Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch in den Fällen, in denen eine Zuordnung erforderlich werden wird, sollen die Ergebnisse der zahlreichen Gespräche mit Landräten, VG-Leitern, Bürgermeistern, Gemeinderäten und Bürgern Grundlage der Entscheidung des Innenministeriums sein. Eine maßvolle Fortentwicklung und Stärkung der Verwaltungsgemeinschaften unter Wahrung des Selbstverwaltungsrechts der Mitgliedsgemeinden dient sowohl dem Ziel der Beibehaltung vielfältiger gemeindlicher Strukturen als auch der Optimierung der Verwaltungskraft der bürgernächsten Verwaltungsebene.
Bis zum 31. Dezember 2004 wollen wir dieses Ziel erreicht haben. Ich bin davon überzeugt, dass sich der vor uns liegende Kraftakt auszahlen wird. Ich bitte Sie deshalb um Ihre Zustimmung. - Herzlichen Dank.
Herr Minister, ich habe eine Frage zum Verständnis. Die Landesregierung ist angetreten mit dem Grundsatz der Freiwilligkeit. Erst im Anschluss an diese Phase sollte eine Zuordnung erfolgen. Sie haben das eben bestätigt. Mein Kollege und Ihr Vorgänger Dr. Püchel hat bei seiner Reform auch diese beiden Phasen eingeräumt. Wir hatten eine Phase der Freiwilligkeit von ungefähr zweieinhalb Jahren vorgesehen. Sie ermöglichen den Kommunen nach der Verabschiedung und der Veröffentlichung des Gesetzes eine freiwillige Phase von immerhin vier Monaten.
Ist es gerechtfertigt, mit dem großen Anspruch der Freiwilligkeit in diesen Prozess zu gehen, wenn Sie diese Phase auf vier Monate beschränken und dann doch die Zuordnung vornehmen? Werden Sie damit Ihrem Anspruch gerecht, Herr Minister?
Herr Kollege Reck, wir werden unserem Anspruch damit gerecht, weil wir eine andere Zielvorstellung und eine andere Forderung auch in der Phase der Freiwilligkeit haben. Unter dem Kollegen Püchel durften es sich die Gemeinden freiwillig überlegen, wo sie eingemeindet werden, weil alle Gemeinden mit weniger als 1 000 Einwohnern vor dem Ende standen. Das ist ein ganz anderer Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, als wir ihn vornehmen.
Wir haben eine Freiwilligkeitsphase, in der sich selbständige Gemeinden entscheiden, mit welchen Partnern sie zukünftig ihre Verwaltungsarbeit erledigen wollen, und stellen nicht die Frage nach der kommunalen Selbständigkeit. Das ist ein ganz anderer Hintergrund. Deshalb sind die Fristen auch ausreichend.
Schönen Dank, Herr Minister. Eine Frage: Sie haben noch vor wenigen Monaten das Hohelied der reinen Freiwilligkeit gesungen, keinerlei Zwang mehr. Eben haben Sie selbst zugegeben, dass die Zuordnung einen Zwang darstellt. Woher kommt der Sinneswandel?
Herr Kollege Püchel, damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir wollen keinerlei Zwang im Hinblick auf die Frage, ob eine Gemeinde selbständig bleiben kann im Sinne des kommunalen Selbstverwaltungsrechts. Es geht nicht um die Frage der ausschließlichen Freiwilligkeit bei der Bildung von Verwaltungsstrukturen. Das ist ein himmelweiter Unterschied. Das ist eine Diskussion, die wir jahrelang gehabt haben. Dabei gibt es unterschiedliche Meinungen; die sind scheinbar immer noch vorhanden.
Danke, Herr Innenminister. - Für die FDP-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Wolpert zu Ihnen sprechen. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Das nunmehr zur zweiten Lesung vorliegende Gesetz zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit stellt einen wichtigen Baustein im gesamten Konzept zur Reformierung der Verwaltung im Land Sachsen-Anhalt dar.
Die FDP-Fraktion ist zusammen mit der Fraktion der CDU von Anfang an davon ausgegangen, dass zur Neuregelung der Verwaltung in unserem Land ein Gedankengerüst zugrunde gelegt werden muss, das in sich logisch aufgebaut ist. Dem folgend war die Prämisse festgelegt worden, dass bei allen neu zu bildenden Strukturen zunächst eine Aufgabenkritik durchgeführt werden muss.
Ein weiteres Kriterium war, dass insbesondere Eingriffe in kommunale Gebietskörperschaftsgrenzen möglichst auf freiwilliger Basis zu erfolgen haben.
- Herr Dr. Püchel, ich kenne Ihre Verweigerungshaltung dahin gehend, dass Sie nicht akzeptieren wollen, dass es einen Unterschied zwischen einer kommunalen Selbstverantwortung und einer kommunalen Verwaltungseinheit gibt.
Das ist der wesentliche Unterschied. Wenn man das nicht begreifen will, dann kommt man immer zu dem Schluss, dass man doch Zwang anwendet.
- Meine Reden aus dem letzten Jahr können Sie getrost zitieren. Davor habe ich keine Angst, weil es keinen Unterschied zu heute gibt. Nur Sie finden ihn - sagte der Geisterfahrer auf der Autobahn.
Diesem Grundsatz entspricht der nunmehr vorliegende Gesetzentwurf. Ausgehend von den zunächst genannten Prämissen waren die Vorschaltgesetze der Vorgängerregierung abzuschaffen und mit dem Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz erst einmal der Grundstock für die Verwaltungsreform im Land Sachsen-Anhalt zu legen.
Die im Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz auch vorgeschriebene Aufgabenkritik setzt zunächst voraus, dass diejenigen Aufgaben erfasst werden, welche durch den Staat überhaupt erledigt werden sollen, und welche davon kommunalisiert, privatisiert oder in die eigene Landesverwaltung übernommen werden könnten. In der Folge stellte sich auf der Grundlage der Vorarbeiten auch der Vorgängerregierung in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden bald heraus, welche Aufgaben für die Übertragung auf die gemeindliche Ebene geeignet sind.
Die nunmehr auf die gemeindliche Ebene zu übertragenden Aufgaben ergeben sich aus Artikel 3 des vorliegenden Gesetzentwurfes und entsprechen alle der Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden. Dabei ist uns auch klar, dass nicht alle Aufgaben, die ursprünglich einmal in der Diskussion waren, übertragen worden sind.
Betrachtet man zum Beispiel die Übertragung der KfzZulassungsstelle, so dürfte unschwer erkennbar sein, dass eine solche Verwaltungstätigkeit ohne Weiteres auf der gemeindlichen Ebene zu bewältigen wäre.
Tatsächlich allerdings war die Koalition bei der Definition der Aufgaben auf der gemeindlichen Ebene von zwei Grundsätzen ausgegangen, nämlich von der Effektivität und von der Subsidiarität. Würde man die Aufgaben der Kfz-Zulassungsstelle auf die gemeindliche Ebene verlagern, so wäre das verwaltungstechnisch kein Problem. Aber jeder weiß, dass die Nummernschilder gedruckt werden müssen. Wer eine solche Maschine zum Stanzen der Nummernschilder anschafft, benötigt eine relativ hohe Frequenz. Sie werden keinen Unternehmer finden,
der in einer Verwaltungsgemeinschaft eine solche Maschine aufstellt, weil sie sich dort nicht rentiert.
Die Konsequenz wäre, der Bürger bekäme zwar die Zulassung für sein neues Fahrzeug in seiner Gemeinde, müsste aber in die nächste Kreisstadt fahren, um sich das Schild zu holen. Wenn man das berücksichtigt, ist es unsinnig, diese Aufgabe auf die Gemeinden herunterzubrechen. Bei allem Wunschdenken hinsichtlich der Subsidiarität erreichen Sie die erforderliche Effektivität nicht.
In den Beratungen in den Ausschüssen ergab sich, dass es sinnvoll ist, Teile der Aufgaben der unteren Straßenbehörde ebenfalls auf die gemeindliche Ebene zu übertragen. Wir kennen alle die Praxis. Die Bürgermeister, die klug waren, haben sich bisher damit beholfen, dass sie eine Gefährdungslage definierten und dann selbst die Straßen gesperrt haben. Letztlich vollziehen wir gesetzlich nur das nach, was schon längst Praxis ist. Vor Ort weiß man das und kann selbst verantwortungsvoll Straßen teilweise oder ganz sperren.
Die vermeintlichen Synergieeffekte durch die Übertragung der Aufgaben von unten nach oben werden durch dieses Gesetz nicht in dem Maße erreicht, wie es unter Umständen aus Effektivitätsgründen richtig erscheint. Sie alle kennen die Diskussion über die verfassungsrechtlichen Probleme, wenn man Kernaufgaben aus der kommunalen Selbstverwaltung ohne entsprechende demokratische Legitimierung auf die Verwaltungsgemeinschaftsebene heben will.
Dies war wohl auch schon der Vorgängerregierung bekannt. Deshalb haben Sie das Modell der Verbandsgemeinde erfunden, das letztlich dem verfassungsrechtlichen Gedanken Folge leistet. Sie kommen aber trotzdem nicht auf eine Effektivität in der Verwaltung, weil Sie zu viele Verwaltungsebenen schaffen.
Sie werden auch etwas anderes nicht schaffen. Sie werden nicht genügend Bürger finden, die bereit sind, ehrenamtlich in den vielen Räten, die Sie mit dem Gebilde schaffen wollen, Verantwortung zu tragen, weil sie letztlich kaum Verantwortung zu tragen haben. Was hat ein Ortschaftsratsmitglied noch zu sagen, wenn man schon einen Gemeinderat und einen Verbandsgemeinderat hat?
Mit dem nunmehr vorliegenden Gesetzentwurf wird die Möglichkeit eröffnet, Aufgaben auf freiwilliger Basis auf die Ebene der Verwaltungsgemeinschaft hinauf zu übertragen, wobei es hierfür - im Gegensatz zu der bisherigen Rechtslage - der Einstimmigkeit der beteiligten Kommunen innerhalb der Verwaltungsgemeinschaft nicht mehr bedarf. Die insofern eingetretene Liberalisierung entspricht auch meiner politischen Überzeugung.
Neben den zu übertragenden Aufgaben hat sich nunmehr auf der Grundlage der Erfahrungen und Erkenntnisse die Größe der Struktur herauskristallisiert, sodass für die Einheitsgemeinden eine Mindestgröße von 8 000 Einwohnern und für die Verwaltungsgemeinschaften eine Mindestgröße von 10 000 Einwohnern festgelegt worden ist.
Diese Größenordnung entspricht nicht nur der Notwendigkeit der effektiven Wahrnehmung der den Verwaltungsgemeinschaften obliegenden Aufgaben; sie stellt
darüber hinaus eine zukunftssichere Struktur dar, insbesondere auch im Hinblick auf die demografische Entwicklung, die demnächst angezeigt ist.
Die Tatsache, dass grundsätzlich die Einheitsgemeinde die verwaltungstechnisch günstigere Lösung ist und deshalb auch politisch zu bevorzugen ist, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Möglichkeit zur Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft erhalten bleiben muss. Die Befindlichkeiten innerhalb der Bevölkerung wie die Heimatverbundenheit und das Bedürfnis der Identitätswahrung, die die eigene Gemeinde betreffen, hatten nach der Überzeugung der Koalitionäre den Vorrang vor einer rein verwaltungstechnischen Begründung.
Gleichwohl ist mit dem Größenunterschied dem Umstand Rechnung getragen worden, dass der verwaltungstechnische Aufwand bei einer Einheitsgemeinde grundsätzlich als geringer einzuschätzen ist als der innerhalb einer Verwaltungsgemeinschaft. Die Bildung von neuen Verwaltungsstrukturen über die Kreisgrenzen hinweg soll ebenfalls, zumindest bei der Bildung einer Einheitsgemeinde, grundsätzlich anders bewertet und bevorzugt werden.
Letztlich ist festzuhalten, dass von den 183 Verwaltungsgemeinschaften in unserem Land ca. 140 von der Reform betroffen sind und gezwungen sind, darüber nachzudenken, in welchen Strukturen sie sich wiederfinden wollen. Der erwartete Effekt wird die Reduzierung der Anzahl der Verwaltungsämter sein und damit mittelfristig zu einer Reduzierung der Kosten und zu einer Entlastung der öffentlichen Haushalte auf gemeindlicher Ebene führen.
Die so vorgesehene Bildung von neuen Strukturen wird in unserem Land nicht völlig frei von Ausnahmen vonstatten gehen können. Bei der Definition von Ausnahmen ist zugrunde gelegt worden, dass eine Ausnahme nur dann zulässig ist, wenn die Bevölkerungsdichte gemessen an dem Umfeld, in dem das neue Verwaltungsgebilde zu schaffen sein wird, erheblich unterdurchschnittlich ist.
Darüber hinaus müssen noch zwei weitere Kriterien erfüllt sein. Zum Ersten darf eine andere sinnvolle Zuordnung nicht möglich sein. Zum Zweiten muss der dauerhafte Bestand der Verwaltungseinheit für die Zukunft festgestellt worden sein. Zur Begrenzung dieser Ausnahme ist eine absolute Mindestzahl von 5 000 Einwohnern eingezogen worden. Ein sinnvolles zukunftsgerichtetes Verwaltungsgebilde unterhalb dieser Grenze ist nach unserer Auffassung nicht mit der gewünschten Effektivität vereinbar.
Der für die Durchführung dieses Gesetzes vorgegebene Zeitplan erscheint mit der Beendigung der Schaffung der Strukturen bis zum 31. Dezember 2004 relativ straff. Das ist allerdings deshalb möglich, weil die notwendigen Diskussionen aufgrund der Vorschaltgesetze bereits seit mehreren Jahren laufen und die Argumente im Wesentlichen gefunden und ausgetauscht sind. Die letztendliche Abstimmung wird deshalb innerhalb kürzester Zeit möglich sein.