Protokoll der Sitzung vom 10.02.2000

Wir sehen, meine Damen und Herren, die Gebührenerhöhung und -eintreibung ersetzen eigene Gelddruckereien entsprechend der politisch bestimmten Selbst

bedienung aus den Taschen der Bürger und sind unseres Erachtens so nicht mehr länger hinzunehmen.

Meine Damen und Herren! Wenn die „Woche“ vom 28. Januar 2000 über die Gebührenerhöhung schreibt:

„Es hat sich durchgesetzt, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (das Fernsehen gehört dazu) als nützlich zu empfinden und vergleichsweise üppig auszustatten. Der Protest bleibt lau. Und die KEF - die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten - hat es wieder verstanden, der rein politischen Gebührenfestsetzung den Schein mathematischer Präzision zu verleihen. Tabellen, Prognosen, Kosten und Bewertungen. So liest sich auch ihr aktueller Bericht, der zwölfte.“

Die Zeitung „Die Woche“ schreibt weiter:

„Augenmerk verdienen nur zwei Tatbestände.

Erstens. Die 15 Landesmedienanstalten, die im vordigitalen Zeitalter machtvoll waren, weil sie die Frequenzen zu vergeben hatten, inzwischen aber zu regionalen Standortpropagandisten mutiert sind, profitieren geradlinig von den Gebührenerhöhungen. Jeder von uns zahlt in Zukunft monatlich 63 Pfennig allein für diese weitgehend überlebten föderalen Institutionen, die schon jetzt nicht wissen, wohin mit dem Geld, und der ARD jährlich rund 60 Millionen DM überweisen. Das soll bis 2004 so weitergehen, es sei denn, die Länder verändern in diesem Punkt endlich den Rundfunkstaatsvertrag.

Zweitens. Die KEF hat ermittelt, wieviel jeder von uns mehr zahlen müßte, wenn das leidige Sponsoring in ARD und ZDF wegfallen sollte. Mit ganzen 18 Pfennig Mehraufwand könnten wir die häßlichen Programmankündigungen von Krombacher, Obi oder ‘TV Spielfilm’ stoppen.“

Soweit das Zitat.

Vielleicht einen nicht ganz ernst zu nehmenden, aber erschreckenden Ausblick gestattet sich der „Spiegel“ Nr. 52/99 auf das Fernsehen im nächsten Jahrtausend:

„Im Jahre 2020 heißt die Losung: ‘Rettet die Vollprogramme’. Besonders ältere Menschen, die vor der Jahrtausendwende geboren sind, tun sich schwer mit dem Vordringen der Sparten-kanäle. So ist eine mächtige Bürgerbewegung entstanden, die die Rückkehr der alten Vollprogramme fordert unter dem Motto ‘Mein geregelter Tagesablauf mit der guten alten ARD’. Der Markt reagiert sofort. Ein neuer Spartenkanal bietet die Simulation des historischen Vollfernsehens an.“

Soweit der „Spiegel“.

Ganz aus der Luft gegriffen ist eine solche Entwicklung nun einmal nicht, zumal die öffentlich-rechtlichen Anstalten, meine Damen und Herren, eine Erweiterung der Kanäle machtvoll anstreben. Die Teletubbies des Kinderkanals bereiten vielleicht den Weg für einen Spartenkanal der Kukis, wie die über 50jährigen zynisch genannt werden, die der nunmehr auch alternde Fred Kogel von Sat 1 als unerwünscht betrachtet.

Ihrer Phantasie sollten keine Grenzen gesetzt werden, in welche Richtung und in welcher Weise die öffentlichrechtlichen Anstalten Kanäle ausdehnen.

Meine Damen und Herren! Sichtbar wird das bei den dritten Programmen auch ganz genau. Ein Gutachten über diese Programme sagt dazu laut „Medienkatalog“ 12/99, daß sich die dritten Programme zunehmend zu Vollprogrammen entwickeln, die alle gängigen Realitätsdarstellungen, wie Nachrichten, Magazine, Dokumentationen, Reportagen bis hin zu Bildung, Beratung, Unterhaltung und Fiktion, abdecken. Die Bereiche Aktuelles und Nachrichten nehmen am Gesamtprogramm zu, aber Kunst und Kultur sowie Wissenschaft und Technik nehmen ab. Diese Programme beschäftigen sich wirklich seltener mit Kirche und Religion, von Alibisendungen einmal abgesehen.

Die Entwicklung hin zu Vollprogrammen wird ebenfalls von einer Reduzierung der Formate und Themen, die sich an spezifische Zielgruppen, zum Beispiel Familien, Kinder und Jugendliche, Frauen, Ausländer usw., richten, begleitet.

In diesen Rahmen paßt es auch, daß eine Medienstudie des DGB für die Jahre 1997 und 1998 ergab, daß die ARD und das ZDF nur unzureichend über die neuen Bundesländer informierten, und wenn, dann nur mit abgeklapperten Themen und einer Unterrepräsentanz der bewegenden sozialen Programmfelder.

Meine Damen und Herren! Die dritten Programme waren einst angetreten, um Minderheiten und bestimmte Zielgruppen anzusprechen. Doch diese Zielstellung ist bei allen regionalen Berichterstattungen weit zurückgestellt. Hinzu kommt, daß insgesamt nur etwas mehr als die Hälfte der bei der ARD ausgestrahlten Sendungen Erstsendungen sind. Ansonsten füllen ständige Wiederholungen aufgrund des Wunsches vielleicht einer einsamen Dame oder eines einsamen Herren und Übernahmen die verbleibende Gesamtsendezeit. Mehr als 75 % aller Wiederholungen erfolgen innerhalb der ersten Woche nach der Erstsendung.

Fest steht, daß ARD und ZDF zu viele und zu teure Programme produzieren. Wer das überprüfen will, sollte sich im jährlichen ARD-Jahrbuch davon überzeugen, wie die Programminutenkosten auf und davon eilen. So kostete im Jahr 1999 eine Hörfunkprogramminute im Durchschnitt 85 DM. Sie erreichte bei leichter Musik 23 DM und bei Hörspielen 520 DM.

Wer von Ihnen, meine Damen und Herren, selbst Rundfunk hört, weiß auch, daß bis auf Klassikradio, MDR Kultur, die privaten Dudelsender und die öffentlichrechtlichen Dudelsender den Kampf gegen den guten Geschmack, über den sich ja trefflich streiten läßt, schon längst aufgenommen haben.

Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen kostet eine Programminute durchschnittlich - so die Angaben für 1999 immerhin 6 200 DM. Die Kosten reichen von Sonstiges mit 1 038 DM bis zum Fernsehspiel mit 20 407 DM. Aber wo und zu welcher Tageszeit werden überhaupt Fernsehspiele gesendet?

Meine Damen und Herren! Sie werden mich hoffentlich nicht der Ostalgie bezichtigen, wenn ich voll Wehmut an jene Fernsehsendungen erinnere, die einst aus dem Deutschen Theater Berlin und aus den Studios mit einem Fernsehensemble gesendet wurden. Unsere Qualitätsansprüche sind begründet.

Meine Damen und Herren! Wohlgemerkt, ich führe hier keine Diskussion zu Inhalten, sondern vermerke, daß es kaum Gründe gibt, mittels steigender Gebühren die öffentlich-rechtlichen Anstalten weiterhin unbeschwert aus dem vollen schöpfen zu lassen.

Professor Hartwig von der Universität München führt an, daß diese Anstalten immer mehr unter Zugzwang geraten, und begründet das wie folgt:

„Über die Jahre betrachtet wird schnell klar, daß die einschneidendsten Veränderungen für die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht durch direkten politischen Druck oder durch Zuschauerprotest eingetreten sind, sondern indirekt durch das Zulassen von Wettbewerb im Fernsehmarkt. Konkurrenz auf der Angebotsseite wie auch die Erfindung der Fernbedienung machen es möglich, daß Zuschauer von nicht gewünschten Programmen zu attraktiveren Angeboten umschalten.“

Der in der Bundesrepublik Deutschland mehr verwünschte als gepriesene ehemalige EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert brachte es für den europäischen Medienwettbewerb auf den Punkt, indem er vorschlug, den Anstalten eine Finanzierung über Zwangsgebühren nur dort zuzugestehen, wo sie Leistungen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse erbringen.

ARD und ZDF empörten sich natürlich lautstark, aber in der Sache doch schwach; denn die öffentlich-rechtlichen Sender besitzen ein reichhaltig ausgestattetes Instrumentarium, das es ihnen erlaubt, die Aufgaben unabhängig von den Wünschen der Zuschauer und weitgehend unkontrolliert von Politik und Zahlern selbst festzulegen, um danach der Zwangsgemeinschaft aus Apparatebesitzern die unverschämten Rechnungen zu präsentieren.

Ein jüngstes Beispiel gefällig? - Die „Leipziger Volkszeitung“ berichtete am 5. Februar von der Media-City in Leipzig. Das 106-Millionen-DM-Projekt einer Film- und Fernsehstadt, gefördert mit 70 Millionen DM vom Land, sollte vielen freien Film- und Fernsehproduzenten den Einstieg ermöglichen, auch um einer Konzentration vorzubeugen.

Doch es zeigt sich, daß diese Medienstadt eine Mogelpackung ist, die aufgrund großer Räume und hoher Mieten für die kleineren Produktionsfirmen und vor allem für Existenzgründer keine Heimat bietet.

Um künftig die Brosamen des MDR zu erhalten, wird nur hinter vorgehaltener Hand darüber gesprochen, daß allein mehr als ein Drittel der über 18 000 m² Mietfläche von fünf Tochterfirmen unter dem Schirm der Drefa, der öffentlich-rechtlichen Anstalt, genutzt werden. Die „Leipziger Volkszeitung“ kommentierte dazu nüchtern:

„Die Kritik der ortsansässigen TV-Firmen ist berechtigt.“

Wenn Fördermittel in Höhe von 70 Millionen DM fließen, hätten einige Tropfen des warmen Regens ruhig dort niedergehen können, wo die Vision Medienstadt mit viel Fleiß und hohem Risiko jahrelang am Leben erhalten wurde. Statt dessen zählen fünf Tochterfirmen des MDR zu den Mietern. Meine Damen und Herren, ein HappyEnd ist das nicht.

Aus meinen Darlegungen können Sie selbst Schlußfolgerungen dahin gehend ziehen, ob diese Art der Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen nicht eher einem Dukatenscheißer ähnelt als dem bundesverfassungsgerichtlich festgelegten Grundsatz, wie er in der achten Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, veröffentlicht in den Entscheidungen, Band 90, Seite 60, enthalten ist. Darin heißt es:

„Die Überprüfung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten darf sich nur darauf beziehen, ob

sie ihre Programmentscheidungen im Rahmen des rechtlich umgrenzten Rundfunkauftrages halten und ob der aus ihnen abgeleitete Finanzbedarf zutreffend und im Einklang mit den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ermittelt worden ist.“

Meine Damen und Herren! Obwohl ich Rundfunk höre, Fernsehen schaue, viele Dinge aus eigener Anschauung und vom eigenen Hören her bewerte, nenne ich mich nicht, wie Herr Gärtner von der PDS, medienpolitischer Sprecher. Ich will es ihm aber gar nicht absprechen. Aber ich bin schon darauf gespannt, wie die PDS ihre großmundig verkündete Gebührenablehnung im Landtag vollziehen will.

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der PDS, verbissen und mit gewohnter demagogischer Doppelzüngigkeit unseren Antrag ablehnen, dann sind wir so gespannt wie bei „Wetten daß?“, wie Sie Ihre parlamentarische Saalwette in diesem Hohen Hause umsetzen wollen. Wir freuen uns sehr darauf, wie Sie es verwirklichen wollen, Ihrem Duldungspartner SPD beizubringen, daß er gegen die Gebührenerhebung stimmen soll.

Ich habe das in der Zeitung nachgelesen. Sie haben in einem Interview mit Ihrem speziellen Mitteilungsblatt, dem „Neuen Deutschland“, vom 20. Januar 2000 zur Lage der Welt und gegen die Videoüberwachung in Halle Ihre Kampfeslust bekundet, Sie hätten die Gebührenerhöhung abgelehnt und

(Herr Dr. Süß, PDS, winkt ab)

wollten dagegen Initiativen starten.

Auf den Hinweis auf einen möglichen Koalitionskrach in Mecklenburg-Vorpommern erklären Sie in bezug auf Ihr Verhalten in Sachsen-Anhalt: Auch wir werden die Gebührenerhöhung ablehnen.

Herr Gärtner, Sie sehen zwar Spielräume für die Höhe der Rundfunkgebühren. Aber wetten, daß Sie und Ihre Fraktion die gleiche Standhaftigkeit wie bei der Ablehnung des KiBeG vorweisen werden, nämlich Ihre 1-AUmfallerqualität? Ich hoffe, daß ich diese Wette heute verliere.

(Herr Dr. Süß, PDS: Schalten Sie ab!)

Noch ein Hinweis, ausdrücklich an die Fraktion der PDS gerichtet, sei gestattet: Die Agentur dpa meldete unlängst, daß einige Landesmedienanstalten einen Teil der Gebührenmittel für andere Zwecke abführen müßten. Zum Beispiel würden in Nordrhein-Westfalen 45 % der Gelder aus den Rundfunkgebühren für Aufgaben der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen vorweg abgeführt. - Soweit die dpa-Meldung.

Meine Damen und Herren! Oberhausen in NordrheinWestfalen ist nicht nur die Heimat der wunderbaren Frauen des Kabaretts „Die Mißfits“; Oberhausen ist auch die Stadt der Mißwirtschaft; denn die SPD-Landesregierung unter Ministerpräsident Clement förderte jahrelang mit Millionenbeträgen ein Faß ohne Boden, nämlich das Oberhausener Trickfilmzentrum, in dem die Fördermittel spurlos verschwanden.

Nun zu Ihnen, meine Damen und Herren von der PDS. Die Millionen versickerten in einem sogenannten Zentrum, das mit Geldern aus zweifelhaften Quellen und von mehr als zwielichtigen Geschäftsführern von der Stasi in den formalen Ruin geführt wurde. Das sind die einzigen Tricks, die dieses Trickfilmstudio kennzeichneten. Die Liebesflüge des Herrn Schleußer waren Margi

nalien gegen dieses ominöse Filmzentrum. - Soweit zu Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit.

Meine Damen und Herren! Damit will ich zum Schluß kommen.

(Zurufe von der SPD: Endlich!)

Bedenken Sie bitte, daß der Griff in die Taschen der Gebührenzahler nicht nur aufgrund der angeführten Argumente schamlos ist, sondern weil auch und insbesondere in diesem Land eine wirtschaftliche und soziale Situation herrscht, die eine Gebührenerhöhung einfach unmoralisch erscheinen läßt.

Meine Damen und Herren von der PDS, Sie sollten Farbe bekennen. Tricks wirken nicht mehr in diesem Land.