Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, dass die Debatte ein wenig verschoben wird. Ich will einmal ganz deutlich sagen, dass wir nicht eine Debatte über die Existenz oder Nichtexistenz einer Verfassungsschutzbehörde führen. Wir führen hier eine Debatte darüber, ob das, was in dem NPD-Verbotsantrag enthalten ist, was vom Verfassungsschutz eingebracht wurde, etwas ist, das eigentlich das ganze Verbotsverfahren gefährdet.
Ich will ganz deutlich sagen: Sie haben schon mitbekommen, dass wir in irgendeiner Weise nicht nur diese Landesregierung, sondern mittlerweile auch den Verfassungsschutz tolerieren. Daher ist das nicht die Grundsatzfrage. Die Grundsatzfrage ist eine andere.
Ich zitiere aus einem unabhängigen Gutachten, welches jetzt zum Schreiben der Prozessbevollmächtigten eingebracht wurde, nämlich zu der Frage NPD und Verfassungsschutz. Darin heißt es unter der Überschrift „Wem ist was zuzurechnen?“ - ich darf zitieren -:
„Das V-Mann-Problem im NPD-Verfahren ist juristisch ein Problem der Zurechnung. Es muss die Frage entschieden werden, wem man die Äußerungen und Handlungen der V-Leute zuzurechnen hat, der NPD oder dem Staat. Nur wenn man Äußerungen und Handlungen der VLeute der NPD zurechnen kann, können sie Grundlage für ein Parteiverbot sein. Sind sie dem Staat zuzurechnen, kann daraus nichts für ein Parteiverbot abgeleitet werden.“
Deshalb denke ich, dass es jetzt nicht hilft, mit Polemik gegen die PDS vorzugehen; denn das ist ein parteiunabhängiges Problem. Das geht durch alle Parteien. Ich teile zum Beispiel nicht die Auffassung meines Kollegen und Genossen Gregor Gysi. Das ist genau das, wozu ich gesagt habe, hier werden die politische Positionierung und die eigentliche verfassungsrechtliche Frage miteinander vermischt.
Im Übrigen sage ich auch, dass ich als Teil einer Minderheit in meiner Partei diesem Verbotsverfahren schon immer sehr skeptisch gegenübergestanden und schon immer gesagt habe: Finger weg, das ist eine zu heiße Kiste. Das, was vorliegt, reicht nicht aus, um die NPD zu verbieten. Mit dieser Meinung bin ich allerdings in der Minderheit. Die Mehrheitsposition in der PDS ist eine andere. Dort steht man zu dem NPD-Verbotsverfahren.
Nun will ich noch etwas zur Frage Verfassungsschutz und Mitarbeit der PDS sagen. Es ist schon ganz hübsch, was Sie in diesem Haus veranstalten. Wir reden über die größte Pleite, die uns verfassungsrechtlich ins Haus kommen kann, verursacht durch Geheimdienstbehörden. Und was machen Sie? - Sie kritisieren uns, dass wir nicht in der PKK mitarbeiten. Sie flehen uns förmlich an, in dieser PKK mitzuarbeiten.
Dazu muss ich sagen: Bei mir ist eine große Skepsis angesagt, wenn eine solche Einladung erfolgt. Das Grundproblem ist Folgendes - - Ich darf aus dem Verfassungsschutzgesetz zitieren. In § 26 - Verfahrensweise - heißt es:
„Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Die Mitglieder und ihre Stellvertreter sind zur Geheimhaltung der Angele
genheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt geworden sind.“
Wir sollen also einerseits mitmachen; andererseits darf man aber nicht darüber reden. Das Manöver ist durchsichtig. Sie wollen uns damit in Haftung nehmen. Dazu sage ich ganz deutlich: Man kann über eine Reform der Parlamentarischen Kontrollkommission reden. Dazu sind wir auch bereit.
Ich könnte mir unter der Voraussetzung, dass beispielsweise das Berliner Modell eines Verfassungsschutzausschusses in Sachsen-Anhalt Einzug nimmt, sehr gut vorstellen, dass die PDS-Fraktion künftig in einem solchen Ausschuss mitarbeitet. Das wäre eine Form, über die wir gern reden können, vielleicht in möglichen Koalitionsverhandlungen. - Vielen Dank. Ich bitte um eine getrennte Abstimmung über beide Punkte.
Herr Kollege Gärtner, Sie haben das Problem der Zurechnung der Tätigkeit der V-Leute erörtert, sei es zur NPD, sei es zum Staat, bis hin zu der provozierenden Frage, ob nicht die NPD als Veranstaltung dem Staat zuzurechnen sei. Ist es nicht so, dass man das, was die V-Leute tun, jedenfalls in analoger Anwendung der polizeirechtlichen Theorie vom Zweckveranlasser der NPD zuordnen muss, dass sie zwar selbst die V-Leute nicht bezahlt, aber ohne die NPD keine V-Leute erforderlich wären, um ihre Tätigkeit aufzuklären?
Ist es nicht auch so, dass die V-Leute regelmäßig aus dem rechtsextremistischen Betätigungsspektrum heraus gewonnen und nicht etwa dorthin eingeschleust werden, dass also an ein vorangegangenes entsprechendes Tun dieser V-Leute angeknüpft wird?
Das ist genau die Frage, die von der Gutachterin in dem Gutachten „Wem ist was zuzurechnen?“ gestellt wird. Das muss geklärt werden und das muss sauber geklärt werden.
Ich sage noch einmal Folgendes: Ich will zwei Dinge an dieser Stelle voneinander trennen. Logisch ist: Wenn es Geheimdienstbehörden wie den Verfassungsschutz gibt, dann arbeitet dieser mit nachrichtendienstlichen Mitteln und dann arbeitet er mit V-Leuten. Das ist keine Frage. Das ist bei Geheimdiensten eben so.
Das Problem ist jedoch: Auf der einen Seite haben wir die Quellenzeugnisse, und zwar dort, wo V-Leute berichten, was irgendwo gelaufen ist. Diesbezüglich sagen auch alle Juristen, dass das eine Möglichkeit ist, die auch in den Verbotsanträgen enthalten sein kann.
Auf der anderen Seite steht jedoch die Frage - und das ist die entscheidende Frage -: Es bekommen Leute jahrzehntelang Geld vom Staat und sind am Ende die entscheidenden Belege für die Verfassungswidrigkeit der NPD. Dazu sage ich: Das ist zu dünnes Eis; auf dieses sollte man sich nicht begeben; das muss herausgenommen werden; das muss überarbeitet werden. Die PDS fordert, dass eine solche Überarbeitung erfolgt,
Ich gehe allerdings davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht sich nicht politisch leiten lässt, sondern, wie es das auch in den letzten Jahren getan hat, juristisch entscheidet. Dann werden wir sehen, was dabei herauskommt. Ich hoffe, dass es nicht die größte Pleite wird. Es wäre die größte Katastrophe für dieses Land, wenn die NPD vor diesem Gericht gewinnt. Dann, muss ich sagen, gute Nacht.
Danke schön. - Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Abstimmungsverfahren. Es handelt sich um eine Direktabstimmung. Es ist beantragt worden, über die Punkte 1 und 2 getrennt abzustimmen. Ich rufe zunächst den Punkt 1 des Antrags auf. Wer diesem Punkt zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Wer ist dagegen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Bei einigen Stimmenthaltungen ist Punkt 1 des Antrages mit großer Mehrheit abgelehnt worden.
Ich rufe Punkt 2 des Antrages auf. Wer stimmt dem Punkt zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist auch der Punkt 2 abgelehnt worden. Damit ist der Antrag insgesamt abgelehnt worden. Wir schließen den Tagesordnungspunkt 25 ab.
Bundesratsinitiative zur Anhebung der Pauschbeträge für Behinderte gemäß § 33 b des Einkommensteuergesetzes (EStG)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landtag hat im Oktober des vergangenen Jahres das Landesgleichstellungsgesetz für behinderte Menschen verabschiedet. Mit seiner Verkündung im November 2001 trat es in Kraft. In § 1 dieses Gesetzes wird als Ziel die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen und Chancengleichheit für alle Menschen, die Umsetzung des Benachteiligungsverbotes, formuliert.
Um damit anzufangen und Schritte zum Abbau von Benachteiligungen behinderter Menschen zu unternehmen, hat die PDS-Fraktion den Ihnen vorliegenden Antrag mit dem Ziel einer Bundesratsinitiative zur Anhebung der Pauschbeträge gemäß § 33 b des Einkommensteuergesetzes gestellt.
Worum geht es? - Die Bundesregierungen haben unabhängig von den Parteien, die sie stützten bzw. stellten, im Einkommensteuerrecht anerkannt, dass Steuern zahlende behinderte Menschen behinderungsbedingte Mehraufwendungen haben, um am Leben der Gesellschaft teilzuhaben.
Unter der Umschreibung „außergewöhnliche Belastungen“ sollen benachteiligte oder sozial schwächere Menschen finanziell entlastet werden und einen Ausgleich,
eine Kompensation für ihre im Vergleich mit anderen Menschen zusätzlichen Aufwendungen erhalten. Dabei wird die Vorschrift des § 33 b des Einkommensteuergesetzes als eine typisierende Vereinfachungsregelung betrachtet.
Nach Sinn und Zweck des § 33 b sollen im Rahmen einer Typisierung die laufenden finanziellen Belastungen aufgrund einer Behinderung abgegolten werden. Die Entlastung zielt somit auf die ständige und sich im Regelfall durch das ganze Leben hindurchziehende Benachteiligung behinderter Menschen; denn für behinderte Menschen ergeben sich in allen Lebenslagen zwingend zusätzliche Ausgleichsanstrengungen, die unstreitig mit einem finanziellen Aufwand verbunden sind.
Ein behinderungsbedingter Mehraufwand ist zum Beispiel gegeben bei der Beschaffung von Hausrat und Kleidung, bei Pflegemitteln oder auch zur Sicherung der Mobilität. Es handelt sich insofern um typische indisponible Lebenshaltungskosten, die ein betroffener Steuerpflichtiger aufbringen muss. Zugleich begründet sich ein Rechtsanspruch auf Steuerermäßigung.
Letztmalig, meine Damen und Herren, wurden die Pauschbeträge entsprechend dieser Grundauffassung im Jahre 1975 angehoben. In der Begründung wurde damals angeführt - ich zitiere aus der Bundestagsdrucksache -:
„Im Hinblick auf die zwischenzeitliche Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse sind die in Absatz 3 enthaltenen Pauschbeträge gegenüber den geltenden Sätzen durchschnittlich um 45 %, der Pauschbetrag für Blinde und dauernd Pflegebedürftige um 50 % erhöht worden.“
Seitdem sind 27 Jahre vergangen und zweifellos hat sich vieles verändert. Der Bundesgesetzgeber wurde in dieser Zeit mehrfach auf die wachsende Diskrepanz zwischen den im Jahr 1975 festgelegten Pauschbeträgen und den veränderten tatsächlichen Aufwendungen hingewiesen. Dabei ist zu bemerken, dass der Bundesgesetzgeber für bestimmte Gruppen der Bevölkerung einen entsprechenden Anpassungsbedarf akzeptierte und auch dementsprechend handelte. Beispielsweise wurde bei Übungsleitern der Pauschbetrag um 50 % erhöht, was überfällig war. Gleichzeitig wurde die frühere Pauschale für Aufwendungsersatz in einen echten Freibetrag umgewandelt.
Auch bei den Kostenpauschalen für Bundestagsabgeordnete sah der Gesetzgeber Anpassungs- und Handlungsbedarf. Sie werden mittlerweile regelmäßig um 1,5 bis 6 % pro Jahr erhöht. So betrug die Kostenpauschale für Bundestagsabgeordnete am 1. Januar 1975 noch 3 860 DM und am 1. Januar 1997 schon 6 251 DM. Im Januar 2001 stieg sie auf 6 558 DM.
Wir sehen also, entsprechend der wirtschaftlichen Entwicklung, den Veränderungen der Inflationsraten und den steigenden Lebenshaltungskosten wurden diese Pauschalen angepasst. Nur im Hinblick auf behinderte Menschen wurde eine Anpassung der Pauschbeträge abgelehnt und ein Änderungsbedarf - so die Bundesregierung letztmalig im März 2000 - wurde nicht erkannt.
Seit 1975 blieb der höchstmögliche Pauschbetrag bei 7 200 DM pro Jahr. Bei einer Veränderung, wie sie bei der Abgeordnetenpauschale unterstellt wird, müsste dieser Betrag auf mindestens 12 000 DM erhöht werden. Eine derartige Erhöhung wäre verhältnismäßig, gerecht, angemessen und realitätsnah.
Die PDS-Fraktion ist der Auffassung, dass aufgrund der Entwicklungen Handlungsbedarf besteht. Eine realitätsnahe Anpassung der Pauschbeträge für behinderte Menschen gemäß § 33 b des Einkommensteuergesetzes ist überfällig. Wir fordern mit diesem Antrag die Landesregierung auf, im Bundesrat eine entsprechende Initiative einzuleiten, und bitten Sie um Ihre Zustimmung zu unserem Anliegen. - Danke schön.
Danke schön, Herr Eckert. - Wir kommen jetzt zur Aussprache. Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Zunächst hat sich allerdings für die Landesregierung Finanzminister Herr Gerhards zu Wort gemeldet.