Protokoll der Sitzung vom 01.06.2023

Aber den Herrn Mackenroth würde ich gern behalten. Er kümmert sich in fantastischer Weise um die Interessen der Ausländer in diesem Land. Ihn lassen wir bitte in der Mitte des Parlaments in dieser Funktion. Das brauchen die Ausländer in diesem Land und das brauchen wir.

Übrigens, Herr Wippel, so armselig menschlich dieser Vorschlag ist, so armselig ist auch Ihr Wettangebot.

(Heiterkeit des Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU)

Über das Schicksal von Menschen im Landtag in Dresden eine Wette abschließen zu wollen, das ist wirklich derart unterirdisch. Ich dachte gestern bei Herrn Weigand, das Unterirdischste zu erleben, aber das war jetzt noch schlimmer.

(Beifall bei der CDU, den BÜNDNISGRÜNEN, der SPD und der Staatsregierung)

Weil Sie mich so aufgeregt haben, habe ich mit dem Schluss meiner Rede begonnen. Mein Schluss ist jetzt weg.

Herzlichen Dank an die CDU-Fraktion, dass wir Maß und Mitte halten – egal, wie extrem hier gearbeitet wird.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE)

Wir sind der Maßstab. Ich hoffe, ich habe die Zeit eingehalten.

(Beifall bei der CDU – Frank Richter, SPD, steht am Mikrofon.)

Das war Herr Staatsminister Schuster. Er hätte sogar noch 23 Minuten Zeit gehabt. Jetzt kommen wir zum Schlusswort. – Moment, bitte, ich sehe noch eine Kurzintervention. Herr Wippel, Sie

müssen noch einmal stoppen. Es folgt zunächst eine Kurzintervention, für die ich noch Kollegen Richter zu Wort kommen lassen muss. – Bitte, Herr Kollege Richter.

Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatsminister, ich habe eine Bitte an Sie. Drei Abgeordnete dieses Hauses haben an Sie einen Brief geschrieben mit der, glaube ich, sehr vorsichtigen und herzlichen Bitte, die Möglichkeiten der Abschiebehaftgruppe zu erweitern. Das ist eine hoch honorige, zivilgesellschaftliche, ehrenamtlich tätige Einrichtung. Die Verhältnisse im Abschiebehaftgefängnis sind in vielerlei Hinsicht schwierig. Das müssen wir gar nicht bestreiten. Diese Gruppe leistet einen wichtigen Beitrag.

Kollege Pallas hat es gesagt. Es gibt von unserer Seite gar keinen Grund – –

Kollege Richter, Sie müssen jetzt irgendwie die Kurve zum Redebeitrag des Herrn Staatsministers bekommen.

– Ja, sie kommt jetzt. Es geht um Abschiebung, Herr Präsident. Es geht um die substanzielle Einrichtung der Abschiebehaft. In diesem Zusammenhang die Abschiebehaftgruppe mit dem Begriff Besuchstourismus, wie es in Ihrem Antwortbrief lautet, in Verbindung zu bringen, finde ich nicht angemessen.

(Widerspruch von der CDU)

Ich bitte Sie, darüber noch einmal nachzudenken.

(Jan Hippold, CDU: Was soll denn das? Das ist doch keine Kurzintervention!)

Es bezog sich jetzt auf Abschiebehaft und auf Abschiebung. Das war die Kurzintervention. Herr Staatsminister, Sie könnten auf die Kurzintervention, die sich auf Ihren Redebeitrag, wie wir gemerkt haben, bezog, reagieren.

Ich wollte jetzt nicht unanständig sein und nicht einfach nichts sagen, aber mir ist der Vorgang, den Sie mir wahrscheinlich geschickt haben, und das, was darin steht, nicht präsent.

Wenn ich das sagen darf: Der Ausbruch hat dazu geführt, dass wir unsere Abschiebehaftanstalt komplett auf den Kopf gestellt haben. Ich darf Ihnen eines sagen: Es gibt die Befürchtung – ich bin von mehreren angeschrieben worden –, dass wir das Regime zuungunsten der Bewohner unglaublich stark verändern könnten. Diese Sorge kann ich Ihnen nehmen. Wir machen keinen Nachteinschluss usw. usf. Wenn Sie diese Sorge haben, dann kann ich sie Ihnen nehmen.

Die Fehler, die dort passiert sind, haben nichts damit zu tun, wie wir mit den Menschen dort umgehen. Sie genießen die gleichen Freiheiten wie immer, weil sie die Chance zum Ausbruch auch gehabt hätten, wenn wir ganz streng gewesen wären. Es gab ganz andere Fehler.

Ich habe jedenfalls bei dem ganzen Auditieren der Zustände an keiner Stelle bemerkt, dass wir in irgendeiner Form menschenunwürdig mit ihnen umgehen würden. Ansonsten schaue ich mir an, was Sie mir geschrieben haben.

Vielen Dank. Wir kommen jetzt zum Schlusswort. Herr Kollege Wippel, Sie haben 3 Minuten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Am Ende dieser Debatte und nach den Worten des Herrn Staatsministers Schuster muss ich feststellen: Die CDU redet von Maß und Mitte, und sie reden und versprechen Humanität und Ordnung. Aber das, was sie liefern, ist weder Humanität noch Ordnung.

Bereits im Jahr 2014 hat sich die Lage in diesem Land quasi verschärft. In diesem Jahr war die AfD-Fraktion zum ersten Mal im Sächsischen Landtag. Wir haben damals darauf hingewiesen, dass etwas schiefläuft.

Vor dem Jahr 2015 – davor – haben wir gewarnt, dass die Zahlen massiv ansteigen werden und dass wir massive Probleme in Deutschland bekommen werden. Wir haben davor gewarnt, dass sich die Zustände verschlechtern und Leute unter die Räder kommen werden, weil sie – das sage ich pauschal – durch Vorurteile erwischt und vielleicht sogar noch angegriffen werden. Das sind Dinge, vor denen wir gewarnt haben. Maß und Mitte rechtzeitig! Sie haben es verabsäumt, zu reagieren. Wir haben in diesem Hause zuerst – da haben die anderen noch nicht davon geredet – das Einwanderungsgesetz gefordert; das ist von allen abgelehnt worden. Danach kamen die anderen auf die Idee, ein Einwanderungsgesetz zu fordern. Wir wollten die Ordnung. Einwanderung braucht klare Regeln.

Wir brauchen uns nicht von Ihnen, der noch nicht so lange hier ist, vorwerfen lassen, dass wir das alles nicht tun, nur weil wir jetzt, da die Lage trotz Ihrer Regierung schlimmer geworden ist, Konsequenzen einfordern – Konsequenzen im Handeln. Sie sprechen davon, Abschiebungen nach Afghanistan durchzuführen. Auch das sind Forderungen, die wir schon lange haben; die wurden aber von der CDU ewig abgelehnt. Sie verkaufen das jetzt, als wäre es etwas Neues. Sie reden davon, Ausreisezentren zu haben. Es wäre eine tolle Idee, wenn der Bund das machen würde. Sie haben diese AnkER-Zentren. Das ist ein Akronym – das R steht für Rückführung. Aber warum wird es nicht gemacht?

Dann sagen Sie: Wir brauchen eine Kommission, die so gut wie die Kommission zum Ausstieg aus der Kernenergie ist, diese Energiekommission für Deutschland. Wenn das der Maßstab ist, an dem Sie Ihre Asylpolitik in Zukunft in diesem Land messen wollen, na dann gute Nacht, Marie!

(Beifall bei der AfD)

Ich darf von dieser Stelle aus nur eines in aller Freundlichkeit, ohne Gift und Galle, mitgeben: Wer AfD-Politik machen will – und Sie reden davon –, der kann das nur mit der AfD machen, aber niemals mit Rot und Grün.

(Beifall bei der AfD)

Das war das Schlusswort der einbringenden AfD-Fraktion. Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 7/13270 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist die Drucksache 7/13270 nicht beschlossen. Der Tagesordnungspunkt beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 11

Armutsfalle Pflege wirksam bekämpfen: Eigenanteile in der

Pflege deckeln! Für ein menschenwürdiges Leben im Alter!

Drucksache 7/13387, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge ist Ihnen bekannt. Die einbringende Fraktion DIE LINKE hat zunächst das Wort. Das Wort ergreift Frau Kollegin Schaper.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist um diese Uhrzeit nicht einfach; ich versuche es dennoch. Man muss es deutlich sagen: Das System ist am Ende. – Dieses Urteil über den Zustand der Pflege in Deutschland stammt nicht von mir, sondern von der Präsidentin der AWO, Kathrin Sonnenholzner. Seit Jahren reden wir über das Thema Pflege, und es ist wichtig, dass wir darüber sprechen. Aber wenn daraus nichts oder nur Stückwerk folgt, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn sich die Menschen alleingelassen fühlen. Wir dürfen nicht länger nur

darüber reden, wie die Bewohnerinnen und Bewohner im Pflegeheim finanziell entlastet werden können, sondern müssen den Worten endlich Taten folgen lassen.

Lassen Sie mich vorher erst einmal Danke sagen, Danke an die Pflegerinnen und Pfleger sowie die pflegenden Angehörigen. Danke an alle, die sich täglich mit Leidenschaft und liebevollem Engagement um die Pflegebedürftigen kümmern. Auch ihnen sind wir es schuldig, dass wir für dieses drängende Problem nachhaltige Lösungen finden; denn das, was vor einigen Tagen im Bundestag beschlossen bzw. vorgestellt wurde, ist bestenfalls Stückwerk. In jedem Fall wird es dem dramatischen Zustand, in dem sich die Pflege befindet, nicht einmal im Ansatz gerecht.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Deshalb müssen wir dringend darüber nachdenken, was wir hier vor Ort regeln können. Wie kann das Land Sachsen die Menschen konkret unterstützen, und zwar jetzt? Immer wieder auf die Bundesebene zu verweisen, hilft den Betroffenen nicht, sondern sorgt nur für mehr Frust.

Aufgrund des demografischen Wandels steigt die Zahl der älteren Menschen und damit der Anteil der Pflegebedürftigen. Es sind nun schon rund 311 000 Menschen, die Pflegeunterstützung brauchen. Knapp 16 % davon werden vollstationär versorgt, das sind rund 48 000.

Vor fast genau drei Jahren habe ich einen ähnlichen Antrag für meine Fraktion eingebracht. Damals begann ich meine Rede mit einer Schlagzeile aus der „Freien Presse“ – ich zitiere –: „Die Rente meiner Mutter reicht nicht mehr.“ Eine 80-jährige Rentnerin hatte im Juni 2020 einen Brief vom Pflegeheim mit einer Kostenerhöhung von 1 899 Euro bekommen. Mittlerweile liegen wir nun schon bei einem durchschnittlichen Eigenanteil von 2 200 Euro im ersten Aufenthaltsjahr. Die Situation war schon damals unerträglich, und nun, drei Jahre später, kann man nur festhalten: Es ist ein Skandal und unhaltbar, dass das weiter steigt.

Die Briefe, Anrufe und Anfragen in unseren Bürgerbüros werden seitdem immer mehr. Die Kosten in den Pflegeheimen sind in den letzten Jahren regelrecht explodiert. Immer mehr Menschen werden zu Sozialhilfeempfängern, und damit werden auch die ohnehin klammen Kassen der Kommunen immer mehr belastet.

Hinter den nackten Zahlen und abstrakten Feststellungen verbergen sich die Schicksale der Betroffenen, zum Beispiel von Edda Freitag. Mitte Februar strahlte das ZDF in der Sendung „Frontal“ einen Beitrag zum Thema „Arm im Heim“ aus. Frau Freitag ist in Treuen ins Pflegeheim gezogen und jetzt ein Fall für das Sozialamt. Ihre komplette Rente geht für den Eigenanteil drauf. Vorher konnte die 80Jährige von ihren knapp 2 000 Euro Rente gut leben. Jetzt sagt sie: „Ich habe zwei Renten, aber die reichen nicht. Ich muss noch unterstützt werden. Ich darf nicht darüber nachdenken, was mit mir passiert ist, sehe keinen Monat Geld und das mit den zwei Renten. Das hätte ich nicht gedacht.“ Dann sagt Frau Freitag ziemlich resigniert: „Na, das ist halt so.“

Immer mehr Menschen müssen das erste Mal im Leben Sozialhilfe beantragen, wenn sie ins Pflegeheim gehen. Bei der Arbeiterwohlfahrt im Vogtland beträgt der Anteil der Bewohnerinnen und Bewohner, die Sozialhilfe beantragt haben, über 80 %. Über 80 %! Es werden absehbar wohl mehr werden. Eine Mitarbeiterin der AWO spricht davon, wie die Menschen vor ihnen sitzen und weinen, weil sie ein Leben lang gearbeitet haben und trotzdem auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Die Geschäftsführerin der AWO Vogtland befürchtet, dass die 3 000-Euro-Grenze bald erreicht sein wird. Zumindest sagen die Zahlen der Finanzbuchhaltung, dass die Eigenanteile um 600 Euro erhöht werden müssen.

Auch bei Brigitte V. aus Auerbach reicht ihre Rente für die Eigenanteile nicht. Auch sie müsste von Sozialhilfe leben.

Momentan muss Frau V. aber das kleine Erbe ihres Lebensgefährten erst einmal aufbrauchen, um dann Anspruch auf Sozialhilfe zu haben. Können Sie sich vorstellen, was das mit den Betroffenen macht? Es ist hochgradig entwürdigend und unsagbar ungerecht.