„In dubio pro libertate“ - im Zweifel für die Freiheit -, heißt es in dem inzwischen bundesweit bekannten Volmer-Erlass.
Meine Damen und Herren! Das ist ein großes Wort. Aber was ist mit der Freiheit der Forschung, zum Beispiel in der Bundesanstalt für Züchtungsforschung in Quedlinburg?
Was ist mit der Berufsfreiheit von Landwirten, die die Chancen der Gentechnik nutzen wollen? - Die Arroganz der grünen Weltverbesserer ist unerträglich.
Nebenbei gesagt: Deren Politik wird den Gang der Welt nicht aufhalten. Aber Wissenschaftler und innovative Unternehmen werden Deutschland verlassen. Die Vernichtung von Arbeitsplätzen hat in Deutschland eine Farbe: Grün.
(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank - Herr Bullerjahn, SPD: Herr Rehberger, wir sind doch nicht im Wahlkampf!)
- Verehrter Herr Bullerjahn, die Tatsache, dass Sie den bevorstehenden Bundestagswahlkampf ohne Koalitionsaussage zugunsten der Grünen führen möchten, ist vielleicht ein erstes Zeichen der Einsicht.
(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank - Herr Bullerjahn, SPD: Sie ha- ben vorhin nicht zugehört, Herr Rehberger!)
Meine Damen und Herren! Wirtschaft ist nicht Selbstzweck. Die Aufgabe der Wirtschaft ist es, die Verbraucher mit den von ihnen benötigten Dienstleistungen und Gütern möglichst optimal zu versorgen.
Um die eigenen wirtschaftlichen Bedürfnisse befriedigen zu können, sind erwachsene Menschen in aller Regel auf ein Erwerbseinkommen angewiesen. Die Arbeit ist
allerdings wesentlich mehr als nur das Mittel dafür, Einkommen zu erzielen; sie gibt dem Leben Inhalt und Sinn.
Der Umstand, dass in Sachsen-Anhalt mehr als 20 % der erwerbswilligen Bürgerinnen und Bürger keinen Arbeitsplatz haben, ist die weitaus schwerste Hypothek, die seit der Wende auf uns lastet. Die Aufgabe, die politischen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass möglichst jeder Arbeitswillige in Zukunft wieder einen Arbeitsplatz erhalten kann, ist deshalb für die Landesregierung die größte Herausforderung, die zu bestehen ist.
Angesichts der insgesamt positiven Entwicklung vor allem im verarbeitenden Gewerbe und in Teilen des Dienstleistungsbereiches können wir auch auf dem Arbeitsmarkt seit 2002 erste Anzeichen einer Trendwende feststellen.
Mit rund 963 700 Erwerbstätigen hatte Sachsen-Anhalt im Jahr 2002 auf dem ersten Arbeitsmarkt den absoluten Tiefpunkt erreicht. Binnen zwei Jahren, also bis Ende 2004, wuchs die Zahl der Erwerbstätigen um 19 000 auf 982 700. Da allerdings parallel dazu die Zahl der Personen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen auf dem zweiten Arbeitsmarkt von 62 000 auf 30 000 zurückgeführt worden ist, ist dieser Aufwuchs bei der Zahl der Erwerbstätigen auf dem ersten Arbeitsmarkt in der Gesamtzahl der Erwerbstätigen noch nicht sichtbar.
Im laufenden Jahr dürfte die Zahl der Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt wieder leicht steigen. Gleichzeitig werden, wie wir wissen, auf dem zweiten Arbeitsmarkt zumindest keine weiteren Maßnahmen zum Abbau der Zahl der dort beschäftigten Personen getroffen, sodass die Gesamtbilanz für das laufende Jahr 2005 erstmals wieder einen leichten Zuwachs bei der Zahl der Arbeitsplätze ausweisen dürfte.
Die Arbeitslosenstatistik zeigt, dass die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt tendenziell besser werden. Im Jahr 2004 konnten wir erstmals seit 1994 die rote Laterne abgeben. Dieser Vorgang ist volkswirtschaftlich gewiss ohne Bedeutung; es ist psychologisch allerdings durchaus hilfreich, dass wir auch hierbei vorankommen.
Angesichts der im zurückliegenden Winter festgestellten Zahl von bundesweit mehr als fünf Millionen Arbeitslosen sowie der acht Regierungsjahre der Vorgängerregierung, in denen Sachsen-Anhalt in keinem einzigen Monat den letzten Platz in der Arbeitslosenstatistik abgeben konnte, darf man getrost auch kleine Erfolge erwähnen, meine Damen und Herren.
Die Tendenz, dass sich Sachsen-Anhalt bei der Arbeitslosigkeit in kleinen Schritten von der letzten Position entfernt, hält auch im Jahr 2005 an. Dies schließt keinesfalls aus - ich halte es sogar für wahrscheinlich -, dass wir bei der Arbeitslosenquote in den Sommermonaten noch einmal um einige Zehntelpunkte hinter Mecklenburg-Vorpommern zurückfallen. Die Gesamtbilanz 2005 hingegen wird zeigen, dass wir uns noch klarer als im Jahr 2004 von der letzten Position entfernen. Wir werden alles dafür tun, weiter voranzukommen; denn auch die vorletzte Position ist nicht die Position, die wir anstreben, meine Damen und Herren.
Zu den positiven Entwicklungen des Arbeitsmarktes tragen vor allem auch tüchtige, gut qualifizierte Nachwuchskräfte bei; deshalb sind die Sicherung angemessener Ausbildungsangebote an die junge Generation, aber auch die anschließende Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt ein zentrales Anliegen der Landesregierung. Leider ist die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland immer noch nicht so weit, dass alle Ausbildungswilligen einen Platz im dualen Ausbildungssystem finden.
Dank des großen Engagements der Kammern und der Verbände unserer regionalen Wirtschaft sowie der umfangreichen ergänzenden Angebote von außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen ist es in den zurückliegenden Jahren in Sachsen-Anhalt aber gelungen, so gut wie alle jungen Menschen mit Ausbildungsplätzen zu versorgen und damit den ersten Platz unter den ostdeutschen Bundesländern zu belegen.
Trotz der schwierigen bundesweiten Rahmenbedingungen ist es im Jahr 2004 darüber hinaus erstmals wieder gelungen, die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze in Sachsen-Anhalt zu erhöhen. Für das enorme Engagement, mit dem alle Beteiligten, insbesondere die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern und die Kammern der freien Berufe, aber auch die vielen von den Kammern vertretenen Betriebe und freiberuflichen Praxen, zu diesem Erfolg beigetragen haben, möchte ich mich auch an dieser Stelle herzlich bedanken.
Die vertrauensvolle Kooperation der Landesregierung mit den Repräsentanten der Wirtschaft und der Gewerkschaften, die wir im Forum für Wirtschaft und Arbeit und in den Branchendialogen pflegen, trägt ganz offensichtlich Früchte. Ich gehe davon aus, dass wir mit einer erneuten gemeinsamen Kraftanstrengung auch im Jahr 2005 die uns gestellte Aufgabe überzeugend lösen werden.
Von unserem Ziel, die Arbeitslosigkeit spürbar zurückzuführen, sind wir natürlich noch weit entfernt. Für den sich nur sehr langsam vollziehenden Besserungsprozess ist in erster Linie ursächlich, dass das Wirtschaftswachstum der Bundesrepublik seit Jahren äußerst gering und das niedrigste aller 25 EU-Staaten ist.
Die Tatsache, dass die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland und in Sachsen-Anhalt erheblich über der Quote in den alten Bundesländern liegt, ist insbesondere auf die traditionell wesentlich höhere Erwerbsquote der ostdeutschen Bevölkerung zurückzuführen. Hinzu kommt, dass die Teilzeitbeschäftigung im Osten eine wesentlich geringere Rolle spielt als in den alten Bundesländern. Zu den Maßnahmen, die das Problem der Arbeitslosigkeit zumindest teilweise lindern können, gehört also auch die Schaffung von mehr Teilzeitarbeitsplätzen.
Ein besonders großes Problem verursachen die Geringqualifizierten, deren Anteil an den Arbeitslosen bundesweit bei 50 % und in Sachsen-Anhalt bei ca. 40 % liegt. Dank unserer sozialen Sicherungssysteme erhalten diese Arbeitslosen Transferleistungen, die je nach persönlichen Umständen einem Stundenlohn von 5 bis 8 € entsprechen. Ein ökonomischer Anreiz, einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz anzunehmen, setzt also Löhne voraus, die zumindest etwas über der Höhe die
ser Transferleistungen liegen. Löhne in dieser Höhe sind für die Unternehmen jedoch angesichts der geringen Qualifikation der Arbeitskräfte nicht akzeptabel.
Es gibt zwei Ansätze, um dem großen Kreis der Geringqualifizierten Arbeit zu verschaffen. Entweder zwingt man die ALG-II-Empfänger gegen einen geringen Zuverdienst zu einer gemeinnützigen Arbeit - genau dies geschieht zum Beispiel bei den so genannten Ein-EuroJobs - oder der Staat zahlt denjenigen, die für sehr niedrige Löhne arbeiten, einen Zuschuss, der sie zusammen mit ihrem regulär verdienten Nettoeinkommen zumindest etwas besser stellt, als wenn sie ihren Lebensunterhalt lediglich über staatliche Transferleistungen beziehen würden.
Diesen Ansatz präferiert die von den Professoren Schöb und Weimann der Otto-von-Guericke-Universtität entwickelte „Magdeburger Alternative“. Die Landesregierung bevorzugt diesen Ansatz ebenfalls, der zu Recht auf eine Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt abzielt und mit dem die negativen Auswirkungen eines zweiten Arbeitsmarktes vermieden werden könnten.
Anders als die „Magdeburger Alternative“, die für die unterste Lohngruppe und damit für einen vom Arbeitsmarkt noch akzeptierten Lohn entwickelt worden ist, setzt die Landesregierung auf Niedriglöhne unterhalb dieser Schwelle sowie darauf, dass nur zusätzliche Arbeitsplätze und nicht parallel dazu eine gleiche Zahl bestehender Arbeitsplätze in dieser Weise subventioniert werden. Mit dem so genannten Einstiegsgeld steht ein Instrument zur Verfügung, das von der in diesen Dingen ausschließlich zuständigen Bundesregierung bereitgestellt worden ist.
Die nächsten Monate werden zeigen, ob alle Beteiligten, die Unternehmer ebenso wie die ALG-II-Empfänger, die kommunalen Gebietskörperschaften ebenso wie die Agentur für Arbeit, dieses Instrument auf breiter Front nutzen werden. Eigentlich liegt es nahe; denn diese Regelung ist vorteilhaft für alle, für die Arbeitslosen, indem sie einen Arbeitsplatz im ersten Arbeitsmarkt sowie ein gegenüber dem ALG II erhöhtes Einkommen erhalten, für die Arbeitgeber, indem sie einfachere Arbeiten zu akzeptablen Kosten erledigen lassen können, und für die öffentlichen Hände, insbesondere die Agentur für Arbeit, indem sie einen geringeren Aufwand haben. Alles spricht also dafür, das Einstiegsgeld auf breiter Front zu erproben.
Mit großer Sorge verfolge ich deshalb die Debatte über gesetzliche Mindestlöhne. Einmal abgesehen davon, dass gesetzliche Mindestlöhne der Einstieg in die Entmachung der Tarifvertragsparteien wären,
würden solche Eingriffe in die Tarifautonomie den Geringqualifizierten jede Chance auf eine Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt verbauen und je nach ihrer Stärke weitere Arbeitsplätze vernichten.
Die Bundesrepublik ist Teil der Europäischen Union und steht in einem weltweiten Wettbewerb. Wer die Arbeitskosten in die Höhe treibt, exportiert deshalb zwangsläufig Arbeitsplätze. Im Rahmen des Kombilohnmodells, das mit dem Einstiegsgeld angeboten wird, kann demgegenüber auch Geringqualifizierten ein regulärer Arbeitsplatz gesichert werden, ohne die Sicherung des Existenzminimums infrage zu stellen. - Der Einführung
Meine Damen und Herren! Erhebliche Rückwirkungen auf den Arbeitsmarkt haben natürlich auch Wanderungsprozesse, die sowohl innerhalb der Bundesrepublik als auch über die nationalen Grenzen hinweg in beträchtlichem Umfang stattfinden. Nach meinem Eindruck wird dieser Vorgang bei uns allerdings viel zu einseitig gesehen. Viele jammern bei jeder passenden oder auch unpassenden Gelegenheit über die Abwanderung. Wanderungsprozesse waren und sind jedoch völlig normal.
Der gebürtige Hallenser Georg Friedrich Händel verbrachte einen großen Teil seines Lebens in London. Der gebürtige Magdeburger Friedrich Wilhelm von Steuben hat seine geschichtliche Bedeutung in den Unabhängigkeitskriegen der USA gewonnen. Otto von Guericke verlebte seine späten Jahre in Hamburg. Umgekehrt stammte Hugo Junkers aus Rheydt am Niederrhein, Philipp Melanchthon aus Bretten in Baden, Johann Sebastian Bach, der viele seiner schönsten Konzerte in Köthen komponiert hat, aus Eisenach.
Die Mitglieder dieses Hohen Hauses - man kann es beliebig erweitern, darin haben Sie völlig recht; aber jetzt bin ich bei Ihnen, meine Damen und Herren - würden staunen, wenn sie einmal untersuchen würden, wo ihre Vorfahren gelebt haben.
Kurz und gut: Wanderungen hat es zu allen Zeiten gegeben. Wir sollten deshalb endlich damit aufhören, über Abwanderungen zu lamentieren. Wir sollten stattdessen zur Kenntnis nehmen, dass Wanderungen normal sind.
Wir sollten ebenfalls zur Kenntnis nehmen, dass den Abwanderungen in hohem Maße Zuwanderungen gegenüberstehen: Im Jahr 2003 sind mehr als 41 000 Menschen nach Sachsen-Anhalt gezogen, mehr als in jedem Jahr seit 1998. Andere merken es offenbar schneller als wir: Sachsen-Anhalt hat viel zu bieten, auch viele interessante Arbeitsplätze.