Ich will deutlich sagen, dass ich heute für meine Fraktion noch nicht sagen möchte und kann, wie wir uns am Ende der Diskussion in der zweiten Beratung zu diesem Staatsvertrag verhalten werden. Ich will allerdings schon sagen, dass die PDS insgesamt in den ostdeutschen Landtagen diesen Staatsvertrag nicht scheitern lassen wird, weil wir natürlich auch in der Verantwortung stehen, dass dieser Staatsvertrag in der Sache in Kraft tritt, damit überhaupt eine Gebührenerhöhung kommt.
Ich wünsche mir, dass wir uns im Ausschuss sehr nüchtern, aber auch sehr intensiv darüber unterhalten. Deswegen werden wir einer Überweisung selbstverständlich zustimmen. Ich will bei meinen Kollegen jetzt schon anregen, dass wir uns im Ausschuss auch noch einmal eine Anhörung der Anstalten und der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs zu Gemüte führen; denn der Staatsvertrag weicht doch deutlich vom KEF-Vorschlag ab. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für die Eventualität, die Sie mir angeboten haben. - Herr Höhn hat das sehr moderat vorgetragen. Vielen Dank, Herr Höhn.
Wir werden uns über die verfassungsrechtliche Problematik im Ausschuss sicherlich sehr gründlich unterhalten können. Es gibt dazu im Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch - -
Herr Lukowitz, moderieren Sie bitte nicht an. Sie müssten sich jetzt entscheiden. Wenn Sie anfangen, Ihre Rede zu halten, dann können Sie sie nicht mehr zu Protokoll geben. Sie können gern reden, aber ich will sie vorher darauf hinweisen.
denn die Problematik ist spannend und sie wird uns alle noch sehr interessieren. - Also gut. Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich bitte um die Genehmigung, meine Rede zu Protokoll geben zu dürfen.
Vielleicht wollen Sie einen spannenden Krimi sehen, eine kulturgeschichtliche Dokumentation, ein politisches Magazin, ein fesselndes Fußballspiel oder natürlich seriöse Nachrichten aus aller Welt, aber auch aus Ihrer Region - all das beschert uns das duale System im Wettstreit und im Nebeneinander des öffentlich-rechtlichen und des privaten Rundfunks. Lassen Sie mich das Thema etwas anders angehen als mein Vorredner Herr Höhn.
Das duale Rundfunksystem hat in diesem Jahr seinen 20. Geburtstag gefeiert. Im Jahr 1984 nahmen die ersten privaten Radio- und Fernsehkanäle den Sendebetrieb auf. Heute sind in Deutschland rund drei Dutzend Fernsehprogramme empfangbar - eines der umfangreichsten Free-TV-Angebote der Welt. Deutschland ist hier ausnahmsweise einmal Spitze, anders als beispielsweise bei Pisa.
Wir Liberalen verschweigen nicht, dass wir große Anhänger des dualen Rundfunksystems sind und damit auch des privaten Rundfunks. Wir sind also für ausgewogene strukturelle Marktmechanismen in der immer komplexer werdenden Medienwelt. Ich erwähne dies so
prononciert, weil ich umgekehrt auch keinen Zweifel daran aufkommen lassen möchte, dass der öffentlichrechtliche Rundfunk zu den unabdingbaren Voraussetzungen unserer Demokratie und des grundsätzlich zu gewährleistenden Informationsanspruches gehört. Dass dafür sowohl eine angemessene transparente Finanzausstattung als auch eine ständig zu untersetzende Innovationsfähigkeit von ARD, ZDF und Deutschlandradio gewährleistet sein muss, ist gleichermaßen unbestritten.
Nun sind ausgerechnet im 20. Jahr des dualen Systems die Auseinandersetzungen mit besonderer Schärfe und auch - nicht immer ohne politischen Profilierungswert; siehe das so genannte SMS-Papier, das Stoiber/Milbradt/Steinbrück-Papier, und die „Saban-Show“ - im privaten Fernsehen geführt worden. Es bedurfte schon einer nennenswerten diplomatischen Qualität der 16 Ministerpräsidenten und der vielen Unterhändler, um bei der losgetretenen Gesamtdebatte eine belastbare konsensuale Basis nicht nur für die gegenwärtigen Problemlagen, sondern auch für die zukünftigen enormen Veränderungen in einer neuen digitalen Welt aufzuzeigen.
Die Kernpunkte der öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen heißen insbesondere Gebührenentwicklung und deren Zustandekommen sowie eine teilweise semantisch anmutende Kopplung an Strukturfragen und den Grundversorgungs- oder auch Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Natürlich sind Gebührenerhöhungen immer ein „Reizthema“ für die ganze Gesellschaft und das muss auch so sein - für Liberale aber insbesondere. Dass eine Debatte darüber gut ist und auch differenzierend wirkt, zeigt die diesbezügliche Genesis: Anmeldung der öffentlichrechtlichen Anstalten bei der KEF über 2 €, Festlegung der KEF auf 1,09 € und dann die politische Korrektur der Ministerpräsidenten vom 8. Oktober 2004 auf 0,88 €.
Die Politik hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine angemessene Belastung und auch den Schutz der Gebührenzahler, also Sozialverträglichkeit zu garantieren. Die Begründung in dem MPK-Beschluss ging daher dahin, dass die Gebührenerhöhung in das Umfeld einer deutlich angespannten Lage falle, die große Herausforderungen und finanzielle Einschränkungen für alle Teile der Bevölkerung mit sich bringe.
Insofern sind auch die Interventionen der öffentlichrechtlichen Anstalten nur mittelbar; denn immerhin sollen sie durch die Gebührenzahler mit einem Zuwachs von 88 Cent und somit in den nächsten vier Jahren mit 1,4 Milliarden € zusätzlich bedacht werden. Das ist zumindest eine deutlich antipodische Entwicklung im Vergleich zu allen anderen öffentlichen Haushalten - Bund, Länder, Gemeinden.
Auch wenn wir Liberalen eine ganze Reihe unserer Anforderungen an den Staatsvertrag nicht erfüllt sehen, wie zum Beispiel eine klare Entscheidung zur Werbung, Verzicht auf Sponsoring im Abendprogramm, Einstellung der Schleichwerbung, strikte Begrenzung der OnlineAktivitäten, Verringerung der Anzahl von Hörfunkprogrammen etc., und es bei den mittelstandsorientierten Regelungen zum so genannten Hotelprivileg Defizite gibt, halten wir den erreichten Kompromiss mit einer entsprechenden Dynamik auch in der Zukunft für tragfähig.
Einen „Königsweg“ wird es in der Medienpolitik, die ja Ländersache und damit nicht weniger kompliziert ist - 16 Landesregierungen, 16 Landesparlamente -, nicht
geben. Also ist ein Kompromiss gefragt. Nur über die Qualität des vorliegenden Kompromisses sollten wir entscheiden.
Hinzu kommt, dass Europa neue Maßstäbe setzt. Die zuständige EU-Generaldirektion „Wettbewerb“ schlägt laut „neue Töne“ an und fordert mehr „Markt“ in der Medienlandschaft. Die Gebührenfinanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks in Deutschland ist erst einmal unter den Verdacht der beihilferechtlichen Vorteilsnahme gestellt worden. Ich persönlich teile diese Auffassung nicht; aber ihre Umsetzung würde einen komplexen Eingriff vor allem für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bedeuten. Das ist die „europäische Großwetterlage“; diese muss auch landespolitisch von uns entsprechend beobachtet werden.
Für die FDP bleibt in der konkreten Ausgestaltung des vorliegenden Rundfunkänderungsstaatsvertrages entscheidend, dass der Bürger nicht zusätzlich und unbegründet durch weitere staatlich verordnete Gebührenerhöhungen gebeutelt wird, aber auch, dass das duale System auf beiden Seiten dieser beschriebenen Dualität für den Bürger in der nahen und mittleren Zukunft leistungsfähig bleibt. Das gilt also auch für den öffentlichrechtlichen Rundfunk.
Technisch wird dies zumindest eine wirkliche Herausforderung sein. Unmittelbar vor uns steht die zweite Phase der digitalen Revolution mit ihren ungeahnten Möglichkeiten. Ich darf die Schlagwörter nennen: digitales Kabel, DSL, UMTS, digitale Satellitenübertragung, DVB-T - eine nationale Erfolgsgeschichte, die digitale Welt pilgert nach Deutschland.
Programmatisch - das ist für uns sehr wichtig - ist mit dem vorliegenden Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag die Grundfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sein Grundversorgungsauftrag wieder stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt worden. Dies begrüßen wir und wir werden die staatsvertraglichen Regelungen, gekoppelt an die Selbstverpflichtungserklärungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten, trotz der aufgezeigten aktuellen Defizite positiv begleiten.
Der Achte Rundfunkänderungsstaatsvertrag - Sie haben es spätestens an den Beiträgen meiner Vorredner gemerkt -, ist allseits umstritten. Ich glaube es wird die bisher schwerste Entscheidung zur Rundfunkgebührenanpassung.
Die Akteure, die Rundfunkreferenten, die Chefs der Staatskanzleien, ebenso die Ministerpräsidenten, haben sich zum ersten Mal und nach langen Diskussionen entschlossen, von der Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs im öffentlich-rechtlichen Rundfunk abzuweichen und den Parlamenten einen Staatsvertrag mit einer geringeren Erhöhung der Rundfunkgebühr vorzulegen.
Die Aufregung ist entsprechend: Die öffentlich-rechtlichen Veranstalter rufen „Verfassungsbruch!“, drohen mit Klage und mit Programmverlust sowieso. Die privaten Veranstalter halten dagegen und sagen: Viel zu viel Geld! Wer gibt uns was?
Ein kleiner Teil der Gebührenzahler sagt, zu wenig Geld für ein so wichtiges Element unserer Demokratie, dessen Programmbeiträge uns lieb und teuer geworden sind. Eine etwas größere Gruppe sagt, wozu überhaupt noch Gebühren, wir gucken sowieso nur noch die Privaten. Völlig außer sich sind die „Neugebührenzahler“, die als Internet-PC-Eigentümer oder Hotelbetreiber nun auch mit bzw. noch mehr zahlen sollen.
Andere wiederum sagen, die Gebühr ist durch die politische Kürzung zur Subvention geworden und bedeutet das Aus für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der EU.
Viele unterschiedliche Standpunkte, Meinungen und Interessenlagen, die am Ende die Entscheidung der Ministerpräsidenten nicht leicht gemacht haben. Es ist erstaunlich, dass die Länder am Ende einen einstimmigen Kompromissvorschlag vorlegen konnten, aber auch mussten; denn Fakt ist, ein Finanzbedarf bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten besteht akut und eine Entscheidung muss schnell her.
Fakt ist aber auch, dass bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten Einsparpotenziale auch ohne Programmeinschnitte vorhanden sind. Die BBC als Mutter unseres öffentlich-rechtlichen Systems macht gerade vor, wie radikales Sparen aussieht. Na klar, es ist schmerzhaft, mittelfristig über 2 000 Stellen und langfristig bis zu 5 000 Stellen einzusparen; aber es ist - und das hat man bei der BBC erkannt - der einzige richtige Weg zur Sicherung der Zukunft dieser gigantischen öffentlich-rechtlichen Anstalt.
So etwas Schmerzliches würde ich von den deutschen öffentlich-rechtlichen Veranstaltern niemals verlangen, aber die möglicherweise durch den Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag finanzierte Bedenkzeit sollten sie nutzen.
In diesem Sinne freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss für Kultur und Medien und bitte um die Überweisung des Staatsvertrages in denselben.
Auch der Abgeordnete Schomburg bittet die Frau Präsidentin untertänigst, seine Rede zu Protokoll geben zu dürfen.