Die Verbleibsquote von 70 % im Zusammenhang mit dem Instrument der Bildungsgutscheine ist bedenklich. Wir als SPD-Fraktion fordern Abstriche in beschäftigungsschwachen Regionen.
Das „Aktiv zur Rente“-Programm war ein Erfolgsprogramm in Sachsen-Anhalt. Dem damaligen Ministerpräsidenten Dr. Reinhard Höppner ist es gelungen, Bundesmittel in Höhe von mehr als 100 Millionen DM für das Land Sachsen-Anhalt locker zu machen. Anstatt im neuen Haushalt im Bereich Arbeitsmarktpolitik zu sparen, wäre es vielleicht gut gewesen, ein ebensolches Programm aufzulegen oder Geld für „ABM neu“ bereitzustellen. Wir wissen, dass die Kommunen und die freien Träger nicht in der Lage sind mitzufinanzieren.
Im Hartz-IV-Gesetz ist festgeschrieben, dass ältere Arbeitslose, bevor sie das Arbeitslosengeld II, die Grundsicherung für Arbeitsuchende, erhalten, eine weitere Maßnahme bekommen sollen. Auch dafür sollte die Landesregierung Finanzmittel bereithalten. Wir werden entsprechende Anträge im Ausschuss stellen. - Danke schön.
Danke, Frau Abgeordnete Fischer. - Bevor ich die Abgeordnete Frau Marion Fischer für die CDU-Fraktion aufrufe, habe ich zwei Anmerkungen. Zum Ersten haben heute wiederholt Handys im Plenarsaal geklingelt. Ich mache auf § 16 Abs. 4 der Hausordnung aufmerksam, wonach die Handybenutzung im Plenarsaal verboten ist. Mit anderen Worten: Hier darf im Moment nur ich läuten.
Zum Zweiten haben heute bis auf eine Ausnahme alle Rednerinnen und Redner ihre Redezeit - wenn auch nur
Ich bitte Sie zu versuchen, die Redezeit einzuhalten. Danke sehr. - Frau Marion Fischer, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Deutschland, ein Land, dessen Wirtschaft einst zu Spitzenleistungen fähig war und noch heute fähig wäre, ist im jüngsten internationalen Vergleich nicht mehr unter den Topten der größten Volkswirtschaften zu finden. Wir finden dort Länder wie Finnland und die Schweiz.
Die wirtschaftlichen Freiheiten sind in Deutschland geringer als in anderen Ländern. Die Lohnzusatzkosten und damit die Lohnstückkosten sind zu hoch. Die arbeitsrechtlichen Verkrustungen sind nicht gelöst. Die Steuergesetzgebung ist stranguliert und bremst die Investitionen. Die Folge ist eine Standortverlagerung ins Ausland.
Wir nähern uns der Fünfmillionenmarke in der Arbeitslosigkeit - so das Herbstgutachten der sechs Wirtschaftsweisen, das gestern in Gänze vorgestellt worden ist. Das Wirtschaftswachstum stagniert weiterhin bei Null.
Unser aller Kanzler, meine sehr verehrten Damen und Herren, weint. Er weint aber nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, wegen der Krisensituation in Deutschland, sondern er weint über einen Film, der die Geschichte des deutschen Fußballs aufarbeitet und der doch die Seele so berührt.
Ich glaube, ich muss nicht sagen, um welchen Film es sich handelt. Ihn sollten die fast fünf Millionen Arbeitslosen mehr berühren.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der PDS-Fraktion, haben das Thema wieder einmal besetzt. Auf den ersten Blick glaubt man, es sei ein Thema, das die Nation zu Zeiten der größten Beschäftigungskrise in der Geschichte Deutschlands berührt - aber weit gefehlt.
Meine Kritik beginnt bereits bei der gewählten, irreführenden Überschrift. Sie erfragen im Wesentlichen nur das Funktionieren des geförderten, sprich des zweiten Arbeitsmarktes, der bei weitem nicht die Arbeitsmarktpolitik des Landes Sachsen-Anhalt ausmacht.
Darüber hinaus setzen Sie einen weiteren Schwerpunkt in der Geschlechtsspezifik des Arbeitsmarktes. Etwa ein Drittel Ihrer Fragen an die Landesregierung endet mit der Aufforderung: Bitte Männer und Frauen getrennt aufführen.
Mehr als 30 der 50 Seiten zeigen einen Wust von Datenmaterial, von Statistiken und Tabellen auf, fein säuberlich geschlechtsspezifisch getrennt, die Sie im Zeitalter moderner Kommunikationstechnik einfacher und schneller über statistische Landes- und Bundesämter bzw. via Internet hätten erfragen können.
Ein Teil der Fragen fiel gar nicht in den Zuständigkeitsbereich der Landesregierung. Auch das, denke ich, sollte man nach langjähriger Abgeordnetentätigkeit einschätzen können.
Nun könnte man bei wohlwollender Betrachtung dieser Großen Anfrage meinen, die Landesregierung hätte nicht genug Kraft oder Intellekt in die Beantwortung der Fragen gesteckt. Aber nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fragestellungen ließen gar keine andere Beantwortung zu.
Sie haben Bataillone im Verwaltungsapparat beschäftigt und glauben sich nun in die Lage versetzt, Schlussfolgerungen für die Entwicklung der Arbeitsmarktpolitik des Landes Sachsen-Anhalt ziehen zu können. Dazu bedurfte es aus unserer Sicht nicht dieser Großen Anfrage.
Vielmehr bedarf es einer gemeinsamen Kraftanstrengung aller Bundesländer unter Beachtung der spezifischen Problematik des ostdeutschen Arbeitsmarktes und keiner statischen Einzelmaßnahmen. Unser Ziel muss es bleiben, zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum zurückkehren, ansonsten laufen alle Reformen - nicht nur die auf dem Arbeitsmarkt - ins Leere.
Lassen Sie mich nun auf ein paar fachliche Punkte der Großen Anfrage eingehen. Es geht im Wesentlichen auch um die Versuche der Umsetzung des Hartz-Konzeptes, vorgegeben durch die Bundesregierung.
Die Umwandlung der Bundesanstalt für Arbeit zu einer Bundesagentur, verbunden mit der Änderung von mehr als 200 Rechtsvorschriften, verbessert weder die Vermittlung, noch erweitert sie den Markt für neue Arbeitsplätze.
Familienfreundliche Quick-Vermittlung war seinerzeit ein großes Schlagwort. Durch eine Reihe von Maßnahmen, wie Entbürokratisierung, mehr Eigenverantwortung der Fachkräfte, Reduzierung der Betreuungsquote, Nutzung der Personalserviceagenturen usw., sollten die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ein Gesicht bekommen und die Vermittlung beschleunigt werden. Es war von 300 000 Jobs die Rede. Ich darf an dieser Stelle sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Auch aus diesen Quickies ist nichts geworden.
(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Hauser, FDP - Herr Dr. Püchel, SPD: Erklären Sie das doch mal!)
Nach Aussage von Bundeswirtschaftsminister Clement gibt es nunmehr etwa 870 PSA. An diese Sache gehen Sie so brav heran. Diese 870 PSA haben bisher etwa 900 Arbeitslose vermittelt, das heißt, jede Agentur einen. - Wahrlich ein Erfolg, meine Damen und Herren.
An dieser „Erfolgsleiter“ könnte ich mich nun weiterhangeln: „Kapital für Arbeit“ ist hier bereits genannt worden; 50 000 Arbeitsplätze - 9 000 haben wir bekommen. Es ist sicherlich falsch, an dieser Stelle mit Häme zu reagieren; doch daran wird das Problem deutlich. Es zeigt auch, wie wichtig es ist, dass wir gemeinsam parteiideologieübergreifend konstruktiv nachdenken.
Eines der wichtigsten zu lösenden Probleme ist die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Hierüber haben wir heute auch schon einiges gehört. Die Schwerpunkte sind klar; das Gesetzgebungsverfahren läuft. Ich denke, ich muss hierzu nichts mehr sagen. Wir
werden uns in diesem Bereich auf einen Kompromiss einigen müssen, aber wir als neue Bundesländer werden darauf achten, dass dieser Kompromiss auch für uns Arbeitsplätze bringt.
Nun sollte man uns an dieser Stelle nicht vorwerfen, wir hätten keine Alternativen. Es liegen geschlossene Konzepte im Vermittlungsausschuss vor, mit deren Unterschieden wir uns auseinander setzen müssen, und zwar erst einmal auf den Ebenen Bundestag und Bundesrat.
Lassen Sie mich noch zwei, drei Dinge sagen, bei denen wir sicherlich noch ziemlich weit auseinander liegen bzw. über die wir besonders ausgiebig reden müssen.
Frau Dirlich sprach über die so genannte zumutbare Arbeit. Ich denke, dass ist ein Thema, das wir noch einmal werden aufgreifen müssen; denn hierzu gehört das Thema Niedriglohnbereich und das große Thema Einführung von Mindestlohn.
Ich halte es für falsch, dass wir als Staat oder als großer Tarifvertragspartner in der Wirtschaft immer bestimmen wollen, zu welchem Preis Arbeit verkauft wird.
Arbeit muss zu dem Preis angeboten werden, zu dem sie auf dem Markt nachgefragt wird. Das ist nicht neu. Das ist heute Realität und war eigentlich schon immer Realität. Es ist auch nicht unsozial oder sittenwidrig, wenn man danach handelt. Für mich ist es unsozial, einem Normalverdiener die Hälfte seines Gehalts wieder aus der Tasche zu nehmen, weil es die Abgabenpolitik, die Steuerpolitik der Bundesregierung so fordert.
Wer dann so wenig verdient, dass er seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann, der hat - der Ansicht sind auch wir - Anspruch auf die Hilfe der Gesellschaft.
Zu dem Bereich Kündigungsschutz will ich nur einige Stichworte nennen; denn die Redezeit läuft. In diesem Zusammenhang werden wir über Folgendes reden müssen: Wann soll dieses Gesetz greifen, ab welcher Beschäftigtenzahl? Welche Optionen gibt es im Kündigungsfall? Wie gehen wir mit Existenzgründern um? Sie erinnern sich, dass wir darüber nachdenken, bei Existenzgründungen eventuell den Kündigungsschutz für die ersten Jahre auszusetzen. Welche Veränderungen gibt es bei den Kriterien für die Sozialauswahl? Geben wir den Unternehmen damit die Möglichkeit, auch einmal Leistungsträger zu behalten, wenn sie über eine Sozialauswahl nachdenken müssen? All diese Dinge sind wichtig.
Ein weiterer Punkt ist für mich sehr wichtig, den man unter das große Thema Erwerbsleben in Deutschland fassen kann. Das Erwerbsleben in Deutschland können wir auf einen ganz einfachen Nenner bringen: zu spät rein und zu früh raus.
SPD und Gewerkschaften laufen oftmals noch der Idee hinterher, durch kürzere Arbeitszeiten Deutschland aus der Krise zu ziehen. Das ist unlogisch und das klappt nicht, meine Damen und Herren.
In diesem Zusammenhang werden wir darüber reden müssen, Wochen- und Jahresarbeitszeiten neu zu gestalten. Wir werden uns fragen lassen müssen, warum kein vergleichbares Land so viele Urlaubs- und Feier
tage bezahlt wie Deutschland. Wir werden über schulische, berufliche und akademische Ausbildungszeiten reden müssen.