Protokoll der Sitzung vom 01.04.2004

(Zustimmung von Frau Budde, SPD, und von Frau Fischer, Naumburg, SPD)

Ammendorf ist leider nur ein Beispiel für die Situation, in der sich auch andere Betriebe im Land befinden. Ich nenne nur MKM oder den Automobilzulieferer Rege in Magdeburg.

Herr Rehberger, es nützt nichts, immer nur mit den Investitionen der Zukunft zu prahlen, immer nur von der prall gefüllten Pipeline zu sprechen

(Minister Herr Dr. Rehberger: Das ist Quatsch!)

und darüber die Gegenwart der Betriebe und ihrer Mitarbeiter zu vergessen.

(Minister Herr Dr. Rehberger: Das sagen Sie ge- gen besseres Wissen! Das ist unfair!)

Sachsen-Anhalt, ein Musterland für Investoren -

(Minister Herr Dr. Rehberger: Wider besseres Wissen! - Zurufe von Herrn Bischoff, SPD, und von Herrn Kühn, SPD)

ich sage Ihnen, das ist noch ein ganz langer Weg. Solange in diesem Land noch mehr Arbeitsplätze wegfallen, als neue hinzukommen, sollten Sie den Mund nicht zu voll nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Ich könnte jetzt die ganzen Versprechen von CDU und FDP aus dem Wahlkampf aufzählen. Ich habe meiner Fraktion versprochen, es nicht zu tun.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD - Frau Weiß, CDU: O Gott!)

Aber wenn Sie es wollen, mache ich es hinterher.

(Frau Weiß, CDU: Ja, machen Sie!)

Eine gefährliche Philosophie offenbart sich in Ihrem Beitrag zum Handlungskonzept „Nachhaltige Bevölkerungspolitik in Sachsen-Anhalt“. Dort treffen Sie folgende Aussage:

„In der volkswirtschaftlichen Lehre wird die Meinung vertreten, dass der Strukturwandel am besten dem Markt überlassen wird.“

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Oh, oh!)

„Eine Marktlösung stellt sicher, dass die Teilnehmer über die richtigen Informationen verfügen und die richtigen Ansätze haben, um die notwendigen Entscheidungen zu treffen.“

Ich hoffe sehr, Herr Dr. Rehberger, dass sich Ihr wirtschaftspolitisches Konzept nicht in dieser Lehrbuchweisheit erschöpft.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Herrn Dr. Thiel, PDS)

Es wäre ein Offenbarungseid. Es wäre ein Hinweis für all die Firmen, die zukünftig in Schwierigkeiten geraten werden und auf die Unterstützung der Landesregierung bei der Bewältigung ihrer Probleme hoffen.

Der Erhalt bestehender Unternehmen muss auch in Zukunft ein Schwerpunkt der Wirtschaftspolitik des Landes sein. Der zweite Schwerpunkt ist die zielgerichtete Förderung zukunftsträchtiger Branchen.

Auch die SPD steht für eine Konzentration der Wirtschaftsförderung, das heißt für eine Konzentration auf Branchen, das heißt für eine regionale Konzentration. In Zeiten knapper werdender Mittel müssen wir uns in der Förderung auf die Wachstumskerne konzentrieren, ohne das flache Land zu vernachlässigen. Zu dieser Problematik hat der Herr Ministerpräsident keine Aussagen getroffen.

Aus meiner Sicht sind auch zukünftig Maßnahmen notwendig, die insbesondere dem ländlichen Raum zugute kommen. Trotz aller Konzentration darf es zu keiner Abkopplung der schwächeren Regionen kommen. Neben den Zentren Halle, Magdeburg und Dessau gibt es eben zum Beispiel auch die Altmark, in der es auch in Zukunft lebenswerte Strukturen geben muss.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Dr. Thiel, PDS)

Dazu, meine Damen und Herren, gehören auch die Schulen. In den nächsten Jahren werden über 260 Schulen in diesem Lande geschlossen. Es ist nicht zu verstehen und nicht zu akzeptieren, warum es CDU und FDP nicht möglich war, mit uns einen parteiübergreifenden Kompromiss in den Fragen der Schulentwicklungsplanung zu erzielen.

(Zustimmung von Herrn Bischoff, SPD, und von Frau Dr. Kuppe, SPD)

Das ist schade, das ist Politik gegen den ländlichen Raum, die wir auch in Zukunft nicht akzeptieren werden.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Was können wir uns in Zukunft nicht mehr leisten? Das ist die zweite Gretchenfrage, die sich natürlich auch die SPD stellt. Wir können uns auf allen Verwaltungsebenen nicht mehr so viel Personal leisten, wir müssen auch hier mit den Kosten deutlich herunter. Herr Bullerjahn hat ausgerechnet, wo wir

landen müssten, wenn wir im Jahr 2020 noch einigermaßen handlungsfähig bleiben wollen.

Die Landesregierung hat mit dem Lehrertarifvertrag und dem allgemeinen Tarifvertrag zur Arbeitszeitverkürzung richtig gehandelt und den Haushalten der kommenden Jahre Entlastung verschafft. Dies muss konsequent fortgesetzt werden.

Schwieriger wird es beim Thema Investitionen in die Infrastruktur. Hier dürfen sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Ich meine damit insbesondere das Thema Abwasser. Aufgrund falscher Einschätzungen und Planungen von Einwohnerzahlen, von Gewerbeentwicklungen sind Anlagen entstanden, die teilweise völlig überdimensioniert sind.

Wir sind verpflichtet, jede neue Investition zu hinterfragen. Ich rede hierbei nicht von Sanierungsmaßnahmen bei Dorf- oder Kreisstraßen, ich rede von großen Infrastrukturprojekten, die möglicherweise auf falschen Planungsgrundlagen basieren. Ich hoffe für uns alle nur, dass zum Beispiel bei der Planung von Umgehungsstraßen die Bevölkerungsprognosen bis zum Jahr 2020 berücksichtigt worden sind.

Ein Thema, welches hierbei eine Schlüsselrolle spielt, ist natürlich die Verwaltungs-, Funktional- und Kommunalreform. Der Ministerpräsident hat heute hierzu ausführlich Stellung genommen, leider ohne sich zeitlich festzulegen. In der Sache haben Sie unsere Vorstellungen zur Kreisgebietsreform de facto eins zu eins übernommen, und das freut mich ehrlich, Herr Ministerpräsident.

(Zustimmung bei der SPD)

Herzlich willkommen - um einen Spruch von Ihnen aufzunehmen - in der Allianz der Realisten.

Zu dieser späten Einsicht müsste man Ihnen fast gratulieren, wäre da nicht die Tatsache, dass Ihre Politik des Zögerns und Zauderns das Land, die Kommunen insgesamt vier bis fünf Jahre gekostet hat.

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Bull, PDS)

Auch heute vermisse ich das klare Wort, dass eine Kreisgebietsreform zum 1. Januar 2007 in Kraft treten kann.

Herr Lukowitz, Ihr Koalitionspartner FDP, fordert dies in Übereinstimmung mit uns, ich glaube, auch mit der PDS. Das heißt, Herr Böhmer, das heißt, Herr Scharf - hören Sie bitte genau zu -, eine Landtagsmehrheit will die Kreisgebietsreform noch in dieser Legislaturperiode unter Dach und Fach bringen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Bull, PDS, und von Herrn Dr. Thiel, PDS)

Nur die CDU und ihre Minister sind noch nicht so weit und verstecken sich hinter fadenscheinigen Argumenten. Ich verstehe ja, warum: Da gab es die Versprechungen im Wahlkampf, da gab es einen störrischen Innenminister, der bis heute noch nicht begriffen hat, dass die Reform gebraucht wird. Ich verstehe sie, aber das ist trotzdem keine Erklärung dafür, was sie jetzt tun.

Meine Damen und Herren! Es ist interessant zu beobachten, wie die große CDU von der kleinen FDP - man sieht es hierbei ganz deutlich - am Nasenring durch die politische Manege geführt wird.

(Zustimmung bei der SPD - Lachen bei der CDU)

Zwei Tage vor der Regierungserklärung prescht die FDP vor

(Herr Kühn, SPD: Weil die innovativ sind!)

- dazu gibt es Vergleiche, aber noch nie in der Koalition - und sorgt für einen Wutanfall bei Herrn Böhmer und Herrn Scharf.

(Herr Bullerjahn, SPD: Die Diskussion kennen wir ja!)

Der Terminplan der FDP ist allerdings leicht zu durchschauen. Sie wollten endlich einmal wieder einen eigenen landespolitischen Akzent setzen. - Die CDU freut sich, wenn ich das sage.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD)