein. Das ist der wichtigste Grundsatz unserer nachhaltigen Finanzpolitik.

Die Steuerschätzung vom Mai 2018 hat die Schätzung vom November des Vorjahres noch einmal deutlich übertroffen. Grundlage des Doppelhaushalts 2019/2020 ist also eine erhebliche Steigerung der Steuereinnahmen. Es werden im Jahr 2019 über 900 Millionen Euro mehr und im Jahr 2020 über 1,4 Milliarden Euro mehr sein, über die wir verfügen können. Außerdem haben wir den Überschuss für 2017 in Höhe von rund 500 Millionen Euro zur Verstärkung des Doppelhaushalts eingesetzt. Das ist eine erhebliche Vergrößerung gegenüber dem Doppelhaushalt 2017/2018.

Trotz aller guten Nachrichten muss man feststellen: Die Welt um uns herum verändert sich. Es gibt erhebliche Risiken – nicht nur in Europa, sondern auch global. Die USA schotten sich immer weiter ab. Die Zölle, die Donald Trump immer wieder fordert, würden auch die sächsische Industrie treffen.

Der IWF prangert die angeblich zu hohen Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands an. Das ist aus meiner Sicht einfach nur Wasser auf die Mühlen derjenigen Länder, die den globalen Handel zu ihrem eigenen Vorteil umgestalten wollen. Das ist grober Unfug. In den hohen Leistungsbilanzüberschüssen Deutschlands zeigt sich die hohe Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Und das ist auch gut so!

Die Verhandlungen zum Brexit ziehen sich ohne greifbare Ergebnisse in die Länge, was ich sehr bedauere. Europa

ist insgesamt in einer sehr schwierigen Situation. Die EUKommission kommt mir manchmal auch ein bisschen zu abwartend vor. Auch von dieser Seite ist sicherlich ein wenig mehr Gestaltung gefordert, damit wir Europa wieder auf einen guten Pfad bekommen.

China ist inzwischen ein ernsthafter globaler Wettbewerber für Deutschland. Das bekommt auch unsere Wirtschaft immer mehr zu spüren. Der europäische Vergleich, der immer wieder angestellt wird, auch in den Medien – Stichworte: „Stabilitätsanker“ und „Wachstumschampion Deutschland“ –, wirft ein viel zu gutes Licht auf Deutschland. Wir müssen uns anstrengen, um auch in den 2020er Jahren mithalten zu können; denn unsere Unternehmen sind im weltweiten Wettbewerb täglich gefordert.

Wir dürfen uns nicht täuschen lassen von der guten Entwicklung der letzten zehn Jahre und in Selbstgefälligkeit verfallen. Wir müssen den Wohlstand immer wieder im Wettbewerb mit anderen hart erarbeiten, und das ist eine Erfahrung, die auch die deutsche Paradeindustrie, nämlich die Automobilindustrie, gerade schmerzlich in dem Umbruch machen muss, in dem sie gerade steht. Die Herausforderung der E-Mobilität ist sicher auch ein wichtiges Thema des kommenden Jahrzehnts. Wir Deutsche müssen die Stärkung unserer Industrie verteidigen, und auch in Sachsen ist die Automobilindustrie ein wichtiger Faktor.

Deutschland und Sachsen müssen die globalen Veränderungen vorhersehen und aktiv vorbereiten und wir dürfen uns nicht auf dem Erreichten ausruhen. Besonders wichtig für uns sind Investitionen in Forschung und Entwicklung. Dies ist ein ganz erhebliches Element, um die Wachstumspolitik in Sachsen und in Deutschland fortzusetzen.

Das gute gesamtwirtschaftliche Umfeld in Deutschland spiegelt sich im Regierungsentwurf 2019/2020 wider. Wir haben als Ergebnis der Haushaltsverhandlungen über 20 Milliarden Euro pro Jahr, das heißt mehr als 40 Milliarden Euro insgesamt zur Verfügung, um Politik zu gestalten, um die von mir beschriebenen zentralen Herausforderungen anzugehen, vor denen wir stehen. Das sind über 3 Milliarden Euro mehr, als wir im aktuellen Haushalt veranschlagt haben. Überwiegend beruhen sie auf den genannten Steuermehreinnahmen.

Mehr Geld bedeutet aber auch mehr Verantwortung für die Politik. Das heißt, die 20 Milliarden Euro, die wir veranschlagt haben, sind – das wird manchmal vergessen – nicht unser eigenes Geld, sondern sie sind das Geld des steuerzahlenden Bürgers, der Menschen, die jeden morgen früh aufstehen und den Tag über hart arbeiten und Steuern bezahlen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Diese Bürger haben zu Recht den Anspruch, dass ihr Geld mit Augenmaß und vor allem sinnvoll angelegt wird. Dazu vielleicht auch noch der Einschub, dass ich mir wünsche, dass wir beim Thema Steuersenkungen ein wenig mutiger vorgehen, als es in den Koalitionsverhand

lungen auf Bundesebene erreicht werden konnte. Auch das ist ein Thema, bei dem den Bürgern etwas ihres Geldes wieder zurückgegeben wird.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Es kann nicht immer nur darum gehen, mehr Geld auszugeben. Ein lebenswertes Sachsen zu erhalten und zu schaffen ist kein abstraktes Ziel, sondern es muss zur Verbesserung der konkreten Lebensumstände der einzelnen Bürger führen. Es darf uns deswegen ganz grundsätzlich nicht immer wieder um Umverteilung an irgendwelche Gruppen und noch kleinere Grüppchen gehen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Eine gelungene Wirtschaftspolitik drückt sich darin aus, dass wir die Menschen zu einem selbstbestimmten Leben befähigen.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Sie sollen ohne Formularschlachten mit Sozialämtern oder sonstigen Behörden auskommen. Sie sollen allein über ihr Leben und ihren Lebensstil bestimmen können. Für das alles soll unsere Haushalts- und Finanzpolitik stehen. Wir wollen Bewährtes bewahren, Veränderungen mutig angehen und die Zukunft aktiv gestalten.