Protokoll der Sitzung vom 01.06.2023

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Natürlich heißt das, den Kommunen auch zu helfen, damit sie es schultern können. Aber der Bericht zeigt: Diese Ausgaben sind mehr als sinnvoll und richtig gewesen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe jetzt zwar über drei Krisenjahre gesprochen, aber der Bericht beleuchtet den Zeitraum von 2005 bis 2019, also vor den Krisen. Das heißt, er zeigt den Zeitraum auf, in dem in eine soziale Infrastruktur investiert wurde, sodass wir heute im Ergebnis sagen können: Sie hat uns geholfen, durch diese Jahre zu kommen.

Ich schließe mich hier den Forderungen und den Wünschen meiner Vorrednerinnen und Vorredner an: Auf jeden Fall sollte die Sozialberichterstattung fortgeführt werden. Sie muss kontinuierlich sein, zumal der Vergleich der Berichte erst den Wert ausmacht. Man kann dann vergleichen, Entwicklungen sehen und feststellen, welche Instrumente dazu beitragen, dass eine soziale Infrastruktur wirksam ist.

Beim Studium dieses Berichts fällt auf – und darauf wurde auch schon eingegangen –, dass der Begriff der „abgehängten Regionen“, in denen sich alles negativ entwickelt, für Sachsen so nicht trägt. Es kann keine Rede davon sein, entweder in Teilen abgehängt oder dabei zu sein. Sachsen ist ein sehr dicht besiedeltes Land, und die sozialen Lagen sind sehr heterogen. Sie unterscheiden sich zum Teil von Gemeinde zu Gemeinde.

Dieser Bericht zeigt die positiven Entwicklungen, aber auch die Herausforderungen und Handlungsfelder auf. Ja, wir haben positive Entwicklungen. Nur muss man sich immer das Niveau anschauen.

Reden wir über das Thema Einkommen: Ja, insgesamt hat sich das Einkommen gesteigert. Die Arbeitslosigkeit sank von 18,3 % im Jahr 2005 auf 5,5 % im Jahr 2019. Die Zahl der Beschäftigten stieg. Es stieg aber auch die Zahl der Teilzeitbeschäftigten, und ein Großteil davon sind Frauen.

Ja, wir haben steigende Tageslöhne und Haushaltseinkommen, aber trotzdem viel zu niedrige Löhne. Über 50 % der Vollzeitarbeitenden hatten im Jahr 2018 weniger als 12 Euro pro Stunde. Diese 12 Euro sind der Mindestlohn, den wir heute haben.

Die Renten sind zwischen 2005 und 2019 um circa 35 % gestiegen. Aber bei mindestens 35 Beitragsjahren liegt die Rente in Sachsen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Damit haben wir wieder unser Problem, weil wir hier nach wie vor zu niedrige Löhne hatten und haben.

Das Vermögen in Sachsen hinkt weiter dem deutschlandweiten Schnitt hinterher, weil es vorher keine großen Ansparungen und keine großen Erbschaften gegeben hat. Es gab auch keine Zeit und Chance, Vermögen anzusparen. Auch das ist eine Konsequenz dieser niedrigen Löhne. Das heißt: aktives Handeln. Das heißt, die Handlungsfelder zu beschreiben und was zu tun ist, wenn wir gute Renten wollen. Wir müssen uns darum kümmern, dass es gute Löhne gibt.

Es wurde deutlich, dass es nicht nur um die soziale Infrastruktur als solche, sondern um die Rolle des Sozialstaates geht. Ja, die große Belebung des Sozialstaates, vor allem durch die SPD-geführte Bundesregierung, war für den Osten und vor allem für Sachsen enorm wichtig – die Einführung von 12 Euro Mindestlohn, die Veränderung von Hartz IV zum Bürgergeld, bald die Kindergrundsicherung oder – worauf wir aus Sachsen heraus große Energie verwandt haben –: dass endlich die Grundrente kommt. Sie kommt denjenigen zugute, die selbst leben und Unterhalt verdienen wollen. Denn klar bleibt: Lohn muss für eine ordentliche Rente reichen. Wir wollen, dass die Menschen bei Arbeitslosigkeit keine Angst haben, dass hart erarbeitete Rücklagen für das Alter gleich wieder weg sind. Der Sozialstaat soll Garant dafür sein, dass die Hürden überwunden werden können.

Natürlich geht der Bericht auch auf die demografische Entwicklung ein. Denn die Demografie treibt uns nun in allen Lebensbereichen um und ist das bestimmende Thema. Schon jetzt ist jede vierte Person über 65 Jahre alt. Der Rückgang der Bevölkerung hält an, auch wenn er sich leicht abgeschwächt hat. Immerhin ziehen zurzeit mehr Menschen nach Sachsen als aus Sachsen weg. Aber wir haben starke regionale Unterschiede. Das Stadt-Land-Gefälle wird größer. Wir werden immer älter, im Sinne von dass es mehr ältere Menschen in unserer Gesellschaft werden. Wir werden immer weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter haben.

Das ist das Thema, das uns in den letzten Monaten beschäftigt hat. Das Thema Arbeits- und Fachkräftemangel ist nicht eins, das auf uns zukommt, sondern wir sind mitten in dieser Entwicklung. Auch das kann man aus diesem Bericht ablesen. Allein in den letzten fünf Jahren haben wir 100 000 Menschen auf dem Arbeitsmarkt verloren, und es werden noch einmal circa 150 000 bis zum Jahr 2030 sein. Das muss man immer wieder sagen. Die sind nicht irgendwo anders – weil die Frage gestellt wird –, sie sind schlichtweg nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt, weil sie in Ruhestand und Rente gegangen sind und keine junge Generation nachgewachsen ist. Das betrifft alle Arbeits- und Fachbereiche. Das betrifft alle Branchen, besonders bei Gesundheit und Pflege.

Nehmen wir uns das Thema Pflege vor. Die Zahlen wurden genannt. Die Zahl der Pflegebedürftigen zwischen 2005 und 2019 hat sich auf rund 251 000 verdoppelt. Unter anderem wegen der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs 2017 hat es mehr Leistungsberechtigte gegeben. Die Prognose sagt, dass wir bis zum Jahr 2035

rund 282 500 Pflegebedürftige haben werden, was wiederum einen Mehrbedarf von 12 800 Vollzeitpflegekräften in der ambulanten und stationären Pflege bedeuten wird.

Positiv ist, dass die Zahl der Absolventinnen und Absolventen in der Altenpflege in Sachsen zwischen 2005 und 2020 deutlich angestiegen ist. Es ist ebenfalls positiv, dass 2021 fast 1 000 Auszubildende mehr in der Pflege als 2012 vorhanden waren.

Welches Fazit ziehen wir mit diesem Bericht? Dieser Bericht zeichnet Entwicklungen nach, gibt uns die Chancen für ein realistisches Lagebild, erkennt unsere Herausforderungen, die Aufgaben und die Ansätze. Ja, der Bereich der sozialen Sicherheit ist der, um den wir uns kümmern müssen. Es geht um gute Arbeitsplätze und ein anständiges Einkommen. Ja, wir sehen positive Entwicklungen, aber teils mit zu kleinen Schritten.

Große Sozialstaatsreformen helfen besonders den Menschen in Sachsen und im Osten. Aber wir sehen auch die aktuellen Herausforderungen. Die Gesundheits- und Pflegelandschaft ist harter Standortfaktor und Infrastrukturpolitik. Deshalb müssen wir aus Sachsen heraus die Gesundheitsreformen im Gesundheits- und Pflegebereich aktiv und intensiv mit begleiten im Sinne der Menschen. Denn das Handeln vor Ort ist jetzt notwendiger denn je.

Lassen Sie uns noch mehr dafür tun, einen starken Sozialstaat und eine starke soziale Infrastruktur zu schaffen! Sie sind der Anker für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und den BÜNDNISGRÜNEN)

Staatsminister Dulig sprach für die Staatsregierung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dieser Aussprache kommen wir zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Drucksache 7/13496. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Sehe ich nicht. – Ich habe weder Gegenstimmen noch Stimmenthaltungen gesehen. Das ist ein einstimmiges Ergebnis dafür, und somit ist dieser Drucksache zugestimmt worden.

Wir kommen nun zum Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksache 7/13556. Ich bitte um Einbringung. Frau Kollegin Schaper, bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir legen ihnen hier einen Entschließungsantrag vor, um in erster Linie das Ansinnen zu verfolgen, die Verstetigung der Sozialberichterstattung hier im Freistaat zu garantieren und um Datenlücken zu schließen, zum Beispiel zur Situation von Wohnungslosigkeit und wichtiger Themenfelder, wie Wohnen oder Bildung auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte.

Außerdem wollen wir, dass der im Koalitionsvertrag zugesagte Landesaktionsplan mit dem Zehn-Punkte-Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Integration von

Alleinerziehenden in den Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung des Runden Tisches zur Lage von Alleinerziehenden im November 2022 vorgelegt wird.

Angesichts der steigenden Zahl von pflegebedürftigen Menschen, des prognostizierten Mangels an Pflegefachkräften – Herr Minister Dulig ist darauf eingegangen – und die damit verbundene zwingende Umsetzung der Empfehlungen der Enquetekommission wäre hier eine Taskforce Pflege angemessen.

(Unruhe)

Darüber wurde in allen vorherigen Beiträgen gesprochen.

(Glocke des Präsidenten)

Außerdem ist dem Landtag rechtzeitig in der laufenden Legislaturperiode ein Gesetzentwurf für ein Integrations- und Teilhabegesetz zur Beratung und Beschlussfassung vorzulegen, in dem gleichberechtigte Bildungs-, Beschäftigungs- und Teilhabechancen für Menschen mit Migrationshintergrund verankert sind.

Angesichts der zunehmenden sozialen Ungleichheit soll sich die Staatsregierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten und den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auf Bundesebene für eine gerechte Verteilung von Reichtum durch eine Besteuerung von hohen Vermögen und Erbschaften zur Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen einsetzen.

Da Sie, Herr Minister Dulig, sehr leidenschaftlich damit begonnen haben, dass Sie das als Sozi heute gerne vortragen, ist das sicher für einen Sozi – ich zitiere Sie selber – eine Aufgabe, die Sie gerne annehmen und sehr gerne zustimmen, diesen Sozialbericht zu verstetigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Frau Kollegin Schaper brachte den Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE ein. Gibt es hierzu seitens der Fraktionen Redebedarf? – Ich sehe die AfD und die SPD. Ich übergebe jetzt an Frau Kollegin Schwietzer. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich mache es kurz: Werte Linksfraktion, wir werden Ihren Entschließungsantrag ablehnen – nicht, weil wir denken, dass es keine sozialen Probleme in diesem Land gibt, sondern weil wir denken, dass Sie nicht die Lösungen präsentieren, die den Freistaat entscheidend voranbringen.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Wo ist denn Ihr Entschließungsantrag?!)

Mein Kollege, Herr André Wendt, hat vorhin in seinem Redebeitrag gesagt, dass der Worte genug gewechselt sind

und Taten folgen müssen. Es müssen Taten folgen! Insofern ist die Etablierung von Expertenrunden nicht das Mittel der Wahl. Ich nehme zum Beispiel den Bericht der Enquetekommission Pflege. Hier sind die Handlungsaufträge klar umrissen. Es braucht keine Taskforce Pflege, sondern die Maßnahmen, die in diesem Bericht stehen, gehören umgesetzt.

Dann gehen Sie in Ihrem Entschließungsantrag noch auf die Migration ein, die für Sie die Lösung der demografischen Probleme Sachsens sein soll. Für uns kann die Migration, wie sie derzeit stattfindet, nicht die Lösung sein. Wir haben derzeit vor allem eine Armutsmigration – das hat Frau Schaper schon gesagt – und eine Migration in unsere Sozialsysteme.

(Zurufe von den LINKEN)

Die soziale Lage wird dadurch nicht besser, sondern noch viel schlechter. Fachkräfte kommen nur sehr wenige nach Deutschland. Wir brauchen daher nicht noch mehr Migration und Integration, sondern eine Steuerung der Zuwanderung sowie die Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen bei Personen ohne Bleiberecht.

(Beifall bei der AfD)

Es gibt also viel zu tun. Ihr Entschließungsantrag ist hier aber nicht hilfreich. Daher, wie gesagt, unsere Ablehnung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Kollegin Schwietzer sprach für die Fraktion AfD. Nun spricht für die SPDFraktion Frau Kollegin Lang an Mikrofon 2.

Vielen Dank, Herr Präsident. Zum Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE, der relativ umfangreich und ein Ritt durch verschiedene Themenbereiche im Sozialbericht ist, habe ich mir einige Punkte herausgesucht, die ich gern noch einmal ansprechen möchte. Es geht um die Verstetigung des Sozialberichtes. Ich habe vorhin in meiner Rede gesagt, dass es durchaus wünschenswert und klar ist, dass wir Grundlagen für unsere Arbeit brauchen und dass er fortgeführt werden muss.

Die Forderung nach einem Gesetzentwurf sehe ich jedoch nicht, weil das in dieser Legislaturperiode wahrscheinlich

rein zeitlich nicht mehr möglich ist. Aber ich sehe auch, dass wir die Corona-Pandemie und die Bedingungen, die gerade unter inflationären Dingen im Raum stehen, berücksichtigen müssen. Aber man muss dazusagen: Auch der zweite Bericht – der Informationslücken hat, ganz klar, weil er schon länger her ist –, wird sich beim dritten weiterentwickeln müssen. Dann wird es ein deutlicheres und konkreteres Bild von der Lage der letzten Jahre geben.