Protokoll der Sitzung vom 15.09.2000

Ich bin im Vermittlungsausschuss selber mit dabei gewesen und kann nur sagen: Wenn das Stichwort Blockadepolitik irgendwo zutrifft, dann hat es bei Ihrem Kollegen Merz im Vermittlungsausschuss zugetroffen. So etwas von Blockade, so etwas von Verweigerung von Kompromissverhandlungen, für die ein Vermittlungsausschuss zuständig ist, habe ich überhaupt noch nicht gesehen.

(Zuruf von Frau Ludewig, CDU)

Ich will als Zweites sagen: Wer behauptet, diese Steuerreform bedeute wiederum eine Bevorzugung von Reichen und die Armen blieben dabei auf der Strecke, der ist wirklich blind. Im Übrigen, wenn man sich das Gesamtkonzept der Entlastungen seit Antritt der Regierung Schröder anguckt, stellt man fest, dass ein Hauptschwerpunkt der Entlastungen bei den mittleren und kleinen Einkommen gelegen hat.

(Beifall bei der SPD)

Darauf bestehe ich.

Zu der Frage, wie der Mittelstand bei dieser Sache entlastet worden ist, kann ich nur Folgendes sagen: Wie man weiß, ist die FDP als ein besonderer Anwalt des Mittelstandes bekannt. Ob das stimmt, sei jetzt einmal dahingestellt.

(Herr Sachse, SPD: Das sollte man dahingestellt sein lassen, ja!)

Das muss man wohl auch dahingestellt sein lassen. Aber wenn selbst die FDP bestätigt, dass die Steuerreform jetzt für den Mittelstand in Ordnung geht - diese Botschaft kam ja aus Rheinland-Pfalz -, dann möchte ich sagen:

(Zuruf von Frau Wiechmann, FDVP)

Wiederholen Sie nicht immer diese falschen Meldungen. Auch im Blick auf das, was unsere Wirtschaft anbetrifft, ist diese Steuerreform wirklich ausgewogen, so vernünftig, wie man das machen kann. Wir haben darüber gründlich diskutiert und alle Experten sind sich in dieser Hinsicht einig.

Übrigens, wenn Sie genau hingucken, stellen Sie fest, dass das auch Wirtschaftsvertreter bestätigen, die übrigens in der Kommission, die diese Steuerreform ausgehandelt hat, aktiv mitgearbeitet haben.

Aber ich komme auf diese Steuerreform eigentlich aus zwei anderen Gründen zu sprechen.

Das Erste, was ich noch einmal sagen möchte, ist, dass sie in der Tat eine erhebliche Belastung für die Länder bedeutet. Es ist schwer für sie, diese Mindereinnahmen zu verkraften. Frau Sitte hat darauf hingewiesen, dass die PDS-Fraktion dazu Fragen hat. Wir haben solche Fragen natürlich auch gehabt. Wir befinden uns da wirklich an der Grenze der Belastbarkeit, was übrigens auch bedeutet, dass derjenige, der jetzt weitere Steuer

senkungen fordert, im Grunde genommen an der Realität vorbeigeht. Wir sind dabei wirklich an der Grenze der Belastbarkeit.

Die Forderungen, die im Zusammenhang mit der Steuerreform von Ihrer Seite kamen, liefen alle nur darauf hinaus, die Sache für die Länder noch teurer zu machen. Das wäre unfinanzierbar gewesen. Das wollen wir ganz deutlich sagen. Deswegen kann ich mich nur außerordentlich darüber freuen, dass es genug Leute mit Vernunft gegeben hat, die gesagt haben: Wir schlagen den Knoten durch und geben damit unserer Wirtschaft eine klare Perspektive.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Es hat mich in der Tat verwundert, dass Sie sich getraut haben, an dieser Stelle das Wort „Bestechungspoker“ zu verwenden. Das heißt, ich entnehme Ihren Worten, dass zum Beispiel Ihr Kollege Diepgen ein bestechlicher Politiker ist und dass auch Herr Schönbohm, der der Steuerreform zugestimmt hat, ein bestechlicher Politiker ist.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Die PDS in Mecklen- burg-Vorpommern auch!)

Das finde ich allerdings beachtlich. Ehrlich gesagt, ich hätte dieses Wort an Ihrer Stelle nicht in den Mund genommen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank - Herr Dr. Bergner, CDU: Mecklen- burg-Vorpommern hat sich selbst für käuflich er- klärt!)

Richtig ist, dass auch Bundesfinanzminister Eichel klar gewesen ist, dass die Steuerreform insbesondere im Jahre 2001 für die Länder eine außerordentliche Belastung bedeutet. Richtig ist auch, dass der Bundesfinanzminister zusammen mit Vertretern der verschiedenen Länder konkret überlegt hat, wie er denjenigen, die in besondere Bedrängnis geraten, gerade auch beim Haushalt 2001 helfen kann.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Und uns?)

Dazu haben auch wir Gespräche geführt. Wenn die Verhandlungen erfolgreich beendet werden, werde ich Ihnen das auch sagen. Aber weil ich mich nicht dem Vorwurf des Bestechungspokers aussetzen will, werde ich mich davor hüten, solche Gespräche, in denen man sich sozusagen hilft, die Problemsituation, die im Jah- re 2001 entsteht, zu bewältigen, auf dem offenen Markt auszutragen.

Wissen Sie, wenn solche Anfragen wie die von Ihnen kommen, ist natürlich die Versuchung groß, auszupacken und zu sagen: Ich habe auch das und das und das erreicht. - Aber ich sage Ihnen, damit würde ich neue Neider auf den Plan bringen und es dem Bundesfinanzminister unmöglich machen, uns tatsächlich zu helfen. Ich werde dieser Versuchung widerstehen, weil ich anderenfalls unserem Land schaden würde, und ich will, dass letztlich für Sachsen-Anhalt etwas herausspringt.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Auf einen vierten Punkt will ich zu sprechen kommen. Er hat etwas mit den Stichworten Bildung und Zukunfts- fähigkeit zu tun.

Es ist uns im Rahmen den Haushaltsberatungen gelungen - ehrlich gesagt war das eine große Anstrengung,

weil mancher wegen der Unsicherheiten, die auf uns zukommen, gefragt hat, ob wir uns das leisten können -, in einer, wie ich finde, beachtlich guten Abstimmung zwischen dem Finanzministerium, dem Kultusministerium und den Hochschulen, in den Hochschulbereich eine Sicherheit für die nächsten drei Jahre einzubringen mit einem Plafond, mit dem nun auch tatsächlich Bewegung und Umgestaltungsspielraum vorhanden ist.

Ich glaube, dass wir alle gut daran tun, diese damit geschaffene Sicherheit jetzt nicht durch unsachgemäße Querfragen wieder zu zerreden. Man kann das machen, das weiß ich, und Sie sind gelegentlich auch gern dabei; aber dem Ziel, das wir damit erreichen wollen, und zwar eine Sicherheit in die Hochschulen hineinzubringen, die ihnen die Reformfähigkeit erlaubt, die sie nötig haben, dient das nicht.

Deswegen würden wir unseren Hochschulen einen guten Gefallen tun, wenn wir an dieser Stelle mit einheitlicher Stimme sagen würden: Jawohl, das ist der Rahmen, zu dem wir stehen, den wir nicht ankratzen und den wir auch nicht schlechtmachen. Denn ich will, dass unsere Hochschulen vorankommen. Und sie sind in den letzten Jahren erheblich vorangekommen. Man kann sich dabei über vieles sehr freuen.

Im Übrigen, Herr Bergner, Sie haben die Vergleiche angebracht, wie viele Studenten im Lande und wie viele nicht im Lande studieren und wie die Wechselwirkungen sind. Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir weiterhin attraktive Angebote unterbreiten werden, und - was mindestens genauso wichtig ist wie die Statistiken von Studentenzahlen - Sie können sich auch sicher sein, dass wir dafür sorgen werden, dass der Bereich von Forschung und Innovation zwischen Wirtschaft und Hochschulen gefördert wird. Über dieses Thema noch einmal zu sprechen würde sich lohnen, da ich Ihnen dazu sehr positive Beispiele nennen könnte, die teilweise aussagekräftiger sind als die Durchschnittszahlen von Studenten.

Zu der Bildung gehören noch zwei andere Punkte. Sie sind auf den Schulbau zu sprechen gekommen, der lange zur Diskussion stand. Wir haben erreicht - das will ich auch noch einmal betonen -, dass die IfG-Mittel, die wir wiederum zu einem großen Teil den Kommunen für ihre Infrastruktur pauschal zur Verfügung stellen, jetzt auch für die Schulneubauten, unter anderem für die, die im Zusammenhang mit der Schulstandortplanung notwendig sind, für Rekonstruktionen und dergleichen verwendet werden können.

Es ist ein wichtiger Schritt gewesen, den Zustand unserer Schulen zu verbessern, den wir in der Tat für dringend verbesserungsbedürftig halten. Man muss aber dabei auch ganz deutlich sagen: Wenn wir an der Stelle Pauschalzuweisungen veranlassen, wir also die Kommunen auffordern, dieses Geld selbst nach ihren Schwerpunktsetzungen zu verwenden, dann steht es uns natürlich nicht noch einmal zur Verfügung, um es aus dem Landeshaushalt auszugeben.

Die Möglichkeit, dies über die Zinszahlungen zu realisieren, halte ich für die beste Möglichkeit, bei den Kommunen zum jetzigen Zeitpunkt Geld, gerade für den Schulbau, zu mobilisieren.

Im Hinblick auf die Bildung möchte ich noch einen weiteren Punkt hinzufügen. Wir haben auch im Jahre 2001 Vorsorge dafür getroffen, dass jeder junge Mensch einen Ausbildungsplatz in Sachsen-Anhalt bekommt. Das ist eine Tatsache, die wir inzwischen kontinuierlich

über drei Jahre, fast über vier Jahre hinweg abrechenbar erreicht haben.

Dies werden wir auch in diesem Jahr, darin bin ich mir ziemlich sicher, wieder erreichen. Im letzten Jahr waren wir sogar mit Abstand Spitze unter allen Bundesländern bei der Versorgung von jungen Leuten mit Ausbildungsplätzen. Dieser Haushaltsplan wird bei all den Sparmaßnahmen, die wir in dem Gesamtpaket der Förderung haben, sichern, dass das auch im nächsten Jahr der Fall sein wird.

Dank der sehr energischen Verhandlungen, die wir noch einmal als Land Sachsen-Anhalt beim Bund-LänderProgramm für Ausbildung mit dem Bund geführt haben, haben wir zusätzliche Ausbildungsplätze im Rahmen dieses Programms erhalten.

Ich füge noch eine fünfte Bemerkung hinzu. Mit Blick auf die Kommunalfinanzen und damit auch auf die Personalkosten würde ich mich außerordentlich freuen, wenn es gelingen würde, den Vorschlag, zu Umschichtungen zu kommen, den unser Fraktionsvorsitzender Herr Fikentscher gemacht hat, bei den Haushaltsberatungen umzusetzen.

An dieser Stelle möchte ich auf etwas zurückkommen, was Frau Sitte in ihrem Beitrag gesagt hat: Sie haben eine ganze Menge wichtiger Fragen gestellt, die im Detail beraten werden müssen.

Dabei ist mir allerdings Folgendes aufgefallen: Herr Trepte hat Herrn Bergner aufmerksam zugehört, und er hat die richtige Frage gestellt, nämlich die Frage, wo das Geld herkommen soll. Darauf hat Herr Bergner keine Antwort gewusst, wie hoffentlich jeder bemerkt hat. Es werden an allen Ecken Forderungen gestellt, eine Antwort, wie die Lücke gedeckt werden soll, kam aber nicht.

(Zustimmung bei der SPD)

Bei Ihren Fragen war das manchmal auch so.

(Zuruf von Herrn Gallert, PDS)

Es tat sich immer mehr eine Lücke auf.

Deswegen sage ich mit ungebrochenem Optimismus: Wir werden über die Fragen diskutieren, und wir werden schließlich an einen Punkt kommen müssen, an dem diese Lücke wieder geschlossen wird.

Das wiederum - das soll meine letzte Bemerkung an dieser Stelle sein - war eine Arbeit, die auch wir im Kabinett hinter uns gebracht haben. Ich sage es ganz offen: Einige Wochen vor den Haushaltsberatungen haben wir im kleinen Kreis des Kabinetts, nicht in einer formalen Kabinettssitzung, zusammengesessen und uns die Größe der Aufgabe klargemacht. Ich glaube, an diesem Abend ist jedes Kabinettsmitglied nach Hause gegangen und hat schlecht geschlafen,

(Herr Becker, CDU: Hoffentlich!)

weil niemand zu diesem Zeitpunkt auch nur annähernd das Gefühl hatte, das Problem ließe sich stemmen. Vielleicht hat das auch dazu geführt, dass wir dann wirklich alle gesagt haben: Das geht nicht. Wir müssen das schaffen. Und wir haben es geschafft.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Dann hat der Finanzmi- nister einen Brief geschrieben!)

Wir haben übrigens als einziges Bundesland im Haushalt für 2001 die Steuerreform voll berücksichtigt und die Neuverschuldung zurückgeführt; denn Sachsen hat dieses Problem in einem Zweijahreshaushalt gelöst. Es