„Aber es ist einfach so wichtig, das noch einmal zu betonen: Mit diesem Nachtragshaushalt kehren wir, die Regierung Sachsen-Anhalts, zu den Prinzipien von Bilanzwahrheit und Haushaltsklarheit zurück.“
„Jetzt ist Schluss mit systematischen Überschätzungen von Einnahmen und systematischen Unterschätzungen von Ausgaben.“
„Es ist Schluss mit dem Verdecken von Risiken und mit dem Verstecken von Risiken. Es ist Schluss damit, dass man einfach hofft, dass die Dinge besser werden. Man orientiert sich vielmehr an den realen Zahlen und Fakten.“
So der Finanzminister im Juli 2002 vor diesem Hohen Hause, unterstützt heute von Herrn Gürth mit seinen Zwischenrufen. In großer Pose wurde allen Haushaltsrisiken abgeschworen.
Wie sieht die Realität nach anderthalb Jahren aus? In der „FAZ“ vom 4. Dezember klagt der ehemalige Drachentöter kleinlaut, er wisse nicht, wo er noch sparen solle. - Das erste wahre Wort von Ihnen! Sie wissen es wirklich nicht, davon bin ich überzeugt, Herr Paqué. Aus dem furchtlosen Drachentöter ist ein echter Drachenzüchter geworden.
und wir wissen von vielen Stellschrauben, an denen nicht nur gedreht wurde, sondern die auch überdreht worden sind.
Beginnen wir mit den Einnahmen und hierbei mit den Erlösen aus der Veräußerung von Beteiligungen. Unrealistische 40,7 Millionen € sind hierfür eingestellt. Im Vorjahr hatten Sie sogar 97,7 Millionen € eingeplant. Jetzt bin ich nicht auf dem aktuellen Stand; ich weiß nur den Stand vom Oktober 2003. Damals lagen die Einnahmen bei 85 000 €. Das ist weniger als 1 %, also nichts. Ich wollte es kaum glauben, als ich das gelesen habe. Vielleicht hat sich das inzwischen verbessert. Vielleicht hören wir das auch. Herr Scharf notiert sich ja bereits die aktuellen Zahlen.
Oder nehmen wir die Einnahmen aus Geldbußen bei Einzelplan 11, die in der Bereinigungssitzung ohne Begründung mal eben um 2 Millionen € angehoben wurden.
wenn sie nicht mehr weiterkommen. Mit Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit, lieber Herr Paqué, hat das jedenfalls nichts zu tun.
Oder nehmen wir einige Ausgabenblöcke. Ich nenne das Haushaltsrisiko globale Minderausgabe. Es wurde natürlich doch eine globale Minderausgabe eingestellt, die mit 98,9 Millionen € knapp 1 % des Haushaltsvolumens beträgt.
Ganz anders bei den Haushaltsresten. Diese wurden nicht eingestellt, obwohl es eigentlich geboten gewesen wäre. Sie, Herr Lukowitz, haben sich vorhin auf Herrn Seibicke bezogen. Das tue ich auch einmal. Der Landesrechnungshof hat gefordert, dass ca. 50 bis 100 Millionen € für Ausgaben, die aus dem Jahr 2003 übertragen werden, in den Haushalt 2004 einzustellen sind.
Oder nehmen wir das Haushaltsrisiko Absenkung der Zinsausgaben. Trotz eines beträchtlichen Aufwuchses bei der Gesamtverschuldung werden im Vergleich zu diesem Jahr 20 Millionen € weniger eingestellt.
Nächstes Haushaltsrisiko: Entnahmen aus dem Grundstock - mit 27 Millionen € laut Landesrechnungshof viel zu hoch veranschlagt. - Herr Gürth, wo bleiben Ihre Zwischenrufe?
Für den Verlustausgleich 2003 - voraussichtlich ca. 200 Millionen € - hat diese Landesregierung auch keine Vorsorge getroffen.
Herr Lukowitz, ich habe Ihnen genau zugehört. Ich höre Ihnen ja gern zu. Wir kennen uns ja schon so viele Jahre und ich habe Freude an Ihren Reden. Sie hatten eine sehr schöne Auflistung zum Haushalt: ehrlich, transparent, ich weiß nicht, was es noch war. Nicht ein Wort davon stimmt!
Meine Damen und Herren! Wer in Kenntnis dieser Risiken unbeirrt weiterfährt, ist ein finanzpolitischer Geisterfahrer. Bei abgefahrenen Reifen, mit durchgeschnittenen Sicherheitsgurten und trotz fehlender Airbags noch strahlend am Steuer sitzen - das kann nur unser Finanzminister.
Meine Damen und Herren! Das Jahr 2003 war ein verlorenes Jahr für dieses Land, 2004 wird es ebenso sein - aber nicht nur deshalb, weil die Regierung mit ihrem finanzpolitischen Latein am Ende ist, sondern auch deshalb, weil sie in der Wirtschaftspolitik wenig vorankommt.
Auch hierauf muss in der heutigen Debatte hingewiesen werden: Die größte Schwäche dieser Landesregierung ist und bleibt, dass sie es nicht geschafft hat und nicht schaffen wird, Sachsen-Anhalt wirtschaftlich voranzubringen und mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Darunter leiden die Menschen im Land am meisten.
Meine Damen und Herren! Die wirtschaftliche Situation in Sachsen-Anhalt wird weiterhin äußerst pessimistisch beurteilt. Von einer Verbesserung der Stimmung in der Wirtschaft und von Aufbruchstimmung kann keine Rede sein.
Laut Erhebung des „Wirtschaftsspiegels“ vom November 2003 beurteilen 65,1 % der Unternehmer die aktuelle wirtschaftliche Situation als schlecht und weitere 34,3 % als weniger gut. Auch die Erwartungen der Unternehmer für die Zukunft sind ausgesprochen pessimistisch. 42,2 % der Unternehmer erwarten eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation in SachsenAnhalt.
Das heißt, die ursprünglichen Hoffnungen der Wirtschaft, die mit dem Regierungswechsel verbunden waren, sind bitter enttäuscht worden. Das ist für das Land so schlimm, dass wir als Sozialdemokraten keinen Grund haben, uns darüber zu freuen.
Ganz anders sieht die Wirtschaftsprognose für den Bund aus. Hierbei dominiert ausweislich des vom Münchner Ifo-Institut ermittelten Geschäftsklimaindex bundesweit die Hoffnung auf eine baldige konjunkturelle Besserung.
Meine Damen und Herren! Warum stehen wir in Sachsen-Anhalt im Bundesvergleich schlechter da als andere Länder? Aus den Reihen der Wirtschaft hat sich hierzu IHK-Präsident Hieckmann geäußert. Er hat sich besorgt über den Landeshaushalt gezeigt und die viel zu niedrige Investitionsquote kritisiert. Zitat: „Der Haushaltsentwurf wird nicht dazu beitragen, die Zukunftschancen des Landes zu verbessern.“
Diese Landesregierung kann dem Wirtschaftswachstum keinerlei Impulse geben. Das Bruttoinlandsprodukt ist
laut Meldung des Statistischen Landesamtes im ersten Halbjahr 2003 sogar real um 0,2 % zurückgegangen. Damit steht Sachsen-Anhalt schlechter da als der Durchschnitt. In Sachsen hingegen stieg das Bruttoinlandsprodukt um 1,4 %, in Thüringen immerhin um 0,8 %. Sachsen-Anhalt bewegt sich also nicht im Gleichschritt mit den anderen neuen Bundesländern, sondern bleibt weiter zurück.
Das Versagen der Landesregierung macht sich auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Sachsen-Anhalt trägt weiterhin die rote Laterne der Arbeitslosigkeit. Die Zahl der Erwerbstätigen in Sachsen-Anhalt ist sogar noch weiter zurückgegangen. Im Jahr 2002 waren 15 300 Personen weniger beschäftigt als im Jahr 2001. 251 000 Menschen sind gänzlich ohne Beschäftigung. Dem standen nur rund 7 600 offene Stellen gegenüber. Mit 19,3 % lag die Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt um 0,6 % höher als im November des vergangenen Jahres.
Um dieses ernüchternde Bild irgendwie erklären zu können, bemüht Minister Dr. Rehberger gern die Mär vom bösen Bund, der die ABM-Mittel bei uns stärker gekürzt habe als anderswo - ganz abgesehen davon, dass es irgendwie grotesk ist, dass gerade ein liberaler Wirtschaftsminister nach mehr Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ruft.
Ein Blick in den Haushalt 2004 zeigt die fehlende Belastbarkeit solcher Aussagen. Vom Bund wird unser Land 2,5 Millionen € für aktive Arbeitsmarktpolitik zusätzlich erhalten.
Es ist die Landesregierung, meine Damen und Herren, die die Landesmittel für aktive Arbeitsmarktpolitik im gleichen Zeitraum um 15,7 Millionen € zurückfährt. Die höhere Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt, insbesondere im Vergleich zu Mecklenburg-Vorpommern, ist also in diesem Fall hausgemacht. Verantwortlich dafür ist diese Landesregierung und niemand anders.
Meine Damen und Herren! Leider sind Sie unserem Antrag, die Mittel für die Unterstützung arbeitsmarktpolitischer Instrumente der Bundesanstalt für Arbeit gegenüber den Regierungsentwurf um 5 Millionen € aufzustocken, nicht gefolgt. Wir werden ihn heute trotzdem wieder stellen. Es geht uns dabei insbesondere um das Programm „Aktiv zur Rente“. Wir haben erfahren, dass dieses Programm zwar weiter läuft, dass aber der Platz, wenn jemand ausscheidet, nicht mehr besetzt werden kann und dadurch Projekte sterben. Diese wollen wir retten. Deshalb soll der entsprechende Ansatz um 5 Millionen € aufgestockt werden.
Meine Damen und Herren! Um ihre erschreckende wirtschaftspolitische Bilanz zu verdecken, greift die Landesregierung, allen voran wieder der Wirtschaftsminister, jetzt zu zweifelhaften Taschenspielertricks. Es wird lauthals verkündet, die Zahl der Gewerbeanmeldungen sei um 8,7 % auf 14 780 gestiegen. Verschwiegen wird aber, dass darunter mit Stand vom 30. Oktober 2003 2 700 Ich-AGs sind. Ohne diese durch die Bundespolitik geförderten Ich-AGs würde das Bild noch völlig anders aussehen. Herr Rehberger. Sie müssen es also verdammt nötig haben, wenn Sie immer auf solche Art von Taschenspielertricks zurückgreifen.
Aber diese Strategie der Koalition kennen wir bereits zur Genüge. Für Positives trägt die Landesregierung die Verantwortung, an allem Negativen ist der Bund Schuld.
Meine Damen und Herren! Der Ministerpräsident lässt seinen Wirtschaftsminister auch gern mit der gestiegenen Zahl an eingegangenen und bewilligten Fördermittelanträgen werben. Entscheidend ist aber, in wie vielen Fällen tatsächlich Fördermittel geflossen sind und in wie vielen Fällen ein Projekt begonnen und auch beendet wurde. Was sagt nun die Statistik? Bis zum 3. November 2003 sind rund 30 % der Fördermittel noch nicht abgeflossen.
Meine Damen und Herren! Es war der Kollege Scharf, der die Politik der Landesregierung im Landtag unlängst wie folgt kommentierte: In schlechten Zeiten kann man keine gute Politik machen. - Vielleicht war es ein Lapsus. Ich weiß es nicht.