Protokoll der Sitzung vom 01.04.2004

Die Errichtung der Investitionsbank Sachsen-Anhalt ist ein weiterer wesentlicher liberaler Faktor zukünftiger Mittelstandspolitik.

Dagegen - das sage ich auch klar und deutlich - stehen die vielen Tagesnöte der Klein- und Kleinstunternehmen, die täglich um das wirtschaftliche Überleben kämpfen müssen. Dagegen stehen solche riesigen Probleme wie gegenwärtig in Halle-Ammendorf - dazu ist heute schon einiges angesprochen worden - oder Doppstadt oder KSR Automotive oder Rege Magdeburg, um nur einige zu nennen. Teilweise zeichnet sich offensichtlich bei MKM auch eine Besorgnis erregende Situation ab.

Also: Zeit und Anlass zum Zurücklehnen oder zur Zufriedenheit ist keinesfalls vorhanden. Am Ende werden wir alle fast ausschließlich daran gemessen, ob im Saldo spürbar neue Arbeitsplätze in Sachsen-Anhalt entstanden sind oder nicht.

Insofern hat das Rehberger-Ministerium bei aller gelegentlichen, auch berechtigten Euphorie noch deutlich alle Hände voll zu tun, und das weiß Horst Rehberger auch. Deshalb sollte für die weitere Regierungsarbeit innerhalb der Koalition gelten:

Erstens. Das Prinzip der Gießkannenförderung hat endgültig ausgedient, meine Damen und Herren. Masse durch Klasse ersetzen zu wollen taugt nicht mehr. Deshalb geht es nunmehr um die Konzentration der staatlichen Förderung auf Schwerpunktbranchen und -regionen, so wie es der Wirtschaftsminister angekündigt hat und schrittweise auch schon praktiziert.

Zweitens. Dem Schwergewicht Mittelstand ist eine deutliche Priorität einzuräumen. Dazu ist unter anderem die Investitionsbank zu dem zentralen eigenständigen Förderinstitut zu entwickeln. Wir erwarten eine deutliche Bündelung von Förderprogrammen und vor allem eine Einheit von Beratung und Finanzierungsbegleitung für den sachsen-anhaltischen Mittelstand.

Drittens geht es uns um eine wesentlich effektivere Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft, insbesondere in der Grundlagenforschung und Produktentwicklung als Ausgangspunkt für Startups oder als Anreiz für interna

tional tätige Unternehmen. Ein Vorschlag dazu wäre: 30 % der staatlich finanzierten Grundlagenforschung sollten produktgebunden werden.

Viertens. Wir brauchen neue Impulse in der OsteuropaInitiative. Osteuropa ist - ich glaube, Herr Scharf hat das vorhin schon angeschnitten - für uns in erster Linie nicht eine wirtschaftliche Bedrohung, sondern eine wirtschaftliche Chance.

Einen letzten Punkt halte ich in diesem Zusammenhang noch für besonders wichtig: Das ist unser Wirtschaftsprojekt Mitteldeutschland. Auf die Zukunftskonferenz, die kürzlich in Halle stattgefunden hat, ist schon hingewiesen worden. Dort hat der Aufsichtsratsvorsitzende der Regionenmarketing Mitteldeutschland GmbH, Herr Groot, gefordert, die Länder müssten schneller und besser zusammenarbeiten, die Wirtschaft in Mitteldeutschland brauche Dynamik. Dieser Forderung schließe auch ich mich in vollem Umfang an.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Waren Sie dort? Waren Sie bei der Veranstaltung?)

- Ich habe gut nachgelesen, Herr Püchel. Das machen Sie doch auch manchmal, oder?

Zu einem weiteren Schwergewicht liberaler Politik, der Bildung und Wissenschaft. Hierbei sind wir - das sagen wir ganz deutlich - im Land deutlich vorangekommen. Die dabei sehr engagierte, öffentliche und breite Diskussion war zweifelsohne notwendig und für die Entscheidungsfindung unabdingbar. Wir haben budgetiert, wir haben die Hochschulautonomie gestärkt, was ein urliberales Prinzip ist. Wir werden morgen - davon gehe ich mit Sicherheit aus - ein zukunftsweisendes Hochschulgesetz beschließen, in dem auch Strukturen justiert werden, die die Innovationskraft unseres Landes deutlich unterstützen werden und die wir uns - das ist besonders wichtig - tatsächlich auch dauerhaft leisten und die wir auch bezahlen können, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP und von Frau Wy- brands, CDU)

Gleiche Maßstäbe haben wir an eine deutliche Korrektur der Bildungs- und Schulpolitik angelegt. Wir haben einen klaren Schlussstrich unter alle Abarten der schon sprichwörtlich gewordenen „Kuschelpädagogik“ gesetzt und Schule wieder mit einem klaren Leistungsanspruch versehen. Das sind wir gerade als Landespolitiker unserer ganz jungen Generation einfach schuldig.

Die Regierung hebt in letzter Zeit familienpolitische Akzente sehr hervor. Entsprechende Vorschläge wurden heute ja vom Ministerpräsidenten und von meinem Kollegen Scharf vorgestellt. Das unterstützen wir prinzipiell, ganz ohne Frage,

(Herr Dr. Püchel, SPD: Aber?)

doch wählen wir auch bei der Beurteilung dieser wichtigen Problematik einen ganzheitlichen Ansatz: Die FDPFraktion geht davon aus, dass Familienpolitik nur als Teil einer Bevölkerungspolitik insgesamt sinnvoll ist und nur im Zusammenhang mit einer primären Arbeitsmarktpolitik, Wirtschaftspolitik einerseits und einer innovativen Bildungspolitik andererseits zu bewerten und auch im Detail zu entscheiden ist.

Zu einem letzten Punkt - meine Damen und Herren, ich muss auf die Uhr gucken -: Verwaltungsmodernisierung. Diese hat ja heute schon eine große Rolle in der Debatte gespielt. Ich bin, meine Damen und Herren, so vermes

sen zu behaupten: Keine andere Landesregierung zuvor hat die Verwaltungsmodernisierung so konsequent und zeitnah vorangetrieben

(Lachen und Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

wie unsere Koalition in nur zwei Jahren.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Sie müssen auch ernst bleiben dabei!)

- Ich erläutere das ja jetzt noch, Herr Püchel.

(Zuruf von Herrn Gallert, PDS)

Mit der unglaublich zügigen Überführung - Sie haben das ja nicht geschafft - der drei Regierungspräsidien in ein Landesverwaltungsamt und einer zukunftsgewinnenden Verwaltungsreform auf gemeindlicher Ebene ist wirklich ein beachtlicher Schlag, der auch über die Landesgrenzen hinaus gut beachtet wurde, gelungen.

(Zuruf von der SPD: Ach ja!)

- Das ist ja ein großes Paket insgesamt, das sollte man wirklich nicht kleinreden, ich halte das auch für verkehrt.

Doch jetzt dürfen wir - dazu stehe ich auch - uns nicht ausruhen und auch nicht vor unliebsamen Entscheidungen drücken. Eine Koalition, die sich zu einem Landesverwaltungsamt und zu großen leistungsfähigen Verwaltungsverbünden auf Gemeindeebene und großen Einheitsgemeinden bekannt hat, darf rein logischerweise vor einer Gebietsneuordnung der Kreisgebietslandschaft und vor einer klar subsidiär orientierten Funktionalreform nicht zurückschrecken, meine Damen und Herren. Genau deshalb hat die FDP-Landtagsfraktion sich aufgemacht, Hilfen in die Hand zu geben, die dazu geeignet erscheinen, noch in dieser Legislatur zu klaren und eindeutigen gesetzgeberischen Entscheidungen zu gelangen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der SPD - Herr Dr. Püchel, SPD: Aha!)

- Es kann ja auch einmal zwischen Koalitionspartnern nicht deckungsgleiche Vorstellungen geben.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Sie werden sich auch durchsetzen, ja?)

Dazu hat die FDP-Landtagsfraktion vor zwei Tagen ihr umfassendes Leitbild der Öffentlichkeit vorgestellt und präsentiert. Lieber Herr Kollege Püchel, abschließend von mir: Ich kann Sie zumindest in zwei Punkten beruhigen. Zum ersten hat der Ministerpräsident heute deutlich gemacht, wie nahe die Koalitionspartner auch bei dieser wichtigen Frage mittlerweile wieder beieinander stehen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Zu- rufe von Herrn Püchel, SPD, und von Herrn Gal- lert, PDS)

- Das muss Herr Scharf mit dem Ministerpräsidenten regeln. Das ist seine Angelegenheit. Ich habe heute gespürt, dass wir doch eine sehr große Nähe in unseren Vorstellungen haben.

(Lachen bei der SPD - Herr Dr. Püchel, SPD: Ei- ne richtige Männerfreundschaft!)

Zweitens, lieber Herr Dr. Püchel, wollen wir - wenn Sie unser Leitbild richtig gelesen haben - diesen Reformprozess - im Jahr 2007 die Kreisgebietsreform und im Jahr 2008 die Funktionalreform - umsetzen. Dafür ist es notwendig - und davon gehen wir aus -, dass dann die

FDP in Sachsen-Anhalt noch in diesem Landtag ist und wahrscheinlich auch in der Regierung. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Lukowitz. - Für die Landesregierung - - Bitte sehr, Herr Ministerpräsident.

Frau Präsidentin! Entschuldigung, meine Damen und Herren, wenn Sie mich so auffordern, dann muss ich ja wohl, aber eigentlich wollte ich nicht.

(Herr Bullerjahn, SPD: Sie wollten nicht?)

Ich will das mal ganz ehrlich sagen: Ich habe natürlich meine Aufgabe darin gesehen, zuzuhören. Das ist klar, und ich gehe immer davon aus, es könnte auch von der Opposition einmal ein richtig guter Vorschlag kommen, den man sich nicht entgehen lassen sollte.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Haben Sie einen gehört?

(Zuruf von der CDU: Nein!)

Damit mir nur nichts entgangen ist. Den einzigen vernünftigen Vorschlag - der Osteuropa betraf - habe ich jetzt von Herrn Lukowitz gehört. Das ist nämlich ganz wichtig für die nächste Zeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Da werden wir aufpassen müssen, dass wir da mit dabei sind. Aber alles andere war doch rhetorische Akrobatik, Wunschdenken.

Am schönsten hat es bei uns in Sachsen-Anhalt die PDS. Die war ja eigentlich immer Opposition. Die war nie in der Verantwortung. Die war früher einmal gestaltende Opposition - das haben wir alles gehört -, aber so richtig in der Verantwortung war sie nicht. Und selbst Sie wissen, dass das ein Fehler war, dass Sie sie nicht in die Verantwortung genommen haben. - Nicht? - So ist das.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)