Protokoll der Sitzung vom 01.02.2024

Auch wenn das den konventionellen und ökologischen Landbau gleichermaßen betrifft, haben wir beim ökologischen Landbau natürlich enorme Vorteile. Auf langjährig ökologisch bewirtschafteten Flächen, auf denen keine chemisch-synthetischen Pestizide eingesetzt wurden, wachsen nach einigen Jahren 17-mal so viele unterschiedliche Pflanzen wie erst wenige Jahre nach der Umstellung.

Wir wollen mit diesem Antrag einen Beitrag leisten, den Systemwechsel hin zu einer größeren Unabhängigkeit von chemischen Pflanzenschutzmitteln zu befördern. Das ist auch im Koalitionsvertrag vereinbart – eine sächsische Reduktionsstrategie. Wie bei vielen anderen Transformationsthemen braucht es auch hier eine sehr klug ausbalancierte Strategie, denn Sachsen ist keine Insel in Europa. Es macht keinen Sinn, wenn zum Beispiel Winzer und Obstbauern hierzulande aufgrund von Vorgaben ihre Betriebe aufgeben, die schon an der Grenze zu den Nachbarstaaten nicht mehr gelten.

Der Antrag hat zum Ziel aufzuzeigen, wie der Einsatz minimiert werden kann, welche Alternativen zur Verfügung stehen, wie integrierte Ansätze weiter ausgebaut werden können und wie die Unternehmen bei der Umstellung unterstützt werden können. Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln werden EU-weit geprüft und dann national genehmigt. Wenn sie auf EU-Ebene verboten sind, dann können Pflanzenschutzmittel mit diesen Wirkstoffen auf der nationalen Ebene auch nicht mehr angewendet werden. Auch Wirkstoffe, die bestimmte Kriterien in Hinsicht auf die Gesundheit oder die Umwelt nur bis zum bestimmten Maß nicht erfüllen, dürfen eben nur solange zugelassen werden, wie es keine wirtschaftlichen und praktikablen Alternativen gibt, die deutlich sicherer für Mensch und Umwelt sind.

Das ist die Rechtslage, meine Damen und Herren, aber die muss eben auch in der Praxis funktionieren. Es gibt pflanzenschutzintensive Kulturen im Weinbau, im Obstbau, im Gemüsebau, und in Situationen mit einem erhöhten Auftreten von Schaderregern sind praktikable Möglichkeiten notwendig, diese auch gezielt bekämpfen zu können. Sonst können die Qualitätsstandards nicht gehalten werden, dann haben wir Ertragsunsicherheiten bis hin zu Missernten. Das betrifft auch den ökologischen Anbau. Wenn zum Beispiel im Weinbau die Betriebe aufgeben, hätte das dramatische Folgen für unsere wertvolle Kulturlandschaft an der Elbe.

Das heißt, bei all den dringend notwendigen Reduktionsstrategien müssen die Rahmenbedingungen so gestaltet

sein, dass die Betriebe weiter in Sachsen produzieren können. Hierfür hat sich zum Beispiel unser weinbaupolitischer Sprecher Valentin Lippmann sehr starkgemacht.

(Oh-Rufe bei der CDU und der SPD)

Die spezifischen territorialen Bedingungen in den Weinbaugebieten lassen sich nun einmal nicht ändern. Es gab im Herbst letzten Jahres dazu ein sehr konstruktives Gespräch mit dem Bundeslandwirtschaftsminister und den sächsischen Weinbauverbänden im Weingut Hoflößnitz. Die Unternehmen stehen im europäischen Wettbewerb, und das weiß das Bundeslandwirtschaftsministerium und hat die Zielkonflikte bei den Verhandlungen in der EU im Blick.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Pflanzenschutzmittel bergen nach wie vor enorme Risiken für die Umwelt sowie für die Gesundheit von Menschen und Tieren. Sie müssen auf das unverzichtbare Minimum begrenzt werden. Einträge in die Umwelt oder auf Nichtzielorganismen müssen weitgehend ausgeschlossen werden. Gleichzeitig muss aber auch die regionale Produktion von hochwertigen Lebensmitteln hierzulande weiter gewährleistet bleiben. Da fordern wir auch die Landesregierung auf, sich für eine noch konsequentere Umsetzung von Maßnahmen des integrierten Pflanzenschutzes einzusetzen und auch die Betriebe dabei zu unterstützen. Mit den Kompetenzzentren, die wir beim LfULG haben, stehen starke Partner zur Verfügung, um betriebsspezifisch wirtschaftlich funktionierende Alternativen zu entwickeln.

Vielen Dank.

(Beifall bei den BÜNDNISGRÜNEN und des Staatsministers Wolfram Günther)

Das war Volkmar Zschocke für die BÜNDNISGRÜNEN. Für die SPD-Fraktion jetzt bitte Volkmar Winkler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion bekennt sich grundsätzlich zu den Zielen der Farm-to-ForkStrategie der EU, zu der auch das 50-prozentige Ziel beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, vor allem den chemisch-synthetischen, gehört.

Im Koalitionsvertrag der drei koalierenden Fraktionen ist diesbezüglich eine gemeinsame Absichtserklärung formuliert worden. Im Jahr 2021 wurde vom LfULG die Erarbeitung auf der Grundlage einer Landwirtschaftsstrategie, deren wesentlicher Bestandteil die Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln ist, in Auftrag gegeben. In der Folge soll auf Grundlage dieser Strategie eine weitere Präzisierung der Maßnahmen in Form eines Strategiepapiers zur Reduktion des Einsatzes von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln erfolgen.

Anliegen unseres Antrages ist es, den Stand der in Auftrag gegebenen Strategie zu erfahren, vor allem im Kontext zu den Reduktionszielen der EU; denn es ist wichtig, dass die Reduktionsziele zu einem für Zentraleuropa einheitlichen

Ergebnis führen und die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln auf Basis einer zwischen den Mitgliedsstaaten harmonisierten Bewertung erfolgen, um Wettbewerbsnachteile für den sächsischen Pflanzen-, Wein- und Obstbau zu vermeiden. Wettbewerbsnachteile konterkarieren das weitere Anliegen unseres Antrages, nämlich die Sicherstellung der heimischen Lebensmittelerzeugung im Bereich der Pflanzen-, Wein- und Obstproduktion.

Wie brisant und umstritten diese Problematik ist, zeigt auch die Abstimmung im europäischen Parlament gegen die von der EU-Kommission vorgeschlagene Pflanzenschutzverordnung SUR. Ich möchte an dieser Stelle die Abstimmung im EU-Parlament keiner politischen Wertung unterziehen, aber anhand der Situation des sächsischen Obstbaus die Problematik einmal kurz skizzieren.

Es ist kein Geheimnis, dass ich von Beruf Gärtner im Fachbereich Obstbau bin und immer noch enge Beziehungen zu meinen Berufskollegen habe. Ich bin also der obstbaupolitische Sprecher der SPD-Fraktion.

(Beifall der Abg. Simone Lang, SPD)

Die überwiegende Mehrzahl der Verbraucherinnen und Verbraucher würde mit Sicherheit madige Äpfel, Kirschen oder schorfbehaftete Äpfel in den Regalen unserer Supermärkte liegen lassen. Apfelwickler, Kirschfruchtfliege, Spinnmilbe, Blattläuse und Apfelschorf sind dabei nur ein kleiner Teil von Schädlingen und Krankheiten, die unseren Obstbauern Sorgen, Ertragseinbußen oder gar Totalausfälle bereiten. Immer mehr Wirkstoffe in der EU und in der Folge immer mehr Pflanzenschutzmittel in den Mitgliedsstaaten werden nicht mehr zugelassen oder vom Markt genommen, ohne dass Alternativen angeboten werden. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Hauptgrund ist jedoch ein für alle unverständlicher Paradigmenwechsel in der Wirkstoffzulassung der EU, aber auch die Nichtzulassung von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland trotz europäischer Zulassung des oder der Wirkstoffe des jeweiligen Pflanzenschutzmittels. Deshalb steht auch die Forderung in unserem Antrag, Pflanzenschutzmittel, die unverzichtbar sind, so lange zur Anwendung zuzulassen, wie keine Alternativen vorhanden sind.

Mit dem Verbot und mit der Nichtzulassung von Pflanzenschutzmitteln wird dem einheimischen Obst- und Weinbau eine wesentliche Produktionsbasis und letztendlich Wettbewerbsfähigkeit entzogen.

(Beifall des Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU)

Diese Entwicklung hat schon jetzt sichtbare Auswirkungen. Zurzeit werden in Deutschland nur noch 25 % des Obstaufkommens durch eigene Produktion abgedeckt, bei Äpfeln sind es noch 65 %. Auch die Anbaufläche der Mitglieder des Landesverbandes „Sächsisches Obst“ hat sich in den letzten Jahren von 4 841 Hektar auf 3 763 Hektar reduziert. Ich selbst wohne inmitten dieses Obstanbaugebietes. Ich fühle mich nicht mehr als Teil dessen, weil es nur noch Felder zur Getreideproduktion sind und keine

Obstplantagen mehr. Die Fläche der einheimischen Erdbeerproduktion hat sich halbiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden hier von sogenannten Dauerkulturen, die unter den jetzigen Bedingungen und bei diesen Wettbewerbsnachteilen unwiederbringlich sind. Da es sich um einen deutschlandweiten Trend handelt, werden wir in Zukunft noch mehr auf Importe angewiesen sein, ohne zu wissen, unter welchen Bedingungen dieses Obst produziert wurde. Deshalb kann ich auch die Forderung des Verbandes nachvollziehen, Obstimporte nur zu den in Deutschland zugelassenen Produktionsstandards zuzulassen.

Hier in Sachsen wissen wir – das hat Kollege Breitenbuch schon dargelegt – wie beprobt wird, durch diese GlobalGAP-Standards zertifiziert. Auch bei den Proben der Handelsunternehmen, die regelmäßig durchgeführt werden, wurden keinerlei Abweichungen festgestellt, zumindest nicht in letzter Zeit. Genannt wurde auch schon, dass selbst unser Landwirtschaftsminister Özdemir in Radebeul festgestellt hat, dass Wein und Obst Sonderkulturen sind, die Sonderbedingungen brauchen.

(Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE: Das wusste er schon vorher!)

Auch in Forschung und Entwicklung sind unsere Obstbauern nicht untätig. Dabei spielt die Züchtung widerstandsfähiger und resistenter Sorten eine große Rolle.

Auch die Entwicklung der RNA-basierten Pflanzenschutzmittel ist zu nennen und der Einsatz von KI im integrierten Pflanzenschutz, vor allem mit Sensoren und durch Bilderkennung, um Krankheiten und Schädlinge rechtzeitig zu erkennen und somit in der Folge auch lokal begrenzt zu bekämpfen.

Wetterprognosen müssen künftig verbessert werden; denn auch dadurch kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert werden.

Die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln, der Erhalt und die Verbesserung der Biodiversität und die Produktion gesunder Lebensmittel sind unser aller Ziel. Diese Anstrengungen und die von uns einzuleitenden Maßnahmen dürfen jedoch nicht zu Wettbewerbsnachteilen und im schlimmsten Fall zur Verringerung unserer eigenen, einheimischen Lebensmittelerzeugung führen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Ines Springer, CDU)

Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das war Volkmar Winkler für die SPD-Fraktion. Für die AfD-Fraktion spricht jetzt bitte Herr Dornau.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Folgt man aufmerksam den Redebeiträgen von Herrn von Breitenbuch und Herrn

Zschocke, so stellt man fest, dass sie, inhaltlich und auch politisch gesehen, doch sehr unterschiedlich sind,

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE)

wie Feuer und Wasser.

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Versteht er nicht!)

Ja, es ist schon erstaunlich, wie das sein kann, wo es doch aus einer Feder kommt, aus einem gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen.

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Versteht er nicht!)

Aber das nur am Rande.

(Martin Modschiedler, CDU: Nennt man Koalition!)

Ja, es ist eben so, die grüne Propaganda hat ihre Spuren hinterlassen, auch im Bereich des Pflanzenschutzes. So hat sich, meist unbegründet, ein negatives Image des chemischen Pflanzenschutzes eingeprägt. Dabei wird verkannt, dass auch die meisten Medikamente chemische Substanzen oder, besser gesagt, synthetisch hergestellte Wirkstoffe enthalten.

(Zuruf der Abg. Antonia Mertsching, DIE LINKE)

Es ist noch nicht lange her, als nicht ausreichend geprüfte Impfstoffe unter großem Druck millionenfach in der Bevölkerung verimpft wurden. Die Folgen und Schäden kommen mittlerweile immer mehr ans Licht.

(Simone Lang, SPD: Thema!)

Wenn es nach dem Willen der meisten Bürger geht, dann sollten die meisten chemischen Pflanzenschutzmittel von heute auf morgen verschwinden. Das ist emotional teilweise nachvollziehbar. Jedoch hat das Aufkommen moderner Pflanzenschutzmittel im 20. Jahrhundert erst die Ertragssteigerung in der Landwirtschaft ermöglicht. Heute sichern sie die Welternährung. Das muss man wissen. Dennoch gilt in landwirtschaftlichen Betrieben hierzulande schon lange der Grundsatz, so wenig Pflanzenschutzmittel einzusetzen wie möglich und so viel wie nötig.

Im Gegensatz zu manchen Ministern verfügen unsere Landwirte über eine sehr hohe Sachkenntnis und Verantwortung.