Protokoll der Sitzung vom 06.02.2003

Vor diesem Hintergrund hat die SPD einen Solidarpakt Land/Kommunen vorgeschlagen, einen Sechspunkteplan, der den Kommunen für die nächsten zwei Jahre faire Möglichkeiten garantiert und die Belastung durch Steuermindereinnahmen gleichmäßig auf Land und Kommunen verteilt. Nach unserem Vorschlag für das Jahr 2003 sollen die Kommunen 190 Millionen € mehr erhalten für Maßnahmen, die ich jetzt nicht weiter aufführen möchte. Sie wissen, was ich vorgeschlagen hatte. Ich komme an anderer Stelle noch einmal kurz darauf zurück.

Wir werden diese Vorschläge heute zur Abstimmung stellen. Nach den lautstarken Protesten von CDU- und FDP-Politikern in der Vergangenheit bin ich mir eigentlich sicher, dass die meisten von Ihnen unsere Vorschläge mittragen können und werden - zumindest der Justizminister und der Verkehrsminister. Der Justizminister hat vorhin Beifall geklatscht, als Herr Paqué erklärt hat, warum die Kommunen nicht mehr Geld bekommen können. Er war derjenige, der früher fast geweint hat, als es um die Frage der Kommunalfinanzen ging. - Das ist einfach unehrlich.

(Beifall bei der SPD)

Herr Becker, Sie traten hier auf wie der sterbende Schwan, und heute klatschen Sie Beifall, wenn den Kommunen Geld weggenommen wird.

Meine Damen und Herren! Wir haben alle noch im Ohr, dass es mit dem Sozialminister keine Kürzungen bei der Kinderbetreuung geben würde.

(Frau Theil, PDS: Jawohl, Herr Minister! Das ist so!)

Das ist nun alles ganz anders gekommen. Wir als SPDLandtagsfraktion sind sehr froh, dass wir den Rechtsanspruch für alle Kinder auf einen Betreuungsplatz retten konnten.

(Beifall bei der SPD)

Hätten wir die Möglichkeit gehabt, wäre es zu keiner Änderung des aktuellen KiBeG gekommen. Unter großen Schmerzen und bei starkem Gegenwind hatten wir erst im Jahr 1999 das KiBeG geändert. Alle erinnern

sich an die Debatten hier im Landtag mit Herrn Bergners Ausflügen in das Land der Emotionen. Man konnte förmlich spüren, wie er unter dem kalten Herz der SPD und unter dem kalten Herz unserer Ministerin Frau Dr. Kuppe leiden musste.

Auf unserer Klausurtagung im September 2002 hatten wir uns gegen Kürzungen bei der Kinderbetreuung ausgesprochen, ohne dass wir wussten, was diese Regierung wirklich vorhat. Eigentlich hätten wir diesen Beschluss gar nicht fassen müssen, da der zuständige Ressortminister noch kurz zuvor in einem Chat gesagt hatte, es gäbe keine Kürzungen beim KiBeG. Andererseits hatten wir schnell begriffen, wie kurz die Halbwertzeit von Ministerversprechen dieser Landesregierung ist.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Scharf, CDU: Wenn Sie in die Koalitionsvereinbarung geguckt hätten!)

- Ich vertraue da auf Herrn Kley. Was geschrieben steht - - Herr Kley rennt wochenlang durchs Land und sagt etwas anderes. Da hat für mich das Wort eines Ministers Vorrang.

Mit der Vorlage des so genannten Haushaltssanierungsgesetzes und dem Agieren der Koalitionsfraktionen wurde schnell klar, wohin der Zug fahren würde. Hätten wir uns ein Beispiel an Herrn Bergner genommen und Fundamentalopposition betrieben,

(Herr Scharf, CDU: Das haben wir doch nie ge- macht!)

gäbe es ab sofort keinen Rechtsanspruch mehr für alle Kinder auf einen Kindertagesstättenplatz. Unser Vorschlag, über den morgen debattiert werden wird, hat einzig und allein das Kindeswohl zum Ziel.

Meine Damen und Herren! Die SPD-Landtagsfraktion hat gezeigt, dass sie auch in der Opposition bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, obwohl dieser Weg für eine Oppositionsfraktion nicht alltäglich ist.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Mich hat kürzlich jemand gefragt, ob ich über dieses Ergebnis glücklich bin. Natürlich bin ich es nicht. Glücklich kann darüber niemand sein; denn wir hatten ein gutes Gesetz. Aber ich bin erleichtert, dass es uns gelungen ist, mit unserer Vorgehensweise für die Kinder in diesem Land wenigstens etwas erreicht zu haben.

(Zurufe von der PDS - Herr Gürth, CDU: Machen Sie es doch nicht schlecht!)

Meine Damen und Herren! Ich hätte mir gewünscht, CDU und FDP wären ebenso auf unseren Vorschlag zu den Kommunalfinanzen eingegangen, wie sie auf unseren Vorschlag zur Kinderbetreuung eingegangen sind. Das wäre gut für die Kommunen und gut für das Land gewesen.

(Beifall bei der SPD - Herr Gürth, CDU: Da hat nur die seriöse Deckung gefehlt!)

Herr Ministerpräsident, ich hätte mir gewünscht, Sie hätten sich für unseren Vorschlag erwärmen können. Wissen Sie eigentlich, was in den Kommunen wirklich los ist? Wenn ich höre, was Herr Paqué gesagt hat, glaube ich, Sie wissen es nicht.

(Zurufe von Herrn Scharf, CDU, und von Herrn Gürth, CDU)

Nur ein Beispiel: Der Deutsche Städtetag hat für Gesamtdeutschland einen Rückgang der kommunalen Investitionen um 10 % berechnet. Angesichts des Kahlschlags bei den Kommunalfinanzen im Land dürfte der Rückgang in Sachsen-Anhalt noch viel beträchtlicher sein - mit all seinen negativen Auswirkungen gerade auch auf die mittelständische Wirtschaft.

Drei Viertel aller staatlichen Investitionen werden durch Kommunen ausgelöst. Manchmal scheint es so, als ob bei dieser Regierung eine besondere Gefahr besteht, die Bodenhaftung zu verlieren. Die Berichte über Einweihungen und Umzüge bei der Landesregierung muten vor dem Hintergrund der Diskussionen über die Schließung von Freibädern und Bibliotheken in den Kommunen eher unglücklich an. Dass mein Kollege Scharf das Thema „Umzug ins Palais“ quasi als Minenhund ausgerechnet während der Haushaltsberatungen auslotet,

(Herr Scharf, CDU: Seit 1994 sage ich das!)

erscheint angesichts der Kürzungen beim Blindengeld, bei der Schulsozialarbeit, bei den Kulturausgaben und beim Verein „Miteinander“ einfach instinktlos.

(Beifall bei der SPD - Herr Scharf, CDU: Das ist doch Quatsch! - Herr Gürth, CDU: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?)

Ich lese und höre übrigens Berichte, aus denen der Stolz einiger führender CDU-Vertreter über die gelungene Sanierung und die Vorteile der Möwe klingt.

(Heiterkeit bei der SPD)

Frühere Attacken und ein von der CDU initiierter Untersuchungssausschuss scheinen vergessen zu sein.

(Herr Gürth, CDU: Weil es zu teuer geworden ist!)

Wer mir nicht glaubt, frage einmal die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses, wie Herr Schneider gelobt hat, wie schön alles in Berlin ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle keine populistischen Töne anschlagen.

(Oh! bei der CDU - Herr Kurze, CDU: O Gott! Jetzt reicht es aber! - Herr Gürth, CDU: Das stimmt doch nicht!)

- Populismus ist etwas ganz anderes. - Das Land und seine Kommunen haben wirklich andere Probleme. Ich habe in Gesprächen in den letzten Wochen oft gesagt, dass es für das Image des Landes Sachsen-Anhalt nach außen gut ist, dass wir endlich nicht mehr die höchste Arbeitslosenrate im Vergleich der Bundesländer haben.

(Herr Schröder, CDU: Stimmt!)

Dass wir die rote Laterne abgegeben haben, ist jedoch nur relativ zu sehen. Absolut gesehen hat sich für die Menschen in unserem Land konkret nichts verbessert. Die Zahl der Arbeitslosen im Land ist weiter gestiegen, aktuell um 8 000 im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Den dummen Pieper-Spruch vermag diese Landesregierung nicht einzulösen. Mit Symbolpolitik und Rhetorik kann diese Landesregierung nichts für die Menschen in unserem Land bewegen. Dieser Haushalt tut nicht viel dafür, dass neue Arbeitsplätze entstehen oder dass bestehende Arbeitsplätze erhalten werden, dass Investitionen gefördert werden und dass unsere heimischen Firmen Aufträge bekommen.

Nun wird der Wirtschaftsminister natürlich behaupten, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Was hat er doch im Jahr 2002 an neuen Bewilligungsbescheiden erteilt! Fast 1 Milliarde € an Investitionen mehr als im Jahr 2001 werden dadurch ausgelöst. Leider vergaßen Sie hinzuzufügen, lieber Herr Rehberger, was Arneburg gekostet hat und welchen Anteil Arneburg dabei hat.

Meine Damen und Herren! Wie sehr hat sich das Investitionsklima im Land verändert! Wie dankbar und freundlich waren doch die Vertreter der Wirtschaft auf den Neujahrsempfängen! Ach, fast alles ist gut geworden in diesem unserem Lande!

Ich selbst wurde fast vom Jubel angesteckt, wäre nicht Staatssekretär Haseloff in meinen Wahlkreis gekommen und hätte öffentlich verkündet, dass die Arbeitslosigkeit in der Region Staßfurt in diesem Jahr auf 28 % steigen wird. Was sagte doch Frau Pieper auf ihren Plakaten? - Ach ja, ich vergaß, den Schuldigen kannte Herr Haseloff bereits auch wieder: natürlich die SPD!

(Zurufe von Herrn Gürth, CDU, und von Frau Feußner, CDU)

Für mich sind die vom Staatssekretär genannten 28 % der Offenbarungseid einer verfehlten Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der neuen Landesregierung.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU)

Nein, meine Damen und Herren, nichts ist wirklich gut. Natürlich gibt es auch unter Schwarz-Gelb die Pflänzchen, die es schon unter der SPD gegeben hat: ein wachsendes verarbeitendes Gewerbe, einzelne Boombranchen wie die Chemie, die Automobilzulieferer, die Ernährungsindustrie, viele sich gut am Markt behauptende Firmen. Darüber sind wir alle froh. Diese positive Entwicklung wird auch niemand bestreiten wollen und können.

Aber natürlich gibt es auch weiterhin die Probleme, und von denen haben Sie noch kein einziges gelöst, weder durch das Erste Investitionserleichterungsgesetz noch durch diverse Bundesratsinitiativen, geschweige denn durch diesen Landeshaushalt. Wo bleibt denn die versprochene Stärkung bestehender Betriebe? Sie streichen im Landesstraßenbau und nehmen so heimischen Mittelständlern die Aufträge. Sie kürzen die Kommunalfinanzen, würgen dadurch die kommunale Investitionstätigkeit ab und verhindern auch auf diesem Wege Aufträge an die Bauwirtschaft.

Sie versprachen den Kommunen im Wahlkampf großspurig eine Investitionspauschale, sagten aber nicht, dass Sie im gleichen Atemzug die Kommunalfinanzen um ein Mehrfaches kürzen würden und dass Ihre Investitionspauschale gar keine Investitionspauschale ist; denn erstens treffen die GA-Kriterien nur auf wenige Kommunen zu, und zweitens frage ich mich, was das überhaupt für eine Pauschale ist, wenn über die Vergabe ein Beamter des Wirtschaftsministeriums entscheiden wird.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Theil, PDS)