- Er unterhält sich gerade. Ich warte, weil ich Sie ansprechen wollte. - Ich würde gern den Minister ansprechen, vielleicht können Sie später mit ihm reden.
Herr Minister, so ist das mit den Kleinen Anfragen. Man stellt sie und bekommt dann solche Antworten wie in der letzten Landtagssitzung.
Dieses Thema hatten wir bereits im Rahmen der Selbstbefassung auf die Tagesordnung des Ausschusses für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport gesetzt. Leider waren die Antworten des Kultusministeriums nicht gerade sehr erquicklich. Sicherlich war das der Punkt, an dem man meint, recht locker an die Sache herangehen zu können und keinen großen Aufwand betreiben zu müssen.
Weil die Beratung im Ausschuss unbefriedigend war, habe ich in der letzten Landtagssitzung eine Kleine Anfrage gestellt. Sie haben sinngemäß geantwortet, erstens ändert sich nichts und zweitens wäre es eine Unterstellung, dass die Richtlinie zu den Schulfahrten und der Einbruch bei den Übernachtungszahlen in den Schullandheimen, in den Jugendherbergen und Kiezen
Jetzt haben wir es mit einem Antrag zu tun. Es geht also immer stufenweise weiter. Ich dachte eigentlich, Sie hätten uns versprochen, einen anderen Stil zu pflegen. Ich hätte mir gewünscht, Sie würden auf uns zukommen und versuchen, einvernehmlich eine Regelung zu schaffen. Sie schaffen sich damit selber Probleme, die Sie im Vorfeld viel besser hätten regeln können.
Ich hätte zwar Verständnis dafür, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Ihres Hauses sozusagen in vorauseilendem Gehorsam oder im Vorgriff auf vermutete Ansprüche seitens der Lehrerschaft einen solchen Erlass - um den geht es letztlich - formuliert haben. Aber dass Sie die weitreichenden Folgen zu wenig beachtet haben, ist das eigentliche Dilemma. Jetzt gewinne ich den Eindruck, dass es frei nach Pontius Pilatus heißt, was ich geschrieben habe, bleibt geschrieben.
Warum, frage ich Sie, haben Sie bzw. Ihre Mitarbeiter nicht im Vorfeld mit den von dieser Regelung indirekt Mitbetroffenen geredet? Vielleicht wären Sie zu Regelungen gekommen, mit denen alle hätten leben können.
Fakt ist, der Rückgang der Übernachtungen in diesen Einrichtungen, die sich besonders auf Schulfahrten spezialisiert haben und deshalb auch erheblich vonseiten des Sozialministeriums gefördert wurden, also von Ihrem Kollegen auf der anderen Seite, hat nur zu einem geringen Teil mit den zurückgehenden Zahlen im Gastgewerbe zu tun. Sie können es wieder bestreiten, wie Sie es in der letzten Sitzung auch getan haben. Mittlerweile gibt es fast wöchentlich Artikel zu diesem Thema in der Zeitung. Heute habe ich wieder einen über das Kiez in Arendsee gelesen.
In den Statistiken wird ein genereller Rückgang um ca. 8 % im Gastgewerbe ausgewiesen. Dies wird von den Anbietern von Schulfahrten auch nicht infrage gestellt. Deshalb wird von diesen Anbietern seit Jahren nach neuen Konzepten gesucht. Zum Beispiel wird auf eine verstärkte Familienförderung mit speziellen Angeboten für diese Gruppe hingearbeitet. Die konkreten Zahlen belegen aber, dass der Rückgang der Übernachtungen zu mehr als 80 % auf diesen Erlass zurückzuführen ist.
Nun kann man sagen - das haben Sie auch getan -, was gehen eine Landesregierung die betriebswirtschaftlichen Belange von Jugendbildungshäusern, Kiezen und Jugendherbergen an. Es ist schließlich deren Problem, wie sie ihre Einrichtung führen. Ob die Einrichtungen, die jetzt in ihrer Existenz gefährdet sind, Investitionsförderungen aus Steuermitteln erhalten haben, ist uninteressant.
Ich denke, wer eine solche Einstellung vertritt - beispielsweise wäre es das Gleiche, wenn ein Wirtschaftsminister sagen würde, es interessiert mich nicht, ob die Betriebe wirtschaftlich geführt werden, das ist doch deren Angelegenheit -, dem kann man nur zu Recht sagen, dass er mit Steuermitteln nicht sachgerecht umgeht oder ein mangelndes politisches Bewusstsein hat. Eine solide und umfassende Politik ist das nicht.
Deshalb wollen wir von Ihnen wissen, welche Auswirkungen der Erlass auf die Anzahl der Schulfahrten und der Übernachtungen hat und welche negativen Synergieeffekte damit verbunden sind. Von den einzelnen Jugendbildungshäusern und von den Jugendherbergen sind uns Berechnungen und Zahlen vorgelegt worden,
die deutlich machen, dass es auch ein wirtschaftlicher Aspekt ist, was Jugendgruppen in die Region einbringen, wenn sie dort übernachten, einkaufen und ihr Taschengeld ausgeben. Diese Synergieeffekte sollten mit betrachtet werden.
Aber nicht nur die Jugendherbergen und Kieze schlagen Alarm, auch die Landesmarketinggesellschaft hat dem Wirtschaftsminister ihre Bedenken mitgeteilt. Ich hoffe, er hat es an Sie weitergereicht.
Sie hatten mir in der letzten Landtagssitzung vorgeworfen, ich würde auf die inhaltliche Bedeutung der Schulfahrten nicht eingehen und hätte somit einen eingeengten Blick. Es mag sein, dass ich als Brillenträger nicht so gut sehen kann wie Sie. Aber den pädagogisch wertvollen Ansatz, die sozialen Aspekte für Bildung und Gemeinschaft habe ich überhaupt nicht infrage gestellt. Daran übe ich auch keine Kritik. Weshalb sollte ich einen Bereich nachfragen, den ich gar nicht kritisiere? Im Gegenteil halte ich die Schulfahrten für so wichtig und wertvoll, dass ich aus diesem Grunde eine Verschlechterung ablehne.
Zum Schluss noch eine Bemerkung, die wesentlich ist. Damit hatte ich auch angefangen. Die Träger dieser Einrichtungen bemängeln vor allem, dass Sie bzw. die Mitarbeiter Ihres Hauses nicht im Vorfeld eines solchen Erlasses mit ihnen gesprochen haben, um gemeinsam einen Ausweg zu suchen. Im Gegenteil - so sagen sie - sind sie abgewiesen worden, zum Teil vom Staatssekretär genau mit den Worten, die Sie auch hier sagten: Es wird nichts geändert.
Vielleicht finden Sie doch einen Ansatz, um das Gespräch mit den Betroffenen aufzunehmen und eine gemeinsame Lösung zu finden. Ich meine, es sollte doch einem neuen Minister kein Zacken aus der Krone fallen - jetzt haben die Könige den Saal schon verlassen -, wenn er eine solche Kritik zum Anlass nimmt, mit den Betroffenen die Dinge neu zu bedenken und Korrekturen vorzunehmen. In Abstimmung mit dem Sozialminister, dem die Wirtschaftlichkeit dieser Häuser mit Sicherheit nicht egal sein kann, wäre dies ein Zeichen von bürgernaher Politik. - Vielen Dank.
Danke, Herr Abgeordneter Bischoff, für die Einbringung. - Als erster Redner hat für die Landesregierung der Kultusminister um das Wort gebeten. Bitte, Herr Olbertz.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bischoff, zu der gleichen Problematik habe ich in der Tat schon in der Landtagssitzung am 12. Juni 2003 im Rahmen der Fragestunde Stellung genommen. Mit dem nun vorgelegten Antrag versuchen Sie erneut, die Praxis der Schulfahrten insgesamt zur Diskussion zu stellen.
Tatsächlich gehen die eigentlich Betroffenen, das heißt die Schulen, mit den vorliegenden Regelungen völlig reibungslos und ohne nennenswerte Probleme um. Diese Richtlinien für Schulwanderungen und Schulfahrten orientieren gerade auf Ziele von Schulfahrten im Wesentlichen im Land Sachsen-Anhalt. Herr Bischoff, das ist übrigens ein neuer Effekt. - Ich habe Ihnen auch zugehört im Gegensatz zu dem, was Sie gerade machen.
Allein die stärkere Orientierung der Schulfahrten auf Ziele in Sachsen-Anhalt wird sich eher als ein Impuls für die in der Tat in einer schwierigen Lage befindlichen Unternehmen auswirken.
Der Erlass eröffnet den Schulen vielfältige Möglichkeiten der Schulfahrtengestaltung. Das schließt selbstverständlich auch den Aufenthalt in Schullandheimen und Jugendherbergen ein. Zudem bietet der Erlass mit den unter Punkt 7 genannten unterrichtsergänzenden Veranstaltungen an einem anderen Lernort, von denen die Schulen durchaus mehr Gebrauch machen könnten, den Schulen, Bezug nehmend auf ihr eigenes Profil oder auf aktuelle Problemlagen, viele Freiräume, zum Teil mehr Freiräume, als es vorher der Fall war.
Herr Bischoff, ein anderes Ziel bringt auf keinen Fall mehr Kinder. Das Land Sachsen-Anhalt hat zwar einen Verlust von 8 % im Gastgewerbe, aber wir haben in bestimmten Altersgruppen inzwischen 55 % weniger Schülerinnen und Schüler. Das ist das Hauptproblem und ursächlich für einen Teil des Einbruchs im Gaststätten- und Hotelgewerbe.
Erstens. Über die Vorstellungen, die seitens der Schulen bzw. der Lehrkräfte hinsichtlich möglicher Ziele und der inhaltlichen Orientierung von Schulfahrten und Wanderungen entwickelt werden, ist weder jemals eine Statistik geführt worden, noch scheinen solche Vorstellungen - bei denen es sich immer nur um Planungsüberlegungen handelt - überhaupt erfassbar zu sein.
Zweitens. Die Ermittlung der mit den Spiegelstrichen 2 und 3 geforderten Daten ist nicht nur außerordentlich problematisch, sondern in der Praxis für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kaum zumutbar. Zu den Zielorten von Schulfahrten und Schulwanderungen sowie den dabei gleichfalls zu berücksichtigenden unterrichtsergänzenden Veranstaltungen wird von den Schulbehörden keine Statistik geführt, schon gar nicht über die durchschnittliche Dauer der Fahrten oder eine Gliederung der Ziele nach Regionen.
Auf Schulleitungsebene könnten - auch das nur mit unvertretbarem Aufwand - an weit mehr als 1 000 Schulen allenfalls beantragte und genehmigte mehrtägige Schulfahrten analytisch erhoben werden. Inwieweit die Aktenlage im Einzelfall zurückreicht und präzise Aussagen zulässt, vermag ich nicht zu sagen.
Alle Schulfahrten und insbesondere die Schulwanderungen zu erheben, würde bedeuten, dass alle, auch in der Vergangenheit, klassenleitenden Kräfte die Klassenbücher aller Klassen der angesprochenen drei Schuljahre durchforsten müssten, ohne dass dadurch sichergestellt wäre, die verlangten Daten auch nur annähernd in dem gewünschten Umfang und in der erforderlichen Tiefe zu erhalten.
Im Schuljahr 2002/2003 sind es immerhin fast 17 800 Klassen allein an den öffentlichen Schulen gewesen, deren Fahrten oder Nichtfahrten durch die Lehrkräfte dargestellt, durch die Schulleitungen zusammengefasst und seitens der staatlichen Schulämter aufbereitet werden müssen. Das ist auch bei einem großzügig bemessenen Bearbeitungszeitraum überhaupt nicht leistbar, insbesondere wenn ich an andere wirklich wichtige pädago
gische, schulorganisatorische und schulaufsichtliche Arbeiten denke, die die Schulen derzeit leisten müssen.
In den vorherigen Schuljahren, die zum Vergleich herangezogen werden sollen, ist zum einen die Klassenzahl noch deutlich größer gewesen, zum anderen steht die Bearbeitung aufgrund von Lehrkräftewechseln, Schulumgruppierungen und anderem mehr sowie der wahrscheinlich sehr unterschiedlichen Genauigkeit der Klassenbuchaufzeichnungen grundsätzlich infrage.
Drittens. Der unter Spiegelstrich 4 angeforderte Ländervergleich ist zwar im Prinzip unproblematisch, zum Teil könnte sogar auf vorhandenes Material zurückgegriffen werden. Im Ergebnis würde der Vergleich die Situation bei den Schulfahrten jedoch nicht verändern.
Im Hinblick auf die Perspektive der Reisekosten und deren Verfügbarkeit - das war der ursprüngliche Anlass der Änderung - ist durch die Landesregierung eine Situation geschaffen worden, die der Ausgangslage inzwischen schon wieder vergleichbar ist, das heißt der Lage, die vor dem so genannten Bremer Urteil vorlag, und zwar zum einen, wie Sie wissen, durch das Artikelgesetz, in das auch das Beamtengesetz fiel, wonach die Lehrerinnen und Lehrer durchaus ihren Verzicht auf die Erstattung von Reisekosten erklären können, und zum anderen sogar zusätzlich, Herr Bischoff, - was vorher nicht der Fall war - durch die erweiterte Deckungsfähigkeit der Mittel für die Schulen, von denen jetzt noch mehr Mittel - theoretisch jedenfalls - auf Schulfahrten verwandt werden könnten. Vorher waren diese Mittel nicht deckungsfähig.
Diese drei Punkte, also Lockerung der Situation nach dem Bremer Urteil, erweiterte Deckungsfähigkeit der Mittel für die Schulen und Bindung der Schulfahrten bis zum Jahrgang 10 an die nähere Region, haben letztlich das Problem, vor dem die Schullandheime und die Jugendherbergen stehen, nicht lösen können. Sie haben es wahrscheinlich wesentlich abgefedert. Das ist eher meine Vermutung.
Konstant geblieben sind in dem neuen Erlass und in den Ausführungen, was man eventuell machen könnte, die pädagogischen und schulfachlichen Motive des neuen Erlasses, über die merkwürdigerweise kaum jemand spricht. Das müsste eigentlich im Mittelpunkt unseres Interesses für einen Schulfahrtenerlass stehen.
Deshalb soll es trotz der gelockerten Handhabung der Reisekostenproblematik bei dem Erlass in seiner jetzigen Form bleiben, weil er vor allem die pädagogischen Ziele für Schulfahrten wesentlich klarer definiert und die unterrichtsergänzenden Veranstaltungen stärkt, über die zusätzliche Schulfahrten möglich sind.
Diese Veranstaltungen sichern vor allem, dass Schulfahrten nicht ausschließlich Vergnügungsschulfahrten sind, wie zum Beispiel zum Heidepark Soltau, sondern dass sie mit einem pädagogischen Ziel, einer Idee, einer Vorstellung oder vielleicht auch einer Aufgabe, die die Schülerinnen und Schüler auf der Fahrt erfüllen sollen, verbunden werden.
Die Aufforderung, das Gespräch mit wichtigen Anbietern von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Durchführung von Schulfahrten und Schulwanderungen zu führen, ist insofern überflüssig, als wir seit Inkraftsetzung des Erlasses durch das Kultusministerium mit den Vertreterinnen und Vertretern der Schullandheime und des
Jugendherbergswerks zahlreiche Gespräche geführt haben. Vielleicht haben sie Ihnen das nicht erzählt. Dabei wurden auch verschiedene Varianten einer denkbaren Unterstützung beraten und eine Menge guter Hinweise gegeben.
So wurde unter anderem die Anregung aufgegriffen, über Aktivitäten der Schullandheime und Jugendherbergen im Land Sachsen-Anhalt im Schulverwaltungsblatt zu informieren. Nach Berücksichtigung eines entsprechenden Verweises im Begleitaufsatz zur Frage der Schulwanderungen und Schulfahrten bereits im Schulverwaltungsblatt vom November 2002 erscheint nun ein erster ausführlicher Beitrag im nichtamtlichen Teil des Schulverwaltungsblatts - das übrigens bereits im Juli 2003, also jetzt.
Meine Damen und Herren! Gewiss stehen Jugendherbergen und Schullandheime in Konkurrenz zu anderen Anbietern von Schulfahrten und befinden sich aufgrund der demografischen Entwicklung, aber auch aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage wie die Tourismuswirtschaft insgesamt in einer durchaus schwierigen Situation. Wettbewerbsverzerrende oder in irgendeiner Weise begünstigende Eingriffe allein mit diesem Motiv in das Angebot der unterschiedlichen Träger sind dem Kultusministerium untersagt.
Außerdem muss ich an dieser Stelle deutlich darauf hinweisen, dass die Hauptaufgabe der Schule nicht darin liegt, Jugendherbergen, Schullandheime oder überhaupt den Fremdenverkehr auszulasten, zumal wir die wirtschaftliche Situation der Eltern in Betracht ziehen müssen.
Die Situation der Eltern ist von Ihnen überhaupt nicht genannt worden. Ich weiß aus der Klasse meiner Kinder, wie groß das Problem ist, die Beiträge für eine Schulfahrt von den Eltern zu bekommen. Die Eltern sind diejenigen, die stöhnen, wenn Schulfahrten in größerem Umfang bzw. in eine größere Entfernung gemacht werden, die die wirtschaftliche Lage der Eltern nicht hinreichend berücksichtigt.
Herr Bischoff, ich wollte damit nur sagen, dass die Phänomene, die zur Schwächung der wirtschaftlichen Situation der Schullandheime geführt haben, sehr komplex sind und keineswegs in der Suggestion, die Sie verbreiten, liegen, nämlich dass es in einem unmittelbaren Kausalzusammenhang mit dem Schulfahrtenerlass stehe. Das ist eine zeitliche Übereinstimmung, weil die demografische Situation gerade jetzt einbricht und die wirtschaftliche Situation ausgesprochen schlecht ist.
Die drei wichtigen Maßnahmen, die im neuen Schulfahrtenerlass stehen, die die Schullandheime eigentlich befördern, haben das Problem sicherlich abgeschwächt, aber auf keinen Fall verursacht. Wir wären mit dem alten Erlass inzwischen wahrscheinlich in einer noch schwierigeren Lage, als wir es mit dem neuen Erlass sind.