Ich denke, jetzt haben alle abgestimmt. Ich sehe kein Handzeichen mehr. Dann schließen wir die Abstimmung. Ich bitte um die Auszählung der Stimmen.
Meine Damen und Herren! Ich gebe das Abstimmungsergebnis bekannt: Acht Abgeordnete haben mit Ja gestimmt, 77 mit Nein und 31 Abgeordnete waren nicht anwesend. Meine Damen und Herren! Damit ist die Beratung zum Tagesordnungspunkt 22 abgeschlossen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 56 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges geht es heute um eine kleine materielle Anerkennung des individuellen Schicksals von 50 000 ostdeutschen Menschen, die durch den vom deutschen Naziregime angezettelten Krieg in diese Situation geraten sind.
Aber der Reihe nach. Die Kriegsgefangenen, die nach langen Jahren der Gefangenschaft nach Westdeutschland oder in die spätere Bundesrepublik entlassen worden sind, erhielten Leistungen nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz vom 30. Januar 1954. Für jeden Monat des Festhaltens in fremdem Gewahrsam ab dem 1. Januar 1947 gab es eine Entschädigung in Höhe von 30 DM, ab dem 1. Januar 1949 eine Entschädigung in Höhe von 60 DM und für längeres Festhalten weitere Nachzahlungen. Die gesamte Entschädigung war auf den Höchstbetrag von 12 000 DM begrenzt.
Die Kriegsgefangenen mit gleichem Schicksal, die in die sowjetische Besatzungszone oder die spätere DDR entlassen worden sind, erhielten außer 50 Ost-Mark keinerlei Entschädigungszahlungen.
Die Abwicklung der Zahlungen nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz endete Ende der 60erJahre. Im Jahr 1970 wurde dann die Heimkehrerstiftung mit dem Zweck gegründet, all denen zu helfen, die aufgrund ihres Schicksals weiterhin auf besondere Unterstützung angewiesen waren. Die Stiftungsmittel werden zu etwa 80 % für Rentenersatzleistungen, die restlichen 20 % für die Unterstützung in aktuellen Notlagen ausgegeben. Nur ein kleiner Teil der Ostdeutschen kam bisher in den Genuss dieser Leistungen.
Die westdeutschen Bestimmungen wurden mit dem Einigungsvertrag nicht auf die Leidensgefährten in den neuen Ländern übertragen. Begründet wurde dies damit, dass ein Hauptgrund für die Zahlung der Entschädigungsleistungen im Westen der Aspekt der Eingliederung in die deutsche Gesellschaft gewesen sein soll. Dieser Aspekt sei 45 Jahre nach Kriegsende abgeschlossen.
Tatsache ist auch: Als im Jahr 1992 das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz mit Wirkung zum 1. Januar 1993 beschlossen wurde, hat keine Fraktion, auch nicht die
Im Jahr 1993 wurde durch die Bundesregierung das Heimkehrerstiftungsgesetz auf die neuen Bundesländer übertragen. Danach konnten nur sozial bedürftige Heimkehrer finanzielle Unterstützung erhalten. Es besteht damit aber im Gegensatz zum ehemaligen Kriegsfolgenentschädigungsgesetz kein Rechtsanspruch auf eine Entschädigung.
Es gibt in Deutschland wohl kaum eine gesellschaftliche Gruppe, die so wenige Fürsprecher hat wie die der Spätheimkehrer. Im Gegensatz zu anderen Personengruppen, zum Beispiel den Heimatvertriebenen, hat es leider auch keine Lobbyarbeit des westdeutschen Heimkehrerverbands gegeben. Jedenfalls war für uns dergleichen nicht spürbar.
Andererseits kann die Politik nicht ausschließlich nach dem Motto handeln: Nur der Starke und Laute wird bei der Verteilung berücksichtigt. - Was für eine Art von Gerechtigkeit wäre das?
Auch wir hatten die ganze Dimension des persönlich Zurückgesetzt-Sehens zunächst nicht erkannt. Erst als es auch in Sachsen-Anhalt Zusammenschlüsse dieser ehemaligen Kriegsgefangenen gab, sind wir auf die Verbitterung dieser Menschen aufmerksam geworden. Sie erhielten weder in der früheren DDR noch im vereinten Deutschland eine Anerkennung ihres schweren Schicksals.
Vielfach wird gesagt, das Schicksal dieser Menschen sei nicht mit Geld ungeschehen zu machen. Das ist richtig, aber diese Argumentation übersieht, dass sich Spätheimkehrer in der DDR bereits als Menschen zweiter Klasse fühlten und dass ihnen nun auch das vereinte Deutschland eine Entschädigung und damit auch ein Stück Gleichstellung mit ihren in den Westen entlassenen Kameraden verweigert.
Es wäre ein fatales Signal in Sachen Gerechtigkeit, wenn die ostdeutschen Heimkehrer und Zivildeportierten die einzigen in der Gruppe der Kriegsopfer blieben, die keine Entschädigung erhalten.
Die Verbitterung wuchs, als bekannt wurde, dass die deutsche Gesellschaft 10 Milliarden DM als Wiedergutmachung für ausländische Zwangsarbeiter zu zahlen bereit ist. Davon zahlt allein der deutsche Steuerzahler 7,5 Milliarden DM.
Es ist im Übrigen zwecklos, den Betroffenen den juristischen Unterschied zwischen Kriegsgefangenen, Deportierten und Zwangsarbeitern zu erläutern.
Der Verbandstag des Verbandes der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen e. V. im September 1998 hat sich die Forderung der mitteldeutschen Heimkehrer und Zivilverschleppten zu Eigen gemacht und versucht, einen Gesetzentwurf über einen parlamentarischen Beirat auf den Weg zu bringen.
Im vergangenen Jahr erarbeitete der interfraktionell besetzte parlamentarische Beirat des Heimkehrerverbandes ein Gesetz über eine einmalige Entschädigung an die Heimkehrer aus dem Beitrittsgebiet. Das Verfahren ist sehr einfach gehalten. Für die Entlassungsjahrgänge 1947 und 1948 gibt es 1 000 DM, für die Jahrgänge 1949 und 1950 2 000 DM und ab dem Entlassungsjahrgang 1951 gibt es jeweils 3 000 DM.
Leider kam der Entwurf nicht als interfraktioneller Entwurf in den Bundestag, da es sich bei dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz von 1954 nach Auffassung der Regierungskoalition in Berlin nur um eine Starthilfe gehandelt habe und deshalb über 50 Jahre nach dem Ende des Krieges eine Wiedereingliederung nicht mehr nötig sei.
Diese Argumentation verfängt schon deshalb nicht, weil bei der Verabschiedung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes der überwiegende Teil der Opfergruppe bereits mehrere Jahre in Deutschland weilte. Ich erinnere daran, dass dieses Gesetz erst im Jahr 1954 verabschiedet worden ist. Dennoch bekannten sich damals die Mitglieder aller Fraktionen des Deutschen Bundestages zu ihrer Verantwortung gegenüber der Kriegsgeneration und verankerten einen Rechtsanspruch auf Entschädigung für jeden Kriegsheimkehrer.
Ich sehe keinen Grund, angesichts der finanziellen Aufwendungen für andere Opfergruppen die etwa 90 Millionen DM für die noch lebenden 30 000 Heimkehrer und 20 000 Zivildeportierten nicht auch noch aufzubringen. So hat uns zum Beispiel die Einmalleistung für die Vertriebenen bis heute mehr als 5,2 Milliarden DM gekostet.
Bei allen Regelungen müssen wir bedenken, dass die jüngsten Kriegsgefangenen heute schon 75 Jahre alt und die Ältesten weit über 90 Jahre alt sind. Wenn wir noch lange darüber debattieren oder die Regelung zu kompliziert gestalten, wird kaum noch einer der Betroffenen in den Genuss eines ernsthaften Zeichens kommen.
Der von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vorgelegte Gesetzentwurf wurde am 5. April 2001 in zweiter und in dritter Lesung abgelehnt. Zwar wurde die Heimkehrerstiftung um 5 Millionen DM aufgestockt, doch das hilft denjenigen nicht, die auch bisher die Kriterien nicht erfüllten. Anscheinend nehmen die Bundesregierung und die Regierungskoalition die biologische Lösung der Problematik in diesem Fall billigend in Kauf.
Gerade die 20 000 noch lebenden Zivildeportierten, größtenteils Frauen und damals Jugendliche, die ohne jegliche völkerrechtliche Grundlage in die Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes verschleppt und dort zu härtester körperlicher Arbeit in der Landwirtschaft, im Bergbau und in der Industrie gezwungen worden sind, werden für diese Argumentation wenig Verständnis haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deshalb bitten wir Sie, unserem Antrag auf Beauftragung der Landesregierung zur Einbringung einer Bundesratsinitiative zuzustimmen, um diesen Personen zu helfen. Sollte es bei einigen von Ihnen Nachfragebedarf geben, wären wir auch mit einer Überweisung in den Innenausschuss einverstanden. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Im Ältestenrat ist zu diesem Tagesordnungspunkt ebenfalls eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Die Fraktionen sprechen in folgender Reihenfolge: DVU, PDS, SPD, FDVP und CDU. Vorher spricht für die Landesregierung Frau Ministerin Schubert.
punkt, die 56 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fast in Vergessenheit geraten ist - die ehemaligen Kriegsgefangenen. Diese Menschen haben ihr Leben eingesetzt. In der Kriegsgefangenschaft mussten sie vielfach unsägliches Leid erdulden. Sie verdienen es, dass wir uns ihr Schicksal immer wieder ins Gedächtnis rufen.
Unser besonderes Mitgefühl gilt dabei denjenigen Menschen, die nach der Gefangenschaft in ihre Heimat, in die neu entstandene DDR zurückgekehrt sind, denn sie waren doppelt benachteiligt. Zum einen erhielten sie anders als die Menschen in der Bundesrepublik vom Staat keinerlei Unterstützung. Die DDR hatte buchstäblich nichts für sie übrig. Sie drückte sich hierbei genauso vor der Verantwortung, wie sie jahrzehntelang die Zahlung von Wiedergutmachungsleistungen für die NSVerbrechen verweigerte.
Zum anderen billigte man den aus sowjetischer Gefangenschaft Entlassenen noch nicht einmal das elementare Recht zu, von ihrem Schicksal zu erzählen. Obwohl die Bedingungen für die sowjetischen Kriegsgefangenen besonders hart waren, durfte auf die Ehre der großen sowjetischen Brudernation kein Schatten fallen.
Ich begrüße es deshalb ausdrücklich, dass uns die heutige Debatte die Gelegenheit gibt, uns mit dem Schicksal dieser Menschen zu beschäftigen.
Worum geht es? - Die Bundesrepublik Deutschland hat schon im Jahr 1954 das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz erlassen. Nach diesem Gesetz erhielten die ehemaligen Kriegsgefangenen, die in die Altbundesrepublik zurückgekehrt waren, einen Geldbetrag, der nach der Dauer der Gefangenschaft gestaffelt war. Menschen, die nach vielen Jahren des Krieges und der Kriegsgefangenschaft beruflich vielfach vor dem Nichts standen, sollten eine Starthilfe erhalten, um wieder Fuß fassen und einen Neuanfang wagen zu können.
Im Jahre 1970 wurde die Heimkehrerstiftung errichtet. Sie springt ein, wenn ehemalige Kriegsgefangene oder ihre Angehörigen im Einzelfall in besondere wirtschaftliche Not geraten sind.
Nach der Wende stand man auch in diesem Bereich vor der Frage, ob und in welchem Umfang die Benachteiligungen, die die Menschen in der DDR im Vergleich zu denen in der früheren Bundesrepublik erlitten hatten, ausgeglichen werden sollten.
Der gesamtdeutsche Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz nicht für diejenigen Menschen neu in Kraft zu setzen, die seinerzeit aus der Kriegsgefangenschaft in die DDR zurückgekehrt sind. Er war der Auffassung, dass dieser Personenkreis längst gesellschaftlich eingegliedert war. Leistungen hätten daher fast 47 Jahre nach Kriegsende nicht mehr den Zweck der Starthilfe erreichen können, der dem Gesetzgeber im Jahr 1954 bei der Verabschiedung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes vor Augen gestanden hatte. Deshalb wurde es im Jahr 1992 im Rahmen des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes dem ein Gesetzentwurf der damals CDU-geführten Bundesregierung zugrunde lag - aufgehoben.
Die Regelungen über die Heimkehrerstiftung dagegen wurden in vollem Umfang auf die neuen Länder übertragen. Diese Stiftung gewährt - auch mehrfach - Unterstützung zur Linderung einer Notlage bis zu einem Höchstbetrag von 8 000 DM und Rentenzusatzleistungen zur Minderung von Nachteilen in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der gesetzlichen Hinterbliebenenversorgung von monatlich bis zu 90 DM.
Von 1993 bis Ende 2000 sind an Berechtigte im Beitrittsgebiet 12 Millionen DM an Unterstützungsleistungen - in Sachsen-Anhalt 2,8 Millionen DM - und über 38 Millionen DM an Rentenzusatzleistungen - in SachsenAnhalt 7,4 Millionen DM - ausgezahlt worden.
Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, all diese Entscheidungen sind nicht ohne Ihre Mitwirkung getroffen worden. Im Gegenteil, Sie haben in den Jahren nach 1990 den Bundeskanzler gestellt. Sie haben damit das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz, durch das das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz aufgehoben wurde, konzipiert und nicht zuletzt mit Ihren Stimmen im Parlament verabschiedet.
Ich bin überrascht, dass Sie Ihre Meinung zu diesem Thema nach 1998 geändert haben, nachdem der Wähler Sie auf Bundesebene in die Opposition geschickt hatte. Sie haben diesen bis dahin gemeinsam getragenen Kompromiss aufgekündigt.