Protokoll der Sitzung vom 16.09.2004

Ich weiß doch im Innersten, dass Sie das Problem genauso haben, wie es jeder andere Wirtschaftsminister hätte: Sie haben einfach kein Geld mehr. Sie werden diese Entscheidung umsetzen und irgendwann sagen müssen: da und da nicht.

(Minister Herr Dr. Rehberger: Ganz so schlimm ist es nicht!)

Dann, denke ich, müssen wir uns diesen anderen Streit gar nicht leisten.

Deswegen wäre es wirklich richtig - das ist der Beginn der Debatte, die Frau Budde und andere in der SPD auch öffentlich führen -, das zu diskutieren, übrigens dann auch die Fördermittel auf die Zentren und auf die Bereiche zu konzentrieren - wir reden immer über Innovation -, die tatsächlich innovativ sind. Dabei gibt es Unterschiede.

Ich will ganz kurz zum nächsten großen Ausgabenbereich kommen, zu den Personalausgaben. Da bin ich mir der Tragweite dessen, was ich hier sage, schon bewusst. Jede Landesregierung in den vergangenen 14 Jahren hat die Personalausgaben als Problem identifiziert. Jede Landesregierung musste bzw. muss den schwierigen Weg gehen zwischen Konsolidierung und Verantwortung gegenüber dem Personal.

Aber in einem, Herr Ministerpräsident, sind Sie nicht konsequent. Sie wissen, hoffe ich, genauso gut wie ich, dass bis zum Jahr 2020 ein viel stärkerer Personalabbau notwendig ist, als er bisher öffentlich immer proklamiert worden ist. Es gibt die Zielzahl von 55 000. Sie haben in den letzten Jahren nicht mehr und nicht weniger gemacht als die Regierungen vor Ihnen. Sie haben die gleichen Instrumentarien genutzt.

(Herr Scharf, CDU: Nicht weniger! Mehr! - Herr Gürth, CDU: Wir haben viel mehr gemacht!)

Ob Sie die Titelgruppe 96 nennen, ob Sie die Beschäftigten auslagern, Sie können sie den Hochschulen aufdrücken, Sie können budgetieren, Sie können wer weiß was machen, die Leute werden trotzdem nur nach den gleichen Prämissen aus dem Dienst ausscheiden.

(Beifall bei der SPD)

Nun können wir darüber stundenlang reden. Ich weiß, dass die Mehrheit sich die Wahrheit durch ihre Mehrheit selber immer wieder einredet.

(Herr Gürth, CDU: War das immer so bei Ihnen?)

- Das habe ich doch vorhin bei Herrn Scharf wieder gehört: Alles, was Sie tun, ist richtig.

Ich will auf eines hinaus: Herr Böhmer, Sie wissen, dass die Zielzahl, die man eventuell im Jahr 2020 vorfinden wird, unter 40 000 sein wird - unter 40 000 Beschäftigten für ein Land wie Sachsen-Anhalt.

(Ministerpräsident Herr Prof. Dr. Böhmer: Aber das schaffen wir in dieser Legislaturperiode nicht! - Frau Dr. Kuppe, SPD: 2020 ist ja nicht 2006!)

- Herr Böhmer, so einfach sollten wir uns das nicht machen. So spaßig sollten wir es nicht machen, noch

dazu, wenn Ihr Finanzminister das Thema immer wieder gegen uns in den Vordergrund schiebt. Wenn er damit lockerer und etwas gelassener umgehen würde, weil er die ähnlichen Instrumentarien hat, dann würde ich das ähnlich tun.

(Herr Gürth, CDU: Wir könnten gelassener sein, wenn Sie früher damit angefangen hätten, ver- nünftige Politik zu machen!)

Aber wenn man den Menschen Sand in die Augen streut und gleiche Mechanismen, wie etwa die Teilzeit, nutzt, dann sollte man an dieser Stelle wirklich zusammenbleiben.

Herr Böhmer, Sie werden trotzdem in den nächsten Jahren erleben, dass Sie - Sie oder Ihr Nachfolger -, wenn Sie Personal in Höhe dieser Zahl abbauen wollen, zuallererst Strukturveränderungen durchführen müssen. Das ist die Grundsatzfrage. Personalentwicklung heißt zuallererst Strukturdiskussion. Dabei geht es um mehr als um die Frage, ob ich Regierungspräsidien auflöse oder ein Landesverwaltungsamt bilde. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Aussetzen der Gebiets- und Funktionalreform Ihr schwerwiegendster und teuerster Fehler in dieser Wahlperiode ist.

(Starker Beifall bei der SPD)

Es ging bei dieser Diskussion darum, auch mittel- und langfristig effizient zu werden. Verwaltungsabbau als ein Beitrag zum Bürokratieabbau ist übrigens die beste Wirtschaftsförderung im Land. Das hören wir von allen Unternehmern. Deswegen ist es wichtig, dieses Ziel zu definieren: Was will ich eigentlich in diesem Land erreichen? Wo will ich einmal hin? - Da bin ich ganz schnell wieder bei meinem Leitbild, letztlich auch bei dem Vorwurf an Sie, dass Sie dieses Leitbild nicht finden, das Leitbild politisch, aber auch verwaltungsstrukturell nicht aufzeigen.

Wir haben ein Leitbild, auch wenn wir darüber in der SPD - das geben ich zu - noch diskutieren. Wir wollen große, leistungsfähige Landkreise. Wir wollen große, leistungsfähige Einheitsgemeinden. Wir wollen starke Städte als Zentren für die Entwicklung auch der angrenzenden Räume. Wir wollen eine zweistufige Verwaltung im Land und insofern ist ein Landesverwaltungsamt dann überflüssig. Damit bin ich wieder bei der Diskussion von eben. Wenn ich diese Diskussion fortführe, dann weiß ich, dass die 2 500 Beschäftigten, die dort tätig sind, auf mittel- bis langfristige Sicht dort keine Arbeit mehr finden werden. Damit bin ich ganz schnell wieder bei dem Zusammenhang mit dem Personalabbau.

(Herr Gürth, CDU: Das Verwaltungsamt, das war doch Ihre Idee!)

Zusätzlich geht es aber auch um die Strukturen der Gerichtsbarkeit, der Finanzämter, der Sparkassen und um vieles andere mehr. Notwendig wird - das sage ich auch ganz offen - eine offene Diskussion um Länderfusionen in ganz Deutschland sein, also auch bei uns.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Kühn, SPD: Hof- fentlich bald!)

Dass mit einer Funktional- und Gebietsreform echte und dauerhafte Einsparungen tatsächlich zu erreichen sind, das zeigt uns das Land Mecklenburg-Vorpommern. Dort geht man davon aus, dass man rund 180 Millionen € pro Jahr einsparen kann. Deswegen ist es müßig, hier über Programmstreichungen in Höhe von 2 bis 3 Millionen €

zu reden, wenn die wirklichen Einsparpotenziale in diesem Landeshaushalt überhaupt nicht genutzt werden.

(Beifall bei der SPD)

Sie können das leugnen oder auch nicht. Ich denke schon, intern wissen Sie es. Die Diskussion um Halle - ich habe es heute gelesen -, die ist irgendwann nicht mehr nachzuvollziehen. Wenn wir die großen Städte im Land Sachsen-Anhalt kaputt machen wollen, dann müssen wir so weitermachen.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt in diesem Parlament eine Mehrheit, dieses auch umzusetzen, eine Verwaltungsreform, eine Funktionalreform voranzutreiben. So habe ich es gehört. Die FDP und ihr ehemaliger Fraktionsvorsitzender waren da schon sehr mutig. Ich würde Sie, Herr Ministerpräsident, bitten: Nutzen Sie diese Möglichkeit, im Parlament Mehrheiten zu schaffen. Nur, zuallererst müssen Sie sagen, wohin es geht. Ihren Äußerungen, die ich der Presse entnehmen konnte, liegt wohl ein Schreiben zugrunde, dass Sie das nicht mehr angehen wollen. Ich würde mich freuen, wenn wir es trotzdem schaffen würden. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern wir haben zuallererst ein Umsetzungsproblem und das ist insbesondere Ihr Problem.

(Beifall bei der SPD)

Einen Komplex möchte ich noch ansprechen. Er betrifft die zukunftsfähige Kinderförderung, die Jugendarbeit und die Hochschulen.

Auch dieser Doppelhaushalt stellt wie seine Vorgänger die Chancen der jungen Generation nicht konsequent genug in den Vordergrund. Sie ziehen es vor - Wulf Gallert und andere haben es schon angesprochen -, dort Gelder zu streichen, wo sie die Bildung und Ausbildung junger Menschen grundlegend vorantreiben sollten.

Ich sage einmal ganz zentral: Sie haben es versäumt - das ist eine Kritik, die wir bei den Hochschulen immer wieder anbringen werden -, vorher mit den Leuten über Inhalte zu reden. Das ist das Grundproblem, aus dem Sie nicht mehr herauskommen.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Das stimmt nun überhaupt nicht! - Herr Tullner, CDU: So ein Quatsch! Wenn wir eines gemacht haben, dann haben wir mit den Leuten geredet!)

- Ich kann immer nur wiederholen: Sie haben alles richtig gemacht; nur wir liegen falsch.

(Frau Budde, SPD, lacht)

Ich werde mir trotzdem erlauben, das zu sagen.

(Herr Scharf, CDU: Wie stehen Sie zu Miester- felds Thesen?)

- Gleich, gleich.

Ich nenne nur Stichworte, die doch alle aufhorchen lassen sollten, gerade bei der Kinderbetreuung: die Frage, ein umfassendes Betreuungs- und Förderangebot zu erhalten, gerade im Vorschulalter; ein funktionierendes Ganztagsschulsystem zu erreichen - all diese Sachen sind doch nun mittlerweile bekannt. Sie stehen jeden Tag in der Zeitung. Hören wir doch mit diesen akademischen Fragen auf.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt komme ich zum KiFöG. Jetzt könnte ich ja sagen: Herr Scharf, wenn Sie so an dieser FDP kleben, nennen Sie mir einen Grund dafür, warum wir diese Diskussion bei uns führen.

Das sage ich Ihnen auch deswegen, Herr Scharf,

(Zuruf von Herrn Scharf, CDU)

- Jetzt seien Sie bitte einmal ruhig! -

(Widerspruch bei der CDU)

weil Sie diese Diskussion in der letzten Wahlperiode auch in Ihrer Fraktion hatten. Ich wiederhole das immer wieder: Sie sind damals den anderen Weg gegangen.

Unsere Fraktion wird - obwohl Sie anscheinend bei der FDP Ihr Zuhause finden - bei dem Kompromiss bleiben, weil wir nämlich an die Kinder denken und nicht an die Frage, welche Mehrheiten hier in Zukunft bestehen werden.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU und von der FDP)