Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn es Sie überraschen mag, wir BÜNDNISGRÜNEN freuen uns über diesen Antrag der Linksfraktion. Einerseits greift er unsere Idee nach einem Sozialtarif auf, und andererseits bietet der Antrag Anlass, das Deutschland-Ticket und die Nahverkehrsfinanzierung in den Blick und in die Debatte zu heben – wenngleich unter sicherlich anderen
Gesichtspunkten. Denn auch wenn der Antrag ein guter Anlass ist, sind wir dennoch nicht bzw. nur in Teilen mit seinen Forderungen einverstanden.
Doch beginnen wir von vorn. Beginnen wir mit dem Produkt, in dem wir uns wahrscheinlich einig sind. Das Deutschland-Ticket ist aus meiner Sicht ein Erfolg, eine Tarifrevolution, wie der VDV titelt: Ende Juli 11 Millionen verkaufte Tickets, davon 6 Millionen von Menschen, die zuvor kein ÖPNV-Abo hatten, von denen dann wiederum eine Million Menschen vorher nicht den ÖPNV nutzten. Die Bahn spricht von 25 % Fahrgastzuwachs seit Einführung in den Nahverkehrszügen.
Ja, das ist ein Erfolg. Ich denke schon, Herr Nowak, dass das ein Erfolg ist. Ich sehe es etwas anders als Sie. Denn wer hat es vorher schon geschafft, eine Million Neukunden für den ÖPNV im Autoland Deutschland zu generieren?
Aber natürlich sind 49 Euro nicht für alle gleichsam erschwinglich. Es bräuchte aus unserer Sicht einen Tarif, der für Menschen mit geringem Einkommen bezahlbar ist. So haben wir im April einen Sozialtarif von 29 Euro vorgeschlagen. Allerdings haben sich diesbezüglich bisher weder Bund noch Länder aufeinander zubewegt.
So sehr wir noch immer an die Notwendigkeit eines Sozialtarifs glauben und diesen voranbringen wollen, verschiebt sich derzeit die Finanzierungspriorität. Die Pressemeldungen des Sommers waren voll davon.
Die Dresdner und die Leipziger Verkehrsbetriebe denken laut über massive Angebotseinschränkungen nach. Die aktuelle Finanzausstattung reicht nicht mehr aus. Im Jahr 2024 droht eine enorme Finanzierungslücke durch die gestiegenen Personal-, Bau- und Energiekosten. Die Lage ist dramatisch und alle Ebenen sind gefordert, hier den Anteil zur Kostendeckung zu erbringen.
Dazu gehört auch die anteilige Nutzerfinanzierung des Nahverkehrs. Dies ist eine wichtige Säule, um die Kosten zu decken. Zwar mag ein kostenfreies Deutschland-Ticket für unter 18-Jährige sehr verlockend klingen, aber es würde weitere Ticketeinnahmenausfälle bedeuten.
Mit dem Bildungsticket haben wir ein hervorragendes, bezahlbares Angebot für Schüler(innen) und Freiwilligendienstleistende geschaffen. Ein kostenfreies Ticket für unter 18-Jährige lehnen wir ab. Selbstverständlich haben Sie recht, liebe LINKE, wenn Sie mit uns ein besseres ÖPNVAngebot fordern; denn natürlich nützt ein attraktives Ticket wenig, wenn Bus und Bahn nur selten oder gar nicht fahren.
Das zeigen auch die aktuellen Befragungen. Während in der Stadt 20 bis 30 % das Deutschland-Ticket nutzen, sind es auf dem Land oder in Kleinstädten nur 6 %. Auch zu dieser unserer Forderung stehen wir nach wie vor, und der Freistaat ist hier bereits aktiv mit den eingeführten Plus- und TaktBus-Angeboten.
Das Land finanziert überregionale Busverbindungen zwischen den zentralen Orten Sachsens im Ein- bzw. Zweistundentakt mit knapp 25 Millionen Euro. Auch wenn die Zielplanung noch nicht vollständig den Vorschlägen der ÖPNV-Strategiekommission entspricht und wir BÜNDNISGRÜNE dies noch weiterentwickeln würden, sind wir dennoch auf einem guten Weg, den ÖPNV im ländlichen Raum mit den vorhandenen finanziellen Mitteln auszubauen.
Die Vorschläge der Fraktion DIE LINKE nach Mindestbedienstandards bewegen sich dagegen anscheinend im luftleeren Raum. Hier stellt sich für uns die Frage, warum die Vorgaben zur Mindestbedienung eines Ortes rein nach Einwohnerzahl und losgelöst von raumordnerischen Belangen und von der Bedeutung einer Kommune im Zentrenkonzept gefordert wird. Letzteres ist üblich. Das wird aus dem Antrag leider nicht deutlich.
Wenn wir schon bei Mindeststandards sind, lassen Sie mich hierzu noch ein paar Worte verlieren. Dieses wichtige Handlungsfeld, wie auch den Landesnahverkehrsplan und die Qualitätsstandards für den Schienenpersonenverkehr – Stichwort: einheitliche Fahrradmitnahmebedingungen – und weitere Aufgaben hat die Koalition der sächsischen Mobilitätsgesellschaft zugeordnet, um diese wichtigen Inhalte gemeinsam mit der kommunalen Ebene, den Verkehrsverbünden, zu entwickeln. Wie wir alle wissen, gibt es eine sächsische Mobilitätsgesellschaft noch immer nicht. Stattdessen gibt es immer noch Gespräche. Ehrlich gesagt, meine Geduld ist hier langsam zu Ende. Wo, bitte, liegt das Problem?
Wie sehr die SMG gebraucht wird, hat auch das Finanzministerium indirekt unterstrichen mit seiner Antwort auf die Kleinen Anfragen, warum das Deutschland-Ticket für Landesbedienstete immer noch nicht als Jobticket anerkannt ist. Wir haben es vorhin bereits gehört. Die Antwort war, die Verhandlung mit den fünf Verkehrsverbünden würde so zäh laufen. Ja, bitte schön, mehr kann sich die Katze doch gar nicht in den Schwanz beißen. Und peinlich, ehrlich gesagt, ist das auch.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zum Schluss meiner Rede muss ich uns in die Realität 2023 zurückholen. Wie ich schon ausführte, haben die Verkehrsverbünde derzeit andere Sorgen, als das Nahverkehrsangebot deutlich auszubauen. Im Gegenteil, das aktuelle Angebot muss gesichert werden.
Im Jahr 2024 droht eine erhebliche Finanzierungslücke durch massive Kostensteigerungen. Es braucht schnell verbindliche Lösungen und das Zusammenwirken aller Handlungsebenen. Hier stehen wir als Freistaat Sachsen, gemeinsam mit dem Bund und den Kommunen, in der Pflicht. Dieser Verantwortung gerecht zu werden ist auch Aufgabe dieses Hohen Hauses.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das DeutschlandTicket ist ein Erfolg.
Es ist auch ein Erfolg, dass inzwischen parteiübergreifend anerkannt wird, dass wir hier etwas geschafft haben: nämlich einen Systemwechsel.
Wenn man sich die Kaufgründe für das Deutschland-Ticket anschaut, dann zeigen diese, was das für ein tolles Angebot das ist; denn ganz oben steht, dass der wichtigste Kaufgrund die Konditionen sind.
Wir haben es geschafft, für eine breite Mehrheit der Menschen in diesem Land, für die hart arbeitende Mitte eine wirkliche Verbesserung bei den Preisen zu erzielen. Das bedeutet, dass wir mit der Einfachheit der Nutzung den Flickenteppich, den wir in Deutschland und nochmals verstärkt in Sachsen haben, mit dem Deutschland-Ticket ein gutes Stück weit überwinden konnten. Andreas Nowak hat gezeigt, wo die sächsischen Spezifika liegen und was es noch an Hausaufgaben für die Zweckverbände gibt. Weil dieses Angebot kostengünstig und einfach ist, hat es ganz viele Menschen davon überzeugt, es anzunehmen. Wir haben auf der Nachfrageseite einen unfassbaren Zuwachs beim ÖPNV.
Wenn man auf der anderen Seite fragt, warum Menschen das Deutschland-Ticket nicht kaufen, dann stehen umständliche Verbindungen, keine passenden Verbindungen und zu lange Fahrtzeiten relativ weit oben auf der Liste. Das zeigt noch einmal, wo wir als Nächstes ansetzen müssen. Wir müssen für Verbesserungen sorgen. Das wollen wir. Sowohl die Koalition in Berlin als auch wir hier haben uns klar dazu bekannt. Wir wollen die Infrastruktur ausbauen, wir wollen Strecken elektrifizieren, wir wollen gute Nahverkehrsverbindungen, wir wollen Strecken reaktivieren und wir haben uns dafür auf den Weg gemacht.
Die sächsische Mobilitätsgesellschaft, die eine verbindliche Landesverkehrsplanung vornehmen soll, ist hierfür ein wichtiges Instrument. Ich teile die Ungeduld meines Kollegen Liebscher. Es muss jetzt etwas passieren, die Kommunen müssen sich bewegen. Wir müssen den Flickenteppich und die unsichtbaren Mauern zwischen den Verkehrsverbünden einreißen.
Das zeigt: Einen starken ÖPNV zu entwickeln, ist eine wichtige Priorität. Es geht eben nicht nur um Verkehr und
Wie schaffen wir es, die großen Metropolen mit dem ländlichen Raum zu verbinden, sodass beide voneinander profitieren können? Herr Verkehrsminister Dulig hat deshalb wichtige Projekte mit dem PlusBus- und TaktBus-System und insbesondere mit dem Bildungsticket durchgesetzt. Ich möchte an dieser Stelle kurz sagen: Dass wir das Bildungsticket für 15 Euro anbieten können, ist ein wirklich großer Erfolg. Dabei wird bereits eine wichtige Gruppe – die auch richtigerweise im Antrag der LINKEN benannt wird – mit einem kostengünstigen Angebot versorgt. Wir müssen ehrlich sein: Nur eine kleine Anzahl von Schülerinnen und Schülern möchte und muss deutschlandweit reisen. Damit ist und bleibt das Bildungsticket ein wichtiger Baustein einer sozialen Tarifgestaltung im Freistaat Sachsen.
Vor uns liegt auf der einen Seite, das Angebot auszubauen, und auf der anderen Seite das Deutschland-Ticket zu sichern. Es ist bereits gesagt worden: 3 Milliarden Euro jährlich kostet es Bund und Land. Die Mittel sollen geteilt werden. Das ist richtig so. Aber die Kosten werden im nächsten Jahr steigen. Im Jahr 2023 hat der Bund für das Deutschland-Ticket 43 Millionen Euro an den Freistaat Sachsen überwiesen und ich finde, das ist eine gehörige Nummer. Natürlich mussten wir die gleiche Summe als Landesanteil dazulegen und es ist eine Leistung dieser Koalition, dass wir das geschafft haben. Für das nächste Jahr bedeutet das, dass wir schauen müssen. Wir wollen, dass dieses Deutschland-Ticket verstetigt wird. Der Erfolg des DeutschlandTickets zeigt, dass diese Forderung richtig ist.
Im nächsten Schritt müssen wir – nach den Schülerinnen und Schülern, die das Bildungsticket in Sachsen haben –, schauen, wie wir für weitere Gruppen Vergünstigungen organisieren können. Ich bin sehr froh darüber, dass sich die sozialdemokratischen Verkehrsminister stark dafür machen, dass die Studierenden in den Blick geraten. Wir wollen nicht, dass das Studierenden-Ticketsystem in Deutschland abgeschafft wird, sondern wir wollen, dass diese Gruppe als Nächstes in den Genuss von weiteren Vergünstigen kommt.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass knapp jedes sechste verkaufte Deutschland-Ticket ein Jobticket ist. Ich finde es nicht gut, einzelne Gruppen gegeneinander auszuspielen, sondern wir müssen als Freistaat Sachsen den nächsten Schritt tun. Die Kommunen und das Finanzministerium müssen sich verständigen, sodass wir das in Sachsen anbieten können. Das sind ein nächster Meilenstein und ein nächster Schritt dafür.
Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe LINKE! Natürlich ist damit die Debatte über eine zukünftige sozialverträgliche Ticketgestaltung nicht abgeschlossen. Wir als SPDFraktion haben ein Eckpunktepapier vorgelegt, das im Bereich des Sozialtickets weitergehende Verbesserungen in der Perspektive beschreibt. Aber wir müssen doch eine Sache zur Kenntnis nehmen; das sind schlicht politische Realitäten. Alles für alle bzw. für viele umsonst zu fordern
Man muss an dieser Stelle sagen: Wer so politisch agiert, der wird vor allem eins tun, nämlich nichts erreichen. Praktische Politik, auch soziale Politik, funktioniert Schritt für Schritt. Gerade in der Krise haben wir es geschafft, dass wir nicht über Kürzungen und schlechtere Tarife sprechen. Wir haben es geschafft, in der Krise diesen ÖPNV vorn anzustellen. Das ist sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene eine große Leistung. Deshalb plädiere ich hier nicht für Ambitionslosigkeit. Ganz ohne Frage plädiere ich nicht für Ambitionslosigkeit – im Gegenteil. Ich plädiere für ein gehöriges Maß an Realismus. Wir schaffen es nur Schritt für Schritt. Das ist der Weg, den wir als SPD in der Verkehrspolitik weitergehen werden.
Wird eine zweite Rederunde gewünscht? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Für die Staatsregierung Frau Ministerin Köpping, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidenten! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Kollege Homann hat in seiner Rede alles, was zu sagen ist, zusammengefasst.
Auf der einen Seite beschrieb er das, was erreicht worden ist, auf der anderen Seite das, was an Defiziten noch da ist, aber auch das, wo wir noch hinwollen. Das finden Sie auch in der Rede von Martin Dulig, die ich stellvertretend hätte halten wollen. Deshalb gebe ich die Rede gern zu Protokoll.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Natürlich ist ein Schlusswort gewünscht. Ich möchte zu den Ausführungen der Kollegen etwas sagen.
Herr Nowak, wenn Sie diesen Antrag als den größten Unsinn bezeichnen, der Ihnen vorgelegt wurde, dann finde ich, ist dies schon ein ziemlich starkes Stück. Wir kämpfen hier dafür, dass Menschen mit wenig oder gar keinem Einkommen am sozialen Leben teilhaben