Protokoll der Sitzung vom 04.05.2022

Eine Zeitenwende erfordert eine Mobilitätswende. Zur Sicherung der sächsischen Zukunftsfähigkeit ist ein Fokus auf die zielgerechte Pflege von Verkehrsinfrastruktur zu legen. Wirtschaftliche Infrastruktur kann sich widerspruchslos in die Zielplanung der Energiesouveränität und Ressourceneinsparung einordnen. Dafür sind energetische Ressourcen so effizient wie möglich einzusetzen. Das setzen wir in Sachsen um, indem wir Güter auf die Schiene verlagern sowie eine verkehrssichere Anbindung der Dienstorte für alle Sächsinnen und Sachsen auch außerorts mit Rad und ÖPNV gewährleisten.

Meine Damen und Herren! Der motorisierte Individualverkehr, wie wir ihn heute leben, zeugt vor allem von prähistorischer Ineffizienz. In der Zeitenwende gilt: effiziente Verkehrsmittel auf die Überholspur. Dazu gehört auch ein Tempolimit. Laut Umweltbundesamt könnten wir jährlich 2,1 Milliarden Liter Kraftstoff einsparen. Ich kann Ihnen Mut machen: Vom Vogtland hierher dauert der Weg 15 Minuten länger bei 100 Stundenkilometern.

(Zuruf des Abg. André Barth, AfD)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Zeitenwende verlangt allen Bürgerinnen und Bürgern sehr viel ab. In meinen Gesprächen mit den Menschen in Sachsen, in Fragen, die an mich gerichtet werden, spiegelt sich die Unsicherheit wider. Viele Privathaushalte, insbesondere die niedrigen Einkommen und prekär beschäftigten Arbeitskräfte, sind durch die Corona-Pandemie finanziell und auch emo

tional geschwächt und sehen sich nun mit Energiepreissteigerungen und einer wachsenden Inflationsrate konfrontiert.

Daher legen wir als BÜNDNISGRÜNE ganz besonders Wert auf die Zeitenwende und die bedarf in diesem Fall einer sozialökologischen Wirtschaftswende. Das Entlastungspaket der Bundesregierung setzt dabei bereits an vielen Stellen richtig an, kann aber die weitere Preisentwicklung nicht abdecken. Um die Kaufkraft der Menschen, ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und ihre Versorgung mit Wohnraum zu sichern, sind daher weitere sozialpolitische Hebel in Bewegung zu setzen.

(Zuruf des Abg. André Barth, AfD)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Zeitenwende wird entschiedenen Einsatz auf allen Ebenen abfordern. Das Bekenntnis zu Wandel ist dabei der erste Schritt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den BÜNDNISGRÜNEN, der SPD und des Staatsministers Martin Dulig)

Für die Fraktion BÜNDNISGRÜNE sprach Kollege Liebscher. Nun übergebe ich an die SPD-Fraktion, an Herrn Kollegen Homann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stehen in Sachsen vor der größten Modernisierung unserer Industrie- und Wirtschaftsstruktur seit 1990. Die Bewahrung der in den letzten 30 Jahren hart erarbeiteten Erfolge im Freistaat Sachsen hängt in Zukunft auch davon ab, dass wir Infrastruktur und Fertigkeiten für das klimaneutrale Zeitalter aufbauen. Es geht um die Sicherung und Modernisierung von Hunderttausenden Arbeitsplätzen in der Industrie und der gesamten Wirtschaft. Diese Tendenz ist nicht neu, aber der Krieg Russlands gegen die Ukraine beschleunigt diese Zeitenwende und bringt ganz andere Herausforderungen mit sich.

Deshalb ist es gut, dass die SPD-geführte Bundesregierung mit Bundeskanzler Olaf Scholz besonnen, aber konsequent handelt. Nach außen bedeutet besonnen, das Ende des Krieges klar in den Fokus zu stellen und dabei konsequent an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer zu stehen, die sich gegen Gräueltaten und Kriegsverbrechen wehren. Das heißt, harte Sanktionen gegen Russland und Waffen, ja auch schwere Waffen, für die Ukraine. Aus vielen Gesprächen – ich glaube, das kennen wir alle – kennen wir die Sorgen vieler Menschen gegenüber dieser internationalen Entwicklung und die Frage: Was bedeutet das für sie, was bedeutet das für uns?

Die Menschen wünschen sich zu Recht Sicherheit. Aber genau diese Sicherheit schaffen wir durch diese Besonnenheit und Klarheit. Ja, es ist schwer, manchmal ist es auch unpopulär; aber wir sind dafür gewählt, und es ist die Erwartung an uns, dass wir den richtigen und nicht den leichten Weg gehen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Es geht aber nicht nur um Besonnenheit und Konsequenz in der Außenpolitik, sondern auch um Besonnenheit und Konsequenz in Deutschland und in Sachsen. Wir müssen dabei äußere Sicherheit, innere Sicherheit und soziale Sicherheit miteinander verbinden. Was ist eine besondere Eigenschaft dieser Zeitenwende? In früheren Zeiten, wenn man darüber gesprochen hat, wie wir Veränderungen mit Sicherheit verbinden können, hat es oft dazu geführt, dass man gesagt hat: Okay, dann lasst uns Veränderungen langsam, Schritt für Schritt machen.

Die internationale Situation, die notwendige Überwindung der Ressourcenabhängigkeit Deutschlands von Russland bringt jetzt ein anderes Erfordernis mit sich. Wir schaffen Sicherheit, indem wir möglichst schnell Dinge ändern. Das beste Beispiel dafür – hierbei hat Wirtschaftsminister Martin Dulig völlig recht – ist die Frage der erneuerbaren Energien. Genau diesen Umbau auf erneuerbare Energien müssen wir massiv beschleunigen. Wir brauchen in Sachsen mehr Windkraft und Solaranlagen, mehr Stromspeicher, mehr Investition in die Wasserstoffwirtschaft. Dafür brauchen wir bessere Gesetze, mehr Flächen und eine Mentalitätswende.

(Marco Böhme, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage am Mikrofon 1?

Ja, selbstverständlich.

Bitte schön, Herr Kollege Böhme.

Herr Homann, ich gebe Ihnen ja recht, dass wir den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen müssen. Aber warum tut dann Ihre Staatsregierung oder Ihre Landtagskoalitionsmehrheit alles dafür, den Ausbau der erneuerbaren Energien – gerade von Windkraft – zu bremsen? Mit den 1 000 Metern Mindestabstand, die jetzt eingeführt werden, werden fast 90 % der verfügbaren Flächen eingespart, das heißt, sie können nicht mehr beplant werden. Das ist ein großes Problem, aber Sie sind drauf und dran, die neue Bauordnung in zwei Wochen im Ausschuss und dann im nächsten Monat im Landtag so zu beschließen. Das ist doch ein Problem, oder nicht?

(André Barth, AfD: Welchen Abstand möchte denn der Herr Böhme haben?)

Die Sächsische Staatsregierung hat es in einem gemeinsamen Kraftakt geschafft, ein Klimaschutzprogramm für den Freistaat Sachsen aufzulegen. Sie wissen, wie das ist. Dabei gibt es unterschiedliche Interessen zu berücksichtigen. Sicherlich ist auch der eine oder andere Kompromiss gemacht worden, über den man noch einmal nachdenken muss.

Ich fand die Forderung von Herrn Liebscher, dass wir über den Ausbau von Solarenergie auf Dächern nachdenken müssen – – Man könnte auch noch einmal über den Denkmalschutz nachdenken. Genau diese Aspekte werden auf

den Prüfstand zu stellen sein, weil wir uns in Sachsen folgende Frage stellen: Wollen wir diese Dinge für uns selbst entscheiden, auch welche Regelungen wir für den Ausbau der erneuerbaren Energien für uns definieren, oder wollen wir, dass das der Bund für uns entscheidet?

Ich bin für das Erste. Ich glaube, die Koalition hat gezeigt, dass sie das Potenzial hat, kluge Entscheidungen zu treffen. Ich glaube auch, dass sie hierbei in der Lage ist, noch einmal zu schauen, wie wir in Sachsen noch bessere Rahmenbedingen dafür schaffen können, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Das ist unsere gemeinsame Herausforderung.

Viele verstehen nicht, dass es bei diesem Ausbau erneuerbarer Energien nicht nur um Klimaschutzmaßnahmen geht, sondern schlichtweg auch um die Frage, ob Sachsen Industrieland bleibt. Es ist nicht irgendein Lifestyle-Gag aus den großen Städten. Hierbei geht es um den Umbau, die Erneuerung und die Modernisierung unserer zentralen sächsischen Industriebranchen, der Energiewirtschaft, der Automobilindustrie, der Elektrotechnik, der Mikroelektronik, des Maschinenbaus, der Bauwirtschaft und der Stahlindustrie.

Wir müssen an dieser Stelle doch feststellen, wenn man vor Ort unterwegs ist – Martin Dulig hat über das Beispiel des Stahlwerks in Gröditz berichtet –, dass viele Unternehmen inzwischen weiter sind als die Politik. Sie haben die Konzepte in der Schublade. Sie möchten gern umbauen. Sie möchten gern klimaneutral werden, weil es von ihren Kunden nachgefragt wird.

Um bei dem Beispiel zu bleiben, wir haben gerade in der sächsischen Stahlindustrie die Chance, weil dort die Technik bereits weit fortgeschritten ist, als erstes Bundesland komplett grünen Stahl herzustellen. Die Technik dafür ist da. Die Unternehmen wollen das. Sie sagen aber eben auch, wenn das gewollt ist, dann müssen sie sich auch darauf verlassen können, dass wir die notwendigen Rahmenbedingungen für diesen Umbau bereitstellen. Das bedeutet konkret auch, dass wir es hinkriegen müssen, dass grüner Wasserstoff in Sachsen zur Verfügung steht. Dass wir dafür die Technologien in Sachsen haben, das hat Martin Dulig auch dargestellt.

(Thomas Thumm, AfD: Aber die Sonnen- und Windmengen nicht!)

Im Übrigen – weil hier gesagt wurde, das eine oder andere wäre nur Ankündigungspolitik –: Dass wir in Sachsen mit dem IPCEI-Programm eine Förderkulisse geschaffen haben, die es jetzt schon ermöglicht, gerade in die Schlüsselindustrien der Zukunft zu investieren, das ist kein Plan, das ist die Realität im Landeshaushalt. Deshalb auch meine herzliche Bitte, Herr Brünler:

(André Barth, AfD: Herr Brünler ist nicht da!)

Ich glaube, es würde ein bisschen mehr helfen, wenn Sie sich nicht kritisch mit den Leuten auseinandersetzten, die Dinge anschieben, sondern wenn Sie sich vielleicht mit den Leuten kritisch auseinandersetzten, die bremsen. Martin

Dulig gehört zu den Leuten, die in diesem Land etwas anschieben.

(Thomas Thumm, AfD: Aber in die falsche Richtung!)

Deshalb hat er auch unsere Unterstützung, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. André Barth, AfD)

Die zweite große Frage, vor der wir stehen – ich glaube, das merken wir auch, wenn wir uns vor Ort in den Unternehmen erkundigen –, ist die Frage der Fachkräfte. Überall, in jeder Branche, fehlen diese. Wahrscheinlich wird es in Zukunft wichtiger sein, monatlich die Zahl fehlender Fachkräfte als wirtschaftliches Krisensymptom zu veröffentlichen als die Arbeitslosenzahlen.

Wir haben es in den vergangenen 20 Jahren gemeinsam geschafft, die Massenarbeitslosigkeit zu besiegen. Die Frage der Fachkräftesicherung ist aber die neue entscheidende Wohlstandsfrage in unserer Wirtschaft. Das ändert auch unser Handeln. Wir dürfen eigentlich keinen Beschäftigten verlieren, der in ein anderes Bundesland geht, keinen Kellner, keinen Ingenieur, keinen Mechaniker, keinen Sozialarbeiter. Wir brauchen jede und jeden. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass Martin Dulig gestern das Zentrum für Fachkräftesicherung und gute Arbeit in Sachsen eröffnet hat. Übrigens sehen Sie schon im Titel den richtigen Ansatz, dass Fachkräftesicherung untrennbar mit guter Arbeit verbunden ist.

Kollege Homann, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Herr Kollege Barth, bitte schön.

Danke, Herr Präsident. – Danke, Herr Homann, dass Sie die Frage zulassen. Ich will noch einmal auf ein aktuelles Problem hinweisen, das Herr Wirtschaftsminister Dulig auch im Auge behalten muss.

Es gibt im Moment Gespräche

(Zurufe von der SPD: Frage!)

ich will wissen, was Sie dazu sagen – im Wirtschaftsministerium, die das Wirtschaftsministerium mit unseren Zweckverbänden im öffentlichen Personennahverkehr führt.

(Sabine Friedel, SPD: Was sagen Sie dazu?)

Es gibt im Moment Tendenzen, dass keine Dieselfahrzeuge im öffentlichen Personennahverkehr mehr gefördert werden sollen.

Wenn Sie die Förderung im Wirtschaftsministerium so aufstellen, dann sage ich, das kann zwar womöglich in der Stadt funktionieren, –

Frage!

– aber im ländlichen Raum wird es nicht funktionieren. Deshalb möchte ich von Ihnen eine Stellungnahme haben, wie Sie mit dem Problem konkret umgehen wollen.