Protokoll der Sitzung vom 15.10.2004

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes über Eingemeindungen in die Stadt Gommern

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 4/1837

Einbringer ist der Minister des Innern Herr Jeziorsky. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung ist durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit beauftragt worden, bis zum 1. Januar 2005 leitbildgerechte Verwaltungsgemeinschaftsstrukturen herbeizuführen. Zur Umsetzung dieses Auftrages ist das Vorliegen hinreichend rechtssicherer gemeindlicher Strukturen unabdingbar.

Problematisch ist vor diesem Hintergrund derzeit unter anderem die zeitvorgabengerechte Gestaltung des Be

reiches des Landkreises Anhalt-Zerbst. Mehrere Gemeinden dieses Landkreises, nämlich Ladeburg, Leitzkau und Dornburg, wollen sich in eine Stadt des Landkreises Jerichower Land, Gommern, eingemeinden lassen. Eine endgültige Entscheidung über diese Eingemeindung und die Landkreiszugehörigkeit der dadurch vergrößerten Stadt Gommern ist auch maßgeblich für die Gestaltung zukünftiger Strukturen im Bereich des Landkreises Anhalt-Zerbst insgesamt.

Nach derzeitiger Rechtslage ist jedoch mit einer solchen Entscheidung nicht in der gesetzlich geforderten Zeitnähe zu rechnen. Zwar haben alle unmittelbar betroffenen Gemeinden und deren Bürger ihren gemeinsamen Willen zu einer solchen Eingemeindung bekundet und entsprechende Beschlüsse gefasst - zum Teil bereits vor etlichen Jahren -, diesem Willen stehen jedoch politische Interessen einzelner anderer Kommunen entgegen. Zum einen will der Landkreis Anhalt-Zerbst den aus einer Eingemeindung und Zuordnung zum Landkreis Jerichower Land resultierenden Verlust von ca. 4 % seiner Fläche und Einwohner nicht hinnehmen. Zum anderen wollen einzelne Nachbargemeinden die aus der Eingemeindung resultierenden Konsequenzen für den künftigen Zuschnitt von Verwaltungsgemeinschaften nicht akzeptieren.

Sowohl der Landkreis Anhalt-Zerbst als auch einige Verwaltungsgemeinschaften und Nachbargemeinden haben deshalb zwischenzeitlich gegen eine bereits erfolgte erste Genehmigung der Eingemeindung durch das Landesverwaltungsamt Rechtsmittel eingelegt. Es muss damit gerechnet werden, dass unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits um die Eingemeindung auch gegen eine nach der Eingemeindung durch das Innenministerium erfolgte Zuordnung der vergrößerten Stadt Gommern zum Landkreis Jerichower Land Klage erhoben würde.

Aufgrund der in dieser Zeit bestehenden Rechtsunsicherheit wären für eben diesen Zeitraum Reformen für den gesamten Bereich des Landkreises Anhalt-Zerbst mit erheblichen Rechtsunsicherheiten und Risiken behaftet. Deshalb ist die Landesregierung nunmehr gehalten, den Gesetzgeber mit der Entscheidung über die Eingemeindungen und die Kreiszugehörigkeit der durch die Eingemeindungen vergrößerten Stadt Gommern zu befassen.

Wenn Sie, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, in der Form des vorgeschlagenen Gesetzentwurfes entscheiden, stünde den vorgenannten Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften und Landkreisen zwar noch die Möglichkeit einer Klage vor dem Landesverfassungsgericht zur Verfügung. Dieses Verfahren würde dann jedoch den Rechtsstreit abschließend beenden. Auch würde eine solche Klage grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung gegen das Gesetz haben.

Das Gesetz wäre damit zu dem Zeitpunkt seines InKraft-Tretens eine hinreichend rechtssichere Grundlage für die Planung von weiteren Verwaltungsreformen. Die im Interesse aller betroffenen Kreise, Gemeinden und Bürger des Landes insgesamt erforderliche Rechtssicherheit würde so schneller und effektiver erzielt werden. Von erheblicher Bedeutung ist es deshalb auch, dass eine solche gesetzliche Regelung möglichst frühzeitig in Kraft tritt.

Zum Verfahrensstand kann ich Ihnen, kurz gefasst, Folgendes mitteilen: Wenngleich die endgültige Entscheidung über den Gesetzentwurf und die damit verbundenen Vorprüfungen, insbesondere die Anhörung der un

mittelbar betroffenen Landkreise, Städte, Gemeinden und Bürger, natürlich dem Gesetzgeber vorbehalten sind, hat mein Haus im Interesse einer umfassenden Vorplanung bereits im Vorfeld die Landkreise AnhaltZerbst und Jerichower Land, die Stadt Gommern sowie die Gemeinden Dornburg, Ladeburg und Leitzkau angehört. Diese äußerten bis auf den Landkreis Anhalt-Zerbst uneingeschränkte Zustimmung zu dem Gesetzentwurf.

Die vom Landkreis Anhalt-Zerbst gegen den Gesetzentwurf vorgebrachten Bedenken konnten auch nach gründlicher Prüfung nicht überzeugen. Dieser benannte insbesondere lediglich Nachteile in einem Umfang, wie sie bei jedem Weggang einer Gemeinde aus einem Landkreis entstehen. Solche „normalen“ Nachteile allein sind jedoch in der Regel nicht geeignet - wie die Gemeindeordnung in § 17 bereits heute vorgibt -, ein öffentliches Interesse zu begründen, welches einer freiwilligen Eingemeindung, wie hier, entgegengehalten werden könnte.

In diesem Sinne bitte ich Sie um eine zügige Ausschussberatung, damit eine fristgerechte In-Kraft-Setzung sichergestellt werden kann. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Minister, für die Einbringung. - Dazu ist eine Fünfminutendebatte vorgesehen. Als erster Redner in der Debatte wird der Abgeordnete Herr Dr. Polte für die SPD-Fraktion sprechen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts dieses Gesetzentwurfes würde ich am liebsten sagen: Warum nicht gleich so?

Am 14. November 2002 - es ist also fast zwei Jahre her - hat die SPD-Fraktion einen Antrag eingebracht, der genau das Anliegen des heute vorliegenden Gesetzentwurfes zum Inhalt hatte, nämlich das Thema kreisübergreifende Gemeindezusammenschlüsse. Der Hintergrund war der Brief des Bürgermeisters von Gommern vom 17. September 2002 genau zu der anstehenden Thematik.

Vielleicht darf ich noch einen weiteren Rückgriff in die Geschichte tun; denn genau diese konkrete Thematik - das hat sich herausgestellt - war schon Gegenstand der Anhörung im Innenausschuss im Jahr 1993/1994. Schon damals wollten diese drei Gemeinden zu Gommern. Damals war es Innenminister Perschau, der andere Gedanken hatte und dies nicht zuließ.

Vor zwei Jahren gab es nun eine Abstimmung: über 80 % Zustimmung in den Gemeinden, Genehmigung des Regierungspräsidiums. Der Herr Innenminister hat aber gesagt: Nein, die Genehmigung wird nicht gegeben. Herr Wolpert sagte damals in der Debatte - -

(Herr Gürth, CDU: Was war eigentlich in den acht Jahren nach 1993? - Herr Borgwardt, CDU: Sie hätten es doch machen können!)

- Jetzt reden wir erst einmal über dieses Gesetz.

(Lachen bei der CDU)

Auf Ihre Frage, Herr Gürth, will ich nachher gern eingehen, aber lassen Sie mich jetzt erst einmal den Gedanken vortragen, damit alle, die diese gesamte Ge

schichte nicht kennen, die nämlich in den acht Jahren lag, diese nachvollziehen können.

Also: Herr Wolpert sah vor zwei Jahren die Grenze für die Freiwilligkeit von Gemeindezusammenschlüssen erreicht, da letztlich nicht der Gemeindewille über die Landkreisgrenzen bestimmen dürfe. - Meine Damen und Herren! Ich frage mich heute natürlich, was eigentlich mit Schkopau ist. In Schkopau ist eine Einheitsgemeinde durch den Herrn Innenminister genehmigt worden. Haben Sie bisher ein Gesetz gehabt, dass das kreisübergreifend beispielsweise zwischen dem Saalkreis und dem Landkreis Merseburg-Querfurt - nun, wo eine Lösung gefunden wurde - in Ordnung geht?

(Minister Herr Jeziorsky: Beide Kreise haben zu- gestimmt, Herr Dr. Polte! - Unruhe bei der CDU)

Beim ersten Mal, sage ich, war eben der Minister „Johann der Beständige“ und jetzt ist er - wie mein Kollege Herr Rothe sagte - zum Beispiel „Ludwig der Springer“.

Mit der Freiwilligkeit ist es schon so eine Plage. Wenn sie Ihnen parteipolitisch nutzt, wird sie lauthals verkündet, zum Beispiel in Wahlkämpfen. Will man politisch aber vorankommen, dann muss man dem einen oder anderen eben auch einmal auf die Füße treten. Die Bereitschaft dafür muss auf allen Seiten da sein. Ich kann nur sagen, dass ich dazu an jeder Stelle immer wieder bereit bin; denn die harte Realität ist so, wie sie ist, und nicht so, wie wir sie uns wünschen.

Leider hat dieser Erkenntnisprozess, der an dem vorliegenden Beispiel deutlich geworden ist, eine ganze Zeit gedauert. Ich verweise jetzt schon - - Nein, das lasse ich.

Wenn es nun inzwischen eine klare Linie in der Frage der Landkreisreform geben würde, Herr Gürth, wäre zum Beispiel die Bildung von Einheitsgemeinden ohne große Rechtsprobleme Landkreisgrenzen überschreitend ohne weiteres möglich. Dann hätten wir dabei viel mehr Klarheit und Richtung; denn sobald die Vergrößerung der Landkreise zu leistungsfähigeren Einheiten in Aussicht genommen würde, hätten diese Streite, die Rechtsprobleme nur noch marginale Bedeutung.

Deswegen begrüßen wir diesen Gesetzentwurf als Lösungsansatz für ein ganz konkretes Anliegen. Es stellt sich natürlich die Frage, ob man nicht einen Gesetzentwurf in Erwägung ziehen sollte, der vergleichbare Fälle grundsätzlich regeln könnte.

Im Hinblick darauf - - Gut. Meine Damen und Herren! Es leuchtet permanent auf dem Rednerpult.

Ich habe nachher noch einmal Gelegenheit, über die Gesamtproblematik zu sprechen, Herr Gürth. Dann kommen wir sicherlich auch noch einmal auf das zurück, was Sie vorhin gesagt haben. Das ist doch die Frage: Wie können wir die Schlagzahl der Reformtätigkeit, der Aktivitäten an dieser Stelle erhöhen? - Das ist dringend nötig. Nicht wahr, Herr Borgwardt? - Danke für die Zustimmung.

(Heiterkeit bei der CDU - Herr Borgwardt, CDU: Wir erhöhen immer die Schlagzahl, Herr Dr. Pol- te!)

Jetzt beantragen wir, dass der Gesetzentwurf in den Innenausschuss überwiesen wird.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Dr. Polte. - Für die FDP-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Ernst sprechen. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Gemeinden Ladeburg, Leitzkau und Dornburg haben sich seit längerer Zeit entschieden, sich von der Stadt Gommern eingemeinden zu lassen. Eine Anhörung der Bürger nach § 17 der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt ergab den mehrheitlichen Wunsch nach Eingemeindung. Die Spitzenverbände haben sich zurückgehalten - das ist verständlich; denn irgendjemandem hätte man auf die Füße treten müssen - und haben auf eine Stellungnahme verzichtet.

Damit wäre eine Eingemeindung unproblematisch, wenn nicht die Zugehörigkeit der einzugemeindenden Gemeinden und der aufnehmenden Gemeinde in verschiedenen Landkreisen läge. Die Problematik liegt also in der Kreiszugehörigkeit, in der Zuordnung, dem Verlust, den der abgebende Kreis vermeintlich erleidet, und dem Zustand, dass die Gemeindeordnung eine einvernehmliche Lösung erfordert.

Um dem Gesetz zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit gerecht zu werden, ist für die Gemeinden Ladeburg, Leitzkau und Dornburg Rechtssicherheit zu schaffen. Es ist ein Unding, Herr Dr. Polte - darin gebe ich Ihnen Recht -, dass der Wunsch einer großen Mehrheit der Bürger der genannten Gemeinden nach Eingemeindung in die Stadt Gommern seit dem Jahr 2000 auf Eis liegt.

Es ist aber eine Tatsache, dass der Landkreis AnhaltZerbst damit einen Verlust erleidet. Ich könnte von der Position der FDP-Fraktion aus sagen: Die Kreise stehen in nicht allzu langer Zeit ebenfalls zur Disposition. Bei diesen Veränderungen werden die Verluste dann keine Rolle mehr spielen.

Der Widerstand ist zu verstehen, aber nicht zu akzeptierten. Da die einzugemeindenden Gemeinden 18,3 % der Einwohner ausmachen, wäre eine Zuordnung zum Landkreis Anhalt-Zerbst nicht nachzuvollziehen.

Die Rechtsmittel, die gegen die vom Verwaltungsamt genehmigte Eingemeindung durch den Landkreis AnhaltZerbst und die Verwaltungsgemeinschaften eingelegt wurden, werden sicherlich auch nach der durch dieses Gesetz erfolgten Eingemeindung und Zuordnung der vergrößerten Stadt Gommern zum Landkreis Jerichower Land eingelegt werden. Die eventuelle Klage vor dem Landesverfassungsgericht würde den Rechtsstreit abschließend beenden. Da die Klage aber keine aufschiebende Wirkung hätte, könnte für die vergrößerte Stadt Gommern Rechtssicherheit für ihre weitere Planung und Entwicklung erreicht werden.

Es ist deshalb sehr wichtig, dass wir dieses Gesetz schnell auf den Weg bringen, damit die Gemeinden zum 1. Januar 2005 ihre Verwaltungsstruktur Einheitsgemeinde, die wir übrigens als besonders effektiv favorisieren und die der Leitvorstellung des Landes entspricht, organisieren und aufbauen können.

Ich bitte Sie um eine zügige Beratung und um Überweisung in den Ausschuss für Inneres. - Danke.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Ernst. - Für die PDS-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Grünert.