Herr Böhmer, ich kann Sie im Interesse des Landes Sachsen-Anhalt nur auffordern: Helfen Sie im Vermitt
lungsausschuss mit, den Weg für den Aufschwung in Deutschland frei zu machen. Setzen Sie einen Wachstumsimpuls. Stimmen Sie dem Vorziehen der Steuerreform zu. Die Appelle aus der Wirtschaft, Ihre Blockadehaltung endlich aufzugeben, können auch Sie auf Dauer nicht ignorieren. Ihre parteipolitisch bestimmte Haltung schadet nicht zuletzt den Interessen des Landes Sachsen-Anhalt.
Wir sind wie kaum ein anderes Bundesland auf die Solidarität des Bundes und der anderen Länder angewiesen. Wenn etwas verteilt werden soll, muss es vorher auch erwirtschaftet werden. Damit im Ergebnis auch in Sachsen-Anhalt wieder mehr verteilt werden kann, brauchen wir den Aufschwung in ganz Deutschland. Was gut ist für Deutschland insgesamt, ist auch gut für SachsenAnhalt.
Herr Böhmer, lassen Sie mich noch auf etwas anderes hinweisen. Sie und einige andere Delegierte aus Sachsen-Anhalt waren vor anderthalb Wochen auf dem Bundesparteitag der CDU in Leipzig. Dieser Parteitag war insofern bemerkenswert, als jetzt klar geworden ist, wohin die CDU wirklich will. Und wohin will die CDU?
Eines steht für mich ganz klar fest: Sie hat sich in Leipzig für den Abbau des Sozialstaates entschieden und sich von der solidarischen, paritätischen Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme verabschiedet.
Meine Damen und Herren! Während Sie jetzt so grölen - ich sage einmal „grölen“, weil ich vorhin das Wort „nörgeln“ hörte -,
sage ich Ihnen: Ich habe einen guten Kronzeugen: Herrn Seehofer. Ich habe eine interessante Debatte mit Herrn Seehofer im Fernsehen gesehen. Wenn er hier stünde, würde er Ihnen das Gleiche sagen.
- Aber Herr Seehofer ist der sozialpolitische Sprecher der CSU. Wenn er mit seiner Kompetenz etwas sagt, müssten Sie hinhören.
Die Gleichen, die eben geschimpft haben, habe ich vor wenigen Wochen, am 3. Oktober 2003 in der Stadthalle im Rotehornpark noch „Edmund! Edmund!“ grölen hören. Jetzt ist Ruhe eingekehrt; denn was er sagt, passt Ihnen zurzeit nicht ins Konzept.
Meine Damen und Herren! Die SPD hat sich im Gegensatz dazu auf einen Umbau des Sozialstaates festgelegt. Das ist ein großer Unterschied, sowohl in der Grundphilosophie als auch in den Details. Die CDU will die Kopfpauschale. Wir wollen die solidarische Bürgerversicherung.
Herr Scharf, schreiben Sie ruhig mit; denn Sie haben die Kopfpauschale als zweitbeste Lösung bezeichnet. Damit haben Sie mich sogar noch unterstützt.
Bei Ihnen soll jeder das Gleiche zahlen, der Pförtner wie der Geschäftsführer. Bei uns sollen die Starken mehr zahlen als die Schwachen.
Meine Damen und Herren! Blicken wir einmal auf die Finanzierung der Pläne der CDU. Herr Böhmer, Sie haben das Vorziehen der Steuerreform bisher mit dem Argument abgelehnt - Herr Lukowitz tat dies eben auch -, dass die Steuerausfälle für den Landeshaushalt nicht verkraftbar seien. Dann erklären Sie mir aber einmal, wie die durch die Merz'schen Reformen entstehenden Steuerausfälle verkraftet werden sollen.
Wir wissen, dass dieses Konzept für die öffentlichen Haushalte Mindereinnahmen in Höhe von 22 Milliarden € bis 25 Milliarden € mit sich bringen wird. Weitere 27 Milliarden € kommen dann durch die steuerfinanzierten Ausgleichsleistungen beim Kopfpauschalenmodell für die Krankenversicherungen hinzu. Wenn man das zusammenrechnet, kommt man für Sachsen-Anhalt leicht auf ein Defizit in Höhe von 900 Millionen €.
Herr Ministerpräsident, angesichts dieser Zahlen müssen Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen doch insgeheim hoffen, dass die CDU im Bund nie wieder mitregiert, sodass diese Zahlen nie eintreten können.
Herr Lukowitz, Sie haben mich gefragt, wie man den Fehlbetrag aus der Steuerreform ausgleichen könnte. Dazu gibt es doch klare Aussagen.
Es gab ein Subventionsabbaugesetz, das im Bundesrat gescheitert ist. Damit hätten wir schon Mittel freischaufeln können.
Es gibt Koch/Steinbrück. Man kann die Vorschläge von Koch und Steinbrück, die drei Jahresscheiben, in einer Jahresscheibe zusammenfassen und hat gleich 12 % Einsparungen.
Hiermit kämen wir auch ein Stück weiter. Es gibt durchaus Reserven, gerade beim Subventionsabbau, die man nutzen könnte, wenn man nur will.
Meine Damen und Herren! Der Haushalt, so sagte mein Vorgänger Fikentscher - er wird heute gern zitiert; daran sieht man auch, welche weisen Sprüche er uns die ganzen Jahre über hier vorgetragen hat; die haben heute noch Bedeutung -, ist die in Zahlen gegossene Politik der Landesregierung. An dem Haushalt muss sich erkennen lassen, welche Prioritäten eine Landesregierung setzt, wohin das Land zukünftig gehen soll.
Schauen wir uns also diesen Haushalt an. Wo setzt die Landesregierung nun ihre Prioritäten? Die Haushaltskonsolidierung ist es jedenfalls nicht. Die Schulden
wachsen von offiziell ausgewiesenen 750 Millionen € im Jahr 2003 auf 950 Millionen € im Jahr 2004 an.
(Herr Tullner, CDU: Lehrerkonten! - Frau Mitten- dorf, SPD: Nun ist es aber genug damit, dass Sie alles auf die Lehrerkonten abwälzen!)
- Zu den Lehrerkonten habe ich Ihnen schon einmal etwas gesagt. Wenn man hierbei geschickter verhandelt hätte, hätte man das auf vier Jahre strecken können; dann hätte man die Belastung in diesem Jahr nicht gehabt.
(Lachen bei der CDU - Herr Borgwardt, CDU: Dass wir sie überhaupt haben! - Weitere Zurufe von der CDU)
Im vergangenen Jahr hat der Finanzminister angekündigt, dass die Verschuldung in diesem Jahr auf 375 Millionen € sinken soll. Davon ist nicht mehr die Rede.
Meine Damen und Herren! Auch wenn man die Wirtschaftspolitik an der Investitionsquote misst, ist Fehlanzeige. Auch hierfür gibt es keine Prioritätensetzung. Die bereinigte Investitionsquote liegt im Jahr 2004 bei 19,2 %. Herr Paqué, dabei haben Sie sich schlechter verkauft, als Sie sind; denn Sie sprachen von 18,7 %. Die Investitionsquote liegt noch bei 19,2 %. Das ist die niedrigste Investitionsquote seit dem Bestehen des Landes Sachsen-Anhalt.
Bedenkt man, dass die CDU in der Vergangenheit jede Absenkung der Investitionsquote durch die SPD-Landesregierung als „Tabubruch“ geißelte, so wird deutlich, wie weit bei dieser Landesregierung Anspruch und Realität auseinander klaffen.
Unvergessen, Herr Paqué, ist Ihre Kritik aus Ihrer Sturmund-Drang-Zeit als Wirtschaftsprofessor in Magdeburg - Herr Bullerjahn sprach, glaube ich, von Ihrer „bunten Apo-Zeit“. Damals geißelten Sie uns bei einer Investitionsquote von mehr als 21 %. Wir reden mit Ihnen schon gar nicht mehr darüber, was Sie anrichten.
Unvergessen wird für mich auch bleiben, wie Sie sich in der letzten Landtagssitzung selbst dafür lobten, dass unsere Investitionsquote höher sei als die der alten Länder. Ich weiß, das klingt jetzt gemein, aber ich sage es trotzdem: