Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 77. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags – dreimal die Zahl Sieben heute.
Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Herr Dulig, Herr Dringenberg und Frau Saborowski.
Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Folgende Redezeiten hat das Präsidium für die Tagesordnungspunkte 3 und 6 bis 8 festgelegt: CDU 63 Minuten, AfD 48 Minuten, DIE LINKE 31 Minuten, BÜNDNISGRÜNE 28 Minuten, SPD 25 Minuten und Staatsregierung 46 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden. Die
Gesamtredezeit je fraktionslosem Abgeordneten beträgt 6 Minuten und kann auf die Tagesordnungspunkte dieser Sitzung nach Bedarf verteilt werden.
Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt 10, Kleine Anfragen, ist zu streichen. Damit sehe ich keine weiteren Änderungsvorschläge für oder Widerspruch gegen die Tagesordnung. Die Tagesordnung der 77. Sitzung ist damit bestätigt.
Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 der Tagesordnung auf. Die AfD-Fraktion und die Fraktion DIE LINKE haben von ihrem Recht Gebrauch gemacht, den Titel ihrer Aktuellen Debatte gemäß § 55 Abs. 1 Satz 4 unserer Geschäftsordnung zu ändern. Demzufolge liegen mir die folgenden rechtzeitig eingegangenen Anträge auf Aktuelle Debatten vor
Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 57 Minuten, AfD 47 Minuten, DIE LINKE 29 Minuten, BÜNDNISGRÜNE 26 Minuten, SPD 18 Minuten, Staatsregierung dreimal je 10 Minuten, wenn gewünscht.
Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion der AfD das Wort. Es folgen CDU, DIE LINKE, BÜNDNISGRÜNE, SPD und Fraktionslose, sofern gewünscht. Das Wort hat natürlich zunächst die Antragstellerin. Das Wort ergreift für die AfD-Fraktion Herr Kollege Urban.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Im Januar 2022 kauften die VW-Mitarbeiter Karsten und Martina Müller mit einem Bankkredit ein Haus für sich und ihre Kinder. Der VW-Standort in Zwickau war gerade vollständig auf die Produktion von Elektroautos umgestellt. Laut Wirtschaftsminister Dulig
und Ministerpräsident Kretschmer begann jetzt die goldene Zukunft der E-Mobilität. Heute, eineinhalb Jahre später – nur eineinhalb Jahre später –, steht Familie Müller vor dem Scherbenhaufen ihrer Zukunftspläne.
Nun kann man behaupten, die 269 weggefallenen Stellen bei VW in Zwickau sind nicht dramatisch. Ich sage: Sie sind dramatisch, weil es sich hier nicht um einen Einzelfall handelt, sondern um einen negativen Gesamttrend. Ein Trend, der sich bei VW in Zwickau fortzusetzen droht. Ein Trend, der auch andere Bereiche unserer sächsischen Wirtschaft betrifft.
Das aktuelle Desaster der E-Mobilität ist nämlich symptomatisch für die gesamte realitätsfeindliche Klimarettungspolitik. Energiewende, E-Mobilität, Wärme-Wende – alle diese grünen Ideologien brauchen massive Subventionen. In dem Moment, in dem die Subventionen wegfallen, scheitern diese Ideologien.
Es ist notwendig, dass wir diese Debatte führen. Wir müssen insbesondere darüber sprechen, welchen Anteil die Politik an diesen negativen Trends in unserer deutschen Wirtschaft hat.
Sachsen hat als Autoland eine lange Tradition. Im Jahr 1991 startete VW neu mit einem Werk in MoselZwickau. Es ging wieder rasant aufwärts mit dem Automobilstandort Sachsen. Dann aber begann der politische Hype um die E-Mobilität. Die Politik von Schwarz bis Rot über Gelb und Grün schuf immer neue Hindernisse für den bisher erfolgreichen deutschen Verbrennungsmotor: Feinstaubgrenzwerte und Stickoxidgrenzwerte, die sogar noch niedriger waren als die in der Außenluft. Alle Initiativen zur Verhinderung dieses Irrsinns haben Sie abgelehnt – auch hier im Sächsischen Landtag.
Der Verbrennungsmotor soll mit allen Mitteln aus dem Markt gedrängt werden. Arm in Arm mit Frau Merkel bezeichneten Sie, Herr Kretschmer, dann im Jahr 2018 die EMobilität als große Chance für Zwickau. Die Ampel setzte noch einen drauf. In ihrem Koalitionsvertrag will sie bis zum Jahr 2030 mindestens 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen – realitätsfernes, planwirtschaftliches Wunschdenken.
Selbst der Präsident des Bundesverbandes Elektromobilität stellt ernüchtert fest, dass es derzeit keine bezahlbaren und von den Kunden gewünschten E-Fahrzeuge gibt. Herr Kretschmer! Die rote Planwirtschaft ist vor 40 Jahren krachend in der DDR gescheitert und heute scheitert die grüne Planwirtschaft.
Allein für diese Erkenntnis ist die öffentliche Debatte notwendig. Hören Sie endlich auf, unseren erfolgreichen deutschen Automobilbauer an die Wand zu fahren! Hören Sie auf, den grünen Hirngespinsten hinterherzulaufen! Machen Sie endlich Politik für unser Land!
Was durch die grüne Planwirtschaft bei VW in Zwickau nun folgen kann, ist der Abbau von mehreren 1 000 Arbeitsplätzen, vermutlich schrittweise, damit es nicht so auffällt.
Zu befürchten ist allerdings, dass Ihre grüne Planwirtschaft auch in anderen Industriezweigen massiven Schaden anrichten wird. Wenn sich ein Chemiekonzern wie BASF aufgrund steigender Energiepreise dafür entscheidet, nicht mehr in Deutschland produzieren zu wollen, was glauben Sie, was sächsische Industrie-Chemieunternehmen über den Standort Deutschland denken? Glauben Sie ernsthaft, dass sie auf den grünen und teuren Wasserstoff warten? Glauben Sie ernsthaft, dass es einen Markt für den besonders teuren, besonderen grünen Stahl aus Riesa gibt? Strompreise, Gaspreise, Mobilitätskosten – das sind Standortfaktoren. Alle diese Faktoren gehen aufgrund der grünen Planwirtschaft in Deutschland durch die Decke.
Nicht nur die Arbeitsplätze bei VW sind gefährdet, sondern auch tausende Arbeitsplätze bei vielen anderen sächsischen Unternehmen. Herr Kretschmer, auch Sie sind jemand, der regelmäßig in der Öffentlichkeit von der kurz bevorstehenden Wasserstoffwirtschaft träumt.
Werte Kollegen! Die AfD möchte diese industriepolitische Traumtänzerei beenden. Wir wollen die Fehlanreize beenden. Wir wollen die Industriepolitik wieder an den Bedürfnissen der Unternehmen und am Machbaren ausrichten.
Unsere drei Forderungen lauten deshalb: das Verbrennerverbot aufheben, Marktwirtschaft statt Planwirtschaft in allen Wirtschaftsbereichen und bezahlbare Energiepreise. Das würde am Ende auch der E-Mobilität und Zwickau helfen.
Die erste Aktuelle Debatte ist eröffnet von der einbringenden AfD-Fraktion. Es sprach Herr Kollege Urban. Jetzt kommen wir zum nächsten Redner. Ich erteile Herrn Kollegen Hippold das Wort. Er spricht für die CDU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Transformation der Automobilindustrie in Deutschland und in Sachsen hat nicht erst heute begonnen. Sie ist ein Prozess, der uns inzwischen seit zehn Jahren begleitet, und zwar unter dem Synonym „Industriepolitik im Wandel“.
Die derzeitige Debatte zur Transformation in der Industriepolitik schwankt zwischen zwei Extrempositionen: erstens einer Strenggläubigkeit der Ablehnung staatlichen Handels und zweitens dem naiven Glauben an die Steuerungsfähigkeit des Strukturwandels durch den Staat.
Die drohende Schwächung der industriellen Produktion in Deutschland und die auf politische Ursachen zurückzuführenden fundamentalen Strukturherausforderungen erfordern jedoch eine Industriepolitik, die die Standortqualität ebenso adressiert wie die konkrete Bewältigung der Veränderungsprozesse durch die Unternehmen.
Die Industriepolitik in Deutschland war in der Vergangenheit traditionell auf die Aufgabe ausgerichtet, die Voraussetzungen für eine auf unternehmerischer Freiheit basierenden wettbewerblichen Koordinierung auf Märkten zu schaffen. Sie war damit vorwettbewerblich. Die politisch gesetzte Dekarbonisierung per Termin, nämlich gemäß Klimaschutzgesetz 2045, und die neu bewerten geopolitischen Risiken verändern das Wettbewerbsumfeld und die Handlungsnotwendigkeiten grundlegend.
Strukturbrüche und Wettbewerbsverzerrungen drohen die Anpassungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu überfordern. Die heutige Industriepolitik muss daher die Voraussetzungen für einen auf Wettbewerbsmärkten sich entwickelten Strukturwandel schaffen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Wertschöpfung sichern. Dabei können – das ist mir ganz besonders wichtig – nicht dauerhaft unkonditionierte Subventionierungen, Marktabschottungen oder vollständige Risikoübernahmen die Lösung sein. Sie würden die zu jeder Zeit notwendigen Veränderungsprozesse und damit letztlich auch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gefährden und die Rolle des Staates überdehnen.