Die Bertelsmann-Studie ging zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Planes, dieser wegweisenden kommunalen Berechnungen, davon aus, dass die Bevölkerung in Deutschland insgesamt bis zum Jahr 2030 von 80,5 Millionen auf 79,97 Millionen Einwohner zurückgeht.
Wir befinden uns derzeit bei 84,3 Millionen Einwohnern. Wird dieser Aufwuchs der Population gegenüber den Annahmewerten berücksichtigt? Denn man kann ja nicht die Versiegelung allein aufgrund der Vergangenheit rechnen, sondern man muss ja auch perspektivisch in die Zukunft denken. Wird das berücksichtigt?
Wir sind gerade dabei, die Grundlagen für den neuen Landesentwicklungsplan aufzustellen. Dazu werden natürlich auch Datenlagen, die sich verändert haben, künftig mit Sicherheit berücksichtigt. Dennoch bleibt das Ziel, auch in Zukunft die Flächeninanspruchnahme zu reduzieren. Selbst bei einer wachsenden Bevölkerung muss es doch gelingen, die Flächenneuinanspruchnahme zu reduzieren, auch wenn die von Ihnen genannten Einwohnerzahlen für Deutschland insgesamt gelten. In Sachsen ist das etwas anders – hier sind die Prognosen eher leicht sinkend, möglicherweise auf stabilem Niveau. Von daher ist das Beispiel, das Sie gebracht haben, für Sachsen eher nicht relevant.
(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE – Dr. Joachim Keiler, AfD: Vielen Dank! Wenn Sie sich bei Bertelsmann das Monitoring anschauen, finden Sie dort auch die Zahlen für alle Bundesländer!)
Ich komme nun zurück zu meiner Rede: Über die Regionalpläne und Bebauungspläne finden die Grundsätze der Raumordnung Eingang auf allen Planungsebenen – bis hinunter in die kommunal verfasste Planungshoheit. Damit bedarf der Flächenschutz der Mitwirkung aller Akteure auf staatlicher und kommunaler Ebene ebenso wie der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen. Wir unterstützen dabei mit nachhaltig wirksamen Förderprogrammen im SMR die Kommunen bei der Brachflächenrevitalisierung. Jede genutzte Brache bewahrt die sprichwörtliche grüne Wiese und beseitigt gleichzeitig eine Problemfläche in der Kommune. Auch weitere Maßnahmen aus meinem Ressort, wie etwa der Denkmalschutz, die ländliche Neuordnung oder LEADER-Maßnahmen, unter denen all die Gebäude umgenutzt werden, reduzieren letztendlich die Flächenneuinanspruchnahme.
Um einmal auf ein Beispiel einzugehen – ich weiß nicht, ob Herr Böhme das vorhin gesagt hat –, was wirklich ein Problem ist in dieser Statistik: Sie haben vorhin gefragt, ob der Tagebau etwas Besseres ist als eine Fotovoltaikanlage. Diesbezüglich bin ich ganz bei Ihnen.
Wenn wir den Tagebau revitalisieren – zum Beispiel 10 000 Hektar, und auf 500 Hektar wird eine Fotovoltaikanlage errichtet –, wird diese Revitalisierung nicht gegen den Flächenverbrauch gerechnet, aber der Flächenneuverbrauch durch die Fotovoltaikanlage schon. Da sind wir gar nicht im Dissens, aber mir geht es hierbei um die Aussagekraft der Statistik.
Das ist ein echtes Problem. Wir nehmen, wie gesagt, die Vorgaben des Bundes, damit man das deutschlandweit einheitlich erfassen kann. Das wird dazu führen, dass die Flächen-Fotovoltaik den Flächenverbrauch bis zum Jahr 2030 deutlich ansteigen lässt. Deshalb muss man darüber sprechen, ob man nicht vielleicht eine etwas breiter angelegte Statistik bundesweit aufstellt, um das deutlich zu machen.
Wir werden diese Flächen brauchen, sonst wird der Ausbau von erneuerbaren Energien nicht stattfinden, aber die Statistik gibt das einfach nicht wieder. Das ist bei der Windenergie genau das Gleiche. Der Flächenverbrauch pro Windrad wird als Siedlungs- und Verkehrsfläche erfasst. Wenn Sie dafür irgendwo eine Umweltausgleichsmaßnahme durchführen, wird das aber in der Statistik nicht gegengerechnet.
Gleiches gilt für Straßen. Okay, wenn Sie keine Straßen mehr wollen; aber zumindest bei Schienenverbindungen ist es auch so, dass wir dort weiterhin Flächenverbrauch ha
ben, aber oftmals – es muss ja für jede Maßnahme ein Umweltausgleich geschaffen werden – wird das nicht gegengerechnet. Deswegen ist diese Statistik etwas schwierig und es ist nötig, sie für die Flächenneuinanspruchnahme zu interpretieren.
Deshalb ist es uns wichtig, hier Wege zu gehen – ich habe einiges aufgezählt –, aber sicherlich auch noch aus einem anderen Ministerium heraus. Die Aussagekraft der Zahlen, über die wir hier diskutieren, ist durchaus begrenzt.
Das war Herr Staatsminister Schmidt für die Staatsregierung. Jetzt könnten wir – ich sehe keinen Redebedarf mehr – zur Einbringung und Behandlung des Entschließungsantrags kommen. Für die einreichende Fraktion DIE LINKE Toni Mertsching, bitte.
Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Vielen Dank für die größtenteils sachliche Debatte. Ich will noch einmal sagen, dass wir in Sachsen in jedem Fall eine konkrete Erfassung der Brachflächen und eine vorrangige Nutzung dieser vor einer Neuversieglung brauchen. Ich nenne nur das Stichwort Industriepark Oberelbe.
Während man mit der Bahn nach Heidenau und Pirna fährt, sieht man all die Brachflächen an der Seite. Aber dann sollen 112 Hektar große Flächen für diesen Industriepark versiegelt werden. Das ist doch irre. Wir sind darüber auch mit unseren Genossen vor Ort im Gespräch, denn Generationskonflikte gibt es überall.
Leerstandsmanagement wäre auch eine solche Forderung, die wir einbringen. Es braucht kreative und unkomplizierte Lösungen, um diese zu nutzen. Wir brauchen eine konkrete Geodatenerfassung der Versiegelung durch Siedlung und Verkehr. Wir brauchen für jede Versiegelung durch die Straße eine aktive Entsiegelung.
Meines Erachtens brauchen wir auch einen Stopp des Straßenbaus. Das Geld wäre in öffentlicher Mobilität für alle gerechter angelegt. Wir brauchen ein Landesmaßnahmenprogramm für die sogenannte blau-grüne Infrastruktur. Öffentliche Plätze müssen entsiegelt und begrünt werden. Auch wenn es statistisch nicht auffällt, wenn der Große Garten zugebaut wäre oder nicht, für das Wasser macht es einen Unterschied. Parkplätze sollten nur noch unterirdisch angelegt werden usw.
Mit dem Thema Flächenverbrauch und Versiegelung mussten Sie sich nicht nur per Großer Anfrage von uns auseinandersetzen. Wir werden auch noch einen Antrag dazu einbringen. Etwas Zeit haben wir ja in dieser Legislatur noch. In einer Anhörung können wir uns auch noch einmal mit diesem Thema beschäftigen.
Bis dahin möchte ich hiermit kurz einbringen, dass wir ein wirksames Handlungsprogramm zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme durch Siedlungs- und Verkehrsflächen fordern. Das Gleiche gilt für eine verbesserte Datenlage, damit wir uns darüber konkret austauschen können.
Das war Toni Mertsching mit der Einbringung des Entschließungsantrags für die Fraktion DIE LINKE. Gibt es zum Entschließungsantrag Redebedarf? – Haben Sie Ja gesagt, Herr Dornau?
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Entschließungsantrag stellt zu Recht fest, dass der fortschreitende Flächenverbrauch ein Problem für unsere Ökosysteme sowie für landwirtschaftliche Nutzflächen ist. Jedoch fordern Sie später in Ihrem Antrag einzig und allein die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme für Siedlung und Verkehr und eben nicht für weitere aktuelle Flächenkonkurrenten, zum Beispiel für großflächige Solarparks oder massenhafte Windräder.
Das Problem der überall wuchernden Freiflächen-Fotovoltaikanlagen – Herr Minister Schmidt hatte das ja auch so dargestellt –
hat unsere Fraktion bereits vor einem Jahr in Form eines Antrags klar benannt. Es wurden Lösungen von uns aufgezeigt.
Werte Kollegen, es hilft uns in keiner Weise, wenn man bei dem wichtigen Thema des Flächenfraßes aus ideologischer Verblendung die Ursachen des Problems ausblendet.
(Beifall bei der AfD – Antonia Mertsching, DIE LINKE: Och! Dritte Vizepräsidentin Luise Neuhaus-Wartenberg: Das war Herr Dornau, der zu dem Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE gesprochen hat. (Antonia Mertsching, DIE LINKE: Hat jemand mal ein Taschentuch für mich?)
Bitte schön, Frau Kummer für die BÜNDNISGRÜNEN. Auch zum Entschließungsantrag? – Ja; 3 Minuten Redezeit haben Sie.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Der Entschließungsantrag der Linksfraktion besteht im Wesentlichen aus Feststellungen, die überwiegend richtig sind. Dass wir die selbstgesteckten Ziele seit vielen Jahren nicht erreichen, entspricht leider der Wahrheit, und warum das problematisch ist, haben wir in den vergangenen Redebeiträgen mehrmals gehört.
Es gibt natürlich ein Monitoring der neu in Anspruch genommenen Flächen. Bei jedem Bauantrag werden die Flächenanteile angegeben. Was fehlt, ist eine landesweite, übergreifende Erfassung des tatsächlichen Versiegelungsgrades oder der Flächeninanspruchnahme. Aber wir haben ja gerade von Herrn Staatsminister gehört, dass an dieser Stelle – auch aus meiner Sicht – einfach noch technische Dinge zu klären sind. Auch Inhaltliches und die Definition der verschiedenen Dinge, über die wir hier sprechen, müssen noch einmal klargezogen werden. Ein paar technische Aspekte müssen in den nächsten Jahren geklärt werden, damit wir eine komplette Übersicht bekommen.
Ein Teil der Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage der LINKEN erscheint uns trotzdem etwas lückenhaft. Mein Kollege Thomas Löser hat in zurückliegenden Zeiten sogar mehrmals nachgefragt, wie beispielsweise das Informationsdefizit reduziert werden kann oder welche Instrumente das SMR zur Vermeidung weiterer übermäßiger Flächeninanspruchnahme anwenden möchte.
Festlegungen des Landesentwicklungsplans sind natürlich ein Instrument, aber sie scheinen – auch das haben wir gehört – nicht ausreichend zu sein. Die Punkte, die der Entschließungsantrag im Beschlussteil fordert, sind für das komplexe Thema allerdings zu allgemein gehalten, als dass wir Ihnen jetzt zustimmen könnten.
Insofern freuen wir uns, dass das Thema durch Ihre Initiative in den Fokus gerückt wird. Hier sind noch Hausaufgaben zu erledigen. Dafür braucht es aber mehr als nur einen Entschließungsantrag.