Protokoll der Sitzung vom 26.04.2023

Das war Herr Marco Böhme für die Fraktion DIE LINKE. Gibt es jetzt den Bedarf für eine zweite Runde? – Das sehe ich nicht. Dann Herr Staatsminister Dulig, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich bei den Koalitionsfraktionen ausdrücklich dafür bedanken, dass sie mit diesem vorliegenden Antrag zur richtigen Zeit das Schlaglicht auf ein Thema werfen, das bis jetzt unberechtigterweise viel zu sehr im Schatten der Aufmerksamkeit stand. Es wurde schon festgestellt: Wir sind alle zu Fuß Gehende. Auch die Mobilitätsformen der Neuzeit fangen zumindest mit einem Fußweg an und hören ebenso mit einem solchen auf. Das Zufußgehen ist und bleibt ein Stück unseres Menschseins. Es ist gesund und vermittelt uns die unmittelbarsten Begegnungen mit der Umwelt und mit anderen Menschen.

Leider haben die Stadt- und Verkehrsplaner dieses menschliche Grundbedürfnis in den vergangenen 70 Jahren nur unzureichend berücksichtigt. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei gesagt: Es geht jetzt in dieser Debatte nicht um den Kulturkampf gegen das Auto. Es geht schlichtweg darum, den Menschen den angemessenen Teil des öffentlichen Raums als lebenswerten und sicheren Erlebnisraum zurückzugeben. Jede moderne Stadtplanung, egal ob die Stadt im politischen Sinne eher alternativ oder konservativ geprägt ist, fordert heute, den Fußverkehr stärker zu berücksichtigen. Flankierend tritt das Erfordernis des klimagerechten Umbaus unserer Städte und Gemeinden hinzu. Eine sich in den Sommermonaten aufheizende Stadt wird schon bald ihre Anziehungskraft verlieren. Veränderungen sind daher erforderlich.

Mein Haus war auf Fachebene auf dem 4. Nationalen Fußverkehrskongress vertreten, der in der vergangenen Woche in Bremen stattgefunden hat. Als Ergebnis der Kongressdiskussion ist festzustellen, dass die dezidierte Befassung mit dem Thema „Fußverkehr in Deutschland“ immer noch in den Kinderschuhen steckt. Wissenschaft und Forschung sind bereits ziemlich aussagefähig. Allein die Umsetzung stockt, weil zu viele Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger vor Ort die Bedeutung dieses Themas noch nicht erkannt haben. Dabei belegen fast alle Feldversuche nach anfänglicher Skepsis und bisweilen auch Widerständen, dass eine große Mehrheit der Menschen immer überzeugt werden kann.

Die Superblocks in Barcelona sind zu einem Aushängeschild der Stadt geworden. Dabei geht es darum, Durchgangsverkehr in den Wohnquartieren zugunsten von Fuß- und Radverkehr zu reduzieren und damit die Lebensqualität zu erhöhen. Jede Metropole, die etwas auf sich hält, folgt auf ihre Art und Weise diesem Beispiel.

Meine Kolleginnen und Kollegen des SMWA kamen mit der Einschätzung nach Hause, dass sich der Freistaat Sachsen bei einem deutschlandweiten Vergleich nicht verstecken muss, auch wenn wir hier nur über Zwischenergebnisse reden können. An dieser Stelle ist ausdrücklich die hochprofessionelle Arbeit des durch Beschluss dieses Hauses geförderten Wegebundes zu würdigen, der im Volltext bekanntermaßen „Arbeitsgemeinschaft sächsischer Kommunen zur Förderung des Rad- und Fußverkehrs e. V.“ heißt. Jede Kommune ist gut beraten, wenn sie sich vom Wegebund über die vielfältigen Themen der Nahmobilität gut beraten lässt.

Eines ist klar: Der Freistaat kann unter anderem im Rahmen der Umsetzung des bestehenden Antrags gute Rahmenbedingungen schaffen. Die konkrete Förderung des Fußverkehrs kann jedoch nur vor Ort, also in unseren Kommunen, stattfinden. Sehr gerne leisten wir unseren Beitrag, indem wir zum Beispiel mit den Finanzmitteln dieses Doppelhaushaltes die Fußverkehrs-Checks im wahrsten Sinne des Wortes zum Laufen gebracht haben. Ich bin jetzt sehr gespannt auf die Ergebnisse.

Beim ÖPNV setzen wir uns kontinuierlich für Barrierefreiheit ein. Kein Projekt darf gefördert werden, wenn es nicht

die diesbezüglichen Kriterien erfüllt. Dank der klugen Mitwirkung der vielen beteiligten Akteure haben wir auf diesem Gebiet sehr viele sichtbare Fortschritte erzielt. Schwerpunkt im neuen Verkehrssicherheitsprogramm werden die Themen „Sicherer Fußverkehr und Teilhabe für alle“ bilden. Die Staatsregierung setzt sich seit Jahren mit verschiedensten präventiven Verkehrssicherheitsprojekten für die Verbesserung der Fußgängersicherheit ein. Ich lade Sie jetzt schon ganz herzlich zum 23. Verkehrssicherheitstag am 2. Juli dieses Jahres auf dem Sachsenring ein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegt aber immer noch sehr viel Arbeit vor uns. Hin und wieder gilt es auch Widerstände zu überwinden. So hat mein Haus im Jahr 2020 Hinweise für die Einrichtung von Fußgängerüberwegen erlassen, die den Bau derartiger Anlagen erleichtern sollen. Die praktischen Ergebnisse sind jedoch deutlich hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben. Deshalb werden wir auch in diesem Jahr noch einmal nachschärfen. Ich kann das aus eigenem Erleben in meinem Heimatort berichten.

Wenn tatsächlich die Fragen von Sicherheit dem Denkmalschutz – dabei ging es um Sichtachsen – unterlegen sind, dann stimmt etwas nicht. Sicherheit muss immer Vorrang haben. Ich habe deshalb meiner Fachabteilung die Devise auf den Weg gegeben: Lieber lassen wir uns verklagen, verlieren vielleicht auch einmal einen solchen Prozess, aber ich möchte mich nicht mitschuldig machen an einem unnötig verunglückten oder gar getöteten Verkehrsteilnehmenden.

Der Kern des Problems liegt allerdings darin, dass der Bund bei der Novellierung der StVO viel zu langsam und zaghaft voranschreitet. Dabei liegen viele gute Vorschläge der Länder bereits seit Langem auf dem Tisch. Jetzt ist der Bund am Zug. Die von Bund und Ländern gleichermaßen verfolgte Vision Zero bleibt unerreichbar, wenn den VorOrt-Akteuren bei den dafür notwendigen Maßnahmen die Hände gebunden sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zum Abschluss ein kleines Fazit ziehen. Wir wissen sehr wohl, dass wir in puncto Förderung des Fußverkehrs erst am Anfang eines längeren Prozesses stehen. Wir haben uns aber ambitioniert auf den Weg gemacht und freuen uns darauf, Ihnen demnächst über weitere Zwischenergebnisse berichten zu dürfen.

Ziel ist es, möglichst schnell aus der Problemanalyse heraus in die Umsetzungsphase zu kommen. Einen Königsweg gibt es dabei nicht. Gefragt sind ebenso kreative wie individuelle Lösungen. Ganz wichtig ist es, die Menschen von Anfang an mitzunehmen, weil jede Erneuerung im Umkehrschluss auch eine Abkehr vom Gewohnten beinhaltet. Es müssen im wahrsten Sinne des Wortes neue Wege beschritten werden.

Dabei werden wir letztendlich nicht um kontroverse Diskussionen bezüglich der Neuverteilung von öffentlichen Flächen herumkommen. Aber dieser Aufwand wird sich allemal lohnen, weil die Dividende der Bemühungen in gesunden Menschen und in lebenswerten Städten besteht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den BÜNDNISGRÜNEN und der Staatsregierung)

Das war Herr Staatsminister Dulig. Wir würden jetzt zum Schlusswort kommen. Wer möchte das Schlusswort halten?

(Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE: Wir verzichten!)

Es gibt kein Schlusswort. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag in der Drucksache 7/13065, Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD, mit dem Titel „Aktive Mobilität stärken – Fußverkehr attraktiver machen“ die Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Vielen Dank. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Bei einigen Stimmenthaltungen und sehr vielen Stimmen dafür ist diesem Antrag zugestimmt worden und der Tagesordnungspunkt 10 beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 11

Führerscheinoffensive für Sachsens Auszubildende

Drucksache 7/13068, Antrag der Fraktion AfD

Die Fraktionen können wie üblich Stellung nehmen. Für die AfD-Fraktion bitte Herr Thumm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Abgeordnete! Wir fordern mit unserem Antrag eine Führerscheinoffensive für alle sächsischen Auszubildenden – egal, ob auf dem Land oder in der Stadt –, die einen Beruf an einer betrieblichen Ausbildungsstätte oder einer berufsbildenden Schule in Sachsen erlernen.

Mit „Offensive“ meinen wir einen einmaligen Landeszuschuss für die Fahrerlaubnis in Höhe von 50 %, maximal 1 500 Euro, und zwar für den Mopedführerschein ab 15 Jahre und den Autoführerschein. Wir wollen, dass die sächsische Jugend Mobilität genießt, insbesondere in den abgehangenen Regionen, weil dort teilweise weder Bus noch Bahn fahren. Es darf nicht sein, dass eine Fahrt von 40 Kilometern mit Umsteigezeiten vom Heimatort zur Ausbildungsstätte oder zur Berufsschule täglich mehrere Stunden dauert.

Gerade in den ländlichen Regionen des Freistaates tun wir gut daran, die Erreichbarkeit von Ausbildungsbetrieben und Berufsschulen zu fördern; denn oft sind die Simson oder der Pkw dort das einzige probate Fortbewegungsmittel. Mobilität kann in Sachsen durch den ÖPNV nicht flächendeckend organisiert werden. Es ist ein links-grüner Irrglaube, das zu tun. Das gibt die Siedlungsstruktur des Freistaates nicht her; so ehrlich muss man sein. Man würde auch die kommunalen Kassen schlichtweg überfordern, wenn man das gewährleisten wollte.

Meine Damen und Herren! Was spricht eigentlich gegen unseren Antrag, Mobilität in Sachsen für alle Auszubildenden zu gewährleisten?

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Wir fördern schließlich das Interesse an Ausbildungsberufen. Wir steigern die Attraktivität Sachsens für die eigene Jugend. Wir sichern die Mobilität auf dem Land. Wir unterstützen das Ehrenamt, beispielsweise in der Feuerwehr und in Vereinen, weil aktive junge Menschen endlich mobil werden.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie sieht die CDU-geführte Staatsregierung unseren Antrag? Sie meint, in ihrer eigenen Fähigkeit für Fehlinterpretation erstens, eine Förderung der Fahrerlaubnis für junge Sachsen sei nicht sinnvoll, denn diese Aufgabe obliege der Wirtschaft, zweitens möchte sie lieber ÖPNV-Angebote gegen den Führerschein ausspielen und drittens führt die Staatsregierung eine angebliche Doppelförderung der Bundesagentur für Arbeit ins Feld.

Der Verweis auf die Doppelförderung für die Ausbildungsgarantie mitsamt dem darin enthaltenen Mobilitätszuschuss ist absurd; denn der Mobilitätszuschuss ist nicht mehr als ein reiner Fahrtkostenzuschuss für Familienheimfahrten von jungen Menschen, also ein Argument aus dem Bereich: Weit daneben ist auch vorbei!

Gerade im ländlichen Raum müssen wir feststellen – das habe ich bereits zuvor gesagt –, dass das Angebot durch den ÖPNV dürftig bzw. teilweise nicht vorhanden ist. Somit ist das ein Argument aus dem Bereich der Lebensferne dieser Staatsregierung.

Bemerkenswert ist auch, dass die Staatsregierung zum Führerscheinzuschuss meint, die primäre Verantwortung für die Ausbildung des Fachkräftenachwuchses liege bei der Wirtschaft. Nun, Ja bzw. Nein muss ich hierzu sagen: Wir wollen doch nicht den Beruf des Fahrausbilders fördern, sondern die Mobilität von Auszubildenden im Freistaat, damit diese der Heimat nicht den Rücken kehren und sich gezielt für eine Ausbildung im Freistaat Sachsen entscheiden.

Sie sehen, die Argumente der Staatsregierung sind absoluter Unfug. Aber ein gutes Argument kommt bei der Beurteilung unseres Antrages dann doch noch heraus. Die Staatsregierung führt aus, sie habe schließlich die bundesweite Absenkung des Mindestalters für den Führerschein der Klasse AM, also für das Moped, von 16 Jahren auf 15 Jahre durchgesetzt. Daran, sehr geehrte Damen und Herren, sollten wir anknüpfen, indem wir die rechtliche Möglichkeit um die finanzielle Machbarkeit ergänzen und zielgerichtet erweitern.

Sie sehen: Wenn die Staatsregierung ausnahmsweise sinnvolle Vorarbeit leistet, dann stehen wir zur Verfügung, um diese zu unterstützen. Zum Abschluss fände ich es daher schade, wenn diese Unterstützung gerade an den regierungstragenden Fraktionen scheitern würde.

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, bitte bei der Abstimmung über den Antrag nachher nicht vergessen, das Händchen hochzuhalten.

Vielen Dank dafür.

(Beifall bei der AfD – Marco Böhme, DIE LINKE: Nein!)

Das war Herr Thumm für die AfD-Fraktion. Für die CDUFraktion jetzt bitte Herr Kollege Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Paul und Marie sind den Kinderschuhen entwachsen.

(Heiterkeit des Abg. Sören Voigt, CDU)

Sie leben auf dem Land, und nun besteht hier Handlungsbedarf. So oder ähnlich hätte die Geschichte auch beginnen können.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Passend dazu wäre noch

(Widerspruch von der AfD)

das Einreichungsdatum des Antrags am 1. April gewesen.

(Zurufe von der AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antragsteller ruft zur Ausweitung des Individualverkehrs eine Summe von 150 Millionen Euro auf.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Das ist schon krass! – Thomas Thumm, AfD: Als Mindestbetrag!)