Protokoll der Sitzung vom 01.04.2004

Unter diesem Aspekt haben wir auch unsere Investitionsbank konzipiert. Wir wollen konsequent umsteuern von der direkten Subvention mit Steuerngeldern - aus welchem Programm auch immer - zu verschiedenen Formen von Darlehensprogrammen und Eigenkapitalhilfe durch ein Angebot von Beteiligungshilfen. Förderanträge - ich sage das aus gutem Grund -, deren Finanzierungskonzept auf 50 % Steuersubventionen und zu 50 % auf noch zu akquirierendem Fremdkapital aufgebaut ist, in dem eine Rendite von über 18 % nach Steuern versprochen wird, sind aus meiner Sicht eher sittenwidrig, aber mit Sicherheit nicht förderfähig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung von der Regierungsbank)

- Ich freue mich, dass Sie applaudieren. Aber wenn es der eigene Wahlkreis ist, sieht manches anders aus.

Ich sage das deswegen so deutlich, weil es schon jetzt Diskussionen darüber gibt, dass wir nicht mehr so großzügig fördern können wie bisher.

Für den Wertschöpfungsbereich wird eine Förderung weiterhin notwendig sein, auch im Hinblick auf die bevorstehende EU-Osterweiterung. Schon jetzt gibt es Betriebe in Sachsen-Anhalt, die ihre Arbeitsplätze nur deshalb noch in Sachsen-Anhalt halten können, weil sie arbeitsintensive Teilbereiche in Tochterbetriebe in den benachbarten Niedriglohnländern ausgelagert haben. Dieser Problemdruck, meine Damen und Herren, wird in nächsten Jahren größer werden.

Für uns ist es deshalb überlebenswichtig, dass wir auch nach der EU-Erweiterung noch die Beihilfekonditionen der Förderregion 1 behalten und dass für die vom statistischen Effekt betroffenen Regionen Übergangslösungen mit Fördermittelanspruch geschaffen werden. Sowohl die Bundesregierung als auch eine Mehrheit der alten Bundesländer unterstützen diese unsere Forderung bisher nicht. Unterstützt wird sie aber - bisher wenigstens - durch den für die europäische Strukturpolitik zuständigen EU-Kommissar Barnier. Gestern Abend habe ich in den Nachrichten gehört, dass Herr Barnier zum neuen französischen Außenminister ernannt worden ist. Für die neuen Bundesländer heißt das: Sie haben einen wesentlichen Förderer in Brüssel wahrscheinlich verloren.

In diesem Bereich befinden wir uns gegenwärtig in schwierigen Gesprächen, von deren Ergebnis die weitere Entwicklung der neuen Länder wesentlich abhängen wird.

Mit der inzwischen errichteten Investitionsbank wollen wir haushaltsunabhängige Finanzierungsquellen er

schließen. Auf der Basis ihrer Eigenkapitalausstattung kann sie zusätzlich Förderdarlehen ausreichen, die sie am Kapitalmarkt refinanziert. Das wird aber auch verlangen, dass wir mehr als bisher das Rating der mit uns verbundenen Finanzinstitute pflegen.

Wir waren während der letzten Jahre nicht erfolglos. Die Investitionspolitik der letzten beiden Jahre wird auch von den Wirtschaftsinstituten anerkannt. Das für dieses Jahr vorbereitete Investitionsvolumen ist erheblich.

Bei der Vermittlung von Ausbildungsplätzen hatten wir mit über 98 % die beste Quote aller neuen Länder. Die Zuwachsraten strukturbestimmender Branchen waren gut, die Zahl der Betriebe und das Umsatzvolumen sind aber eindeutig noch zu niedrig.

Ein Wachstum ist kaum noch aus der Inlandsnachfrage zu erwarten. Wie andere Landesregierungen auch, nutzen wir jede Gelegenheit, um unseren Betrieben Außenhandelskontakte einzufädeln. Von 1993 bis 2002 sind die Exporte aus Sachsen-Anhalt nur im 156 % gestiegen. Ich sage „nur“, weil es in Sachsen im gleichen Zeitraum 392 % waren. Wir versuchen jetzt mit großen Nachdruck, in diesem Bereich aufzuholen.

Richtig stolz können wir auf unsere Ernährungswirtschaft sein. Die Umsatz- und die Beschäftigtenzahlen sind in jedem Jahr gewachsen. In dieser Branche arbeiten ca. 20 % der Erwerbstätigen unseres Landes.

Dass sich das Land aus der Agrarmarketinggesellschaft teilweise zurückziehen und die Anteile privaten Unternehmen übertragen konnte, ist für mich der letzte Beweis für den Übergang zu sich selbst tragenden Wirtschaftsstrukturen zumindest in dieser Branche und damit ein Beweis für eine gelungenen Förderpolitik. Wie mühsam es ist, auch gegen verbohrte Ideologen eine innovative Landwirtschaftspolitik durchzusetzen, haben Sie in den letzten Tagen miterlebt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Einige Aussagen zur Bildungspolitik und zur Hochschulpolitik. Die notwendigen Umstrukturierungen in der Schulpolitik sind auf den Weg gebracht.

Aufgrund der erheblich rückläufigen Schülerzahlen war und ist die Schließung von Schulstandorten unvermeidlich. Im Jahr 1994 hatte beispielsweise die Stadt Magdeburg noch ca. 49 000 Schülerinnen und Schüler in 128 Schulen. Nach den Prognosen werden es im Jahr 2009 noch ca. 20 000 Lernende sein, für die nach gegenwärtiger Planung noch 73 Schulen vorgehalten werden sollen. In anderen Regionen des Landes ist die Entwicklung ähnlich.

Deshalb gilt unser Dank auch von dieser Stelle aus den Stadträten und Kreistagen, die diese schwierigen und fast immer emotionsgeladenen Strukturentscheidungen treffen mussten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Die Stundenzahlen in den Schulen für die Fächer Deutsch und Mathematik wurden deutlich erhöht. Damit haben wir auf die häufige Kritik aus Handwerks- und Wirtschaftsverbänden reagiert. Ab dem 3. Schuljahr soll flächendeckend Fremdsprachenunterricht angeboten werden. Ich denke, für das Zusammenwachsen in Europa ist das unverzichtbar. Für unsere Kinder bieten

sich dadurch zusätzliche Gestaltungschancen für ihr eigenes Leben.

Im Hochschulbereich sind die Profilierungsdiskussionen noch nicht völlig abgeschlossen. Auch hierbei hoffe ich sehr, dass wir zu einer solidarischen Strukturanpassung kommen werden. Als kleines Land können wir uns keine Mehrfachstrukturen mit inneren Konkurrenzkonflikten leisten.

Ähnliche Diskussionen gibt es zurzeit in mehreren Bundesländern. Außenstehende Beobachter dieser Entwicklung muss es irritieren, wenn die jeweilige Opposition dabei gerade das fordert, was sie in der Gestaltungsverantwortung in einem Nachbarland selbst ablehnen muss.

Wir wollen unseren Hochschulen helfen, indem wir eine Reihe von Servicefunktionen in einem Wissenschaftszentrum für alle vorhalten und dadurch Effizienzgewinne mobilisieren. Dazu wird auch eine gemeinsame Liegenschaftsverwaltung für den Hochschulbereich gehören.

Das Anbieten von Fort- und Weiterbildungsleistungen gegen Gebühr, besonders für Interessenten aus der Wirtschaft, muss auch bei uns möglich sein, bevor die begrenzte Nachfrage danach von anderen Anbietern gedeckt wird. In diesem Bereich haben wir die Möglichkeit, Modellregion für innovative Problemlösungen zu werden. Die Hochschulen sollen Unternehmen gründen und sich an Unternehmen beteiligen können. Durch die abgeschlossenen Zielvereinbarungen erhalten die Hochschulen im öffentlichen Dienst eine privilegierte Stellung, weil sie von den Vorschriften der Haushaltsführung ausgenommen sind.

Für die Hochschulklinika wird ein Konzept der komplementären Kooperation entwickelt. Dabei geht es nicht nur um Zielvereinbarungen für den Hochschulbereich in den Kliniken, sondern auch um die betriebswirtschaftliche Autonomie für den medizinischen Versorgungsbereich.

Durch Technologietransferzentren und durch die Förderung von Existenzgründungen aus den Hochschulen heraus, gemeinsam mit Kammern, mit Wirtschaftsverbänden und mit Gebietskörperschaften, wollen wir erreichen, dass möglichst viele unserer Absolventen im eigenen Land eine Perspektive finden.

Meine Damen und Herren! Noch einige Ausführungen zu den so genannten Selbstverwaltungsstrukturen im Land Sachsen-Anhalt. Noch immer verwalten wir uns zu personal- und kostenintensiv.

Sowohl im Bereich der Landes- als auch der Kommunalverwaltung liegt unser Personalbestand über dem Durchschnitt aller anderen Flächenländer. Durch Tarifvereinbarungen ist uns ein begrenzter solidarischer Personalabbau gelungen. Ich darf hinzufügen: Einige andere Länder, wie Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, sind zurzeit dabei, unter Hinweis auf die Tarifvereinbarungen in Sachsen-Anhalt ähnliche Verhandlungen zu führen.

Dieser Personalabbau ist aber noch nicht ausreichend und erfordert weitere konsequente Rationalisierungsmaßnahmen.

Schwierig gestaltet sich die Kommunalisierung von bisher auf Landesebene wahrgenommenen Aufgaben. Im Umweltbereich sind die Vorbereitungen so weit vereinbart, dass wir das im Jahr 2005 umsetzen können. Dazu

gehören die grundsätzliche Genehmigungszuständigkeit der unteren Wasserbehörden für die Einleitung kommunaler und gewerblicher industrieller Abwässer sowie die Genehmigung und Überwachung von Anlagen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz.

(Frau Mittendorf, SPD: Na ja!)

Dadurch soll eine ganzheitliche Bearbeitung in den Landkreisen erreicht werden.

Durch die Hilfe der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung war es möglich, mit den kommunalen Spitzenverbänden einen Modus des Personalübergangs durch einen vereinfachten Ausgleich für die Personal- und Sachkosten auszuhandeln. Ein erstes Funktionalreformgesetz soll dazu möglichst noch vor der Sommerpause in den Landtag eingebracht und damit Ihnen vorgelegt werden. Die Kommunalisierung weiterer Aufgaben ist für einen späteren Zeitraum vorgesehen.

Zu erheblichen Personaleinsparungen wird - wenigstens mittelfristig - die Zusammenführung von Hoch- und Tiefbau in einem Landesbetrieb Bau ab dem 1. Januar 2005 führen. Erstmals ist in diesem Jahr ein Bedarfsplan für die Landstraßen einschließlich der Brücken und der straßenbegleitenden Radwege erarbeitet worden. Dazu gehören immerhin 3 800 km Landstraßen mit 1 100 Ortsdurchfahrten und fast 700 Brücken, von denen mehr als 70 % noch nicht saniert sind.

Damit notwendige Maßnahmen nicht an der Finanzsituation der Kommunen scheitern müssen, wurde zu dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz ein Sonderprogramm aufgelegt, mit dem eine Entlastung hinsichtlich des Kofinanzierungsanteils der Kommunen erreicht werden kann.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP und von der Regierungsbank)

Im Sozialbereich bereiten wir eine Zusammenführung der Aufgaben der örtlichen und der überörtlichen Träger der Sozialhilfe vor, die von einer so genannten Sozialagentur koordiniert werden soll und ein erster Schritt zur völligen Kommunalisierung sein wird.

Zur Effizienzverbesserung der kommunalen Verwaltungsstrukturen werden wir nach der Reform der Verwaltungsgemeinschaften in einem späteren Schritt auch eine Reform der Kreisgebietsstrukturen durchführen. Das ist notwendig, nachdem, bedingt durch die demografische Entwicklung, mehr als die Hälfte der gegenwärtigen Kreise weniger Einwohner haben, als in den Leitbildvorgaben der letzten drei Gebietsreformen vorgesehen war.

Unser Zeitplan sieht vor, in dieser Legislaturperiode die Verwaltungsreform im Wesentlichen abzuschließen und die Gebietsreform vorzubereiten. Dazu gehört auch die Aufarbeitung der Stadt-Umland-Problematik, soweit dafür ein Handlungsbedarf besteht. Alles das, was zur Vorbereitung einer Gebietsreform durch den Gesetzgeber notwendig ist, soll noch in dieser Legislaturperiode begonnen werden - mehr aber auch nicht.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP und von der Regierungsbank)

Es ist nämlich ein Unterschied, ob man eine Reform am Schreibtisch konzipiert oder ob man sie praktisch umsetzt.

(Beifall bei der CDU - Minister Herr Dr. Daehre: So ist es!)

Es wäre, so denke ich, ein Fehler, wenn wir uns nur noch mit uns selbst beschäftigen und den notwendigen wirtschaftlichen Aufbau des Landes nur noch als zweitrangig ansehen würden.

(Beifall bei der CDU)

In Bezug auf die Stadt-Umland-Problematik sind wir zurzeit dabei, die Konfliktfelder zu erfassen.

(Lachen bei der SPD - Frau Mittendorf, SPD: Schön! - Herr Bullerjahn, SPD: Nach 14 Jahren! - Herr Dr. Püchel, SPD: Das ist ein Fortschritt!)

- Entschuldigung, meine Damen und Herren, Sie haben alle noch die Gelegenheit, das zu sagen, was Ihnen wichtig erscheint. Wenn Sie von 14 Jahren sprechen, verehrter Kollege, dann fällt mir dazu furchtbar viel ein. Das wird mich aber jetzt nicht aus dem Konzept bringen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP - Zuruf von Herrn Bullerjahn, SPD - Minister Herr Dr. Daehre: Davon haben Sie acht Jahre regiert!)

Dann muss entschieden werden, meine Damen und Herren, mit welchen Instrumenten diese Probleme gelöst werden. Es widerspräche Artikel 87 unserer Verfassung, alle Wünsche der großen Städte nur mit Zwangseingemeindungen zu erfüllen.