Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Dirlich, was die Fakten zu dieser Problematik angeht, haben Sie zu Beginn Ihrer Rede Dinge gesagt,
Frau Fischer, zu dem, was Sie zu der Rede des Bundeskanzlers gesagt haben - ich habe mir die Mühe gemacht, diese Rede zu lesen -, muss ich ganz ehrlich sagen: Ich habe einen Satz zur Arbeitsmarktpolitik im Osten gefunden, nämlich dass wir die ABM fortführen müssen, und ich habe eine Schimpfkanonade gegenüber Unternehmen gefunden, die an dem Elend, in dem sie jetzt stecken, selber schuld sind. Das mit drohendem Zeigefinger: Wenn die Unternehmen jetzt nicht reagieren, wird es andere Gesetze geben, um die Unternehmen zu zwingen. - Jetzt frage ich Sie, was das für neue Umgangsformen sind und wem wir hier helfen wollen.
Wir wissen, dass durchgreifende Reformen notwendig sind. Die Erkenntnis, dass eine Volkswirtschaft sich nur ein bestimmtes Maß an Sozialstaat leisten kann und dass dieses Maß längst überschritten ist, wird mittlerweile parteiübergreifend aufgenommen. Dennoch tut sich die Bundesregierung schwer, Kraft aufzubringen für wirkliche strukturelle Reformen. Auch die Rede des Bundeskanzlers heute hat das nicht gezeigt.
„Mit Kleinmut und Bedenkenträgerei ist der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit nicht zu gewinnen“ - so Hartz in einem „Spiegel“-Interview. Aber auch er hat uns mit seinen Vorschlägen kein Gesamtkonzept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorgelegt.
Alle Maßnahmen zur Integration von Arbeitsuchenden in den ersten Arbeitsmarkt laufen bei dem derzeitigen Wirtschaftswachstum ins Leere. In den vorgelegten Vorschlägen fehlt das Zusammenwirken von Arbeitsmarkt-, Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik. Es fehlen weiterhin eine echte fiskalische Ausrichtung wie auch Vorschläge zur Flexibilisierung und Entbürokratisierung des Arbeitsrechts sowie Maßnahmen zur Entlastung des Faktors Arbeit durch eine Senkung der Lohnnebenkosten.
Der wichtigste Mangel ist, dass Hartz - seit heute Morgen wissen wir, nicht nur er - die Existenz zweier völlig unterschiedlicher Arbeitsmärkte ignoriert und die Arbeitsmarktspezifik der neuen Bundesländer außen vor lässt. Damit sind wir sicherlich wieder auf einer Linie, Frau Dirlich und Frau Fischer. Aber dann hört es auch schon fast wieder auf.
Dieser Antrag kommt ganz einfach zu spät, liebe Kolleginnen und Kollegen der PDS-Fraktion, weil die Landesregierung dieser Aufforderung nicht bedarf, denn sie hat bereits reagiert. Andererseits greift dieser Antrag zu kurz, weil er wiederum verstärkt einseitig für Korrekturen und darüber hinaus für die Verfestigung des geförderten zweiten Arbeitsmarktes wirbt. Ich habe dabei immer Erinnerungen an die vorangegangenen Legislaturperioden, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, an die Forderung, uns für einen dauerhaft geförderten Arbeitsmarkt zu entscheiden. Hierin unterscheiden wir uns; denn das wollen wir nicht.
Die Koalitionsfraktionen der FDP und der CDU legen Ihnen einen Alternativantrag vor, der den neuen Ansätzen der Arbeitsmarktpolitik der Landesregierung gerecht wird und eine Korrektur der Politik der Bundesanstalt für Arbeit fordert. In dieser Frage gehen wir wieder konform. Dieser Antrag basiert jedoch auf einer gemeinsamen Erklärung des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit, der
Lassen Sie mich in einigen wenigen Worten die Schwerpunkte dieser Erklärung und damit unseres Antrags wiedergeben. Ausführungen zur Haushaltslage der Bundesanstalt für Arbeit kann ich mir, glaube ich, sparen. Dass der Ansatz unrealistisch ist und dass wir derzeit für dieses Jahr von einem Defizit in Höhe von 8 Milliarden € ausgehen, hat Frau Dirlich gesagt.
Der Ausgleich des Haushalts - auch hierüber haben wir uns geeinigt - darf nicht zulasten der Kommunen und zulasten der Arbeitslosen passieren. Anstelle des Zuschusses an die Bundesanstalt sprechen wir von einer eventuell anzudenkenden Investitionspauschale.
Auch die geforderte Kofinanzierung bei ABM und SAM ist kontraproduktiv und wirkt gegen die Investitionstätigkeit der Kommunen.
Der gesetzliche Auftrag der Bundesanstalt, nämlich die Marktfähigkeit der Arbeitslosen über Qualifizierung und Fortbildung zu erhalten und die Vermittlungstätigkeit voranzutreiben, darf nicht eingeschränkt werden. Wirtschaftswachstum und neue Investitionen setzen aber eine marktnahe und kontinuierliche, auch vorbereitende Qualifizierung voraus.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen, dass der Charme unseres Antrages darin besteht, dass sich die Landesregierung, die Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände sowie die Gewerkschaften des Problems bewusst sind und diesen Schwierigkeiten gemeinsam die Stirn bieten. Als Parlamentarier können wir uns einer solch breiten Forderung ganz einfach nicht verschließen, sondern wir müssen, meine ich, diese Forderung durch ein positives Votum in diesem Parlament unterstützen. - Danke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Anträge aller Fraktionen und die bisherigen Redebeiträge machen eines deutlich: Die Kritik an der aktuellen Geschäftspolitik der Bundesanstalt für Arbeit zieht sich quer durch alle Fraktionen.
Diese Geschäftspolitik wird im Moment von zwei Faktoren bestimmt: Zum einen befindet sich die Bundesanstalt für Arbeit in einem grundlegenden Umbau. Im Zuge der Hartz-Reform am Arbeitsmarkt wird Arbeitsmarktpolitik grundsätzlich neu definiert werden. Die Bundesanstalt hat vor kurzer Zeit eine große internationale Unternehmensberatung beauftragt, neue Konzepte zu entwickeln. Die Bundesanstalt wird sich sowohl inhaltlich als auch strukturell in absehbarer Zeit neu ausrichten. Das heißt, die Bundesanstalt kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keine eindeutigen langfristigen Konzepte vorlegen.
Der zweite Punkt, der die Bundesanstalt zurzeit sehr beeinflusst, ist ihre schwierige Haushaltslage. Dazu ist schon einiges gesagt worden. Bereits bei der Aufstellung des Haushalts der Bundesanstalt ist unehrlich mit der gesamten Thematik umgegangen worden. Man ist von völlig illusorischen Voraussetzungen ausgegangen, was das Wirtschaftswachstum, was die Arbeitslosenzahlen
Besonders kritisiert werden an der Geschäftspolitik einige Punkte, die auch schon erwähnt worden sind, zunächst die Erhöhung der Eigenanteile der Träger, der Kommunen für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Das geht völlig an den Gegebenheiten in Ostdeutschland vorbei. Kaum eine Kommune wird es sich leisten können, 25 oder 30 % Eigenanteil für ABM aufzubringen. Das bekommen wir nicht durch die Kommunalaufsicht. Das wird so nicht funktionieren. Ich weiß nicht, ob es Ignoranz oder Frechheit ist, genau das zu fordern.
Weiterhin die Mindestvermittlungsquote für Weiterbildungsmaßnahmen in Höhe von 70 %. Natürlich ist eine Mindestvermittlungsquote ein Erfolgskriterium. So etwas finde ich grundsätzlich richtig. Aber bei der großen Arbeitsplatzlücke in Ostdeutschland - Frau Dirlich, das haben auch Sie gesagt - ist das illusorisch. Das kann keine Weiterbildungsmaßnahme, so gut sie auch sein mag, wirklich erreichen. Die Mindestvermittlungsquoten müssen niedriger angesetzt werden und es können Qualitätsmerkmale einbezogen werden. Es muss passgenau in den Berufen, die die Wirtschaft nachfragt, weitergebildet werden. In dem Bereich muss man mehr tun.
In diesem Sinne fordern die Fraktionen der FDP und der CDU in ihrem Alternativantrag die Landesregierung auf, in genau diesen Punkten tätig zu werden.
Eine weitere Forderung betrifft die Investitionspauschale. Darin sehe ich nicht den Widerspruch, auf den Sie hingewiesen haben. Wenn nämlich die Zuschüsse, die der Bund der Bundesanstalt für Arbeit gibt, in die Kommunen umgelegt werden und die Kommunen dadurch investieren können, dann wird die regionale Wirtschaft und damit der erste Arbeitsmarkt der Kommunen gestärkt und es werden auch weniger Instrumente des zweiten Arbeitsmarktes nötig. Insofern sehe ich schon einen gewissen Ausgleich und nicht den von Ihnen in diesem Maß angedeuteten Widerspruch.
Den Antrag der PDS lehnen wir aus den bereits genannten Gründen ab. Er setzt zu stark auf eine Zementierung des zweiten Arbeitsmarktes. Wir wollen demgegenüber den Akzent deutlicher auf den ersten Arbeitsmarkt legen. Den SPD-Antrag lehnen wir ebenfalls ab, da er eine ähnliche Richtung verfolgt.
Noch ein Wort zur Regierungserklärung des Bundeskanzlers: Sich hinzustellen und zu sagen, an den Problemen, die die deutsche Wirtschaft hat, seien die Unternehmen zum größten Teil selbst schuld - -
(Frau Dr. Sitte, PDS: Das hat er nicht gesagt! Das muss ich einmal anfügen! - Unruhe bei der FDP und bei der CDU - Frau Fischer, Merseburg, CDU: Das hat er gesagt!)
(Herr Dr. Polte, SPD: Habt ihr das alles schon ge- lesen? - Gegenrufe von der CDU: Ja! - Herr Dr. Polte, SPD: Dann wart ihr heute nicht hier, wo ihr hingehört! - Frau Feußner, CDU: Das steht doch alles im Internet! - Herr Dr. Polte, SPD: Erzählen Sie mir doch nicht, das hätten Sie in der Mittagspause gelesen! - Unruhe)
In diesem Punkt weiß ich nicht, ob es Ignoranz oder Frechheit ist, angesichts hoher Steuern, Bürokratie, eines geknebelten und gefesselten Arbeitsmarkts den Un
Aus diesem Grund fordere ich Sie auf, dem Antrag der Fraktionen der FDP und der CDU zuzustimmen, der den klaren Schwerpunkt auf den ersten Arbeitsmarkt legt. - Danke.
Danke, Frau Abgeordnete Röder. - Bevor Frau Abgeordnete Dirlich noch einmal das Wort zur Erwiderung erhält, hat Herr Minister Rehberger um das Wort gebeten. Er hat auch noch einmal betont, dass er auf glühenden Kohlen sitze, und deshalb dafür geworben, dass die Beratung zur Spallationsneutronenquelle nach diesem Tagesordnungspunkt aufgerufen wird. Ich bitte darum, dass die Fraktionen das endgültig klären, weil uns der Herr Minister damit im Präsidium etwas stört. Andauernd kommen die mahnenden Worte.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihre Interpretation ist vielleicht etwas eigenwillig, aber natürlich immer zu respektieren, verehrte Frau Präsidentin. Ich würde mich nie trauen, Sie zu inkommodieren, ich würde allenfalls höfliche Bitten äußern.
Kommen wir aber zur Sache. Meine vier Vorrednerinnen haben die Situation der Bundesanstalt für Arbeit in einer sehr drastischen, aber zutreffenden Weise geschildert. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ein Kernproblem, mit dem wir es in der Arbeitsmarktpolitik im Jahr 2003 zu tun haben.
Das eigentliche Problem liegt allerdings nicht in der Bundesanstalt für Arbeit, sondern das eigentliche Problem ist die Wirtschafts- und Sozialpolitik, die in Berlin betrieben wird und die diese Folgen hat. Das muss man in aller Sachlichkeit feststellen.
Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat so, wenn das Geld weniger wird, dann stellt sich die Frage, was macht man mit dem verbleibenden Geld und wie verhält man sich. Ich bin der Meinung, dass der Bund aus guten Gründen nicht kurzerhand durch weitere Zuschüsse seine eigene Verschuldung nach oben treiben kann. Selbst wenn man davon ausgeht, dass wir auch im Jahr 2003 die Grenze von 3 % bei der Staatsverschuldung wieder überschreiten werden, kann es nicht so sein, dass der Bund kurzerhand immer wieder neue Schulden macht, weil das dazu führen würde, dass der Spielraum der Politik immer stärker eingeschränkt wird, weil man dann eben - wir sehen es im Land Sachsen-Anhalt - immer mehr von dem, was man noch zur Verfügung hat, für Zins und Tilgung ausgeben muss. Damit wird die eigentliche Politik weitgehend ausgeschaltet.
Ich meine, dass man es respektieren muss und dass es vom Ansatz her richtig ist, wenn die Bundesanstalt für Arbeit sich bemüht, mit den vorhandenen Mitteln über die Runden zu kommen. Man muss dabei allerdings auch sagen, dass es erstaunlich ist, dass die Bundesanstalt einen ganz großen Teil aus dem gesamten Hartz-Topf für die Personal-Service-Agenturen ausgibt. Ich glaube nicht, dass diese Weichenstellung richtig ist. Dies hat eben mit zur Folge, dass für andere Dinge noch weniger Geld zur Verfügung steht, als es ohnehin schon der Fall ist.
Zwei Punkte muss man in jedem Fall ganz kritisch ansprechen, wenn man die Zuteilung der Mittel an die Bundesanstalt für Arbeit für die einzelnen Aufgaben unter die Lupe nimmt.
Erstens bin ich der Meinung, dass es nicht der Qualifizierung der Arbeitslosen, der Arbeitskräfte dienen kann, wenn die Anforderungen, so wie jetzt vorgesehen, in dem Maße erhöht werden, dass nicht mehr 25 % der Arbeitslosen, die eine Qualifizierungsmaßnahme absolviert haben, sondern 70 % in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden müssen. Meine Damen und Herren! Das ist unrealistisch und wird dazu führen, dass man auf diesem Sektor fast nichts mehr zustande bringt. Das halte ich für sehr problematisch.
Zweitens ist folgender Punkt problematisch: Dass wir für ABM und SAM weniger Geld haben, wird man kaum ändern können. Wenn man aber jetzt den kommunalen Gebietskörperschaften, die ohnehin in einer dramatisch engen und schwierigen Finanzlage sind, noch sagt, ihr könnt solche Möglichkeiten nur in Anspruch nehmen, wenn ihr in Höhe von 25 oder 30 % kofinanziert, dann bedeutet dies, dass auch diese Angebote von vielen überhaupt nicht mehr in Anspruch genommen werden können.
Ich sage in aller Freimütigkeit, dass ich es besser fände, man würde die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und die Strukturanpassungsmaßnahmen mit 100 % finanzieren und hätte dann absolut weniger, als dass man einen Teil der notwendigen Mittel jetzt von den Kommunen erwartet und damit die kommunalen Gebietskörperschaften in vielen Fällen überhaupt nicht mehr zum Zuge kommen lässt, weil diese die Kofinanzierungsmittel nicht haben.
Meine Damen und Herren! Wenn der Bund zusätzliche Mittel bereitstellen sollte - sofern er das kann, was nach der heutigen Rede des Bundeskanzlers nicht zu erwarten ist -, dann, meine ich, ist es konsequent, diese für kommunale Investitionen sehr dringlichen Mittel den kommunalen Gebietskörperschaften unmittelbar und nicht über die Bundesanstalt für Arbeit zur Verfügung zu stellen.