Nein, jetzt nicht. – Ich möchte Ihnen gern ein Bespiel aus meinem Wahlkreis erzählen. Am Wochenende traf ich einen Justizwachtmeister aus Bautzen, der mir sagte, dass er seit zehn Jahren für den Staat arbeitet und mit A 4 eingestuft ist. Um es in Zahlen auszudrücken: Er verdient weniger als 2 000 Euro netto. Dabei steht im Koalitionsvertrag auf Seite 108: Den Justizwachtmeisterdienst werden wir personell stärken. Wir werden zudem die monatlichen Amtszulagen erhöhen und Beförderungen nach Besoldungsgruppe 8 ermöglichen. Jetzt frage ich die Koalition ganz konkret: Was haben Sie in den letzten zweieinhalb Jahren für diesen schlecht bezahlten Justizwachtmeister getan?
(Sabine Friedel, SPD: Wir haben die Zulage eingeführt! Haben Sie den letzten Doppelhaushalt nicht verfolgt?)
Ich kann Ihnen sagen: Sie haben nichts getan. Sie haben nichts getan, um sein kleines Einkommen aufzubessern.
Er hat mir die Zahlen gezeigt. Nunmehr legt man im Wirtschaftsministerium Wert darauf, gut bezahlte Versorgungsposten für eigene Parteigenossen zu schaffen. Während das mittlere Nettoeinkommen pro Haushalt, beispielsweise in meinem Wahlkreis, bei circa 2 200 Euro liegt, leistet sich der Freistaat ein fragwürdiges Zentrum zur Fachkräftesicherung und Gute Arbeit, welches den Bürger rund 50 000 Euro Steuergeld pro Mitarbeiter kostet. Sie, werte Kollegen, plündern den Sozialstaat aus.
Wir als AfD hingegen stehen für eine bürgernahe Politik, die gerade Bürger mit kleinen und mittleren Einkommen im Fokus hat. Während die SPD mit immer mehr Bürokratie die Menschen mit steigenden Sozialabgaben und Steuern belastet und somit auch unseren Wohlstand und Arbeitsplätze gefährdet, setzt sich die AfD für die soziale Marktwirtschaft ein. Eine soziale Marktwirtschaft, die auf Preisstabilität bei Mieten, Grundnahrungsmitteln, Energiekosten und Kraftstoffpreisen setzt.
Wir setzen uns für Steuersenkungen und Bürokratieabbau ein, auch zum Wohle gerade dieser Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen. Da Sie dies oftmals kritisieren und nicht glauben, bitte ich Sie: Lesen Sie unsere Anträge nach; darin können Sie alles in Ruhe nachlesen. Sachanträge dieser Art – das ist ja bekannt – lehnen Sie alle ab.
Wir als AfD – davon bin ich zutiefst überzeugt – stehen für einen sicheren Sozialstaat, den wir alle brauchen, und insbesondere dafür, dass die Bürger mehr Netto vom Brutto haben.
Dazu fallen mir spontan zwei Ideen ein, was wir auf Landesebene machen könnten: Warum ist es denn nicht möglich, dass wir den ÖPNV für bestimmte Arbeitnehmergruppen kostenlos anbieten? Oder: Warum verstärken wir das Instrument des Wohngeldes nicht weiter? Das ist ein sehr gutes Instrument, um diesen Menschen zu helfen und damit auch in deren Geldbeutel zu sparen.
Ich kann Ihnen als Landtagsabgeordneter versichern: Ich werde mich für diese Leute einsetzen, die täglich auf Arbeit gehen, die brav ihre Steuern zahlen und am Ende des Monats nicht mehr wissen, wie sie ihre Energiekosten bezahlen können. Von diesen Menschen – das muss ich sagen – begegne ich tagtäglich leider sehr vielen in meinem Wahlkreis, und vor diesen Menschen, die jeden Tag auf Arbeit gehen und unseren Wohlstand garantieren, habe ich höchsten Respekt.
Das sind Menschen, bei denen trotz Arbeit am Ende des Monats mehr Monat als Geld über ist. Vor diesen Menschen – das muss ich noch einmal sagen – habe ich allerhöchsten Respekt.
Vielen Dank Frau Präsidentin! Ich möchte auf zwei Dinge hinweisen. Ich möchte darauf hinweisen, dass Sie viele Dinge gesagt haben. Wir haben in Sachsen viele Menschen, die von der Einführung des Mindestlohns auf 12 Euro profitieren werden. Das wird dazu führen, dass sich in Sachsen, wie schon bei der Einführung des Mindestlohns auf 8,50 Euro, die Lohngefüge in Unternehmen als Ganzes nach oben bewegen werden. Ich möchte deshalb die Öffentlichkeit darauf hinweisen, dass die AfD explizit gegen die Einführung des Mindestlohns von 12 Euro ist.
Das heißt, Sie sollten mit dem Respektsbegriff etwas vorsichtig sein. Wenn ich Ihre anderen Reden höre – – Sie reden immer von gegängelten Unternehmerinnen und Unternehmern. Eigentlich möchten Sie viele Schutzmechanismen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abschaffen. Sie haben heute Morgen eine Reihe davon aufgezählt, welche Schutzmechanismen Sie für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abschaffen wollen. Soviel dazu, um bei der Wahrheit zu bleiben.
Das Zweite ist: Wenn man keine Argumente hat, dann beginnt man persönlich zu werden und Dinge zu erfinden. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, weil ich es ungehörig finde. Frau Pallas hat sich in einem – im Übrigen gerichtlich überprüften – Bewerbungsverfahren bei einem Ministerium beworben. Dass vielleicht Sie Ihre Frauen nicht selber entscheiden lassen, was sie beruflich machen, kann ich mir durchaus vorstellen. Bei uns ist das anders.
Ich möchte es an dieser Stelle noch einmal sagen, weil es schlichtweg unwahr und ehrenrührig ist, was Sie behaupten. So etwas werden wir hier in diesem Hohen Haus nicht zulassen.
Gut. Das war eine Kurzintervention. Herr Peschel, möchten Sie darauf reagieren? – Nein. Jetzt spricht Herr Nico Brünler für die Fraktion DIE LINKE.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich den Titel gelesen habe, habe ich mir gedacht, wir haben traditionell im Umfeld des 1. Mai das Thema Arbeit, Arbeitsbedingungen, soziale Folgen. Ich meine es nicht abfällig, wenn ich sage, dass das schon eine traditionelle Debatte zu diesem Zeitpunkt ist. Ich freue mich tatsächlich, weil ich glaube, man kann nicht oft genug darüber sprechen, zu welchen Bedingungen Menschen hier arbeiten und inwieweit sie damit ihren Lebensunterhalt bestreiten können.
Ich glaube, dass dieses Thema für Sachsen schon deshalb wichtig ist, weil die Sachsen und Sächsinnen nach wie vor im Schnitt 81,5 % vom bundesdeutschen Gehaltsdurchschnitt haben. An dieser Situation hat sich in den letzten Jahren – man muss fast Jahrzehnten sagen – bedauerlicherweise nichts geändert. Wenn wir sagen, dass Sachsen nach wie vor den Status eines Niedriglohnlandes in vielen Bereichen hat, muss man auch sagen, dass die aktuelle Preisentwicklung in Sachsen viele Menschen besonders hart trifft. Es ist doch ein Unterschied, ob man im Supermarkt an der Kasse beim Durchreichen der Geldkarte denkt, das war auch schon einmal billiger, oder ob man, wenn man an der Kasse steht, vorher erst gegenrechnen und dann dem Kind erzählen muss, dass der Fruchtquark diese Woche im Regal bleibt, weil man ihn sich nicht mehr leisten kann.
Man kommt dann zu den wichtigsten Sozialmaßnahmen. Die wichtigsten Sozialmaßnahmen sind vor allen Dingen steigende Löhne, ordentliche Tarifabschlüsse und eine ordentliche Tarifbindung. Ich freue mich darüber, dass wir uns, was das anbelangt, im Hohen Hause – mit Ausnahme der AfD – wahrscheinlich doch weitestgehend einig sind.
Nun muss ich sagen, dass die Beschäftigten im Freistaat ihren Beitrag dazu leisten. 2021 hatten wir in Sachsen bei nur einem Viertel der Einwohner von Nordrhein-Westfalen genauso viele Arbeitskämpfe, wie in Nordrhein-Westfalen. Wir haben auch aktuell wieder einen Warnstreik der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsbereich, gerade heute. Das passiert nicht aus Spaß oder weil die Beschäftigten dort den Wunsch haben, die Eltern der Kitakinder einmal so richtig zu ärgern. Nein, das geschieht deshalb, weil diese Menschen nicht wissen, wovon sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen. Das sind genau diese Leistungsträger, für die wir in Corona-Zeiten zwar kräftig geklatscht haben, die wir aber doch wieder im Regen stehen gelassen haben. Von daher, von dieser Seite solidarische Grüße an die Streikenden.
Wenn wir über Tarifautonomie, Tarifbindung und dergleichen reden, stellt sich die Frage: Was können wir als Freistaat tun? Natürlich müssen Löhne von den Tarifpartnern ausgehandelt werden. Aber es ist nicht so, dass es hier überhaupt keine Hebel gibt. Wenn wir uns vor Augen führen, dass die öffentliche Hand der größte Auftraggeber für die private Wirtschaft ist, dann, denken wir, haben wir sehr wohl die Möglichkeit, hier einzugreifen. Ich frage mich, warum wir es immer noch nicht geschafft haben, das
Vergabegesetz zu novellieren, in dem wir bei einer öffentlichen Vergabe Lohn- und Sozialstandards für konkrete Aufträge festschreiben. Da könnten wir sehr wohl etwas tun. Das würde nicht nur den Beschäftigten helfen. Das würde letztendlich sogar den kleinen Unternehmern helfen, die sagen, dass sie bereit sind, diese Löhne zu zahlen, wenn sie wüssten, dass sie im Wettbewerb nicht mehr im Lohndumping stehen, sondern, dass sie tatsächlich einen leistungsbezogenen Wettbewerb haben.
Die Frage nach dem Niedriglohn hängt mit der jeweiligen Branche zusammen, in der man arbeitet. Da sind wir wieder beim Thema der Fachregierungserklärung von heute Morgen, und dem, was ich dabei angesprochen habe. Wir sind auch wieder bei der Frage der Industriepolitik, weil Wirtschaftsstruktur und Lohnniveau zusammenhängen. Es macht einen Unterschied, ob Menschen in Hilfsjobs ihren Lebensunterhalt verdienen; denn das ist in der Regel wesentlich weniger, als wenn es sich um hochqualifizierte Beschäftigte in innovativen Schlüsselbranchen handelt. Scheinselbstständige, Freelancer oder Beschäftigte in digitalen Servicebereichen verdienen auch weniger, als Festangestellte in stabilen Arbeitsverhältnissen.
Wenn wir die Rolle des Sozialstaates ansprechen, dann gehört dazu auch die Entwicklung von Hartz IV. Nun kann man sagen, die Sätze von Hartz IV sind im Januar um 3 Euro gestiegen, aber, wenn man sich allein die Entwicklung der Energiepreise anschaut, ist diese Steigerung um 3 Euro de facto eine Kürzung. Diese Kürzung betrifft nicht nur die, die keinen Job haben. Die Kürzung betrifft auch die, die arbeiten gehen, aber so wenig verdienen, dass sie aufstocken müssen. Auch das hängt mit guter Arbeit und entsprechenden Leistungen zusammen.
Die angekündigte Anpassung des Mindestlohns auf Bundesebene ist zwar ein richtiger Schritt, aber in letzter Folge auch nichts weiter, als ein Inflationsausgleich, wenn man sich die aktuelle Preisentwicklung anschaut. Ohne eine solidarische Neugestaltung der Rente reicht auch das noch nicht aus, weil selbst mit 12 Euro Mindestlohn nach wie vor Altersarmut vorprogrammiert ist. Für viele, die dann 12 Euro in der Stunde verdienen, bedeutet das letztendlich nur – –
Letzter Satz Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten. – Für die bedeutet das letztendlich nur, dass sie gerade so aus den Sozialleistungen herausrutschen und in der Summe trotzdem nicht mehr in der Tasche haben, als vorher.
Das war Nico Brünler für die Fraktion DIE LINKE. Für die BÜNDNISGRÜNEN bitte ich jetzt Herrn Liebscher.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch von mir erst einmal einige Sätze zum Tag der Arbeit: Nach zwei von der Pandemie gezeichneten Jahren, konnten wir am vergangenen Sonntag zur 1.-Mai-Kundgebung unser Augenmerk auf eigentlich neue Themen legen. Allerdings ist die Beklommenheit, die uns dieses Jahr verbindet, eine andere. Die liberale Demokratie Europas ist durch den aggressiven Angriffskriegs Russlands von außen und durch Lügengebäude rechtsnationaler Kader von innen bedroht.
Ich bin, ehrlich gesagt, die Bilder von Nazi-Aufmärschen am 1. Mai leid und werde das hier nicht reproduzieren. Ich ermuntere stattdessen alle hier anwesenden Demokratinnen und Demokraten, unsere demokratische Mehrheit sichtbar zu machen. Sachsen hat ein buntes Bild in den Abendnachrichten verdient, tragen wir es auf die Straße!
Werte Kolleginnen und Kollegen! Der russische Angriffskrieg bedeutet eine Ruptur unseres Wirtschaftsgefüges. Das haben wir heute Morgen ausführlich besprochen. Die wirtschaftspolitischen Auswirkungen des externen fossilen Preisschocks treffen in Sachsen, wie in ganz Europa, auf eine Gesellschaft mit pandemiegeschwächter Grundkonstitution. In der Pandemie verstärkte sich die soziale Ungleichheit; Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen ohne Tarifbindung und ohne Sozialversicherung traf die Pandemie finanziell am härtesten. Maßnahmen, wie das Kurzarbeitergeld konnten dramatischere Entwicklungen erfolgreich verhindern.
Dennoch stieg die Armut bundesweit laut des Berichts des Paritätischen Gesamtverbandes an. Betroffen sind durch die Pandemie vermehrt auch Selbstständige. Überproportional trifft die Armut Alleinerziehende, Arbeitslose, Menschen mit Migrationsbiografie und – last, but not least – auch Ostdeutsche; denn viele Menschen dieser sozialen Gruppen leben von Anstellungen in prekären Arbeitsverhältnissen. Über ein Drittel der von Armut betroffenen Menschen ist arm trotz Erwerbstätigkeit. Lohnunterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland – wir haben das heute schon mehrmals gehört – finden sich auch unter sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und Arbeitnehmenden. In weiten Teilen Sachsens sind mehr als 30 % der Erwerbstätigen der Gruppe der unteren Entgeltbereiche zuzuordnen.
Werte Damen und Herren! Mit der aktuell steigenden Inflation sind erneut niedrige Einkommen stärker belastet, da diese keine Möglichkeit haben, auf Rücklagen zurückzugreifen. Für viele Menschen bedeutet „Zeitenwende“, jeden Euro vor dem Einkaufen zweimal zu wenden. Die Antwort muss daher sein, zielgerichtet die niedrigen Einkommen zu schützen. Die gezielte Unterstützung durch die Bundesregierung kann jedoch keinen vollen Inflationsausgleich leisten. Löhne müssen entsprechend steigen, um die